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Henkersnacht über der Aa: Münster-Thriller 4
Henkersnacht über der Aa: Münster-Thriller 4
Henkersnacht über der Aa: Münster-Thriller 4
Ebook206 pages2 hours

Henkersnacht über der Aa: Münster-Thriller 4

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About this ebook

Eine unheimliche Untergrundorganisation nimmt Recht und Gesetz in die eigenen Hände, um entlassene oder vermeintliche Straftäter nach eigenem Ermessen abzuurteilen.
Als die Münsteraner Gastronomin Mira Lammers von der Staatsanwaltschaft verdächtigt wird, ihren Ex-Freund ermordet zu haben, übernimmt Ron Blocksdorf ihren Fall.
Bald schon geraten beide ins Visier der selbsternannten Richter und Henker ...
LanguageDeutsch
Release dateAug 2, 2012
ISBN9783936536881
Henkersnacht über der Aa: Münster-Thriller 4

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    Henkersnacht über der Aa - Hendrik Davids

    Hendrik Davids

    Henkersnacht über der Aa

    Münster-Thriller 4

    Handlung und Personen sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit wäre rein zufällig. Insbesondere sind auch die unmittelbar von der Romanhandlung betroffenen Betriebe und Unternehmen sowie die Vorgänge um sie reine Erfindung des Autors. Sie haben nichts mit Betrieben und Unternehmen zu tun, die tatsächlich existieren oder existierten.

    Hendrik Davids

    ImPrint eBook. Münster 2012

    © 2008 ImPrint Verlag, Münster

    info@imprint-verlag.de

    www.imprint-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten

    ISBN 978-3-936536-88-1

    Teil I

    Sie kamen mitten in der Nacht, um mich abzuholen. Es war wie in einem billigen Krimi. Ihre Tat war mit teuflischer Perfektion geplant, und sie gingen mit der Präzision von Profis vor. Ich hatte gegenüber meinen Entführern nicht den Hauch einer Chance.

    Ungefähr eine Stunde nach Mitternacht war es gewesen, und ich befand mich allein in der Wohnung, da meine Lebenspartnerin Sonja zu einer Freundin gefahren war, als zwei schwarz Maskierte mit Stemmeisen die altersschwache Tür unserer Kellerwohnung aufbrachen und mit gezogenen Schußwaffen hereinstürmten, bevor ich es verhindern konnte, denn ich war im Schlaf überrascht worden. Diese verdammte Tür! war mein erster Gedanke. Wie oft hatte ich Herrn Geyermann, der nun mal unser Hauswirt ist, bearbeitet, um ihn davon zu überzeugen, daß Menschen wie ich heutzutage eine einbruchssichere Eingangstür brauchen. Aber es war, wie man so schön sagt, vergebliche Liebesmüh. Nun ja, es mochte ja sein, daß andere Reparaturen wichtiger waren. Und woher sollte dann das verdammte Geld kommen, um auch noch eine stabilere Tür einzubauen? Nun, wie auch immer, von einem armen schriftstellernden Privatdetektiv, der kaum die Miete aufbringen konnte, jedenfalls nicht.

    »Los! Steig in deine Klamotten! Wird’s bald?« herrschte mich eine der beiden gänzlich schwarz gekleideten und vermummten Gestalten an. »Und versuch bloß keine Tricks! Mit Schurken wie dir machen wir nämlich kurzen Prozeß! Stimmt’s?« Das letzte war an seinen Gefährten gerichtet.

    Der andere nickte.

    »Moment mal!« protestierte ich. »Mit Schurken wie mir? Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«

    Ich hatte das verdammte Gefühl, daß der Kerl unter seiner Gesichtsmaske grinste. »Das weißt du nur zu gut! Einer, der so viel auf dem Kerbholz hat wie du!«

    »Ich habe gar nichts auf dem Kerbholz!« rief ich, und es war für mich die reine Wahrheit. »Was wollen Sie überhaupt von mir?«

    Der Maskierte warf seinem Komplizen einen Blick zu und lachte höhnisch. »Hast du das gehört? Es ist wirklich zum Kichern. Nichts auf dem Kerbholz! Das sagen alle.«

    Inzwischen hatte ich mir hastig meine Kleidung übergestreift. »Sie schulden mir immer noch eine Erklärung! Was haben Sie mit mir vor?« setzte ich noch einmal an und knöpfte dabei meinen Kragenknopf zu.

    »Wir bringen dich dorthin, wohin Leute wie du gehören.« Wie hingezaubert, hatte der Kerl plötzlich ein Paar Handschellen in der Hand und hielt sie mir unter die Nase. Da mich der andere mit seiner Pistole in Schach hielt, zog ich es vor, keinen Widerstand zu leisten. Die stählerne Acht schnappte um meine Handgelenke.

    Sie zogen mir einen schwarzen Sack über den Kopf und zerrten mich in den Hof. Dort zwangen sie mich, in ein Fahrzeug einzusteigen und mich vor der Rückbank auf den Fahrzeugboden zu legen, wo ich mit Stricken festgezurrt wurde. Dann begann die Fahrt.

    Nach meiner Schätzung fuhren wir etwa eine Dreiviertelstunde. Es ging, wie mir mein Eindruck sagte, zunächst aus der Stadt hinaus und dann über zweitklassige Landstraßen. Was die zurückgelegte Entfernung anging, so wußte ich, daß ich mit Schätzungen vorsichtig sein mußte, denn es war ja möglich, daß sie Umwege machten oder im Kreis herumfuhren, um mich zu täuschen.

    Wir bogen schließlich in einen allem Anschein nach schlecht in Schuß gehaltenen Weg ein, eine Zufahrt offenbar, denn kurz darauf stoppte das Fahrzeug. Meine Entführer befreiten mich aus meiner unbequemen Lage und zerrten mich ein paar Schritte weit zum Eingang eines Gebäudes und in dieses hinein. Hinter mir wurde ein schweres Schiebetor zugerollt. Nachdem es ins Schloß gefallen war, wurde mir unsanft der Sack von meinem Kopf gerissen.

    Das Gebäude, in dem ich stand, schien eine Scheune zu sein. Es war nur spärlich erleuchtet. Vor mir befand sich ein Tisch, der auf mich wie eine Art Richtertisch wirkte. Dahinter saßen drei in schwarze Roben gehüllte Männer. Auch sie trugen Masken, so wie die beiden, die mich entführt hatten. Der mittlere der drei schien eine Art Vorsitz zu führen, falls so ein Wort hier angebracht war. Er hatte vor sich ein Mikrofon, das seine Stimme merkwürdig verfremdete.

    Obwohl die Situation mehr als beängstigend war, hielt ich es taktisch für das beste, mich selbstsicher zu geben. »Ich glaube, ich spinne!« rief ich. »Wenn nicht laut Kalender die Karnevalssaison schon lange vorbei wäre, könnte man denken, ich stände vor dem berühmten Tennengericht. Ich …«

    Der Mann, den ich für den Vorsitzenden hielt, schnitt mir harsch das Wort ab. »Angeklagter, Ihre Unverschämtheiten sind nicht gerade dazu angetan, Ihre Lage zu verbessern!« brüllte er in einem Tonfall, der die schlimmsten Assoziationen weckte und einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Was glauben Sie eigentlich, wo Sie hier sind!«

    Er machte eine Pause.

    »Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht«, sagte ich.

    »Sie stehen vor dem Sondergericht für besonders schwere Strafsachen, tagend bei Münster. Unsere Organisation ist der Stoßtrupp des Rechts, die Speerspitze der Gerechtigkeit«, sagte der mittlere der drei schneidend, und auch seine Stimme war durch das Mikrofon grotesk verzerrt. »Mein Name tut nichts zur Sache. Man nennt mich ›Richter Gnadenlos‹. An meiner Seite sitzen meine beiden Beisitzer, Richterkamerad Brummer und Richterkamerad Strößler.«

    »Nun gut«, sagte ich »Dann kommen Sie mal zur Sache. Was wird mir vorgeworfen?«

    »Das werden Sie gleich erfahren, wenn das Verfahren eröffnet ist und die Anklageschrift verlesen wird.« Richter Gnadenlos sah auf einen Zettel. »Sie sind Herr Jan Brockdorf, ledig und derzeit wohnhaft in Münster?«

    »Ich heiße nicht Jan Brockdorf!« protestierte ich. »Mein Name ist Ron Blocksdorf. Mit einem Jan Brockdorf habe ich nichts zu tun!«

    »Ja, ja, solche Ausflüchte kennen wir.« Der Mann unter der Maske deutete ein häßliches Lachen an. »Uns können Sie nicht für dumm verkaufen. Es ist uns bekannt, daß Sie unter verschiedenen Decknamen auftreten.«

    »Ich trete nicht unter einem Decknamen auf! Ich heiße wirklich Ron Blocksdorf! Es ist mein amtlicher Name.«

    »Ach? Tatsächlich? Ja, wenn das so ist ...« Richter Gnadenlos sah auf seinen Zettel. »Schlamperei! Wir werden das gleich ändern. Richterkamerad Strößler, tragen Sie ins Protokoll ein: Der Angeklagte führt nach seinen Angaben den amtlichen Namen Ron Blocksdorf.« Der Beisitzer machte einen Vermerk. Ich wollte erneut Einspruch erheben, kam aber nicht dazu, weil Richter Gnadenlos mich gar nicht erst zu Wort kommen ließ. »Fahren wir also fort«, sagte er, wieder an mich gewandt. »Sie sind, wie ich somit feststelle, Ron Blocksdorf, Schlachtergeselle?«

    »Wie bitte?« Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Wenn die Situation nicht so bedrohlich gewesen wäre, hätte ich möglicherweise laut aufgelacht. »Wie sich leicht überprüfen läßt, bin ich als Schriftsteller und Privatdetektiv tätig.«

    »Nun ja. Aber Ihr erlernter Beruf ist Schlachtergeselle?«

    »Nein!«

    »Was haben Sie dann gelernt?«

    »Ich habe eine Weile herumstudiert. Ein wenig Publizistik, ein bißchen Literaturwissenschaft, etwas Kriminologie. Ich habe dann versucht, bei der Polizeiakademie zu landen, bestand aber die Aufnahmeprüfung nicht. Und so versuche ich, mich als Krimiautor und Privatdetektiv über Wasser zu halten.«

    »Nun gut. Gelernter Schlachtergeselle oder nicht, das wird sich feststellen lassen. Sie sind also Ron Blocksdorf, geboren am 13.11.1970?«

    »Moment mal!« rief ich. »Geboren bin ich nicht am 13.11.1970, sondern am 3.2.1973!« Es war wie ein plötzlicher Hoffnungsschimmer.

    Richter Gnadenlos stutzte bei meinen Worten. »Was? Nicht am 13. November 1970?« fragte er, jetzt leicht verunsichert. »Aber Sie haben selbstverständlich nichts dabei, um es zu beweisen?«

    »In der Tat, meinen Ausweis konnte ich nicht mehr einstecken«, gab ich zu, »weil die beiden Herren mir gar keine Zeit dazu ließen. Doch halt! In meiner Brusttasche müßte mein Führerschein sein.«

    »Her damit!« Da mich die Handschellen behinderten, gab er einem seiner Helfershelfer einen Wink. Der griff mir roh in die Brusttasche und förderte tatsächlich das gesuchte Dokument zutage. Richter Gnadenlos warf einen langen Blick darauf. »Nun, jeder weiß, daß Ausweise gefälscht sein können«, meinte er dann. »Wie denken Sie über die Sache, meine Herren?« Die Frage war an die beiden sogenannten Beisitzer gerichtet.

    »Ich schließe mich selbstverständlich Ihrer Auffassung an, Euer Ehren«, antwortete der zu seiner Rechten. »Ich sehe übrigens, zum Glück, sogar eine Möglichkeit, uns Gewißheit zu verschaffen. Stand da nicht in den Unterlagen diese Sache mit der Hand?«

    »Ja, richtig, die Sache mit der Hand.« Richter Gnadenlos wandte sich wieder mir zu. »Wie aus den uns vorliegenden Personenbeschreibungen hervorgeht, sind seit einem Arbeitsunfall, bei dem einige Sehnen durchtrennt wurden, die beiden äußeren Finger Ihrer linken Hand nur eingeschränkt beweglich.«

    »Ich hatte nie einen solchen Arbeitsunfall! Bitte überzeugen Sie sich!«

    Ich hielt dem Maskierten meine Hand unter die Nase und demonstrierte die Beweglichkeit meiner Finger. »Eine solche Sache müßte außerdem Narben hinterlassen haben, meinen Sie nicht?«

    »Ja, in der Tat ...« Die Wucht meiner Argumente schien bei Mr. Gnadenlos nun tatsächlich Wirkung zu zeigen. »Richterkamerad Brummer«, wandte er sich schneidend an seinen Beisitzer zur Linken, und trotz des durch das Mikrofon verzerrten Klangs seiner Stimme war ein ungläubiger Unterton unverkennbar. »Kann in unseren Unterlagen ein solcher Irrtum hinsichtlich der Angaben zur Person des Angeklagten vorliegen?«

    »So gut wie ausgeschlossen.« Der Angeredete schüttelte energisch den Kopf.

    Richter Gnadenlos schien auf einmal völlig außer sich zu sein. »Zum Teufel noch mal! Verdammte Schlamperei!« tobte er. »Dann haben wir ja den Falschen erwischt! Das wird für die Verantwortlichen Konsequenzen haben.« Er wandte sich an mich. »Sie haben verdammtes Glück gehabt. Dann werden wir Sie mal kostenlos zurückkutschieren.« Er wandte sich an meine beiden Entführer. »Vergeßt nicht, ihm wieder die Augen zu verbinden. Schafft ihn zurück, wie ihr ihn hergebracht habt.«

    »Was, einfach so, als wäre nichts gewesen?« wagte ich, leicht verwundert, zu fragen.

    »Ja, so, als wäre nichts gewesen. Nehmen Sie einfach an, es handelte sich um einen makabren Spaß. Gehen Sie davon aus, daß wir mal testen wollten, wie sich ein Krimiautor verhält, wenn er wirklich mal in eine verdammt beängstigende Lage gerät. Stellen Sie sich vor, daß es sich um eine Wette handelte. Verstanden?«

    »Okay. Aber wieso soll ich dann mit verbundenen Augen zurückgebracht werden, wenn das Ganze nur ein sehr eigenartiger, mieser Scherz war?« wandte ich ein.

    »Um ganz sicher zu sein, daß die Sache keine Konsequenzen für uns hat. Für den Fall, daß Sie zu den Zeitgenossen gehören sollten, die keine eigenartigen Späße verstehen ...«

    Erstes Kapitel

    Wo einst die knusprigsten halben Hähnchen des Stadtviertels serviert worden waren, huschten Ratten über das verwilderte Grundstück. Die alte Villa stand noch, und mit ihren efeubewachsenen Backsteinwänden und den spinnwebenverhangenen Erkern hatte sie etwas von einem verwunschenen Schloß. Und dabei war vor einem Jahr noch alles ganz anders gewesen, und nichts hatte darauf hingedeutet, daß einmal so schnell der Zeitpunkt kommen würde, an dem hier nichts mehr so war wie bisher, bis zu einem kalten, grauen Tag im Februar, jenem verfluchten Tag, an dem Mira die Welt nicht mehr verstand.

    Es schien in ›Lama’s Restaurant‹ ein Abend wie jeder andere zu sein, auf den ersten Blick wirkte alles wie immer.

    Ein in der Ecke auf einer Art Gebetstisch stehendes Bild des Dalai Lama war das beherrschende Element des Thekenraums, der in warmen Orangetönen gehalten war, den Farben des geistlichen Oberhaupts der Tibeter. In der anderen Ecke stand die Nachbildung eines tibetischen Tempels. Die sanfte fernöstliche Musik, die während des Abends den Raum erfüllt hatte, war bereits abgeschaltet. Früher als sonst waren in dieser dunklen Winternacht die letzten Gäste gegangen. Der Koch hatte bereits Feierabend gemacht. Wenn jetzt noch jemand den Wunsch verspürte, sich mit »Hähnchen tibetanisch«, als besondere und unnachahmliche Gaumenfreude des Hauses weithin ein Begriff, und dazu ein paar »kühlen Blonden« verwöhnen zu lassen, mußte er bis zum übernächsten Abend warten, denn morgen war Ruhetag.

    Mit einem entschlossenen Griff nahm Mira einen Besen und fegte das Lokal aus. Zur Zeit war in der Nähe wieder einmal eine dieser verdammten Straßenbaustellen, die in der Stadt so zahlreich waren, und es wurde ziemlich viel Dreck hereingetragen. Ein paar festgetretene Lehmklumpen mußten von den alten Steinplatten abgekratzt werden. Sie nahm dafür das Messer, das sie auch nahm, wenn Spuren von diesem verfluchten Teersplitt sich in der Sohle ihres Stiefels festgesetzt hatten und entfernt werden mußten. Das Messer lag immer in der untersten Schublade hinter der Theke und diente sonst dazu, Spuren von heruntergeflossenem Kerzenwachs von den Tischen zu kratzen.

    Hauptinhaberin des Restaurants, hinter dem auch ein Verein stand, dessen Mitglieder sich als Anhänger des vom Dalai Lama, dem Friedensnobelpreisträger und religiösen Oberhaupt der Tibeter, vertretenen Gedankenguts fühlten, war eine Frau Lammers. Mira war ihre Tochter. Bei den Gästen war Elvira Lammers oft eher unter dem Namen ›Mama Lama‹ bekannt. Manche bevorzugten es allerdings, von ihr als ›Mutter Courage‹ zu sprechen. Auch Miras Großmutter, von den Gästen ›Oma Lama‹ genannt, mischte als Teilhaberin mit. Und seit einigen Jahren war nun die schöne Mira, jetzt knapp fünfundzwanzig, die Dritte im Bund.

    Seit einiger Zeit schon rankte sich eine Legende um das Restaurant, dessen Betreiberinnen das nicht ungern sahen. Es hieß, daß kein Geringerer als der Dalai Lama selbst bei seinem ersten Besuch in der Westfalenmetropole im Juni 1998 aus spontanem Entschluß der damals bereits von Frau Lammers betriebenen Gastwirtschaft einen Besuch abgestattet habe, um mit seinen Begleitern einen kleinen Imbiß einzunehmen, und daß es daraufhin mit der Gaststätte stetig aufwärts gegangen sei und man ihm zu Ehren aus ›Restaurant Lammers‹ kurzerhand ›Lama’s Restaurant‹ gemacht und »Hähnchen tibetanisch« kreiert habe. Manche behaupteten sogar, einer der Vertrauten des religiösen Oberhaupts aus dem Fernen Osten habe als Dank für die hervorragende Bewirtung das Rezept hinterlassen. Aber das war, wie gesagt, nur eine Legende.

    Die Kasse stimmte, die Tageseinnahmen waren verbucht. Mira steckte das Geld in eine Geldbombe und verstaute diese in ihrer Handtasche, nur das übliche Wechselgeld blieb in der Kasse. Die Tasche war nicht gerade neu und schon mehrfach geflickt, und Lothar, ihr Freund, hatte ihr bereits zugeredet, sich doch endlich von ihr zu trennen. Aber dazu konnte sie sich bislang nicht entschließen, denn mit der Tasche verbanden sich Erinnerungen. Die Tasche war ein Geschenk gewesen. Von Max, jetzt ihr Ex-Freund. Er hatte das edle Stück genau nach ihren Vorstellungen, die sie einmal beiläufig geäußert hatte, ausgesucht und sie

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