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Sakkorausch: Ein Monolog
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Sakkorausch: Ein Monolog
Ebook53 pages36 minutes

Sakkorausch: Ein Monolog

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Ein Text zwischen Imagination und Realität, dem Wahn und seinem Sinn in der Begegnung mit einer Frau, die sich Pseudonyme wie Sakkorausch oder Sakrosankt wählte, alle weiblichen Lebensmodelle kategorisch verwarf und statt dessen ihrer Laufbahn als Philosophin, Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin widmete und dafür mit dem Ausschluss aus der Gesellschaft zahlte. In Elisabeth Reicharts Monolog rechnet dieser Frau mit ihrer Umwelt ab, beharrt auf ihrem Anderssein. Helene von Druskowitz, geboren 1856 in Hietzing bei Wien, war die erste Österreicherin, die (mit 22 Jahren) zum Doktor der Philosophie promovierte. Sie war unter anderem mit Marie von Ebner-Eschenbach befreundet, die ihr ebenso wenig half wie ihre anderen Freundinnen, als sie mit 35 in die Irrenanstalt eingeliefert wurde.
LanguageDeutsch
Release dateDec 10, 2012
ISBN9783701358816
Sakkorausch: Ein Monolog

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    Sakkorausch - Elisabeth Reichart

    Monolog

    Sonnenuntergang.

    Einer der ungezählten, die ich durch dieses Fenster sah, sehen werde.

    Ich falle in den Untergang.

    Gehe unter.

    Über mir meine Sätze, meine Namen.

    Maikäfer flieg

    dein Vater ist im Krieg

    die Mutter ist in Pommerland

    Pommerland ist abgebrannt

    Meine Sätze beweisen meinen Irrsinn. Meine Sätze treten als Zeugen gegen mich auf.

    Antreten! Drauftreten!

    Ich muß ein neues Loch in meinen Gürtel bohren. Foreign und dick – unvorstellbar. Vielleicht schreibe ich einmal einen Vergleich über die Gedanken dicker und dünner Philosophen: Die Auswirkungen der Leibesfülle auf die Betrachtung ethischer Probleme.

    Sie wollen mich heilen.

    Von meinen Gedanken.

    Ich kenne sie, diese Heilsbringer.

    Von ihnen will ich nicht erkannt werden. Ich habe meine Schrift verändert. Meine geniale Schrift kann nur noch von ebenso genialen Menschen gelesen werden wie ich es bin. Nicht von diesen Nervensägen, Schlächtern, Pfaffen.

    Elizabeth hat sich dieser Gefahr entzogen. Sie schweigt und füttert die Stare. Selbst vor Kriegsbeginn hat die Königin nichts anderes im Sinn, als die Stare zu füttern. Ganz gewöhnliche Stare. Und ausgerechnet vor meinem Fenster, diesem so mühsam erkämpften Fenster!

    Elizabeth hat nie um etwas gekämpft. Nicht einmal um ein Fenster. Nur Helene von Druskowitz gegenüber die Erinnerung an den eigenen Willen, die beharrlichen Versuche, ihren Kopf durchzusetzen. Ich mag keine Vogelammen. Von allen Rollen diese ausgewählt. Ein Irrtum der Natur. Warum verlangt sie von mir, daß ich ihr bei dieser Fütterung zusehe, diesem Rückfall in die Gebärdensprache und das Einheitsgezwitscher? Sobald ich mich von ihr abwende, zieht sie den Kopf ein und breitet die Arme aus. Vergebliche Fluchtbewegung. Die Flugbahn der Vögel bleibt unerreichbar. Selbst die Mauerasseln sind schneller als sie, die von den Wärtern ergriffen wird ... unerträglicher Anblick ... erstarrt in seiner täglichen Wiederholung ... besitzwütige Hände, unflätige Worte ... die Monster haben ein leichtes Spiel mit Elizabeth, die nicht über ihre Grausamkeit verfügt, nur über eine verstummte Dichterseele, die sich mit den Vögeln eins weiß, nicht mit den Menschen.

    Hab keine Angst, sie werden nicht kommen. Weder heute noch morgen. Ich bleibe hier stehen und lasse uns aus der Zeit fallen. Fall du nur den Vögeln zu Füßen, solange sie nicht über dich herfallen. Ich warte auf dich wie dein Schatten, in den ich einziehen werde, wenn du die Stare verläßt und zu deinen Gedichten zurückfindest.

    Hör auf mich, und hör weg von diesem Gezwitscher! Die Stare wissen von nichts. Manchmal sieht es so aus, als würdest du mit ihnen reden.

    Erstarrter Mund unter den Menschen, beweglicher Mund unter den Vögeln?

    Ich werde dir deine Gedichte vorlesen. Ich trage sie stets bei mir.

    Spüre sie in der Innenfläche meiner rechten Hand, die ins Leere greift.

    Dieses Gewohnheitsdenken.

    Sogar der Körper fühlt die Tasche noch, und bei geschlossenen Augen kann ich sie anstarren bis zum Starrkrampf.

    Meine unauffindbare Tasche.

    Eine braune Ledertasche, alt, abgewetzt, ohne Henkel.

    Mein Leben paßte in die Tasche.

    Es hat keinen Sinn, sie zu suchen.

    Das bißchen Erinnerung und Zukunft.

    Mauer-Oehling.

    War ein Stein darin?

    Sicher war ein Stein darin.

    Mein Afrikastein.

    Statt Afrika ein Stein.

    Schon damals, im Hafen, trug

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