Gaismair: Ein Theaterstück und sein historischer Hintergrund
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Gaismair - Felix Mitterer
missen.
PERSONEN:
Michael Gaismair (35)
Magdalena, seine Frau (26)
Bauern:
Passler (jung, wild)
Pfefferer (über 50, besonnen)
Pichler (40, radikal)
Schnagerer (jung, etwas verschlagen)
Herren:
Sebastian Sprenz (50), Fürstbischof von Brixen
Erzherzog Ferdinand von Habsburg (22), Landesfürst von Tirol
Gabriel Salamanca (35), Spanier, Kanzler des Erzherzogs
Jakob Fugger (66), Augsburger Magnat
Andrea Gritti (70), Doge von Venedig
Kiening (50), Bürgermeister von Brixen
Bauern und Bürger (auch Frauen), Adelige und Prälaten, Wachen und Söldner, Kinder, der schwarze Ritter, ein Scharfrichter, drei Mörder.
ZEIT:
1525–1532
ORTE DER HANDLUNG:
Hofburg Innsbruck, Hofburg Brixen, Wohnung Gaismair in Brixen, Domplatz Brixen, Schenke in Innsbruck, Wald im Wipptal, Kerker in Innsbruck, Bauernstube in Klosters, Wald im Pustertal, Dogenpalast in Venedig, Lazarett in Umbrien, Hügel bei Montegrotto, Palazzetto in Padua
1. BILD
HOFBURG INNSBRUCK
MÄRZ 1525
Musik. Ein Ritter in schwarzer Rüstung (Schwert an der Seite) reitet auf einem schwarzen geharnischten Pferd auf das Publikum zu. Seine Visierklappe hat eine weit vorspringende, unheimlich wirkende Form (wie ein Hundskopf) und ist geschlossen. Der Ritter hält an, das Pferd steigt mit ihm auf, der Ritter wendet, galoppiert davon. Musik aus.
Licht auf der Bühne. Anwesend:
Erzherzog Ferdinand von Habsburg, 22 Jahre alt, ein hübscher, junger Mann „von unruhigem Charakter, erfüllt von der Sehnsucht zu regieren und zu kommandieren" (Zeitgenosse). Manchmal hat Ferdinand etwas Kindliches an sich, aber er kann auch knallhart sein. Er ist in spanische Tracht (vorherrschend schwarz) gekleidet.
Gabriel Salamanca, Spanier, Kanzler und Generalschatzmeister von Ferdinand, sein engster Berater. Er ist eine sehr charismatische, faszinierende und undurchsichtige Erscheinung. Ferdinand befindet sich in einer Art Abhängigkeit von ihm. Ebenfalls in spanischer Tracht.
Jakob Fugger, Eigentümer des Augsburger Handelshauses, Bankier, reichster Mann seiner Zeit, glattrasiert, asketisch wie ein Mönch wirkend, obwohl in schwarzen Seidendamast gekleidet. Auf dem Kopf eine goldene venezianische Netzhaube.
FERDINAND: Wie Ihr bestimmt wißt, Herr Fugger, haben die Innsbrucker vor sechs Jahren meinem Großvater den Einzug in ihre Stadt verwehrt. Er hatte Schulden bei den Innsbruckern. 26.000 Gulden. Die Bürger dieser Stadt verweigern ihrem alten, kranken Landesherrn, der dieses vollkommen unbedeutende und zwischen Bergen eingeklemmte Kaff aus mir unerfindlichen Gründen zu seiner Heimstatt gewählt hatte, diese undankbaren Schweinehunde verwehren dem römisch-deutschen Kaiser Maximilian, dem Herrn der Welt, den Zutritt zu ihrer Stadt! Wegen 26.000 Gulden! Unglaublich! Er hatte keine Söldner mehr, weil er sie nicht bezahlen konnte. Also mußte er abziehen. Diese Enttäuschung war sein Tod. Ganz bestimmt. In Spanien, Herr Fugger, hätte man das als Majestätsbeleidigung betrachtet und alle Einwohner der Stadt niedergemetzelt. (Lacht auf.) Wegen 26.000 Gulden! Stellt Euch das vor!
FUGGER: (bedauernd) Das leidige Geld.
FERDINAND: Mir haben die Innsbrucker einen triumphalen Empfang bereitet. Aber ich hab auch noch keine Schulden bei ihnen. Bis jetzt. Dagegen hat sich herausgestellt, daß Maximilian mir 1,1 Millionen Gulden Schulden in den österreichischen Ländern und in Tirol hinterlassen hat. Der Gläubiger sind in der Hauptsache Sie, Herr Fugger. Ich habe nun eine zusätzliche Steuerausschreibung von 150.000 Gulden in meiner Grafschaft Tirol angeordnet. Die Eintreibung allerdings zieht sich hin, wie ich bemerke. Ich möchte Euch ersuchen, Herr Fugger, diese 150.000 vorzufinanzieren. Ich kann sonst meinen Hofstaat nicht erhalten, ich sag’s Euch, wie es ist.
FUGGER: Fürst, Ihr verursacht mir Magenbeschwerden. Damit die sieben erlauchten Kurfürsten Euren Herrn Bruder zum Kaiser wählen und nicht den allerchristlichsten König von Frankreich, hat mein Haus 852.189 Gulden und 26 Kreuzer zur Bestechung der Kurfürsten ausgegeben. Unsere Finanzmittel sind dadurch leider etwas angegriffen. Leider. Leider.
Ferdinand ist enttäuscht.
FERDINAND: Nun, Herr Salamanca? Was sagt der Generalschatzmeister dazu? Ihr habt mir immerhin diesen Rat gegeben! (Zornig zu Fugger:) Soll ich zu Kreuze kriechen?
SALAMANCA: Es gibt vielleicht einen Ausweg, Durchlaucht. Martin Paumgartner ist in Schwaz verschuldet. Das Fugger’sche Haus könnte seine Bergwerksanteile übernehmen.
FERDINAND: Es geht ein Spruch im Volk um, kennt Ihr Herren den?
„Wer den Salamanca finge
und Jakob Fugger hinge,
zerbreche der großen Hansen List,
so würde Ferdinand größer als er ist."
Fugger ist beleidigt, Salamanca zeigt keinerlei Reaktion.
FUGGER: Ihr erlaubt, daß ich mich zurückziehe, Durchlaucht. Reisen ist etwas sehr Anstrengendes für einen Mann in meinem Alter. Und die Straßen von Augsburg nach Innsbruck sind leider in einem ziemlich schlechten Zustand, Gott sei’s geklagt.
FERDINAND: Eure hunderttausend Handelswägen ruinieren die Straßen, Herr Fugger! Vielleicht könntet Ihr so gut sein und mir bei der Instandhaltung etwas dreinzahlen? Wär mir sehr geholfen!
Fugger verbeugt sich, geht weg. Salamanca schaut Ferdinand strafend an, schüttelt den Kopf.
FERDINAND: Verzeihung, tut mir leid, Herr Fugger! Ich habe Schädelweh! Diese Stadt mit ihren furzwarmen Winden verursacht mir Schädelweh! Entweder hab ich Schädelweh oder ich frier mir die Knochen ab, in diesem gottverdammten Land! Ich kann Euch versichern, Herr Fugger, daß jedem Untertan auf der Stelle die Zunge herausgerissen wird, der bei diesem Spruch ertappt werden sollte.
Fugger ist stehengeblieben und hat sich umgedreht.
FUGGER: Seid bitte nicht undankbar, Graf von Tirol und Erzherzog von Österreich. Ihr würdet ohne mein Geld nicht hier sitzen. Nicht hier in Innsbruck und nicht in Wien.
FERDINAND: Ich habe den Spruch nicht zitiert, um Euch zu beleidigen, Herr Fugger, sondern um meine prekäre Situation aufzuzeigen. Schon Kaiser Maximilian hat Euch fast die ganzen Bergwerke verpfändet. Wenn Ihr jetzt auch noch den Rest schluckt, macht das einen sehr schlechten Eindruck! Nicht nur der Pofel haßt Euch hier in Tirol, sondern auch die Ehrbaren und die Adeligen. Ich muß vorsichtig sein, das ist fremdes Terrain für mich. Die haben hier eine Regierung, Fugger, in der alle vier Stände vertreten sind. Auch die Bürger und Bauern! Kann man sich das vorstellen? Die wollen mitreden, der Pofel will mitreden! Sogar die Mitglieder meines eigenen Hofrates, lauter ehrenwerte Adelige und Prälaten, lassen mich ständig auf der Seife ausrutschen! Ich versteh sie nicht, diese Tiroler, ich versteh sie nicht!
SALAMANCA: Natürlich müßt Ihr vorsichtig sein, Durchlaucht. Deshalb wird Hans Stöckl als Strohmann die Paumgartner’schen Anteile übernehmen. Stöckl ist Tiroler, der Name Fugger kommt gar nicht ins Spiel.
FERDINAND: Na, das ist was anderes. Dann bin ich erleichtert. Ist das auch in Ihrem Sinne, Herr Fugger?
FUGGER: In drei Tagen habt Ihr die Summe, Durchlaucht. Zehn Prozent Zinsen.
FERDINAND: Seid bedankt, Herr Fugger, ich werd’s Euch nicht vergessen.
Fugger verbeugt sich kurz, geht hinaus.
FERDINAND: Schweinehund! Wucherer! Dieser alte Saukerl! In Spanien wär der schon um einen Kopf kürzer und sein Vermögen