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101 Bodensee - Reiseführer von Iwanowski: Geheimtipps und Top-Ziele
101 Bodensee - Reiseführer von Iwanowski: Geheimtipps und Top-Ziele
101 Bodensee - Reiseführer von Iwanowski: Geheimtipps und Top-Ziele
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101 Bodensee - Reiseführer von Iwanowski: Geheimtipps und Top-Ziele

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About this ebook

Der Bodensee ist eine der anerkannten Urlaubsregionen, weit über die frühere Zielgruppe 50+ hinaus. Die Reiseziele und -orte erfreuen sich eines treuen Stammpublikums. "101 Bodensee - Geheimtipps und Top-Ziele" versteht sich als Reiseverführer, der seinen Schwerpunkt auf wenig bekannte Attraktionen legt, ohne die beliebten Highlights zu vernachlässigen. Jedes Ziel kann von so gut wie jedem Ausgangsort an einem Tag besucht werden. Der Autor Stefan Blank ist ein echter Insider: Er lebt seit Jahren in Friedrichshafen und hat sein Herz an diese Region verloren. Lebendig, flott und pointiert erzählt er 101 schön bebilderte Geschichten aus drei Ländern über Menschen, Orte, Attraktionen - ohne den Nutzen für die Reisenden aus den Augen zu verlieren.
Reisezeit: Ganzjährig - Familien- und Individualreiseziel.

• 101 Reisetipps rund um den Bodensee − Deutschland, Österreich und Schweiz
• Praktische Übersichtskarten mit eingetragenen Spots
• Geheimtipps eines Insiders: Stefan Blank lebt am Bodensee und kennt die Region "wie seine Westentasche"

Der Bodensee:
- aus neuen Perspektiven − aus der Luft, per Boot, Rad, Zug, zu Fuß
- und sein Umland − attraktive Reiseziele jenseits des Seeufers
- und seine Museen − mehr als ein Schlechtwetterprogramm
- und seine Küche − Paradies für Feinschmecker und Genießer
- für Sportler − Golfen, Tauchen, Fischen, Radeln, Wandern...
LanguageDeutsch
Release dateApr 30, 2014
ISBN9783864570186
101 Bodensee - Reiseführer von Iwanowski: Geheimtipps und Top-Ziele

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    Book preview

    101 Bodensee - Reiseführer von Iwanowski - Stefan Blank

    Autor

    Einleitung

    »Wenn ich mich einmal verführen lasse, in eine Konstanzer Weinstube zu gehen, wenn ich die Fasnacht begucke oder den Fassnacht höre, kann ich mir nichts mehr vormachen: Es ist euer Bodensee, ich bin hier nur geduldet«, schreibt der Schriftsteller Hermann Kinder in seinem Buch »Fremd. Daheim.« (1991), einer Liebeserklärung in Prosa und Gedichten an den Bodensee und sein Umland. Es sieht den Bodensee mit dem Blick eines Zugezogenen und in einem hat er sicher recht: Die Menschen sind eigen, der Bodensee ist eigen, sicher ist der Bodensee einzigartig. Die Schweizer gelten als charmant, die Schwaben als sparsam, die Vorarlberger als wenig österreichisch, die Liechtensteiner als ein klein wenig »abgehoben«, die Bayern am Bodensee sind irgendwie wenig bayerisch und die Badener stolz darauf, keine Schwaben zu sein. Allein diese Vielfalt an Mentalitäten kennenzulernen macht einen Besuch des Bodensees zu einem besonderen Erlebnis.

    Die Region präsentiert sich für Besucher als »Erlebnisraum Bodensee«, mit dem See als Attraktion mittendrin, mit seinen vielfältigen Landschaften rund herum und den vielen Gesichtern und Stimmungen zu den verschiedenen Tages- und Jahreszeiten. Klar ist, und da sind sich wohl alle Bewohner der Region einig: »Es ist schön hier«.

    Sicherlich gibt es schon zahlreiche Bücher, die die Region erschließen und Wege vorgeben. Braucht es da noch ein weiteres? Unbedingt. Denn die »101 Geheimtipps und Top-Ziele« sollen etwas auslösen: Vielleicht die Idee, einen Ort zu besuchen, an den man bei der Reiseplanung bisher noch nicht gedacht hat. Oder Lust zu bekommen, Menschen mit Ideen und Visionen zu begegnen, die man hier unten – abseits jeder großstädtischen Dynamik – nicht vermuten würde. Zu einer Bodenseereise gehören auch attraktive Abstecher ins Hinterland. Denn das Hinterland beginnt direkt hinter dem Seeufer. Und hier gibt es so viel zu entdecken und zu erfahren, dass ein verlängertes Wochenende auf keinen Fall reichen wird.

    »101 Geheimtipps und Top-Ziele« erzählt bebilderte 101 Geschichten aus vier Ländern – Geschichten über Menschen, Orte und Attraktionen. Zu erleben zu Wasser, zu Fuß, per Auto, Bus und Bahn, mit dem Rad oder in der Luft. Dieses Buch soll Spaß machen, Ideen und Kopfkino anregen und vielleicht den Wunsch wecken, bei diesem oder spätestens dem nächsten Bodenseebesuch, der unweigerlich folgen wird, auch Orte abseits der touristisch bekannten Pfade zu besuchen.

    Mein besonderer Dank gehört all denen, die beigeistert mitgemacht, mit mir gesprochen, ihre Ideen geteilt und einiges an Zeit verbracht haben. Nicht zu vergessen die beste mir bekannte Erstleserin, Monika Blank, die mir nicht nur ein Mal den rechten Weg auch am Bodenseeufer entlang gewiesen hat.

    In diesem Sinne viel Spaß und Spannung bei der (Neu-)Entdeckung des Bodensees.

    Stefan Blank, im März 2014

    1       Die Vermessung des Bodensees

    Der Bodensee ist eine schöne Region, daran besteht kaum Zweifel. 2012 übernachteten in den Hotelleriebetrieben rund um den See 18,8 Millionen Besucher, rund 3 % mehr als im Jahr davor. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 2,5 Tage. Rund 3,8 Millionen Menschen leben in den vier Anrainerländern, 7,7 % mehr als vor zehn Jahren. Bis 2020, sagen die Statistiker, wird die Gesamtbevölkerung am und um den Bodensee weiter um rund 5 % zulegen. Der Bodensee ist der drittgrößte See Europas (s. Anhang) und eines der am besten erforschten Gewässer der Welt. Man weiß sicher nicht alles über den See, aber doch eine ganze Menge: So ist er von Natur aus ein nährstoffarmer Alpensee, der in den 1970er- und 1980er-Jahren überdüngt wurde und quasi »verfettete«. Seitdem sind mehr als 220 Kläranlagen in den Anrainerländern in Betrieb gegangen. Die Urlauber freuen sich über das klare Wasser und die Stuttgarter können sich glücklich schätzen, denn sie trinken Wasser aus dem Bodensee.

    Ausgefeilte Technik kommt bei der Vermessung des Bodensees zum Einsatz

    Heute habe der Bodensee seinen idealen »Body Mass Index«, erklärt Dr. Herbert Löffler, Forscher am Institut für Seenforschung in Langenargen. Was den Fischern nicht gefällt, denn die Fangquoten sind aufgrund des sinkenden Nährstoffgehalts im Wasser und damit sinkender Fischbestände rapide zurückgegangen. Löffler ficht das nicht an. Der Forscher hat den Bodensee seit vielen Jahren im Blick: »Wir können beispielsweise klimatisch bedingte Veränderungen beobachten. Der Sauerstoffaustausch über den Boden verläuft nicht mehr vollständig. Aber der See hält bis zu fünf Jahre aus, ohne dass der Sauerstoff ausgeht, die Sauerstoffquote bleibt konstant.« Jetzt besteht wieder Hoffnung für die Eier der Felchen, denn der klassische Bodenseefisch kommt bis dato größtenteils aus Fischbrutanstalten in den See.

    Was den Bodensee darüber hinaus so einzigartig macht? »Jeder See ist ein Individuum, auch der Bodensee. Hier kommt aber die Größe des Sees hinzu.« In Zahlen misst der Bodensee 536 Quadratkilometer, das ist bekannt, aber unter der Wasseroberfläche wird es schnell düster und unbekannt. Damit sich das wenigstens ein Stück weit ändert, ist Löfflers Kollege Dr. Martin Wessels in einer großen Mission unterwegs: Er vermisst den Bodensee. »Tiefenschärfe – Hochauflösende Vermessung Bodensee« heißt das grenzüberschreitende, von der EU geförderte Projekt, das im April 2013 startete. Es geht darum, den Bodenseegrund mithilfe von Echolot und Laser zu kartieren und anschließend ein dreidimensionales Modell des Seebeckens anzufertigen. Wessels knüpft an eine lange Tradition an. Kein Geringerer als Eberhard von Zeppelin, der Bruder des Zeppelin-Erfinders Ferdinand, machte sich Ende des 19. Jahrhunderts als Erster zur Aufgabe, den Bodensee in der Tiefe zu erforschen. In seiner Funktion als Vorsitzender des »Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung« schipperte er mit einem Ruderboot über den See, ließ an bestimmten Stellen Senkblei und Kupferdraht ins Wasser und sobald das Blei auf Boden traf, konnte er die Tiefe bestimmen. »Kein GPS, kein Außenbordmotor, rund 20 Messwerte pro Quadratkilometer. Heute ermitteln das unsere Computer in einer Sekunde«, sagt Wessels. Ging die Internationale Gewässerschutzkommission Ende des 20. Jahrhunderts noch mit Echolot und für heutige Verhältnisse groben Profilen vor, »so kriegen wir heute um den Faktor 1000 mehr Erkenntnisse«, so Wessels, »uns sind die Augen aufgegangen.«

    Das klare Wasser lädt zum Sprung ins kühle Nass ein, wie hier am Pfahlbad Rorschach

    Die vollständigen Auswertungen sollen Mitte 2015 abgeschlossen sein. Mithilfe der dank der Computertechnik schneller gewonnenen neuen Erkenntnisse über den Bodenseegrund und das Seebecken sollen wissenschaftliche und wasserwirtschaftliche Fragen beantwortet werden. Archäologie, Natur- und Denkmalschutz profitieren davon ebenso wie die Schifffahrt und der Tourismus. Öffentlichkeit kann nicht schaden, denn die Forscher vom Institut für Seenforschung sehen sich als »Anwälte des Bodensees« – und da gibt es immer einiges zu tun.

    INFO

    Information: Wer mehr über das Projekt »Tiefenschärfe – Hochauflösende Vermessung Bodensee« wissen möchte, kann sich auf der Website des Projekts unter www.tiefenschaerfe-bodensee.info informieren.

    Reichlich Daten und Fakten über den Bodensee hält auch die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) auf ihrer Website bereit: www.igkb.org.

    Das Institut für Seeforschung in Langenargen veranstaltet Kolloquien zu Themen, die den See betreffen. Infos unter www.lubw.badenwuerttemberg.de.

    Länder, Menschen, Abenteuer

    2       Salem: (Fast) alles Käse

    Regina Moser hat mit ihren noch nicht einmal 50 Jahren schon einiges mitgemacht. Sie ist gelernte Arzthelferin, lebte 20 Jahre als Landwirtin, wurde anerkannte Expertin in Sachen Ziegenkäse, zog drei Kinder auf, investierte Zeit und Geld in eine eigene – erfolgreiche – Hofkäserei, überstand eine familiäre Trennung, verdingte sich als Hausdame im exklusiven Internat im Schloss Salem, jobbte in einem Bio-Feinkostladen in Konstanz – und dann hatte sie eine geniale Idee: Mit »Affinage«, der Veredlung von Rohkäse, bewarb sie sich beim Land Baden-Württemberg im Rahmen der IMF (Innovative Maßnahmen für Frauen im ländlichen Raum) erfolgreich um eine Förderung und ist seit März 2013 stolze Inhaberin der »Käseschmiede« in Salem.

    Wer Salem durchfährt, kann die schmucke, ehemalige herzogliche Hofbäckerei, in der die »Käseschmiede« untergebracht ist, nicht verfehlen. Und um den Besucherstrom noch ein wenig anzuheizen, hat Regina Moser an der Straße ein Schild aufgestellt. Darauf steht mit Kreide geschrieben: »(Fast) alles Käse«.

    Regina Moser ist ein großer Fan des »Guerilla-Marketings«, von Werbung hält sie nicht viel. »Nehmen Sie bitte gleich zwei Prospekte mit«, sagt sie zu einer Kundin, »einen für Sie und den anderen für Freunde.« Damit setzt Moser auf Empfehlungen und das funktioniert. Man kennt sie in und rund um Salem, man vertraut ihrem Expertenwissen, man kommt auf ein »Schwätzle« vorbei. Alte Freunde bringen neue Interessenten mit, Neugierige halten unterwegs an und schauen herein, um eine »Käseschmiede« mal von innen zu sehen. »Ja, der Name ist ungewöhnlich. Aber ›Manufaktur‹ nennen sich heute viele. Ich veredle Käse, das ist vergleichbar mit einer Goldschmiede. Daher also ›Käseschmiede‹.«

    Einladend: die Käseschmiede

    Sich erfolgreich neu zu erfinden ist ein Talent von Moser. Erfolgreich Netzwerke zu knüpfen ein anderes. Denn »(Fast) alles Käse« ist gar nicht so gemeint, wie es zunächst klingt. So bereitet eine Nachbarin – neben Kaffee und Kuchen – die köstliche Quiche Lorraine zu, die auf der Mittagstischkarte steht, und im Nebenraum verkauft Moser feines Bio-Olivenöl aus Griechenland, Feinschmecker-Schokolade aus Friedrichshafen, edle Obstbrände vom Bodensee, Nudeln, Salami, Wurst, Trüffel, Ghee und Kaffee.

    Jede Marke hat eine eigene Geschichte, die Moser auch gerne erzählt oder einen Geschmack, den Moser gerne beschreibt. Wenn es um den Senf geht, dann vertraut sie der »Senfmanufaktur Mattes« aus dem nahen Rickenbach, denn warum in die Ferne schweifen? Ein Abendseminar »Käse und Senf« bietet sie ebenfalls an. Weitere Seminarthemen heißen »Was Sie schon immer über Käse wissen wollten« und »Käse und Bier«, das Moser in Zusammenarbeit mit einer regionalen Brauerei veranstaltet. Käse verkauft sie natürlich auch. »Den Blauschimmelkäse Blue Stilton aus England müssen Sie probieren. Dort wird er mit ein wenig Portwein eingelegt, köstlich!«

    Regina Moser bei der Arbeit

    Und Affinage? »Das liegt mir am Herzen, endlich wieder einen eigenen Käse zu machen. Den ersten Rohkäse habe ich im Allgäu schon besorgt, jetzt kann es losgehen.« Moser ist selbstständige Käserin und darf sich seit 2007 entsprechend einer Urkunde »Master of Cheese« nennen. Der Titel wurde ihr auf einer Slowfood-Messe in Turin verliehen.

    Wichtig ist ihr vor allem Genuss: »In der Käseschmiede kann ich regionale Käserohlinge im eigenen Käsekeller zur optimalen Reifung bringen. Dabei verfeinere ich die Käse mit verschiedenen natürlichen Aromen, wie Riesling, Traubentrester, Walnussöl, Calvados …« Regina Moser hat mit ihrer Käseschmiede noch viel vor, nimmt sich die Zeit und hat vielleicht ihre Bestimmung gefunden: »Ich werde die nächsten 20 Jahre hier sein.«

    INFO

    Information: Salemer Käseschmiede, Schlossstraße 11, 88682 Salem, Tel. +49 7553-8277700, www.salemer-kaeseschmiede.de, Mo–Fr 10–18, Sa 8.30–14 Uhr.

    Hinweis: Ebenfalls in Salem befinden sich das bekannte Schloss (s. S. 68) und der Affenberg (s. S. 216).

    3       Konstanz: Fische im Badeanzug

    Wenn sich der Konstanzer Markus Brenner von seinem Lieblingsfischer 600 Gramm Seeforelle besorgen lässt, dann muss der Fisch frisch sein und von der Größe her ein mittleres Maß aufweisen. Denn sonst passt er nicht in das Kostüm, das Brenner von einer Schneiderin nach eigenen Vorlagen fertigen lässt. »Nicht jeder Fisch passt in jeden Badeanzug«, ist sich Brenner sicher. Ist die Seeforelle ordentlich eingekleidet, dann wird sie fotografiert und – als Kunstwerk – unsterblich. »Fische im Badeanzug« heißt das Konzept des Multimedia-Künstlers. Ständig kommen »Frische Fische« hinzu, zu besichtigen sind sie online in einer »Fischgalerie« und wer die Kunst kaufen will, kann dies auf dem »Fischmarkt« tun – ab 1.000 Euro kostet so ein unsterblicher Fisch im Badeanzug als signierte Fotoarbeit.

    Markus Brenner wurde 1963 in Friedrichshafen geboren, studierte in Konstanz und Zürich. Er wohnt bis heute in Konstanz, keine Selbstverständlichkeit für einen Künstler mit seinem Renommee. »Aber hier kann man sich gut zurückziehen und lebt trotzdem in einem Mehrländereck, also international, wobei die Wege denkbar kurz sind.« Ganz abgesehen von den verschiedenen Kulturen und Mentalitäten rund um den See – »das liebe ich sehr«, so Brenner. Schon früh warf er seine Angeln Richtung Zürich aus, Richtung aufgeschlossene Schweizer Kunstwelt und Schweizer Kapital. Heute kann er beispielsweise die Großbank »UBS« zu seinen Kunden zählen sowie die Uhrenmanufaktur »Nomos«, die ihre Büroräume in Glashütte mit seinen Fischen im Badeanzug geschmückt hat.

    Versteckt: Brenners Kunst im Einkaufszentrum Lago

    Auf die Fische kam Brenner über Unterwasseraufnahmen zu seinem Projekt »Aqua Morgana«, mit dem er im Jahr 2000 den Bodensee bespielte. Zum Testen filmte er viel im Hallenbad und irgendwie blieb ihm der Chlorgeruch im Gedächtnis haften. Als der »Kunstraum Schweiz« später nach einer Ausstellungsidee fragte, sagte Brenner kurzerhand »Chlor«. Da war es bis zu den Forellen nicht weit. »Forellen wurden früher in Wasserwerken als Indikator für sauberes Wasser eingesetzt«, hatte Brenner recherchiert, »aber in Chlorwasser sterben sie in 30 Sekunden«. Also kümmerte er sich um die Forellen, verlieh ihnen per Badeanzug Identitäten und ging damit der Frage nach, wie Identität überhaupt funktioniert: »Welcher Labeltyp bin ich?«

    2009 gründete Brenner die Fischpartei und tritt seither mit lockeren Sprüchen wie »Mit uns gegen den Strom« und mit Fisch-Performances gegen das politische Establishment an. Auch in seiner Heimatstadt Konstanz hatte man ihn längst wahrgenommen. 2009 kleidete er mit der Ausstellung »Lichtschwimmer – Farbtaucher« die Innenhöfe und den Eingangsbereich des Einkaufszentrums »Lago« in farbige Folien und blendete damit den Kommerz aus. 2010 stellte er im Lichthof des Einkaufszentrums ein dauerhaftes Stück Kunst am Bau fertig. Titel: »Licht, frisch geschnitten«. Immer wieder neues Licht fällt nun durch die sich über Etagen wandelnden Formen auf der Fahrstuhl-Außenwand und das ausgeschnittene Licht erzählt Geschichten.

    Fisch über Fisch, angezogen und zum Essen

    Markus Brenner

    Geschichten sind Brenners Leidenschaft. Wie zum Beispiel diese: Aus einer Notlage heraus entstand seine Fische-im-Badeanzug-Serie »Riot-Fische«. Mit ihren über das Gesicht gezogenen Mützen erinnern die Fische an die Aktivistinnen von »Pussy Riot«. »Ich hatte die Forellen und die fertigen Kostüme auf dem Tisch, aber irgendwie passten sie an dem Tag nicht zueinander. Also überlegte ich hin und her, bis ich eine Idee hatte. Ich ging dann ins Kaufhaus, habe Socken gekauft, Löcher für Mund und Augen ausgeschnitten, die Socken über die Forellen gezogen, fertig waren die Riot-Fische.«

    INFO

    Information: www.markusbrenner.com.

    Brenner wird vertreten durch Galerien in Karlsruhe, St. Gallen, Basel und Konstanz.

    Brenners Kunst in Konstanz erleben: Einkaufszentrum Lago, Bodanstraße 1, 78462 Konstanz, www.lago-konstanz.de, Mo–Sa 9.30–20, Do bis 22 Uhr. Landratsamt, Benediktinerplatz 1, 78467 Konstanz, 1. Stock, Mo–Do 8–12 und 14–16, Fr 8–12 Uhr.

    4       Friedrichshafen: Designermode mit Persönlichkeit

    Wenn Christine Frischmuths Blick an einem Gemälde hängenbleibt, dann kann das durchaus Folgen haben: Sie schaut sich alles ganz genau an, den Pinselstrich, den Farbverlauf, den Hintergrund. Sie denkt über die Geschichte des Kunstwerks nach, findet Inspiration. So geht es ihr auch mit Literatur und Musik. Irgendwann hat sie dann genug gelesen, gehört und geschaut. Dann hat Frischmuth das Werk, das vielleicht von den Malern Anselm Kiefer oder Cy Twombly stammt, verstanden. Jetzt klappt sie ihr praktisches, schwarzes A4-Moleskine-Skizzen- und Ideenbuch auf und macht sich an die Arbeit.

    Christine Frischmuth (geboren 1971) ist Mode-Designerin und mit ihrem eigenen Label »frischmut« erfolgreich. Ihre Kundinnen kommen aus Düsseldorf, Brasilien, Kanada und den USA. Und natürlich auch aus Friedrichshafen, denn dort hat Christine Frischmuth ihr Geschäft, auch wenn die Stadt im Allgemeinen nicht als Modehochburg gilt. »Friedrichshafen ist gut und war die richtige Entscheidung«, sagt die Designerin. Vor sieben Jahre entdeckte sie den Laden in der Eugenstraße. »Die Energie und Dynamik dieses Raums habe ich sofort gespürt, den musste ich haben.« Also hinterließ sie der Besitzerin ihre Adresse, bekundete großes Interesse und – Zufall hin oder her – das 200 Quadratmeter große Geschäft wurde kurz danach frei. Heute führen die drei »frischmut«-Schaufenster dazu, dass Leute neugierig schauen und das Ausgestellte normalerweise innerhalb kürzester Zeit verkauft ist. Denn ausgestellt ist nur ganz wenig: ein Kleid, Rock und Oberteil, schlicht, klar, klassisch, aber ausdrucksstark und mit viel Persönlichkeit.

    Persönlichkeit, das hat Christine Frischmuth. Muss sie auch, denn sie hat sich mehrmals neu erfinden und beweisen müssen. Da sie aus einer Ingenieursfamilie stammt, studierte sie Maschinenbau »als eine von zehn Frauen unter 1.000 Studenten«, wurde 1993 Projektleiterin bei einem großen Anlagenbauer, bereiste die ganze Welt und erlebte die Männerdomäne Maschinenbau von ihrer schlechtesten Seite. »Das will ich nicht«, dachte sie. Sie besann sich auf das, was sie wirklich interessiert: Kunst, Kreativität, etwas schaffen – und am besten mit den eigenen Händen. »Stoff ist mein Ausdrucksmittel, viel besser als Metall«. Mit knapp über 30 machte sie eine Ausbildung zur Damenschneiderin und beweist sich seit 2007 im eigenen Laden. Was als »One-Woman-Show« begann ist heute ein Unternehmen mit vier Mitarbeitern. Gern berät sie zu Stoffen, Garnen, erzählt von der Ursprünglichkeit, der Herkunft, der Qualität, von den Möglichkeiten exquisiter Beflockung, von der Näherei im Allgäu oder dem Filzrock aus Metzingen – »der hält zehn Jahre«. Mit vier Konfektionsbetrieben arbeitet sie zusammen, alle in Deutschland, alles Handarbeiter. Sie vollenden die Kunstwerke aus Christines Frischmuths Skizzen- und Ideenbuch. Auf dem Schneidetisch im Ladengeschäft nehmen sie Farben und Formen an, manchmal schnell, manchmal langsamer, bis sie am Kleiderbügel hängen oder im Regal liegen.

    Im Laden von Christine Frischmuth

    Die Designerin bei der Arbeit

    Die Mode ist klassisch mit Liebe zum Detail

    »Ich kreiere im Jahr zwei Mal ungefähr 40 Teile in drei Linien für die unterschiedlichen Frauentypen«, sagt sie. Frischmuths Stil ist klassisch, mit großer Liebe zum Detail, manchmal bunt, manchmal einfarbig, aber immer irgendwie besonders. »Vielleicht erfrischend und mutig?«, schlägt Frischmuth vor. Sie kennt die Sehnsucht ihrer Kundinnen in dieser an Information überfrachteten Zeit nach Geschichten, nach einer echten Herkunft. Diese Geschichten kann sie erzählen – zu jedem Kleidungsstück. Und das macht sie gerne: »Ich möchte den Kundenkontakt haben. Denn hier ist die Designerin anwesend, vor Ort, ansprechbar.« Daher ist auch keine Expansion oder gar ein Umzug in einen vielleicht modebewussteren Teil Deutschlands geplant.

    INFO

    Information: frischmut, Eugenstraße 57, 88045 Friedrichshafen, Tel. +49 7541-3817660, www.frischmut.de, Di–Fr 9.30–12.30 und 14–18, Sa 9.30–12.30 Uhr.

    Hinweis: In Friedrichshafen bietet sich unter anderem ein Besuch des Schulmuseums (s. S. 52) und der Kunstsammlung im Zeppelin Museum an (s. S. 80).

    5       Hilzingen: »Feuer und Flamme«

    Wer den Weg zu Uwe Löllmann auf sich nimmt, der muss um etliche Ecken biegen, durch hügeliges Land und enge Gassen fahren, um dann im Kapellenhof, im Hilzingener Ortsteil Weiterdingen an der Heiliggrabkapelle anzukommen. Wenn man Glück hat, arbeitet sein selbstgebauter Anagama-Ofen, was allerdings nur an sieben Tagen im Jahr, meist im Sommer, passiert. In dieser für alle Beteiligten anstrengenden Woche ist die Keramik im Inneren 1.300 Grad Hitze ausgeliefert. Der Holzbrand erzeugt Flugasche, die sich während des Brands über die Schalen legt und dort quasi angebacken wird, was nicht vorhersehbar ist. Heraus kommt jedes Mal aufs Neue ein einzigartiges Ergebnis, was auch für einen alten Hasen wie den Keramiker Löllmann ein Abenteuer ist.

    Der 1955 geborene Uwe Löllmann machte bei Horst Kerstan in Kandern eine Töpferlehre und fing 1979 im wahrsten Sinne des Wortes Feuer für die Keramik und das Brennen. 1985 reiste er mit Kerstan zum ersten Mal nach Japan. Sein »Aha-Erlebnis« sei das gewesen, sagt er. 500 Töpferwerkstätten in einem Dorf, Teeschalen vom Allerfeinsten. Anschließend richtete sich Löllmann eine eigene Werkstatt ein und baute sich einen großen Holzbrennofen. Seinen ersten, drei sollten bis heute folgen, »jeder Ofen eine Fortentwicklung des vorherigen«.

    Die Keramik, die Form, entsteht auf der Töpferscheibe oder wird »aufgebaut«. Das heißt: Schicht für Schicht aufgetragen, gestrichen, geglättet, bis die gewünschte Form erreicht ist. »Hier muss man den Händen die Arbeit überlassen«, sagt er und macht Schalen, Vasen, Gefäße, die seine ganz persönliche Handschrift tragen. Das Drehen und Formen, das komme vom Kopf her, sei selbstgesteuert, so Löllmann. Doch dann kommt der zweite Teil der Produktion, »und der ist völlig losgelöst von mir«. Der zweite Teil erfolgt im Ofen. Hinein kommt nur das Beste: Von 500 bis 600 Teeschalen, die Löllmann formt, kommen 50 bis 60 in den Ofen, als Teeschalenausbeute eines ganzen Jahres.

    Einmal im Jahr wird der Ofen befeuert

    Japanisch »Anagama«, zu Deutsch »Höhlenbrennofen« heißt die Technik, mit der Löllmann arbeitet. Und damit ist er einer von höchstens fünf Keramikern in Deutschland. So ein »Anagama« lebt, ist ein Individuum, will gehegt und gepflegt und vor allem befeuert werden. Um auf die gewünschten 1.300 Grad Innentemperatur zu kommen, braucht der Ofen 24 Stunden am Tag Nahrung in Form von Holzscheiten. Diese erzeugen den Ascheanflug, der wiederum unvorhersehbare Glasur-Effekte auf der Oberfläche der Keramik hinterlässt – fließende Farben, sinnliche Flächen. Er verwandelt Keramik in keramische Plastik, lässt einmalige Skulpturen – also echte Kunst – entstehen. Natürlich kann Löllmann den an sich zufälligen Vorgang zumindest ein wenig beeinflussen, indem er Arbeiten gezielt im Ofen platziert oder die Brennatmosphäre zwischen Oxidation und Reduktion steuert. Aber das Ergebnis offenbart sich erst nach zehn Tagen, wenn der Ofen abgekühlt ist. Anschließend werden die Arbeiten gereinigt und geschliffen, dann erschließt sich – manchmal langsam, aber dafür nachhaltig – die künstlerische Leistung.

    Keramische Plastik – beeindruckende Skulpturen im Garten

    Kunst, die durchaus Anerkennung findet: Löllmann kann etliche Ausstellungserfolge vorweisen, seine Kunden kommen von weit her, aber er ruht sich auf den Lorbeeren nicht aus. »Man muss immer weitermachen und vor allem Geduld

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