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Der 7. Patient: Steiners zweiter Fall
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Ebook164 pages2 hours

Der 7. Patient: Steiners zweiter Fall

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Diagnose: Hochspannung! Kaum von München nach Frankfurt versetzt, steht Hauptkommissar Bernd Steiner gleich mächtig unter Druck. Der brutale Mord
an einer Arzthelferin gibt ihm Rätsel auf. Als dann noch die Leiche eines alten Mannes mit Botox in den Adern gefunden wird, ahnt Steiner, dass er es mit
einem Verbrechen größeren Ausmaßes zu tun hat...
Der "Polizist ohne Grenzen" (Frankfurter Rundschau) ist zurück - nach "Gekreuzigt" ermittelt der zynische Kettenraucher Steiner in seinem zweiten
Fall. Eine Dosis purer Krimi-Unterhaltung.
"Der 7. Patient" ist der zweite Band der Krimi-Reihe mit Kommissar Steiner. Der erste Band "Gekreuzigt" und die Bände 3 "Wo bist du?" und 4 "Böses
Netz" sind ebenfalls bei mainbook erschienen.
LanguageDeutsch
Release dateJan 23, 2014
ISBN9783944124353
Der 7. Patient: Steiners zweiter Fall

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    Der 7. Patient - Martin Olden

    1

    Hans Keitel griff sich an die Brust. Sein Atem ging rasselnd. Das Herz trommelte. Wann war er zuletzt so gerannt? Mit Sicherheit am 4. Oktober 1943. Als die Alliierten den ersten Großangriff auf Frankfurt flogen. Hans Keitel konnte sich genau daran erinnern. An Feuer. Trümmer. Schreie. Blut. Gestank. Es roch nach Tod in seiner Heimatstadt. Denselben Geruch nahm er jetzt wieder wahr. Kalter Angstschweiß rann aus seinem schlohweißen Haar und perlte an eingefallenen Wangen hinab. Keitel blickte sich um. Flüchtig und gehetzt wie ein Tier, das der Flinte des Jägers zu entkommen sucht. Hörte er Schritte auf dem staubigen Boden hinter sich? Oder bildete er sich das nur ein? Im selben Moment durchzuckte ein Schmerz sein rechtes Knie, das unter ihm nachgab. Keitel stürzte auf den Weg. Dürre Äste und kleine Kieselsteine, die überall verteilt lagen, schrammten ihm die Hände auf, als er den Fall abzufedern versuchte. Ein ächzender Laut drang aus seiner trockenen Kehle. Oh, wie gerne hätte er sich an Ort und Stelle hingelegt und seinem fast sechsundachtzig Jahre alten Körper Ruhe und Erholung gegönnt. Aber das war unmöglich. Jemand saß ihm im Nacken. Keitel überlegte fieberhaft. Man würde ihn bald eingeholt haben, wenn er sich nicht schleunigst wieder in Bewegung setzte. Stöhnend rappelte er sich auf und stolperte vorwärts. Der rechte Schnürsenkel seines braunen Halbschuhs hatte sich gelöst. Doch es blieb keine Zeit, um ihn ordentlich zu binden. Genau wie damals, als die Bomben im Luftschutzkeller des Kinderkrankenhauses einschlugen. Barfuß war Hans Keitel auf die Straße gerannt, hustend und blutend, weil ihm Splitter die Kopfhaut aufgerissen hatten. Damit war er glimpflich davongekommen. Friedrich Schlemmer, sein bester Freund aus der Nachbarschaft, hatte weniger Glück gehabt. Er starb mit neunzig anderen Kindern durch den Volltreffer der britischen und amerikanischen Bomber. Vermutlich bekamen die Piloten ein Denkmal. An seinen getöteten Spielkameraden erinnerte nicht mal eine Gedenktafel, dachte Keitel grimmig. Der Zorn über den Frankfurter Kindermord schoss durch seine Adern und trieb ihn an, noch schneller durch die vor ihm aufragenden Baumreihen zu hasten. Nein, ihn sollten sie nicht kriegen. Er würde entkommen. Keitel keuchte und rang nach Luft. Abermals presste er seine dünne, von Altersflecken gesprenkelte Hand auf den Brustkorb. Es kam ihm vor, als habe ein unsichtbarer Kran zentnerschwere Lasten darauf abgelegt. Das Atmen fiel schwer. Entsetzlich schwer.

    „Herr Keitel! Bleiben Sie stehen!"

    Er erkannte die schrille Stimme, die nach ihm rief. Es war die Stimme jener Person, die hinter ihm her war. Ihn verfolgte. Ihn töten wollte. Aber warum? Was hatte er getan? Der Krieg war doch schon so lange vorbei. Keitel zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Irgendwie musste es ihm gelingen, den bösen Menschen abzuschütteln, der ihm im Genick saß. Wenn er erst einmal diesen dicht bewaldeten Park durchquert hatte, war es gar nicht mehr weit bis zum sicheren Schutz seines Hauses. Schnaufend schlug sich der alte Mann in die Büsche abseits des Pfades, der sich wie eine Schlange vor seinen müden Füßen wand. Im Unterholz, übersät mit Laub und Wurzelwerk, fiel das Laufen noch schwerer. Doch eventuell könnte er seinem Häscher durch den plötzlichen Richtungswechsel ein Schnippchen schlagen, dachte Keitel. Außerdem kam er sich inmitten der hohen Eichen gut getarnt vor, die genauso knorrig waren wie er selbst. Zu spät bemerkte er einen herabhängenden Ast. Das morsche Holz streifte ihn und hinterließ einen Kratzer auf dem von Falten zerfurchten Gesicht. Reflexartig griff er sich an die brennende Wunde und kam dabei aus dem Tritt. Sein offener rechter Schuh blieb an einem Stein hängen. Um ein Haar wäre er erneut gestürzt, konnte aber mit den Armen rudernd gerade noch das Gleichgewicht halten. Er rannte weiter. Sein Schuh blieb jedoch auf der muffig riechenden Erde zurück. Scharf und spitz wie Nadelstiche piekten Zweige und Steine durch den Stoff seines Nylonstrumpfes. Keitel achtete nicht darauf, denn schon hörte er die Stimme wieder: „Herr Keitel! Herr Keitel!"

    Der Ruf ertönte nicht länger hinter ihm, wie er befriedigt registrierte, sondern kam von Osten. Das bedeutete, sein Jäger befand sich noch auf dem Hauptweg und hatte tatsächlich nicht mitbekommen, dass er ins Dickicht abgezweigt war.

    „Wo sind Sie?!, schrie die Stimme. So ähnlich hatte er vor einundsiebzig Jahren gebrüllt. „Wo seid ihr?!

    Doch er hatte keine Antwort von seinen verschütteten Eltern bekommen. Nie wieder.

    Keitel sah für Sekundenbruchteile hinauf zum Himmel. Die milde Mittagssonne der ersten Märztage ließ Pünktchen auf seiner Netzhaut flackern. Ob er ein rasches Stoßgebet nach oben schicken sollte? Am Tag als er Mutter und Vater verlor, hatte Hans Keitel aufgehört mit Gott zu sprechen. Aber wenn es einen günstigen Zeitpunkt gab, den alten Glauben wieder zu entdecken, war er nun gekommen.

    „Oh Herr, lass` mich entwischen. Ich darf dem Gegner nicht in die Hände fallen", sprach Keitel leise Richtung Himmel. Dem Gegner? Welchem Gegner? Verwirrt schüttelte sich der hagere Mann in der abgewetzten, grauen Strickjacke. War denn noch immer Krieg? Wollte man ihn deshalb umbringen? Keitel konnte es sich nicht erklären. Er blieb stehen. Schnappte nach Luft. Blinzelte in die Sonne. Welcher Tag war heute? Welches Jahr? War das barbarische Abschlachten doch noch nicht zu Ende? Hatte er sich die Jahre des Wiederaufbaus nach dem Krieg bloß eingebildet? Seine Ehe mit Irmgard, die Geburt Gudruns, seiner Tochter, die Karriere als Bau-Unternehmer, das Häuschen in Kronberg? Gehörten die Hände, die vor wenigen Minuten nach ihm gegriffen hatten und ihn am nach Hause gehen hindern wollten, zu einem Mitglied der britischen Truppen? Ja, so musste es sein. Sonst wäre er doch niemals weggelaufen. Diese verfluchten Tommies, dachte Keitel. Halten sich für oberschlau. Na, denen werde ich`s zeigen. Sie sollten erleben, aus welchem Holz ein Hitlerjunge geschnitzt ist. Mit dem Jackenärmel wischte sich Hans Keitel den Schweiß von der Stirn, während seine milchig blauen Augen den Boden absuchten. Er grinste, als er das passende Werkzeug fand und danach griff. Der Stock war gut und gerne einen Meter lang, ziemlich dick und wog schwer in seinen Händen. Keitel holte mit beiden Armen Schwung und ließ den Knüppel durch die Luft sausen. Die Anstrengung riss ihn beinahe von den Füßen.

    „Prächtige Waffe, flüsterte er heiser. Dann richtete sich Keitel kerzengerade auf und pumpte Luft in seine pfeifenden Lungen. „Auf denn Kamerad – für Führer und Vaterland!, schrie er, hob den Prügel über den Kopf und rannte in die Richtung, aus der er zuletzt die ihn suchende Stimme wahrgenommen hatte. Sämtliche Fasern seines sehnigen Körpers standen unter Strom. Angespannt wartend auf das letzte Gefecht mit dem unsichtbaren Feind.

    Doch dazu kam es nicht. Eine Woge durchlief Keitel von der Sohle bis zur Kopfhaut, die sich so heiß anfühlte wie glühendes Eisen. Dicht gefolgt von einem lähmenden Stich, der von seinem Herzen ausging und sich blitzartig in alle Gliedmaßen verteilte. Der Stock fiel aus Hans Keitels kalten Händen. Seine rissigen Lippen zitterten. Die Beine knickten unter ihm weg. Bäuchlings kippte der alte Mann vornüber auf ein Bett aus Blättern und Moos. Das Letzte, was er sah, war eine Waldameise, die unbeteiligt ob des Geschehens um sie herum, ihre Suche nach Nahrung fortsetzte. Dann umfing ihn ewige Schwärze.

    2

    „Hände hoch, Herr Steiner!"

    Walter Baumanns bärige Stimme hallte durch den Keller des Frankfurter Polizeipräsidiums. Hauptkommissar Bernd Steiner sah sein schwergewichtiges Gegenüber verständnislos an. Baumann lachte schallend. „Ich kann`s nicht lassen. Wenn ihr Jungs vor mir steht, muss ich einfach diesen Spruch los werden, sagte der Leiter der Schießausbildung und Verwalter der Waffenkammer. „So, nun zeigen Sie mal Ihre hübschen Patschhändchen, Herr Kommissar! Wir wollen schauen, welche Griffgröße zu Ihnen passt. Schließlich soll Ihnen Ihre neue Dienstwaffe nicht aus der Hand fallen, wenn Sie das Ding benutzen müssen. Was Gott verhüten möge!

    Steiner streckte seine breiten Hände aus.

    „Niedlich! Wie zwei Klodeckel. Da nehmen wir Größe L", meinte Baumann und gab Steiner einen Wink, ihm zu folgen. Sie gingen zu einem breiten Regal, angefüllt mit Rollcontainern. Davor stand ein Tisch mit einem Registriergerät, das entfernt an eine Scannerkasse im Supermarkt erinnerte.

    „Früher, bei der alten SIG Sauer, gab`s nur Einheitsgrößen. Aber seit wir vor drei Jahren auf die neuen Modelle umgestiegen sind, haben wir verschiedene Griffstücke im Angebot. S, M und L. Ich komme mir manchmal vor wie ein Verkäufer beim Herrenausstatter, sagte Baumann, während er einen der Container aufzog und eine Pistole des Typs Heckler & Koch entnahm. Achtzehn Zentimeter lang, siebenhundert-vierzig Gramm schwer. Er gab die Waffe an Steiner weiter. „Hier! Probieren Sie mal!

    Der Kommissar steckte die Heckler & Koch in das leere Holster am Gürtel seiner ausgewaschenen Jeans. Lautlos zählte Steiner bis drei. Dann zog er. Ehe Baumann blinzeln konnte, zielte die Mündung bereits auf einen Punkt zwischen seinen Augen.

    Ein breites Grinsen erschien unter Steiners braunem Schnauzbart.

    „Passt", sagte er zu dem respektvoll nickenden Waffenmeister.

    „Donnerwetter. Sie sind wirklich schnell. Der Ruf eilt Ihnen ja schon voraus", sagte Baumann zähneknirschend.

    „Welcher Ruf? Dass ich flinke Finger habe?", fragte Steiner amüsiert.

    „Nein. Der Ruf, dass Sie den Abzug ganz gerne benutzen. Das ist der allgemeine Küchenklatsch. Sie waren zuletzt in Afghanistan, stimmt das?"

    „Ja. Sechs Monate. Um Polizisten auszubilden. German-Police-Project-Team nennt sich das hochgestochen. Wir haben den afghanischen Jungs gezeigt, wie man Verkehrskontrollen durchführt, nach Drogen und Sprengstoff sucht und wie man sich in brenzligen Situationen verhält. War nicht einfach. Viele von denen hatten Mühe, gleichzeitig zu laufen und die Waffe richtig zu halten. Grinsend fuhr Steiner fort: „Spannend war es auch. Man wusste nämlich nie, wann man auf eine Mine tritt oder ein Terrorist aus dem Hinterhalt auf einen anlegt. Viel Schlimmer als das, war aber der Gestank. Die Muselmanen da unten benutzen kein Klopapier. Die hocken sich an den Straßenrand, ziehen ihren Kaftan hoch und kacken. Danach lassen sie ihren Frack wieder runterrutschen, egal ob sie ihn dabei beschmieren oder nicht.

    „Igitt", sagte Baumann.

    „Von Hygiene haben die genauso wenig gehört wie von Logistik und Organisation. Aber die Hand aufhalten können sie. Die Korruption blüht überall. Und keiner weiß, wie viele von den Typen, die wir geschult haben, später die Seiten wechseln und auf deutsche Soldaten ballern, meinte Steiner. „Die müssen eine Infrastruktur für die armen Schweine schaffen, ihre Gehälter anheben, um ihnen eine Perspektive zu geben. Darum sollten sich die Politiker kümmern. Das wäre wichtiger, als Waffen und Munition zu liefern. Ehrlich, ich war froh, als ich wieder im Flieger nach Hause saß.

    „Warum haben Sie diesen Job überhaupt angenommen?"

    „Tja, warum macht man sowas?", sagte Steiner sinnierend. „Damals hab ich es für eine glänzende Idee gehalten. In München steckte ich in einer Sackgasse. Kam mit dem Chef nicht mehr klar. Keine Chance aufs Weiterkommen. Es hieß, wenn ich freiwillig zu den Afghanen gehe, kann ich hinterher mit einer Beförderung rechnen. Auf eine leitende Stelle versetzt werden. Weg von der Front und den Drecksäcken. Hätte

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