Die Frauen aus Fanis: Geschichten aus der Sagenwelt der Dolomiten
By Anita Pichler and Sabine Gruber
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Aus überliefertem ladinischem Erzählgut formte Anita Pichler ihre Porträts von dreizehn Frauengestalten aus der reichen Sagenwelt des Dolomitenraums und zeichnet die Geschichten von Tanna, der Urmutter, von Somawida, die Feuer ist, von Dindia, dem Wind, von diesen besonderen Frauen, in deren Händen das Schicksal von Fanis liegt.
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Die Frauen aus Fanis - Anita Pichler
Anita Pichler
Die Frauen
aus Fanis
Geschichten aus der
Sagenwelt der Dolomiten
Mit Erläuterungen und
einem Nachwort von Ulrike Kindl
Vorwort
Fanes ist meine Geschichte. Es ist die Geschichte, die ich kenne, seit ich mich an Geschichten erinnern kann: ich hörte sie, wie ich andere Geschichten gehört habe, die von einem Gott, von seiner Schöpfung und von seinem Sohn. Es sind Geschichten des Gewesenseins. Einmal standen sie in einem Zusammenhang, und man brauchte sie nicht zu glauben. Auch die Geschichten von Fanis sind in einem Zusammenhang entstanden, dessen Zeit uns nicht mehr bekannt ist, dessen Ort unwichtig ist. Es sind Geschichten von der Zeit vor der Zeit und von einem Ort vor dem Ort, den sie benennen. Sie erzählen das Immergleiche, was alle Geschichten erzählen: Sie erzählen vom Werden und Vergehen, von Erde, Wasser, Wind und Feuer. Sie erzählen von der Materie, der Urmutter Tanna; von Samblana und Kelina, die über das Werden und den Verlust der Formen des Lebens entscheiden; sie erzählen von den Elementen: von Dindia, dem Wind, dem Spiel der Verfolgung, von Sexualität und Macht. Sie erzählen vom Umgang mit den Elementen, der Kultur, von Somawida, die Feuer ist, Erz. Sie erzählen von Tsikuta, der Wahrnehmung der Zeit, der Geschichte; sie erzählen von der Gründung eines Reiches, von Kämpfen, Siegen und Niederlagen und von der Auflösung, vom Vergessen und Verschwinden dieser Wirklichkeit. Am Ende steht bloß noch ein Sonnenstrahl, Sorejina, die Zeit nach der Zeit, ein Beginn.
Fanes ist eine mögliche Geschichte, eine mögliche Vorstellung vom Anfang. Die Geschichten aus Fanis handeln von einem Wissen, das verloren bleibt, dessen Wahrheit wir nicht begreifen, das keine Treue fordert. Man kann diese Geschichten nicht glauben. Mir wurden sie erzählt, ehe ich sie in unterschiedlichen Fassungen gelesen habe. Nichts von dem, was darin erzählt wird, kann bewiesen werden, doch aus allem zwinkert uns, winzig, etwas Wahres zu; wahr wie Hunger, Durst und Nahrung, wie Wasser und Angst, wie Zuneigung und Ablehnung, wie die Zeit, die kommt und kommt und dann vorbei sein wird.
Tanna
Die ersten Menschen waren Stein. Sie hießen Croderes, die Felsgeborenen, saßen schwer auf der Erde und über den Wassern. Mit ihrem Eishaar kitzelten sie den Wind und stießen mit den Füßen bald da, bald dort, die Flüsse aus dem Bett. Tanna war die Königin der Croderes. Ihr Kopf ragte weit in die Sonne, bis er sich erwärmte; das Eishaar schmolz und rann, grub Täler in die Erde. Gräser keimten auf und Blumen. Alles an Tanna wucherte und roch, wuchs in sie hinein und lebte, bis Tannas Herz zu schlagen begann, bis der Wind sich in ihren Bäumen verfing und sie atmete, die Glieder reckte, bis sie die Arme ausstreckte und ihre steinernen Geschwister umarmte.
Die Croderes ringsum schüttelten ihre warmen Hände fort, und Tanna wurde traurig, denn sie war allein mit ihrem Herzen. Tanna bat die Sonne um andere Lebewesen, und die Sonne borgte ihr die Wärme. Tanna nahm von ihren weißen Schultern den Schnee und formte die Murmeltiere. Sie verbeugten sich vor der Sonne, und ihr Fell färbte sich rot. Tanna nahm Erde von ihren Hüften und aus ihrem Schoß und schuf die Menschen, hielt sie der Sonne entgegen, sie begannen zu atmen und lebten.
Tanna strahlte, und an ihrer Stirn strahlte ein kleiner blauer Stein, die Rajeta, denn Tanna war die Königin der Croderes. Die Menschen stiegen an den Croderes hinauf und hinunter und kitzelten sie wie Ameisen, doch Tannas Herz konnten sie nicht fassen, es war groß.
Die Croderes aber schickten weiterhin Wasser über die Abhänge, rollten Steine abwärts und begruben die Menschen darunter. Schlamm riß ihre Hütten nieder, zerstörte Almen und Wiesen. Die Menschen flohen zu Tanna, und Tanna schützte sie mit ihrem blauen Stein, der Rajeta, mit dem sie Wassern und Winden gebieten konnte. Lange beobachtete Tanna die Menschen, die an ihren Hängen lebten. Sie spürte die Wärme der Menschen, sah, wie sie sich liebten und trösteten und spürte ihre Einsamkeit. Tanna sehnte sich danach, mit den Menschen zu leben.
Die Croderes aber sagten, wenn du mit den Menschen leben willst, Tanna, mußt du uns die Rajeta geben, deinen blauen Stein. Dann kannst du nicht mehr unsere Königin sein. Tanna gab ihre Krone mit der Rajeta den Croderes und begann zu schmelzen. Sie wurde kleiner und kleiner, das Wasser, das sie war, riß sie fort, spülte Menschen, Tiere und Pflanzen mit ihr, trug sie weiter bis zum Meer.
Da lebte Tanna mit den anderen Lebewesen. Sie war die Herrin von Aquileia, liebte den schönsten von den Söhnen der Menschen und gebar ihm einen Sohn. Er wurde ihr und dem Herrn von Aquileia ähnlich, und die Freude der Menschen war groß. Als aber der Sohn heranwuchs, wollte Tanna in die Berge zurückkehren, sie wollte ihm zeigen, woher sie gekommen war, und den Croderes wollte sie ihr schönes Menschenkind zeigen. Dies sagte sie dem Herrn von Aquileia, und er ärgerte sich. Warum sollte er die Menschen verlassen, die ihm vertrauten, ihre Häuser, ihre Schiffe, ihre Wege zu Wasser und zu Land?
Tanna wurde schwermütig. Die Sehnsucht nach den Bergen zehrte an ihrer Schönheit. Tanna aß nicht mehr und trank nichts, sie wurde mager und alt, die Haut färbte sich grau, sie wurde den Felsen ähnlich und hart wie Stein. Da jagte der Herr von Aquileia sie fort, zurück in die Berge. Tanna floh mit ihrem Sohn aufwärts, Tag und Nacht, mit jedem Schritt wurde sie stärker; sie trank aus den Quellen, aß von Bäumen und Sträuchern, was sie auf ihrem Weg fand. Es war ein langer Weg.
Tanna wurde mit jedem Schritt fröhlicher. Als sie die Täler entlang aufwärts stiegen, und Tanna ihren Fuß schon auf den Felsen setzte, schauderte es ihrem Sohn, und er ging zurück zu seinem Vater, zum Meer.
Doch der Vater hatte eine andere zur Frau genommen und neue Kinder gezeugt. Er wollte diesen Sohn nicht mehr, der seiner Mutter gefolgt war.
Tannas Sohn irrte im Land herum, von der Ebene zog es ihn zu den Hügeln und zurück zum Meer, er wußte nicht, wohin er gehen sollte, er hatte den Weg zu seiner Mutter verloren. Endlich fand ihn ein schönes Mädchen und holte ihn in seine Hütte, sie rochen aneinander die Lust der Körper, liebten sich und lebten gut. Tanna aber war zu den Croderes zurückgekehrt. Sie wuchs und wuchs, ihr Haar wurde zu Eis und kitzelte den Wind. Sie wuchs hoch, und wenn der Wind aus dem Süden wehte, konnte sie weit draußen in der Ebene die Hütte ihres Sohnes erkennen. Die Croderes freuten sich über Tannas Rückkehr, sie holten Blitz und Hagel zu ihrem Fest aus dem Wind und stießen mit den Füßen bald da, bald dort, das Wasser aus dem Fluß, schwemmten die Hütten der Menschen fort, ließen Steinlawinen darüberrollen und begruben die Menschen darunter. Doch Tanna hatte ihr Menschenherz bewahrt und hörte sie weinen und klagen. Sie versuchte die Croderes davon abzuhalten, die Menschen immer