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Hexen, Mörder, Nixen, Dichter ...: Dunkelmagische Geschichten
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Ebook114 pages1 hour

Hexen, Mörder, Nixen, Dichter ...: Dunkelmagische Geschichten

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About this ebook

Am Rande der Realität, wo Normalität in Wahnsinn umschlägt, wo Märchen und Mythen Wirklichkeit werden, wandeln jene 19 Erzählungen, die sich geradewegs in den Verstand des Lesers bohren. Jede Geschichte entführt den Leser an die unterschiedlichsten Schauplätze: vom Paris des 19. Jahrhunderts, über den Dondukov-Boulevard in Sofia, bis ans Ende der Welt. Hexen, Mörder, Nixen und Dichter kreuzen ihre Wege. Durch Van Goghs Liebes- und Malgeheimnisse oder Dantes Bart, von dem sich magere Vögel ernährten, wird der Alltag umgestülpt; der Blick hinter den Vorhang liefert die Erkenntnis, dass hinter der vertrauten Realität das Unfassbare lauert und nur ein geringer Anstoß nötig ist, um die Normalität zum Einsturz zu bringen.

"Die Augen. Offen und zu. Im Schlaf. Im Schmerz und in Tränen. In Angst. Und weit aufgerissen. Einatmende Augen. Ausgedehnte Pupillen. Schmerzhaft und berauschend farbig. Errötet oder türkisblau, grün, sich versinkend verzehrende Augen, eines Träumers, eines Wahnsinnigen ..." Zum ersten Mal in deutscher Sprache, Todor Todorov, der neue Autorenstern aus Bulgarien. Einzigartige, verstörende Mysterie à la David Lynch. Ein poetischer Akt in Prosa, für schlaflose Nächte und helle Geister, für Leser die Sex, Schrecken und Thriller lieben und für Ritter, "die kühn herkommen, mit leichtem, aber heißem Herzen". Ganz besonders ist dieses Buch zu empfehlen für diejenigen "die nachts in den Waldestiefen umher wandern, dort, wo Menschen nichts zu suchen haben, mit allen Hexen schlafen, böse Nachtgespenster in den Augen sehen, und ..."
LanguageDeutsch
Release dateJul 25, 2013
ISBN9783942223522
Hexen, Mörder, Nixen, Dichter ...: Dunkelmagische Geschichten

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    Hexen, Mörder, Nixen, Dichter ... - Todor Todorov

    BIOGRAPHISCHES

    DANTES BART

    «Dieser sah nicht mehr den letzten Tag,

    Doch war er ihm nah, so vom Wahn verblendet,

    Dass er ihm gewiss in kurzer Frist erlag.»

    Dante, Purgatorio I, 1

    Der Bart ist vor allem Geschichte, dachte Dante und holte mit dem Rasiermesser aus. Er keimt wie eine Traube, angeschwollen von der Vergangenheit, von der sich nur magere Vögel ernähren. Fest ins Gesicht gepresst, reift er langsam, wird schwer und wird geschnitten, bevor er Früchte trägt.

    Dantes Geschichte begann nach seinem Treffen mit Abulafia. Dieser unruhige Jude, sachkundig im Unverständlichen, hatte ihm die Geheimnisse der Alchemie und der Kabbala enthüllt. Er hatte ihm beigebracht, wie er nach Nord und Süd träumen konnte und auch nach West und Ost und er hatte ihn ermahnt, dass in manchen Nächten, in eine bestimmte Richtung zu träumen, nicht ungefährlich war. Seine Erscheinung setzte der heimischen Gemütlichkeit ein Ende, inmitten derer Dante unzählige Nachmittage vor seinen lateinischen Bänden verbrachte, wenn draußen der Hahn auf Italienisch krähte. Sie verwandelten sich in Wanderer. Kuckucksvögel bauten Nester in ihren Bärten, solange sie die staubigen Wege kehrten.

    Sie landeten in einer jener Städte, wo die Zungen hinter jeder Ecke sprachen. Sie erzählten ihnen von Blinden, die sich im Geheimen versammelt hätten, aber immer an ein und derselben Stelle und zu einer im Voraus vereinbarten Stunde, um über die Welt zu lästern und zu freveln. Wenn etwas Unheimliches oder einfach eine Unannehmlichkeit geschah, sagten die Leute: Es sind sicher die Blinden gewesen! Und wenn mit den Kindern etwas Schlimmes passierte, warnten die Mütter: Sicher sind die Blinden dort gewesen!

    Diese Menschen trugen breitkrempige Hüte und verschiedene seltsame Verbände über ihren Augen, überhaupt verdeckten sie immer ihre Blindheit. Sie sagten, wenn jemand in das Weiße ihrer Augen blicke, verliere er seinen Verstand und ihm sei ein grausames Verhängnis vorbestimmt. Man nannte sie Malooculi – die bösartigen Augen. Man sagte auch, dass jeder einer von ihnen sein könne – vom Bettler auf der Straße bis zu dem alten, eines Nachts vor Entsetzen erblindeten Bischof. Aber das waren nicht einfach Blinde. Sie wollten nicht sehen. Die Welt schmerzte sie wie ein lästiges Geschwür und sie spuckten auf sie in ihren Träumen und in ihrer endlosen Blindheit. Die zwei bärtigen Männer spuckten auch und gingen ihren Weg weiter.

    Dann sah Dante die Katzen. Ganze Katzenarmeen durchquerten die Städte an der Adria. Sie hatten kein Ziel. Sie waren Nomaden, Wanderer, Prügelhelden, Straßenbanditen. Sogar Mörder. Immer unterschiedlich. Dreckig, zerzaust, nass, meist mager. Und zäh. Unbekannt. Sie waren eine Bande Taugenichtse. Heruntergekommen und mit gesträubtem Fell, mit atemlosen Augen, als ob sie geradezu aus der Hölle hervorkommen waren.

    Sie kamen von überall her. Es führte sie irgendein schwarzer langer Kater, der mit seinem Schwanz arabisch schreiben konnte und den die Menschen flüsternd Il Carnefice nannten – den Kopfabschneider. Er hielt nicht an. Niemals. Sie hatten genagt und alles gekaut, was man auf den schlammigen Straßen und Schluchten der Toskana kauen konnte. Ja, sie paarten sich sogar auf den Straßen … lange und laute Orgien. Alles war erlaubt. Jeder wie er es mochte. Es erregte sie der Geruch von Blut, es spannte ihren ganzen Körper an. Fleisch. Vielleicht bereits ein wenig faul und abstoßend … aber Fleisch. Und Hunger. Orgien aus Hunger. Ja, der Trieb stieß sie, warf sie in seltsame Genüsse, sich vergessend und betäubt vom Hunger, haben sie gefickt. Ja, gefickt. Lange und erschöpfend. Und manchmal grausam. Fleisch und Hunger.

    Sie gingen ihren Weg weiter, während Abulafia erzählte, wie die Geschichten der Städte aus ihren Katzenperioden entstanden sind. So die Dynastie Ju Dsin – haarige und kugelförmige Katzen – die mehr als tausend Jahre Peking beherrscht hatte, und den Tod einiger Herrschergeschlechter gesehen hatte. »Den Katzen in Rom und Konstantinopel wachsen Bärte«, sagte Abulafia. »Und jetzt verändern wieder die Katzen die italienischen Städte«, endete er, während der Wind und die Nacht sie auf dem Weg zusammen mit dem Katzengeheul einholten.

    Am nächsten Tag sah Dante Beatricia. Ihr goldenes Haar lockte den blauen Morgen wie ein Segel. Sie trug einen alten römischen Namen und mit jeder Bewegung malte sie die Welt aufs Neue. Sie war das lebendigste Etwas, das Dante je gesehen hatte.

    Neben ihr sah alles alt aus, klebrig und träge.

    Man hatte sie einem Herzog versprochen, der der Meinung war, dass die Welt im Allgemeinen unbeweglich sei. Totgeboren. Und er fürchtete sich vor dieser Paralyse. Er fürchtete sich sehr. Er bevorzugte die Unruhe im Traum, deshalb hatte er sein Schloss so gebaut, dass sein Schlafzimmer sich zusammen mit dem Lauf der Himmelskörper drehte, damit sein Schlaf möglichst lange anhielt. Außerdem sammelte er Dinge, die seiner Meinung nach die Blasphemie des Seins, in so einer Welt wie dieser, aufbewahrten. Man sagte, er besitze einen Vogel, Phönix, der ganz blau sei wie ein persisches Fresko, und dass in seinem Schloss eine Jungfrau aus Afrika wohne, wild wie die Nacht, die all seinen Untergebenen den Wahnsinn gebracht habe. Der Herzog schützte mit diesen Sachen sein Leben.

    Beatricia war das lebendigste Etwas, das er jemals sehen würde.

    Dante ging nach Hause, Abulafia in der Tiefe des Waldes verlassend, als die Nacht sie umhegte und in ihre Bärte eindrang. Ihr Weg nahm ein Ende und Dante wusste – dort aus der Nacht und aus dem Wald gab es allein nur einen Ausgang.

    Er war müde. Der Speichel der alten Männer floss langsam wie ein Lokum von den Balkons herab, und die Fliegen schlummerten auf den erhitzten Dächern. Eine Eule, die ihr Nest neben seinem Fenster gebaut hatte, warnte ihn jeden Abend mit einem dumpfen Schrei.

    Er wusste, dass der Geist von Abulafia ihm auflauerte, um ihn direkt durch die Tore der Unterwelt zu verschleppen. Dieser Mann hatte schon zu Lebzeiten unmenschliche Kräfte besessen.

    Die Blasphemie des Seins – dachte Dante und rasierte sich. Einen Augenblick nachdem er das Messer neben das Fenster niederlegt hatte, klopfte es an der Tür. Er machte zwei Schritte und hielt inne, um noch einmal nach draußen zu schauen – dort, wo die Welt sich wie ein altes vergilbtes Papier zu krümmen begann. Er erinnerte sich an den Blinden und an die Katzen, die sich Städte erstritten. Er erinnerte sich auch an Abulafia, der sich in irgendeinem schlammigen sizilianischen Dorf zu einem Heiligen erklärt hatte. Und machte auf.

    Ich war es.

    Vergilius.

    VAN GOGH IN PARIS

    «La tristesse durera toujours

    Die letzten Worte Van Goghs

    Purpurrote Nächte. Und entzündete Augen. Saure Frauen, saurer Wein. Van Gogh erbrach. Aufs Neue. Schon den sechsten Tag schlief er unter der Brücke Saint Michelle und jeden Morgen sah er sein Spiegelbild in den Gewässern der Seine, wo die Stadt bleich auftauchte, schwarzweiß und gereinigt. Manchmal ernährte er sich von Ratten.

    So ist es. Paris ist Epidemie, Ansteckung, ein Ort, wo der Körper gezwungen ist, zu träumen, zu zittern … zu schwitzen. Ein besonderes Delirium, erinnerungslos, und Fieber beherrschten den Holländer, seitdem er hier hergekommen war. Er fickte eine Äthiopierin auf der rue D’Assain, gekauft und wieder verkauft gegen die wundertätigen Reliquien eines einheimischen Heiligen von einem Mann mit trüben Augen und einer Wunde am Kopf in einer Grotte. In den Kanälen. An solchen

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