"Jüdisch" als politisches Konzept: Eine Kritik der Politischen Theologie
()
About this ebook
Read more from David Nirenberg
Religionskonflikte im Verfassungsstaat Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Related to "Jüdisch" als politisches Konzept
Titles in the series (13)
Die drei Körper des Staates Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsVergängliche Gefühle Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSuche nach dem Handorakel: Ein Bericht Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer feiste Doktor: Luther, sein Körper und seine Biographen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPossenspiel mit tragischem Helden: Mechanismen der Komik in antiken Theaterbildern Rating: 0 out of 5 stars0 ratings"Jüdisch" als politisches Konzept: Eine Kritik der Politischen Theologie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWas ist eine Ruine?: Entwurf einer vergleichenden Perspektive Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPolitik der Evidenz: Öffentliche Bilder als Bilder der Öffentlichkeit im Trecento Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFormen des Vergessens Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer neue und der alte französische Säkularismus Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Erfindung der Intoleranz: Wie die Christen von Verfolgten zu Verfolgern wurden Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAmerikanischer Staatsbürgersentimentalismus: Zur Lage der politischen Kultur der USA Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLatenz: Zur Genese des Ästhetischen als historischer Kategorie Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Related ebooks
Was würde Jesus tun: Anregungen für politisches Handeln heute Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Geburt des Christentums: Die Erfindung einer Religion Rating: 1 out of 5 stars1/5Im eigenen Namen, in eigener Verantwortung: Eine katholische Antwort auf den Pluralismus Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Bedeutung der Notwendigkeit der Evolution der Religionen und des Atheismus: ... warum ich kein Christ mehr bin ... Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Politik Jesu Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPropheten und Begründer der Weltreligionen: Jesus und Mohammed: Biographie von Jesus Christus und Prophet Muhammad Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMusste Jesus für uns sterben?: Deutungen des Todes Jesu Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTheologie von unten: Querdenker des 20. Jahrhunderts Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsJesus: Die Biographie Rating: 0 out of 5 stars0 ratings"Der ganz andere Gott will eine ganz andere Gesellschaft.": Das Lebenswerk Helmut Gollwitzers (1908-1993) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Erfindung des Christentums: Eine spekulative Ermittlung auf den Spuren der Apostel Rating: 1 out of 5 stars1/5Gläubige Zeiten: Religiosität im Dritten Reich Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGott und die Welt: Theologien, Gleichnisse, § 218, politische Schlussfolgerungen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsJesus, der Kapitalist: Das christliche Herz der Marktwirtschaft Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Endzeit, das Gericht und die Gralsbotschaft: Erinnerungen an die Wahrheit Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKeine Religion ist eine Insel: Vordenker des interreligiösen Dialogs Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsThesen über Feuerbach: Die deutsche Ideologie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMissbrauchter Gott?: Religion im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDeus Culpa: Wer ist Gott? Gott neu denken Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsVom Islam zum Islamismus, vom islamistischen Fundamentalismus zum Djihadismus: Ein ideologiekritischer Aufklärungsversuch Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas dunkle Feuer -Gottes zerstörende und liebende Kraft im Menschen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWie christlich ist unsere Gesellschaft?: Das Christentum im Zeitalter von Säkularität und Multireligiosität Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Christentum und der Staat: Annäherungen an eine komplexe Beziehung und ihre Geschichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Dunkle Feuer: Gottes zerstörende und liebende Kraft im Menschen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLiebe - der Geschmack des Christentums: Plädoyer für eine zweite Reformation Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKarl Marx: Die deutsche Ideologie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsZum Teufel mit dem Teufel und zur Hölle mit der Hölle Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSünde - was ist das? Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKirchengeschichte als Teil der Theologie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFür eine Kultur der Anerkennung: Beiträge und Hemmnisse der Religion Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Social Science For You
Was ist deutsch?: Elemente unserer Identität Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPersönlichkeitsentwicklung durch Musik: Rhythmisch-musikalische Erziehung als Unterrichtsprinzip Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHandbuch Sinneswahrnehmung: Grundlagen einer ganzheitlichen Bildung und Erziehung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWie weiter mit ... ?: Adorno, Arendt, Durkheim, Foucault, Freud, Luhmann, Marx, Weber Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEnzyklopädie der russischen Seele Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsRadikale Zärtlichkeit. Warum Liebe politisch ist Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsOrganisationsentwicklung und Konfliktmanagement: Innovative Konzepte und Methoden Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGender: Eine neue Ideologie zerstört die Familie Rating: 2 out of 5 stars2/5Haltung und Widerstand: Eine epische Schlacht um Werte und Weltbilder Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGregory Bateson - Eine Einführung in sein Denken Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Vagina-Monologe Rating: 4 out of 5 stars4/5Wir informieren uns zu Tode: Ein Befreiungsversuch für verwickelte Gehirne Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHexen: Die unbesiegte Macht der Frauen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSystemische Fragetechniken für Fach- und Führungskräfte, Berater und Coaches: Die Bedeutung von Fragen im Beruf Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Welt reparieren: Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Unbehagen in der Kultur Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Zukunft der Arbeit: Digitalisierung, Automatisierung, KI Rating: 0 out of 5 stars0 ratings200 Duas für Muslim Rating: 5 out of 5 stars5/5Schlagfertigkeitstechniken für Anfänger: Grundlagen und Techniken der Schlagfertigkeit lernen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKunstsoziologie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWarum lernst du kein Deutsch ?! Rating: 5 out of 5 stars5/5Griechische Mythologie für Anfänger: Gesamtausgabe Rating: 5 out of 5 stars5/5Psychologie der Massen Rating: 4 out of 5 stars4/5Unverfügbarkeit Rating: 4 out of 5 stars4/5Der Münchner Parkhausmord: Ein spektakulärer und umstrittener Indizienprozess Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsManipulationstechniken: Manipulation Erkennen, Abwehren und Gezielt Einsetzen Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Reviews for "Jüdisch" als politisches Konzept
0 ratings0 reviews
Book preview
"Jüdisch" als politisches Konzept - David Nirenberg
Das Werk Die zwei Körper des Königs von Ernst Kantorowicz trägt den rätselhaften Untertitel »Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters«. Rätselhaft deshalb, weil »politische Theologie« zwar eine Anspielung auf Carl Schmitts Buch von 1922 mit diesem Titel sein könnte, die Bedeutung der Anspielung jedoch schwer fassbar ist: Kantorowicz kommentierte den Untertitel nicht.¹ Auch mein Titel soll eine Schrift von Schmitt anklingen lassen, in diesem Fall »Der Begriff des Politischen«.² Ich werde um meine These kein Geheimnis machen, dass nämlich entscheidende europäische Konzeptionen des Politischen (oder mit Carl Schmitts Wort: Begriffe des Politischen) – die von Carl Schmitt eingeschlossen – aus dem Denken über das Judentum und das Jüdische entstanden sind. Damit meine ich nicht das Judentum als eine geschichtliche oder gelebte Religion, sondern das Judentum als eine Figur des christlichen Denkens, eine Figur, die von Generationen von Denkern mit ihren Bemühungen, der Welt Sinn abzugewinnen, hervorgebracht worden ist, eine Figur, die auf diese Welt projiziert wurde und für sie konstitutiv ist.
»Politische Theologie«, so werde ich behaupten, ist eine Konzeption des Politischen, die durch christliche Vorstellungen vom Judentum als Feind entstanden ist. Wie bei vielen anderen Konzepten sind ihre Bedeutungen vielfältig und nicht dauerhaft stabil, aber ich werde die Wendung nur in einem sehr allgemeinen Sinne gebrauchen, der Schmitt und Kantorowicz ebenso wie vielen anderen Denkern gemeinsam ist: im Sinne einer Begründung des politischen Handelns der Menschen in einem Gebot des Gehorsams gegenüber der souveränen Autorität Gottes.³ Ich möchte Sie erstens davon überzeugen, dass die Vorstellung von der Feindseligkeit der Juden für die Theoriebildung der christlichen politischen Theologie historisch bedeutsam gewesen ist, und zweitens davon, dass diese historische Relevanz nicht in erster Linie das Produkt irgendeines wesentlichen Aspekts des gelebten (um nicht zu sagen »realen«) Judentums ist, sondern vielmehr durch Schlüsselbegriffe und Praktiken christlichen Denkens erzeugt wurde.
Die zentrale Bedeutung der Vorstellung von jüdischer Feindseligkeit für Carl Schmitts eigenes Konzept des Politischen ist nicht schwierig zu zeigen. Die »wesentliche Einsicht«, erklärte Schmitt in Die Deutsche Rechtswissenschaft im Kampf gegen den jüdischen Geist (1936), ist, »daß mit jedem Wechsel der Gesamtsituation, mit jedem neuen Geschichtsabschnitt, so schnell, daß wir es nur bei größter Aufmerksamkeit erfassen, auch eine Änderung des jüdischen Gesamtverhaltens, ein Maskenwechsel von dämonischer Hintergründigkeit eintritt«.⁴ Hinter den wechselnden Masken steckt eine wesensmäßige und gleichbleibende jüdische Feindseligkeit, die den Sinn christlicher Geschichte erklärt, einen Sinn, der, wie Schmitt es viel später in Der Nomos der Erde (1950) formulierte, enthüllt wird durch das Nachdenken darüber, »was es politischgeschichtlich bedeutete, daß die Juden vor der Kreuzigung des Heilands gerufen haben: ›Wir haben keinen König als den Cäsar‹ (Joh. 19,15).« Loyalität zu den satanischen Fürsten dieser Welt, eine mörderische Feindschaft gegenüber Gottes Souveränität, die Verbannung des Wunders und die Unterwerfung der Welt unter »gesetzmäßige Regelmäßigkeit«: Für Schmitt waren dies die grundlegenden Attribute des »jüdischen Geistes« und blieben es im weiteren Verlauf seiner langen Karriere.⁵
Selbstverständlich müssen Schmitts Schriften im Kontext des frühen 20. Jahrhunderts und des Denkens und der Gesellschaft der Weimarer Republik verstanden werden. Aber es ist gleichermaßen zu berücksichtigen, dass sich diese Schriften auf eine lange Tradition stützten, in der es üblich war, Figuren des Judentums zu verwenden, um über christliche Politik und christliches Recht nachzudenken, eine Tradition, die sogar in Gesellschaften wirksam war, in denen gar keine Juden lebten. Ohne eine Geschichte dieser Denktradition – das heißt ohne die lange Geschichte des Jüdischen als eines Konzeptes christlicher Politik – können wir weder verstehen, welche Denkgewohnheiten Schmitts Politik formten, noch die Denkfiguren des Judentums verstehen, die diese Gewohnheiten zu erzeugen imstande waren.
Es ist offenkundig unmöglich, diese Geschichte in einem Aufsatz dieser oder jeder anderen Länge vollständig zu rekapitulieren. Deshalb schlage ich vor, sich nur einige frühchristliche Quellen kurz anzuschauen, um meine These plausibel zu machen, dass die Erzeugung des Judentums in der christlichen Hermeneutik kodiert ist. Dann werde ich zu einigen mittelalterlichen Beispielen aus England, Frankreich und Spanien übergehen, um zu veranschaulichen, wie Denkfiguren des Judentums in