Vater: Erzählung
By Hans Salcher
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Vater - Hans Salcher
Vater
Der Nachmittag ließ die Sonne hinter die Berge fallen und meine dünnen kleinen Füße sprangen in zu weiten Schuhen zum Vater. Große Hände fingen meine fünf Finger, im Kreis tanzte ich um ihn und immer wieder und immer schneller stolperte ich vor seine großen Füße. Ich sah zu ihm auf, als wäre er ein neuer Berg, der vor mir stand. Aber dann neigte er sich plötzlich wie eine müde Blume zu mir, hob mich auf wie der Wind ein Blatt. Kurze Wege vom Haus zum anliegenden Viehstall waren für uns beide kleine Schachzüge mit einem König in der Hand, immer eins vor und zurück.
Dann stellte sich ein Pferd an unsere Seite, es schlug nicht mit den Hufen, es lehnte seine weiße Mähne an Vaters Schulter. Meine Augen rollten zum Pferd, zum Vater, rollten vom Vater zum Pferd und wieder zurück. Das Pferd war sein Freund. Wortlos setzten wir unseren Gang zu dritt fort, zum Haus und wieder zurück, bis das Pferd sich verabschiedete und alleine wieder in den Stall zurückkehrte.
Im Hof hatte der Vater noch andere Pferde stehen, eine Haflingerstute mit einem Fohlen, das immer wieder fröhlich um seine Mutter herumsprang. Sie gingen stets von alleine zu ihren Weiden und Schlafplätzen, nur ab und zu stand der Vater am Brunnen vor den Viehställen, um zu sehen, wie die Pferdeköpfe im klaren Wasser ihren Durst löschten. Nachher streichelte er ihre Köpfe wie seinen, nahm noch eine Handvoll von demselben Wasser und löschte seinen Durst. Der halbe Inhalt der Handschale ergoss sich um meinen kurzgeschorenen kleinen Kopf und die letzten Tropfen fielen von meiner Nasenspitze auf den ausgetrockneten Platz vor dem Brunnen. Dort sprangen sie noch einmal auf und verschwanden dann im Staub.
Nur kurz zog ich meine Finger aus Vaters Hand, sprang um den halben Platz und wieherte vor mich hin. Da hielt mich eine fremde Hand vor dem nächsten Sprung fest. „Was ist da los, kleines schwarzes Fohlen?" Ich erschrak, blickte auf, sah in ein altes, gebräuntes Gesicht und erkannte darin Josef, ein fröhlicher alter Mann, dessen Bauernhof am Hang unter dem unseren lag. Jeden Tag erzählte er dieselbe Geschichte, aber jeden Tag spielten in seinem Erzählspiel andere Figuren mit. So fing er nun an, von seiner Reise zum Papst nach Rom zu berichten. Ein kurzer Blick zum Vater, doch der verschwand schon in den Viehstall und ich musste mir Josefs Papstpredigt alleine anhören.
„Mein Bub, sang er mit seiner kräftigen Stimme, „der Papst ist ein heiliger Mann, das musst du dir immer merken. Er sitzt auf einem großen roten Sessel, so groß, dass seine Füße den Boden gar nicht berühren. Er trägt auch rote Schuhe und eine rote Zipfelmütze. Sein Blick öffnet bei jedem Menschen die schlafenden Augen. Und dieser heilige Mann hat zu mir, zum alten Josef, gesagt, dass ich bei mir zu Hause den päpstlichen Segen an alle Kinder verteilen soll, auch an dich. Und jetzt schnell auf die Knie!
Meine dürren Beine klopften wie zwei Steine auf den Boden. Josef streckte beide Hände über meinen Kopf und sprach in einer fremden Sprache Worte, die ich nicht verstand, und die mein kurzes Auflachen in eine tiefe Ernsthaftigkeit fallen ließen. Im selben Augenblick hörte ich lautes Kichern aus dem Haus. Ein Blick zu den Fenstern, dann wusste ich, woher es kam, es waren meine Brüder, die da lachten.
„Falte die Hände, mit dir spricht der Papst, da wird nicht gelacht!, rief Josef streng. Ich sprang auf und davon, in den Viehstall zu meinem Vater. Laut schrie der Nachbar hinter mir nach: „Du unfolgsamer Bub, du kommst in die Hölle!
Aber diese Worte hörte ich nur mehr ganz leise in den Armen meines Vaters. Ich blickte in sein Gesicht und wusste, Josef, der Geschichtenerzähler, ist nie beim Papst gewesen.
Der Vater hob mich auf die Schultern seines Freundes, die Wärme des Pferdefells bog