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Eine Insel für zwei (Teil 2)
Eine Insel für zwei (Teil 2)
Eine Insel für zwei (Teil 2)
Ebook317 pages4 hours

Eine Insel für zwei (Teil 2)

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About this ebook

Neunzehn Jahre alt und auf der Suche nach der großen Liebe: Das ist Andy, als sie Danielle kennenlernt, Besitzerin einer Werbeagentur. Danielle hält Liebe für eine Illusion. Sie lädt Andy zu einer Reise durch die Ägäis ein, doch fordert dafür einen hohen Preis.

Andy lässt sich darauf ein, weil sie Danielle liebt und hofft, dass Danielle auch lernen wird zu lieben. Fast scheint es, als hätte Andys Liebe eine Chance, doch da geschieht etwas Unvorhergesehenes ...
LanguageDeutsch
Publisherédition eles
Release dateApr 29, 2013
ISBN9783941598812
Eine Insel für zwei (Teil 2)

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    Eine Insel für zwei (Teil 2) - Ruth Gogoll

    Ruth Gogoll

    EINE INSEL FÜR ZWEI

    Teil 2

    Originalausgabe:

    © 2006

    ePUB-Edition:

    © 2013

    édition el!es

    www.elles.de

    info@elles.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    ISBN 978-3-941598-81-2

    Es war Samstag. Meine Mutter und ich waren zum Einkaufen in der Stadt. Als wir die Haupteinkaufsstraße herunterkamen – meine Mutter betrachtete die Schaufenster, und ich langweilte mich ein bisschen – sah ich Danielle uns entgegenkommen. Auf der anderen Seite. Sie sah uns nicht.

    Ähm . . . Ich schaute auf meine Mutter, die gerade in die Betrachtung eines Kleides versunken war. Ich versuchte mir gleichzeitig zu merken, welches es war, damit ich es ihr zu Weihnachten schenken konnte, und Danielle im Augenwinkel zu behalten.

    Bislang hatten meine Mutter und Danielle sich noch nie getroffen. Es war kein Thema gewesen. Und wenn ich daran dachte, wie Danielle es gleich zu Anfang vermieden hatte, war es ihr vielleicht auch gar nicht recht.

    Meiner Mutter wäre es schon recht gewesen, das wusste ich. Sie war schon lange neugierig. Aber sie beherrschte sich und hoffte wahrscheinlich, dass ich irgendwann einmal von selbst mit Danielle ankommen würde.

    Ich blickte wieder hinüber. Danielle stand vor einem großen Schaufenster auf der anderen Seite und betrachtete die Auslage. Aber gleich würde sie sich bestimmt umdrehen. Ich musste meine Mutter einfach in die andere Richtung dirigieren, in die nächste Nebenstraße – aber die war leider erst hinter Danielle. Vielleicht sah sie uns gar nicht und ging einfach vorbei?

    In diesem Moment drehte Danielle sich um und sah zu mir herüber. Sie lächelte.

    Meine Mutter drehte sich ebenfalls um und wollte mich auf etwas im Schaufenster aufmerksam machen.

    Ich stand zwischen Danielle und ihr und wusste nicht, was ich tun sollte.

    Für einen Augenblick schien es so, als ob Danielle einfach weitergehen wollte, als sie erkannte, dass ich nicht allein war, so als ob sie mich gar nicht gesehen hätte. Sie tat ein paar Schritte auf der anderen Seite, dann entschied sie sich aber doch anders. Energischen Schrittes überquerte sie die Fußgängerzone und kam auf mich zu.

    Meiner Mutter war inzwischen aufgefallen, dass ich ihrer Aufforderung, das Schaufenster zu betrachten, nicht gefolgt war und in die andere Richtung blickte. Sie folgte meinem Blick und sah Danielle kommen.

    »Hallo«, sagte Danielle freundlich lächelnd zu mir.

    Meine Mutter blickte mich an, und ich kam der unausgesprochenen Aufforderung nach.

    »Das ist – Danielle«, stellte ich beklommen vor. Und dann in die andere Richtung: »Meine Mutter.«

    Die beiden Frauen sahen sich forschend an. Dann streckte meine Mutter die Hand aus. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört«, sagte sie.

    Danielle nahm ihre Hand und blickte meiner Mutter tief in die Augen. »Jetzt weiß ich, woher Ihre Tochter ihr gutes Aussehen hat«, sagte sie mit einem merkwürdigen Timbre in der Stimme.

    Meine Mutter stutzte. »Oh. – Danke«, erwiderte sie dann artig und etwas verwirrt, wie ich sie eigentlich noch nie erlebt hatte.

    Ich sah Danielle an und konnte es nicht fassen: Sie flirtete mit meiner Mutter!

    Sie dehnte das jedoch nicht sehr lange aus. »Ich muss weiter«, sagte sie. »Viel Spaß noch beim Einkaufen.« Sie drehte sich um und entfernte sich in die Richtung, aus der meine Mutter und ich gekommen waren.

    Ich sah meine Mutter an und sie mich. »Sie ist sehr . . . charmant«, sagte meine Mutter dann immer noch verwirrt.

    »Ja. – Das finde ich auch«, erwiderte ich gedehnt. Ich bat meine Mutter »Bleib hier. Ich komme gleich wieder« und rannte Danielle hinterher.

    Als ich sie eingeholt hatte, hielt ich sie am Arm fest. »Danielle.« Sie drehte sich um. »Was sollte das? Du flirtest mit meiner Mutter?«

    Sie lächelte nachsichtig und belustigt. »Ja. Warum nicht? Sie ist eine ausgesprochen attraktive Frau« Sie beugte sich vor und küßte mich leicht auf die Wange. »Genau wie du. Ihr seht euch sehr ähnlich. Und sie ist noch ziemlich jung, kaum älter als ich. Ich hatte schon Geliebte, die weit älter waren als sie.« Sie lachte, als sie mein Gesicht sah. »Keine Angst. Ich werde sie schon nicht verführen.« Sie wirkte ausgesprochen amüsiert, als ob sie das alles nicht ernstnehmen würde.

    Ich sah sie mit offenem Mund an. »Sie ist hetero!« protestierte ich entsetzt. Und außerdem war sie meine Mutter!

    Danielle schmunzelte. »Davon hatte ich auch schon einige.« Sie lachte wieder. »Geh zurück. Sie wartet auf dich. Wir sehen uns nachher.«

    Ich ließ sie gehen, weil ich sowieso zu verdattert war, um sie aufzuhalten. Wir waren für heute Abend verabredet. Bis dahin musste ich mich wohl gedulden.

    Ich ging zu meiner Mutter zurück.

    »Das war Danielle?« fragte sie und schmunzelte.

    »Ja«, sagte ich, immer noch konsterniert, »das war sie.«

    »Sie ist schön«, sagte meine Mutter. »Eine schöne Frau. Sehr beeindruckend. Elegant von Kopf bis Fuß.«

    »Das ist nur – Sie ist für die Stadt angezogen«, sagte ich. »Sie sieht nicht immer so aus.«

    »Aber meistens, schätze ich«, sagte meine Mutter. »Wenn sie die Agentur repräsentieren muss.« Sie schaute mich an, und ihre Mundwinkel zuckten heftig. »Kein Wunder, dass du dich in sie verliebt hast. Sie ist ausgesprochen . . .«, sie zögerte absichtlich, ». . . anziehend.«

    Mir wurde das langsam peinlich. »Mama«, sagte ich gequält, »können wir von etwas anderem reden? Ich kann das jetzt nicht.«

    »Schon gut«, sagte sie. »Aber ich bin froh, dass ich sie mal gesehen habe. Bisher hast du sie ja immer vor mir versteckt.«

    ~*~*~*~

    Als ich Danielle abends sah, wollte ich sie eigentlich zur Rede stellen, aber als sie mich küßte, erschien es mir dann doch nicht mehr so wichtig.

    »Meine Mutter hätte bestimmt nichts dagegen, wenn du zu Weihnachten zu uns kämst«, sagte ich später. »Wenn du keine Familie hast . . .«

    Danielle sah mich an und überlegte eine Weile. »Nein, ich glaube nicht«, sagte sie dann. »Normalerweise fliege ich zum Skifahren, ein paar Tage über Weihnachten, das werde ich wohl auch dieses Jahr wieder tun.«

    »Schade«, sagte ich. Mir zog sich alles zusammen, wenn ich daran dachte, dass ich sie dann etliche Tage nicht sehen würde. »Ich kann nicht Skifahren. Und außerdem will ich Heiligabend bei meiner Mutter sein. Du fliegst sicher schon früher.«

    »Ja«, sagte sie. Sie schwieg eine Weile. »Aber ich könnte auch später fliegen.«

    »Später?« Ich sah sie fragend an.

    »Ja. Dann könntest du mitkommen.«

    Sie vermisste mich! Ich hätte an die Decke schweben können. Sie wollte die paar Tage nicht auf mich verzichten, genausowenig wie ich auf sie.

    »Das . . . das wäre toll«, stotterte ich atemlos.

    »Vielleicht lernst du dann ja Skifahren«, lächelte sie und beugte sich über mich. »In Colorado.«

    »In Colorado?« So sehr ich ihre Küsse schätzte, aber diesen hatte ich gar nicht schnell genug beenden können.

    »Ich fliege nach Aspen – meistens«, sagte sie. »Die Amerikaner sind so lustig zu Weihnachten. Ganz anders als bei uns.«

    »Nach Aspen zum Skifahren.« Ich war baff. Das wollte sie mit mir tun?

    »Wäre der sechsundzwanzigste in Ordnung für dich?« fragte sie. »Oder lieber erst am siebenundzwanzigsten?«

    Diesmal machte ich nicht den Fehler wie beim ersten Mal es noch lange hinauszuzögern. »Der sechsundzwanzigste ist gut«, sagte ich.

    »Fein«, sagte sie. »Dann sage ich Tanja, dass sie für uns beide buchen soll.«

    »Ähm . . . Tanja?« fragte ich. »Muss das sein?«

    Sie blickte mich an. »Vielleicht hast du recht. Das ist sehr offensichtlich, nicht?«

    »Ja«, sagte ich schamhaft errötend. »Sie hat schon den Tisch reserviert und mich angerufen. Sie denkt sich bestimmt sowieso schon ihr Teil.«

    »Eigentlich ist mir das egal«, sagte sie, »aber wenn es dich stört, werde ich die Flüge selbst reservieren.« Sie schmunzelte. »Damit du deinen Seelenfrieden hast.«

    »Das ist alles zuviel für mich«, entschuldigte ich mich. »Heute hast du meine Mutter getroffen, und dann auch noch Tanja und Aspen –«

    Sie unterbrach mich mit einem Kuss. »Schon gut«, sagte sie leise. »Wir machen es so, wie du möchtest. Und jetzt . . .«, sie glitt an mir hinunter und küßte meine Brüste, »machen wir etwas anderes.«

    ~*~*~*~

    Ich war furchtbar aufgeregt, als wir am zweiten Weihnachtsfeiertag zum Flughafen fuhren. Diesmal war es nicht so wie im Sommer. Ich war schon geflogen, und ich kannte Danielle viel besser. Aber Amerika war Neuland für mich. Das kannte ich nur aus dem Fernsehen.

    Ich hatte irgendwann – viel, viel später – einmal hinfliegen wollen, vielleicht die Route 66 entlangfahren mit einem geliehenen Wohnmobil oder einem echt amerikanischen Truck, um Land und Leute kennenzulernen. Wie vieles, was mit Danielle zusammenhing, hatte ich mir die Art, wie ich es jetzt wirklich das erste Mal kennenlernen sollte, nicht träumen lassen.

    Weil Eis und Schnee lagen, fuhren wir diesmal mit ihrem Volvo zum Flughafen, nicht mit dem Jaguar. War schon toll, wenn man so eine Auswahl an Autos hatte, dass man sich nach dem Wetter richten konnte.

    »Warum gehen wir nicht in ein Hotel?« fragte ich zum hundertsten Mal, während wir auf den Abflug warteten.

    Danielle verdrehte genervt die Augen. »Weil ich ein Haus gemietet habe.« Sie kitzelte mich. »Jetzt hör endlich auf. Benimm dich nicht wie ein Kind.«

    »Ich bin ein Kind«, sagte ich, während ich ihre Hände abwehrte. »Ich fliege zum ersten Mal nach Amerika. Das ist eine ganz kindliche Erfahrung für mich.«

    »Dann lass es kindlich sein, aber nicht kindisch«, sagte sie.

    »Aber in einem Hotel werden wir doch viel besser versorgt«, wandte ich ein.

    »Nicht besser als dort«, sagte sie. »Jeden Tag kommt ein Zimmermädchen, macht sauber und räumt auf. Außerdem gibt es einen Service, der für einen einkauft, wenn man selbst kochen will – was ich will. Deshalb brauche ich auch eine Küche. Das hätte ich im Hotel nicht.«

    »Und wie sieht es aus?« fragte ich.

    Sie schmunzelte. »Lass dich überraschen. Das erzähle ich jetzt nicht.«

    »Och, Danielle . . . wie sieht es aus?« bettelte ich.

    »Du bist furchtbar«, sagte sie. »Es sieht aus wie ein Haus, wie sonst?«

    »Du bist gemein«, sagte ich schmollend.

    »Ich weiß«, sagte sie noch mehr schmunzelnd. »Aber ich will dir die Überraschung nicht nehmen. Es ist wirklich schön – soviel kann ich schon verraten.«

    Vor allem war es wahrscheinlich teuer, aber daran wollte ich jetzt nicht denken. Natürlich hätte ich mir das alles ohne Danielle wieder einmal nicht leisten können, aber sie hatte es tatsächlich fertiggebracht, dass ich diesen ganzen Luxus schon fast für selbstverständlich hielt. Man gewöhnte sich schnell an so etwas.

    »Das einzige Problem mit Aspen ist die lange Flugzeit und der Zeitunterschied«, sagte Danielle, als wir im Flugzeug saßen – in der ersten Klasse natürlich. Die Economy Class würde ich mit Danielle sicher nie kennenlernen. »Das hält mich immer fast ab, wieder hinzufliegen, aber dann denke ich an den Pulverschnee und die wunderbare Landschaft und tue es doch.« Sie lachte ein wenig. »Wie kann man einem Ort widerstehen, dessen Werbespruch ist: Fresh Air served daily? Ich wünschte, ich hätte den erfunden.«

    »Da sieht man mal, was Werbung ausmacht«, sagte ich lächelnd und sah sie an. »Das muss dir ja gefallen.«

    »Tja, wenn man in meiner Branche ist«, sagte sie, »weiß man nie so genau, was man wirklich bewirkt. Es gibt tausend Statistiken über den Einfluss von Werbung auf das Verhalten der Kunden, aber trotzdem weiß man nichts Genaues. Weil man in die Köpfe der Leute nicht hineinschauen kann. Warum kaufen sie ein Produkt wirklich? Wegen der Werbung oder weil die Nachbarin es gesagt hat? Das weiß man nie.«

    »Hauptsache, deine Auftraggeber denken, es hat einen Einfluss«, sagte ich.

    »Das ist richtig«, sagte sie. »Solange es genügend Aufträge gibt, mache ich mir auch nicht allzu viele Gedanken darüber. Obwohl man natürlich bei jeder neuen Kampagne überlegen muss, wie man die potentiellen Käufer erreicht. Irgendwie hoffen wir ja doch immer, dass unsere Arbeit eine Bedeutung hat.« Sie seufzte ein wenig.

    »Deshalb gehe ich lieber in den Journalismus«, sagte ich. »Da weiß man, dass die eigene Arbeit eine Bedeutung hat. Dafür braucht man keine Statistiken zu wälzen.«

    »Bist du sicher?« fragte sie und zog die Augenbrauen hoch. »Was ist so bedeutungsvoll am Journalismus? Also wenn ich manchmal diese Berichte sehe, die die abliefern, dann habe ich da so meine Zweifel.«

    »Na ja«, sagte ich, »es gibt verschiedene Arten von Journalismus. Mein Vorbild ist Antonia Rados. Die ist toll. Und deren Berichte sind immer fundiert und interessant – und unabhängig. Sie lässt sich ihre Meinung nicht vorschreiben. So etwas möchte ich auch einmal tun.«

    Sie sah mich mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an. »Antonia Rados ist Kriegsreporterin«, sagte sie. »Sie hätte schon x-mal erschossen oder von einer Bombe getroffen werden können. Wenn ich mich an ihre Berichte aus Bagdad erinnere – wie sie da zum Teil geradezu im Bombenhagel stand . . .« Sie schauderte ein wenig.

    »Ja, eben«, sagte ich. »Ist doch spannend. Kein langweiliger Bürojob.« Ich sah sie schnell an. »Oh, entschuldige, ich wollte damit nicht sagen, dass dein Job langweilig ist, nur weil du hauptsächlich im Büro arbeitest.«

    »Oh danke vielmals«, entgegnete sie amüsiert. Dann wurde sie wieder ernst. »Seit wann bist du so abenteuerlustig? Ich dachte immer, du wärst eher schüchtern.«

    »Bin ich auch«, sagte ich. »Aber seit einiger Zeit –«, ich sah sie an, »ist eine ganze Menge Abenteuerlust hinzugekommen.«

    Sie musste wissen, dass ich sie damit meinte, aber sie sagte nichts dazu.

    »Wann kommen wir an?« fragte ich.

    »In Denver sind wir um drei Uhr nachmittags«, sagte sie. »Da müssen wir umsteigen nach Aspen. Der Flug dauert dann nicht mal mehr eine Stunde.«

    »Drei Uhr?« Ich schaute auf meine Armbanduhr. »Das ist ja schon in zwei Stunden. So schnell geht das?«

    »Nur, wenn man sich von der Enterprise beamt«, sagte sie lachend. »Du musst die acht Stunden Zeitunterschied abziehen. Drei Uhr Ortszeit, meinte ich. Nach unserer Zeit sind wir etwa gegen Mitternacht in Aspen, aber dort ist es dann so etwa vier Uhr nachmittags.«

    »Ach du lieber Himmel!« sagte ich.

    »Ja.« Sie schmunzelte ein wenig. »Und dann bleib mal wach, bis dort Schlafenszeit ist. Da hat man ganz schön mit dem Jet Lag zu kämpfen.« Sie deutete auf mein Handgelenk. »Du solltest deine Uhr besser jetzt gleich umstellen, dann fällt es dir leichter, dich auf die neue Zeit einzustellen.«

    Ich nahm meine Uhr vom Arm und stellte sie acht Stunden zurück. Laut Zifferblatt war es jetzt fünf Uhr morgens – was nicht sein konnte, weil ich genau wusste, dass ich da noch im Bett gelegen und tief und fest geschlafen hatte. Es war schon merkwürdig mit dieser Zeitumstellung. »Wie lange dauert es, bis man sich auf die neue Zeit eingestellt hat?« fragte ich. »Wir sind ja gar nicht so lange dort.«

    »Ja, das ist ein Problem«, sagte sie. »Aber es hilft, wenn man viel draußen an der frischen Luft ist, in der Sonne. Und das ist man beim Skifahren ja meistens. Dann klappt es ganz gut. Je heller das Licht ist, desto besser bleibt man wach.«

    »Na, da bin ich ja mal gespannt«, sagte ich.

    »Wirst schon sehen«, sagte sie. »Es geht. Natürlich wäre ein längerer Aufenthalt besser, denn erst nach einer Woche hat man sich richtig umgestellt. Aber leider habe ich dafür keine Zeit.« Sie sah mich an. »Du kannst ja noch länger dableiben, wenn du willst.«

    »Ohne dich?« Ich sah sie entgeistert an. »Was soll ich denn da?«

    Sie sah mich an, als ob ich etwas höchst Überraschendes gesagt hätte. Dann wandte sie sich ab und blickte den Gang hinunter, um die Stewardess zu rufen.

    Ich hätte schwören können, dass sie schluckte. Was war los? Was hatte ich gesagt? Es war doch wohl selbstverständlich, dass ich nicht ohne sie in Aspen bleiben wollte. Wie schön es auch immer dort sein mochte, das wichtigste daran war sie. Wusste sie das denn nicht? Mit ihr wäre ich überall glücklich gewesen. Ohne sie war ich es nicht – egal wo.

    Die Stewardess kam, und Danielle ließ sich von ihr einen Kaffee bringen.

    »Kaffee?« fragte ich. »Kein Whiskey?«

    Sie sah mich schon wieder so merkwürdig an. Anscheinend sagte ich heute immer das Falsche.

    »Heute nicht«, sagte sie. »Du solltest auch Kaffee trinken. Zum Wachbleiben.«

    Der Flug war im Vergleich zu meinem ersten Flug mit ihr nach Griechenland endlos lang. Aber endlich kamen wir in Denver an. Das Umsteigen auf dem Flughafen ging schneller als auf einem Bahnhof, und schon saßen wir im Flugzeug nach Aspen. Langsam ging es auf Mitternacht zu – nach europäischer Zeit –, aber ich hatte gar keine Gelegenheit, müde zu werden, weil das alles so aufregend war. Außerdem hatte ich, Danielles Rat folgend, eine ganze Menge Kaffee getrunken. Und draußen strahlte die Sonne vom blausten Himmel herunter. Ein anderes Blau als am Mittelmeer, aber eindeutig hellster Tag. Ich fragte mich, wie das gehen sollte. Jetzt konnte man nicht schlafen in Aspen, und später dann, wenn zu Hause eigentlich Schlafenszeit gewesen wäre, war hier schon wieder Tag.

    Als wir auf Aspen zuflogen, bekam ich einen Schreck. Der Flughafen lag mitten in den Bergen, genauso wie die ganze Stadt. Und es sah alles ziemlich klein aus. Wohingegen die Maschine, im Gegensatz zu dem Inselhüpfer in der Ägäis, ganz schön groß war.

    »Will der da wirklich landen?« fragte ich Danielle etwas ängstlich.

    Danielle lachte ein wenig. »Keine Angst, die Rocky Mountains fressen keine Menschen. Oder nur selten. Es gibt so eine Legende darüber, dass es Berge gibt, die da eine Ausnahme machen.«

    Ich sah sie an. »Du nimmst mich auf den Arm«, sagte ich.

    »Ja.« Sie grinste. »Der Pilot kennt sich aus, der macht das nicht zum ersten Mal«, beruhigte sie mich.

    »Woher willst du das wissen? Kennst du ihn?« fragte ich immer noch skeptisch mit einem erneuten Blick nach unten, wo die Berge bedrohlich näherkamen.

    Sie lachte. »Wir sind gleich da. Es wird schon alles gutgehen.«

    Im nächsten Moment kam die Durchsage der Stewardess, dass wir uns für die Landung anschnallen sollten.

    Ich schloss die Augen bei der Landung, aber es ging alles gut, wie Danielle gesagt hatte.

    Als wir das Terminal betraten, wunderte ich mich erneut. »Das sieht ja aus wie im Wilden Westen!« sagte ich. »Ist das wirklich ein Flughafen?«

    »Den Beweis haben wir eben erbracht.« Sie lächelte. »Ganz Aspen sieht aus wie eine Westernstadt, das hier ist noch gar nichts«, sagte sie. »Das ist der technische Glanzpunkt der Stadt.«

    »Oh«, sagte ich. Ich drehte mich einmal um meine eigene Achse. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so klein hier ist. Man hört doch immer so viel von Aspen. Ich dachte, hier stapeln sich die Leute, und es ist alles viel größer.«

    »Das ist das angenehme«, sagte sie. »Die Stadt selbst hat noch nicht einmal sechstausend Einwohner. Ein Dorf, könnte man sagen. Durch die Touristen sind es natürlich mehr, aber der Charakter einer amerikanischen Kleinstadt bleibt vollkommen erhalten. Und trotz der vielen Besucher habe ich noch nie eine Schlange an einem Skilift gesehen. Die haben das gut im Griff hier.«

    »Ich habe mal gehört, Aspen wäre das amerikanische St. Moritz«, sagte ich. »Deshalb dachte ich, es sieht hier viel . . . glamouröser aus.«

    »Erstens ist St. Moritz auch nicht besonders groß«, erläuterte sie, »und zweitens hat man hier eine andere Einstellung zum Leben. Deshalb ziehe ich es vor.«

    »Du warst in St. Moritz?« fragte ich.

    »Ja«, sagte sie und blickte sich nach etwas um. »Sicher.«

    Die Frage hätte ich mir sparen können.

    Sie hob die Hand, als ob sie einen Bekannten begrüßen wollte, aber dann war es der Sohn des Vermieters, der im karierten Holzfällerhemd auf uns zukam und uns begrüßte.

    »Ich fahre Sie zum Haus«, sagte er. Wenigstens konnte ich die Sprache hier – im Gegensatz zu Griechenland damals – verstehen, auch wenn das Englisch, das er hervorkaute, etwas gewöhnungsbedürftig war. »Haben Sie Ihr Gepäck schon?«

    »Nein.« Danielle wies auf die Koffer, die gerade hereingefahren wurden. »Da kommt es.«

    Wir gingen gemeinsam hinüber, und der kräftige Rocky Mountain Cowboy ließ sich unsere Koffer zeigen und transportierte sie dann nach draußen.

    Wir folgten ihm. Vor der Tür stand ein großer Truck.

    »Bitte einsteigen, Ladys«, sagte der junge Mann höflich. Er hielt Danielle die Tür auf. »Ma’am . . .«

    Ich fragte mich, wie öfter bei den amerikanischen Bezeichnungen, was der Unterschied zwischen ›Ma’am‹ und ›Lady‹ war. Ich musste Danielle einmal fragen. Vielleicht wusste sie es.

    Die Fahrt dauerte nicht lange. Das Haus lag innerhalb der Stadt, nur ein paar Blocks vom Zentrum entfernt. Dennoch stand es völlig für sich allein.

    Und hatte einen herrlichen Blick auf die Berge. Ich war wieder einmal sprachlos. Alles war weiß, und auf dem schönsten Punkt stand diese Holzfällerhütte – das heißt, eine Hütte war es mitnichten. Es war ein großes, mehrstöckiges Holzhaus im Wildweststil – allerdings war dieser Luxus im amerikanischen Westen früher sicherlich unbekannt gewesen.

    Der junge Mann brachte unsere Koffer ins Haus und verabschiedete sich von Danielle, indem er ihr einige Schlüssel in die Hand drückte. »Ihr SUV steht hinter dem Haus«, sagte er, »wie bestellt. Ansonsten kennen Sie sich ja aus. Falls etwas sein sollte, rufen Sie einfach an. Ich bin in fünf Minuten da. Sie können auch dem Zimmermädchen Bescheid sagen, wenn etwas fehlt.«

    »Es hat noch nie etwas gefehlt«, sagte Danielle lächelnd. »Danke.«

    Er tippte sich an den Cowboyhut. »Dann schönen Aufenthalt, Ma’am.« Er drehte sich zu mir und tippte noch einmal an seinen Hut. »Ma’am.« Er ging.

    »Mann!« Ich stand in der Mitte des Raumes, der hier unten der einzige zu sein schien. »Was ist das denn?«

    »Ein Haus, wie ich schon sagte.« Danielle lächelte.

    »Ich dachte, es sind vielleicht zwei Zimmer oder so«, sagte ich. Ich hatte mir so etwas wie dieses Haus vorher nicht vorstellen können.

    Danielle schmunzelte. »Es hat allein vier Schlafzimmer oben.«

    »Wir sind doch nur zu zweit«, bemerkte ich irritiert.

    Sie lachte und ging zum Kamin hinüber. »Ich konnte sie leider nicht dazu bringen, die überflüssigen Zimmer abzureißen«, sagte sie.

    Sie war es ja auch gewöhnt, so viele Zimmer zu haben. In ihrem eigenen Haus war es schließlich ähnlich. Aber für mich war das hier überwältigend. Doch was war das nicht im Zusammenhang mit ihr?

    »Der Kamin ist ja riesig«, sagte ich.

    »Nichts Besonderes in Amerika«, sagte sie. »Sie lieben Kamine.«

    Ich sah sie an. Wenn das Feuer im Kamin prasselte, abends, und draußen Schnee lag, den man durch die großen Fenster schimmern sehen konnte, war das bestimmt sehr romantisch. Doch Romantik . . . hm . . . das war nicht gerade Danielles Spezialität. Aber vielleicht . . . hier . . . Ich hoffte, sie konnte sich dazu überwinden.

    »Gehen wir nach oben«, sagte sie, »und packen aus.« Sie hob die Hand vor den Mund und unterdrückte ein Gähnen. »Man kann so viel Kaffee trinken, wie man will. Es ist einfach ein Uhr morgens jetzt bei uns.«

    Oben ging sie zielgerichtet in eines der Zimmer und stellte ihren Koffer ab. »Das nehme ich immer«, sagte sie leicht müde lächelnd, »aber du hast noch drei andere zur Auswahl. Such dir eins aus.«

    Ich ging ins Nebenzimmer und ließ meinen Koffer dort stehen. Ich wollte möglichst nah bei ihr sein.

    Ich ging zu ihr zurück. »Von hier oben ist der Blick noch schöner«, sagte ich. »Was für ein Haus.«

    »Ganz oben ist –« Sie brach ab. »Die Landschaft hier ist einmalig«, fuhr sie statt dessen fort. »Hier gibt es sogar Wüste vor schneebedeckten Bergen.«

    »Tatsächlich? Beides gleichzeitig?« Das konnte ich nicht glauben.

    »Mal sehen, ob wir Zeit haben«, sagte sie, »dann kann ich sie dir zeigen.«

    Ich musste lachen. »Es gibt so einen Countrysong, Rocky Mountain Mama, das hier erinnert mich sehr daran.«

    »Mach mal

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