Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Taschenbuch Grundschule Band 2: Das Grundschulkind
Taschenbuch Grundschule Band 2: Das Grundschulkind
Taschenbuch Grundschule Band 2: Das Grundschulkind
Ebook459 pages5 hours

Taschenbuch Grundschule Band 2: Das Grundschulkind

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Im zweiten Band des Taschenbuchs Grundschule findet eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Bedingungszusammenhängen des Aufwachsens von Kindern in einer sich rasant verändernden Gesellschaft statt. Aus diesem Selbstverständnis heraus hat die Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik prägnante Vorstellungen zum Lernen und Leben in der modernen Grundschule entwickelt. Dem gemäß werden systematisch, umfassend sowie in historischer und vergleichender Perspektive auf der Basis des aktuellenwissenschaftlichen Diskussions- und Forschungsstands die unterschiedlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Schulanfänger thematisiert und zahlreiche Impulse für eine gelingende pädagogische Praxis gegeben. Für alle Phasen und Formen der Lehreraus- und -weiterbildung und als Standardwerk in der Lehrerbibliothek ist das Taschenbuch Grundschule nach wie vor unverzichtbar.
Folgende Themenbereiche kennzeichnen den vorliegenden Band:
- Heterogenität des Aufwachsens
- Kindheit und Gesellschaft im Wandel
- Im Spannungsfeld von Geborgenheit und Herausforderung
- Besonderer Förderbedarf
LanguageDeutsch
Release dateOct 17, 2012
ISBN9783834030023
Taschenbuch Grundschule Band 2: Das Grundschulkind

Related to Taschenbuch Grundschule Band 2

Related ebooks

Teaching Methods & Materials For You

View More

Related articles

Reviews for Taschenbuch Grundschule Band 2

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Taschenbuch Grundschule Band 2 - Schneider Verlag Hohengehren

    Taschenbuch Grundschule

    Band 2

    Das Grundschulkind

    Herausgegeben

    von

    Eiko Jürgens und Jutta Standop

    Umschlag: Regina Herrmann, Esslingen

    Gedruckt auf umweltfreundlichem Papier (chlor- und säurefrei hergestellt).

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ›http://dnb.d-nb.de‹ abrufbar.

    ISBN: 978-3-8340-0351-5

    Schneider Verlag Hohengehren, Wilhelmstr. 13, D-73666 Baltmannsweiler

    Homepage: www.paedagogik.de

    E-Book: 978-3-8340-3002-3 (2012)

    Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Unterrichtszwecke!

    © Schneider Verlag Hohengehren, 73666 Baltmannsweiler 2008 Printed in Germany – Druck: Hofmann, Schorndorf

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort der Herausgeber

    Das Grundschulkind

    Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

    Vorwort der Herausgeber

    Als Hans Rudolf Becher und Jürgen Bennack im Jahr 1993 das Taschenbuch Grundschule aus der Taufe hoben, konnten sie noch nicht ahnen, dass dies der Beginn einer langen Erfolgsgeschichte sein sollte. Im Jahr 1997 kam Eiko Jürgens als weiterer Herausgeber hinzu und es entstanden die dritte und vierte Auflage.

    Nachdem zuerst Hans Rudolf Becher und dann Jürgen Bennack aus Altersgründen ausschieden, stellte sich die Frage, wie es mit dem Taschenbuch Grundschule weitergehen sollte. Von vornherein geklärt war allerdings die Entscheidung, das Erreichte zu bewahren und darauf aufbauend offen für neue Wege zu sein, um einerseits auf den tiefgreifenden Wandel der gesellschaftlichen Entwicklungsgeschichte, von dem in nahezu allen Bereichen auch die Grundschule als Lern- und Lebensraum betroffen ist, mit konstruktiven Lösungen zu reagieren. Andererseits um dem kontinuierlich fortgeschrittenen Prozess der Weiterentwicklung der Grundschulpädagogik angemessen Rechnung zu tragen.

    Unter der Herausgeberschaft von Jutta Standop und Eiko Jürgens entstand ein neuartiges Konzept, das sich in vier Schwerpunkte unterteilt: I. Grundschule als Institution; II. Das Grundschulkind; III. Grundlegung von Bildung; IV. Fachliche und überfachliche Gestaltungsbereiche.

    Dieses Vorgehen bedeutete gegenüber den vorigen Ausgaben nicht nur eine erhebliche Ausweitung des gespannten Themenbogens, sondern vor allem eine Neubestimmung des gesamten Gegenstandsbereichs derzeitiger und künftiger Grundschulpädagogik. Um zu wissenschaftlich fundierten Klärungen und praktischen Orientierungen zu gelangen, wird nun in vier Bänden, von denen jeder einzelne einer zentralen Perspektive innerhalb einer umfassenden Systematisierung des Gegenstandsfeldes gewidmet ist, der Entwicklungsstand zu den wichtigsten Grundfragen der Grundschulpädagogik forschungsorientiert, überblicksartig und praxisrelevant dargelegt.

    Das vorliegende Taschenbuch zeichnet sich damit durch den Versuch aus, die traditionellen Facetten der Grundschulpädagogik um neue Fragestellungen erweitert zu haben, auch um zu belegen, dass es bei Veränderungen in der Grundschule nicht einfach um die übliche Anpassung geht, sondern vielmehr Herausforderungen auf diese Institution zukommen, die grundlegende Neuorientierungen erfordern. Der Umgang mit der Kinderarmut zählt fraglos an erster Stelle dazu, ebenso Tendenzen zur Früheinschulung und der Ausbau von Ganztagsschulen, um nur einige Beispiele zu nennen.

    Mit dieser Grundstruktur wendet sich das Taschenbuch an einen breiten Kreis von Leserinnen und Lesern. Besonders an Studierende und Lehrende an den Universitäten und Hochschulen, den Referendarinnen und Referendaren in der 2. Ausbildungsphase wie ihren Ausbilderinnen und Ausbildern. Selbstverständlich auch an die in der Schulpraxis Tätigen, den Lehrenden in der Fortbildung und den in der Bildungspolitik Engagierten. Wir hoffen und sind zugleich davon überzeugt, dass diese neue Ausgabe des Taschenbuchs Grundschule einen wichtigen Beitrag dazu leistet, den Anforderungen, die an den Grundschullehrerberuf gestellt werden, kompetent und verantwortungsbewusst gerecht werden zu können.

    Abschließend gilt es den Personen Dank zu sagen, die das Taschenbuch ermöglicht haben. Zum einen geht unser Dank an die Autorinnen und Autoren für ihre Bereitschaft, mit ihrem Sachverstand das Werk zustande gebracht zu haben. Ebenso ist dem Verlag zu danken, dass er dem Projekt von Anfang an sehr zugetan war. Doch unseren größten Dank verdient die Projektkoordinatorin Frau Anke Wadewitz, der es mit großem Engagement gelungen ist, trotz der großen Zahl von über 80 Autorinnen und Autoren nie den Überblick zu verlieren, und der die Aufgabe zufiel, sämtliche Korrekturarbeit zu leisten. Danken wollen wir auch Frau Martina Blomeier, der Sekretärin unserer Arbeitsgruppe, die in der Schlussphase die Fertigstellung tatkräftig unterstützte.

    1 Heterogenität des Aufwachsens

    1.1 Entwicklungspsychologische Befunde

    von Rolf Oerter

    Inhaltsverzeichnis

    1    Heterogenität durch Entwicklungsunterschiede

    2    Genetische Determination und die Expertise-Befunde

    3    Stabilität

    3.1  Befunde zur Leistungsstabilität

    3.2  Stabilität als Ergebnis gleich bleibender Umwelteinflüsse

    4    Eine entwicklungspsychologische Erklärung für Heterogenität: Der lange Weg zur Schule

    4.1  Das erste Lebensjahr

    4.2  Sprachentwicklung

    5    Spezifische Vorbedingungen für den Erwerb der Schriftsprache

    6    Schicht und Subkultur als Schicksal?

    7    Vorbeugende und fördernde Maßnahmen

    7.1  Das Postulat der Entwicklung: keine Zeit verlieren

    7.2  Entwicklungsdiagnose als das A und O jeder Förderung

    7.3  Entwicklungsangepasst fördern

    7.4  Ganztagsschulen sind unerlässlich

    Literatur

    1 Heterogenität durch Entwicklungsunterschiede

    Entwicklungstests und Intelligenztests belegen, dass es auf jeder Altersstufe in der Kindheit und im Jugendalter beträchtliche Entwicklungsunterschiede gibt. Die im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts konstruierten Entwicklungstests und Intelligenztests basierten zum ersten Mal auf der Orientierung an der Alterspopulation. Man bestimmte die Leistungen von 50% einer Altersstufe als „normal oder als Durchschnitt, 25% lagen unter diesem Durchschnitt, 25% darüber. Das Verhältnis des „Intelligenzalters oder „Entwicklungsalters" zum tatsächlichen Lebensalter ergab den Entwicklungsquotienten oder Intelligenzquotienten. Diese historischen Untersuchungen sind insofern bedeutsam, als schon vor ca. hundert Jahren exakt die intellektuelle bzw. generell entwicklungsmäßige Heterogenität einer Altersstufe erfasst wurde. Trotz dieser frühen Erkenntnis hat unser Schulsystem darauf bis heute nicht angemessen reagiert.

    Nach wie vor weisen Sechsjährige eine Streuungsbreite von mindestens zwei Jahren auf: Ihr Entwicklungsalter reicht auch im „Normalfall" von 5;0 bis 7;0 Jahren. Nun muss man sich vor Augen halten, dass Entwicklungsunterschiede von zwei Jahren in diesem frühen Alter enorme Differenzen bedeuten. Sie entsprechen bei Zehnjährigen einer Differenz von vier bis fünf Jahren! Das liegt daran, dass die Entwicklung im früheren Alter viel größere Schritte macht als später. Man vergleiche den Entwicklungsunterschied eines neugeborenen Säuglings mit einem zweijährigen Kind. In diesem Fall ist das Entwicklungstempo noch wesentlich höher. Das Entwicklungstempo verlangsamt sich also mit zunehmendem Alter, ist aber bei Schuleintritt noch relativ hoch, so dass Unterschiede im Entwicklungsalter stark ins Gewicht fallen.

    Für die großen Entwicklungsunterschiede bei Schuleintritt kann nicht eine einzige Ursache allein verantwortlich gemacht werden. Es sind vielmehr in der Hauptsache drei Komponenten, die zusammenwirken: (a) das Entwicklungstempo, (b) genetisch bedingte und dauerhafte Intelligenzunterschiede, (c) fördernde oder hemmende Umwelteinflüsse. Am Entwicklungstempo selbst lässt sich wenig ändern, es scheint als „epigenetische" Bedingung (Simonton, 1999) festzuliegen. Wir werden uns daher im Folgenden vor allem mit den möglicherweise genetisch bedingten Begabungsunterschieden und den gravierenden Umwelteinflüssen befassen.

    2 Genetische Determination und die Expertise-Befunde

    Seit ca. 80 Jahren sammelt man Daten zur Vererbung der Intelligenz. Sie basierten zunächst auf dem Vergleich eineiiger mit zweieiigen Zwillingen, später auch auf dem Vergleich von Adoptivkindern mit biologischen Kindern der Adoptiveltern. Die Ergebnisse sind relativ eindeutig. Intelligenz hat einen massiven Erbfaktor (im Überblick: Montada, 2002). Er setzt sich sogar insofern gegen Umwelteinflüsse durch, als Adoptivkinder ihren biologischen Eltern mit zunehmendem Alter ähnlicher werden, obwohl die Dauer der Umwelteinwirkung anwächst (Munsinger, 1975). Das legt den voreiligen Schluss nahe, dass die Heterogenität bei Schuleintritt hauptsächlich auf die Varianz der Intelligenz, die ihrerseits einen starken genetischen Anteil hat, zurückzuführen sei.

    Es gibt demgegenüber jedoch Befunde, die die Bedeutung der generellen Intelligenz relativieren. Ein Befund sei hier als erster herausgegriffen: die Expertiseforschung. Sie hat gezeigt, dass die mit hohen Leistungen verknüpfte Expertise relativ unabhängig vom Intelligenzniveau (eine bestimmte Mindesthöhe vorausgesetzt) aufgebaut wird (Schneider, 1992). Expertise hängt viel stärker mit intensiven Lern- und Übungsprozessen zusammen, als mit dem Ausgangsniveau der Intelligenz. Dieser Befund ist besonders bedeutsam, da schulische Kompetenzen als Erwerb von Expertise in den jeweiligen Schulfächern angesehen werden kann. Die Variation im allgemeinen Intelligenzniveau kann daher kaum als Ausrede für unterschiedliche Startchancen und späteren unterschiedlichen Schulerfolg herangezogen werden. Zweifellos besteht bei Schuleintritt eine beträchtliche Varianz in der Intelligenz, die zumindest zum Teil für die Heterogenität der Startchancen und der späteren Schulleistungen sorgt, doch handelt es sich dabei nicht um eine unabänderliche Naturgesetzlichkeit, sondern bereits nach kurzer Zeit des Schulbesuchs um ein Versagen der Schule, da sie die Möglichkeiten des Aufbaus von Expertise nicht nutzt.

    3 Stabilität

    3.1 Befunde zur Leistungsstabilität

    Ein gewichtiges Argument für genetisch bedingte Unterschiede bei Schuleintritt ist die relative Stabilität der Leistungshöhe, die im Laufe des Grundschulalters noch anwächst. Die in den neunziger Jahren am Max-Planck-Institut München durchgeführten Untersuchungen (Helmke/Weinert, 1997) zeigen eindrucksvolle Stabilität bei der Intelligenzentwicklung und den Leistungen in Mathematik während der ersten vier Schuljahre. Die Leistungen in Mathematik scheinen sich schon zwischen vier und fünf Jahren zu stabilisieren. Die Korrelation zwischen letztem Kindergartenjahr und 1. Klasse beträgt .456, zwischen dritter und vierter Klasse .63.

    Letztendlich besagen die Ergebnisse, dass man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit schon im ersten Schuljahr Eignung und endgültige Intelligenzhöhe vorhersagen kann. Die Schlussfolgerung für diese relative Stabilität lautet: die Unterschiede zwischen den Kindern bleiben stabil und gehen auf Bedingungen zurück, die man später nicht mehr ändern kann.

    Nun ist Stabilität eines Merkmals bzw. einer Merkmalsgruppe über Jahre hinweg ein Hinweis auf deren geringe Beeinflussbarkeit und legt pädagogische Maßnahmen nahe, die möglichst früh nach unterschiedlichen Schulformen differenzieren. Die Frage stellt sich aber, wie Stabilität von Merkmalen zustande kommt. Eine Möglichkeit besteht tatsächlich in der genetischen Verankerung des Merkmals. Eine andere Möglichkeit beruht auf der prägenden Wirkung der Entwicklungsbedingungen der frühen Lebensjahre, die Merkmale in ihrer Ausprägung hemmen oder fördern und für deren spätere Stabilisierung sorgen. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, lautet die Volksweisheit, die diesen Sachverhalt beschreibt. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, dass fördernde und hemmende Bedingungen selbst wieder über die Jahre stabil bleiben und damit auch für die Stabilität von Leistungen sorgen.

    3.2 Stabilität als Ergebnis gleich bleibender Umwelteinflüsse

    In einer Längsschnittuntersuchung erfassten Sameroff et al. (1993) 152 Kinder im Alter von vier Jahren und dann wieder mit dreizehn Jahren, wobei deren Intelligenz und eine Reihe von Risikofaktoren in der Familie gemessen wurden. Letztere bestanden aus zehn Bereichen:

    • das Verhalten der Mutter,

    • die Überzeugungen (Theorien) der Mütter über Entwicklung,

    • ihre Ängstlichkeit,

    • ihre psychische Gesundheit,

    • ihr Bildungsniveau,

    • die soziale Unterstützung der Familie,

    • Familiengröße,

    • stressreiche Lebensereignisse,

    • Beruf des Haushaltsvorstandes und

    • benachteiligter Minoritätsstatus.

    Sowohl die Stabilität der Risikofaktoren (r = .77) als auch die Stabilität der Intelligenz (r = .72) war relativ hoch. Das Hauptergebnis aber bestand darin, dass das Zusammentreffen vieler Risikobedingungen ein Drittel bis zur Hälfte der Varianz des IQ sowohl im Alter von vier als auch mit dreizehn Jahren erklärte. Das bedeutet, dass bis zu 50 Prozent der Unterschiede zwischen den erfassten Kindern auf Risikofaktoren zurückgehen. Dieser Befund blieb auch erhalten, wenn man die „Rasse" (in der Studie waren Afroamerikaner und weiße Amerikaner involviert), die soziale Schicht und den IQ der Mutter kontrollierte. Nicht diese Faktoren also übten den Einfluss aus, sondern die genannten Risikobedingungen, sofern sie gehäuft auftraten. Es waren auch weniger spezielle Muster von Risikofaktoren als vielmehr einfach ihre Summe, die die intellektuelle Entwicklung beeinflusste.

    Als vorläufiges Fazit lässt sich Folgendes festhalten:

    Stabilität von Fähigkeiten und Intelligenzleistungen hat zwei unterschiedliche Ursachen, die genetische Variation und die gleich bleibende Art von Umwelteinflüssen. Risikofaktoren als beeinträchtigende Umweltbedingungen sind häufig über die Jahre hinweg stabil, genauso wie günstige, entwicklungsfördernde Einflüsse. Das liegt daran, dass diese Einflüsse mit der gesamten Lebenswelt – der ökologischen Nische –, in der Kinder aufwachsen, verknüpft sind. Summieren sich Risikofaktoren in einer Lebenswelt auf, so steigt die Beeinträchtigung entsprechend an (in obigem Beispiel summativ, in anderen Untersuchungen sogar multiplikativ). Die genetische Variation von Merkmalen lässt sich nur indirekt bestimmen (z. B. durch Zwillings- und Adoptivuntersuchungen), da sie von Anfang an durch (häufig stabile) Umwelteinflüsse überlagert werden und mit ihnen in Wechselwirkung treten.

    4 Eine entwicklungspsychologische Erklärung für Heterogenität: Der lange Weg zur Schule

    Welche Bedingungen im Einzelnen auch immer für Heterogenität verantwortlich sein mögen, die Unterschiede zwischen den Kindern sind allemal das Ergebnis vorausgegangener Entwicklungsprozesse. Im Folgenden sollen einige wichtige Entwicklungsprozesse der ersten sechs Lebensjahre dargestellt werden, die für die Verschiedenheit der Fähigkeits- und Leistungsniveaus der Schulkinder in der Grundschule verantwortlich sind.

    4.1 Das erste Lebensjahr

    Schulfähigkeit, so wie wir sie voraussetzen, ist kein einfacher Reifevorgang, so wie man das früher annahm, sondern wird in den ersten sechs Lebensjahren vorbereitet. Im ersten Lebensjahr erweisen sich als günstige Bedingungen in der Pflegeperson-Kindinteraktion aufmerksame Zuwendung (attentiveness), Körperkontakt, Materialanregung, Responsivität und Wärme (Belsky et al., 1984). Als Sammelbegriff für diese Merkmale lässt sich „Sensitivität" bestimmen, nämlich die Fähigkeit, prompt und angemessen auf das kindliche Verhalten zu reagieren. Die sich mit etwa einem Jahr im günstigen Falle (Vorhandensein von Sensitivität) herausbildende sichere Bindung ist Voraussetzung für Explorationsverhalten und damit für die weitere kognitive Entwicklung (Zach, 2000; Zimmermann et al., 2000).

    4.2 Sprachentwicklung

    Von ausschlaggebender Bedeutung für die späteren Schulleistungen und deren Variation ist die Sprachentwicklung. Sie beginnt wiederum im ersten Lebensjahr und hängt nicht unwesentlich mit der Interaktionserfahrung zusammen (Papousek, 1994). Da Sprache eine Form des gemeinsamen Handelns ist und mehr und mehr die Kommunikation zwischen Kind und Erwachsenem übernimmt, wird ab dem zweiten Lebensjahr die Art und Qualität der sprachlichen Kommunikation wichtig. Gemeinsamer Gegenstandsbezug richtet den Fokus der Aufmerksamkeit von Kind und Erwachsenem auf das gleiche Objekt, das sprachlich benannt wird. Erwachsene passen sich im günstigen Falle dem Sprachniveau des Kindes an, führen unvollkommene Formulierungen des Kindes weiter oder wiederholen sie in korrekter Sprachfassung (Grimm & Weinert, 2002). Aufbau und Erweiterung des Wortschatzes sowie Konstruktion der muttersprachlichen Grammatik werden durch spezifische Interaktionsformen und Spiele begünstigt. Zu ihnen gehören vor allem das Bilderbuch-Anschauen und Geschichtenerzählen. Bilderbuchanschauen beginnt mit charakteristischen Schritten, wie dem Interaktionsspiel des Zeigens und Benennens von abgebildeten Gegenständen, der Beschreibung von dargestellten Zusammenhängen und dem bildgestützten Geschichtenerzählen.

    Generell eignet sich – wie später auch – der gegenstandsbezogene Diskurs am besten, die in der Schule und bei reifen Auseinandersetzungen im Erwachsenenalter praktizierte Form der Sprache zu entwickeln. Eltern und andere Erwachsene (z. B. Erzieherinnen) beziehen sich mit dem Kind auf einen gemeinsamen Gegenstand (Objekt, Sachverhalt, Fragestellung), indem sie Wissen austauschen oder vermitteln und die Sprache argumentativ benutzen.

    Da Kinder wissbegierig sind und gerne Fragen stellen, bietet sich dieses Vorgehen als natürliche Interaktionsform an.

    Die Nutzung der Sprache führt zu distalen Strategien (Sigel, 1994), die ohne direkte körperliche Lenkung auskommen. Sigel (1994) fand dabei zwei Strategien, eine eher gängelnde und eine problemorientierte Strategie. Die gängelnde Strategie führt das Kind Schritt für Schritt, ähnlich wie bei einer Unterrichtsstunde, zum Ziel, während die problemorientierte Strategie dem Kind Probleme vorsetzt und diese das Kind selbst lösen lässt. Sigel fand deutliche Vorteile für die letztere Form der Strategie, sofern die späteren Schulleistungen als Indikator verwendet wurden. Insgesamt muss bei rein sprachlicher Instruktion das Kind die Sprache genauer analysieren und aufmerksamer handhaben als bei nur sprachbegleitender Interaktion. Damit sei auch auf zwei unterschiedliche Komponenten der Sprachentwicklung hingewiesen: auf die regulative Funktion, die ja auch Wygotski (1964) schon hervorgehoben hat, und die kommunikative Funktion der Sprache. Letztere wird eher durch narrative Texte (Bilderbuchanschauen, später Erzählen von Geschichten), erstere eher durch die eben genannten distalen Strategien gefördert.

    Weitere günstige Entwicklungsbedingungen finden sich im Als-ob-Spiel (Symbolspiel) und im Rollenspiel. Im Symbolspiel deutet das Kind Gegenstände und Handlungen um und bildet so in seiner Vorstellung neue Begriffe. Auf diese Weise versteht es, was menschliche Begriffe sind, nämlich Konstruktionen, die die Welt ordnen und damit effizientes Handeln ermöglichen. Im Rollenspiel übt die Metakommunikation sprachliche Kompetenz. Durch die Metakommunikation verständigen sich die Kinder über das Thema, die Rollen und deren Ausgestaltung im Spiel. Längsschnittstudien haben gezeigt, dass manche Komponenten der Metakommunikation sich positiv auf den späteren Schulerfolg auswirken (Pellegrini & Galda, 1991).

    Hält man sich vor Augen, dass im positiven Falle das Kind sechs Jahre lang optimal auf die Schule vorbereitet werden kann, so bedeutet dies zugleich, dass sechs Jahre Lern- und Entwicklungszeit genutzt wurden. Wenn nun Familien aus vielerlei Gründen diese Entwicklungschancen versäumen und Kinder ohne günstige Anregung und Interaktionsmöglichkeiten aufwachsen, so haben diese bei Schuleintritt einen großen Teil der Chancen der ersten sechs Jahre verloren. Um den Anschluss an optimal geförderte Kinder zu gewinnen, benötigen benachteiligte Kinder also Jahre. Während dieser Nachholzeit aber haben die anderen Kinder bereits weitere Entwicklungsschritte gemacht, so dass es schwer ist, solche Defizite aufzuholen.

    Die einzig richtige Schlussfolgerung aus dieser Sachlage besteht darin, die Entwicklungsdefizite möglichst früh zu erkennen und aufzufangen. Der Zeitpunkt des Schuleintritts ist für wirklich erfolgreiches pädagogisches Handeln zu spät.

    5 Spezifische Vorbedingungen für den Erwerb der Schriftsprache

    Schule verändert Entwicklung von Grund auf (Oerter, 2002). Sie baut das semantische Gedächtnis auf, in dem das Weltwissen nun neu geordnet wird (fachspezifische Strukturierung). Der Erwerb der Schriftsprache erlaubt mit Hilfe der dekontextualisierten Schriftzeichen den Zugang zum Verständnis eines beliebig umfangreichen Wissens, das die Kultur bereithält. Schließlich fördert Schule das Denken, vor allem das logisch-schlussfolgernde Denken (Scribner, 1984). Versagen in der Schule bedeutet daher auch, dass dem Kind wesentliche Schritte seiner Entwicklung versagt bleiben.

    Mit einem erfolgreichen Schriftsprachenerwerb steht und fällt die gesamte schulische Bildung. Umso bedauerlicher ist es, dass heute Jugendliche die Schule verlassen, ohne Lesen und Schreiben zu können. Die Ursachen für dieses Versagen werden bereits im Vorschulalter gelegt. Daher erscheint es notwendig, noch auf einige spezifische Bedingungen einzugehen, die einen erfolgreichen Schriftsprachenerwerb möglich machen.

    Eine Bedingung ist die phonologische Bewusstheit, die man bereits bei dreijährigen Kindern beobachten kann. Unter phonologischer Bewusstheit versteht man die Fähigkeit, analytisch mit Sprache umzugehen. Für die Prognose des Lesenlernens besonders bedeutsam ist die Fähigkeit, Sprache zu segmentieren und ihre Zusammensetzung aus Lauten und Silben zu erkennen. Spätere Leseschwierigkeiten und Legasthenie lassen sich aus frühen Defiziten im Bereich der phonologischen Bewusstheit vorhersagen (Schneider, 1989; Wimmer, Zwicker & Gugg, 1991). Diese lingustische Kompetenz fanden Lonigian, Burgess, Anthony und Barker (1998) in einer Längsschnittstudie bei Kindern im Alter von 3–5 Jahren als ein ständiges Anwachsen in der phonologischen Sensitivität sowohl in Bezug auf den absoluten Anstieg solcher Leistungen als auch hinsichtlich der wachsenden Stabilität. Diese Leistungen waren korreliert mit dem späteren Wortlesen in der Schule. Dies galt übrigens unabhängig von den sonstigen sprachlichen Fertigkeiten und der Kenntnis von Buchstaben im Vorschulalter. Zwischen sozialen Schichten gab es bezüglich dieser phonologischen Sensitivität beträchtliche Unterschiede zugunsten der Mittelschicht.

    Schneider und Mitarbeiter entwickelten ein flächendeckendes Programm für Kindergärten zur Kompensation von Defiziten. Das Programm hat sich bislang als sehr erfolgreich erwiesen (siehe z. B. Küspert & Schneider, 2004).

    Kinder aus günstigen Verhältnissen besitzen im Vorschulalter auch schon ein beachtliches Wissen über das, was Lesen ist (Metawissen). Ein ausgeprägtes Metawissen über die Sprache berichtet Rowe (1989) bereits bei Dreijährigen. Neuman und Roskos (1989) beobachteten Vorschulkinder beim Spiel im Hinblick auf ihre Verwendung von Wissen über Lesen und Schreiben. Das Wissen, das die Kinder dabei benutzten, lässt sich in fünf Kategorien gliedern: exploratorisch (wie funktioniert es: Experimentieren mit Gedrucktem, Lesematerial handhaben); interaktional (zwischen „dir und mir: ein Spiel spielen, Informationen miteinander teilen); persönlich („für mich: sich selbst ausdrücken, wie etwa „ich schreibe jetzt das Wort ’Liebe’, eine Liste von Telefonnummern aufschreiben); Authentisierung („Legitimität: wie ein Erwachsener handeln) und transaktional („zwischen mir und dem Text: ich bin jetzt auf dieser Seite, dieses Buch sagt „ich liebe Dich). Diese Reichhaltigkeit des Metawissens belegt, dass Kinder ein beachtliches Wissen über die Funktion des Lesens und Schreibens lange vor Schuleintritt besitzen. Kinder aus der Unterschicht bzw. benachteiligte Kinder sind bezüglich dieses Wissens demgegenüber stark eingeschränkt. Purcell-Gates (1989) fand bei Kindern mit niedrigem sozioökonomischen Status ein geringes Wissen über die Funktion des Lesens und Schreibens. Die Kinder meinten, das ist für die Schule, das macht man in der Schule. Sie wiesen der geschriebenen Sprache eher eine ikonographische Bedeutung zu (Schrift als Bild für ein Wort) und hatten wenig Erfahrung mit geschriebenen Erzählungen, die ihnen vorgelesen wurden. Diese Ungleichheit lässt sich bei Schuleintritt nur sehr schwer ausgleichen, da die dargestellten Kompetenzen das Ergebnis eines Entwicklungs- und Lernprozesses von mindestens 4–5 Jahren darstellen. Auch in anderen Untersuchungen zeigen sich sprachliche Bewusstheit und schriftsprachliches Metawissen sowie schichtspezifische Unterschiede (z. B. Rowe, 1989).

    6 Schicht und Subkultur als Schicksal?

    Die PISA-Studie hat gezeigt, dass schichtspezifische und subkulturelle Bedingungen in Deutschland mehr als fast in jedem anderen der untersuchten Länder zu Buche schlagen. Soziale Herkunft entscheidet bei uns nach wie vor über die späteren Lebenschancen eines Kindes. Die oben dargestellten entwicklungsbeeinträchtigenden Faktoren sind in hohem Maße mit benachteiligten sozialen Schichten verknüpft. Bourdieu (1984) führt zur Erklärung den Begriff des kulturellen Kapitals ein, das mehr noch als das ökonomische Kapital Denkweise, Geschmack und vor allem den Zugang zu Kulturgütern bestimmt. Eine Subkultur bestimmt daher in allen Details das Leben mit. Daher bringen isolierte Fördermaßnahmen wenig. Es kostet große Anstrengungen, die Schichtbarrieren zu überwinden. Manchen Ländern, wie den skandinavischen, gelingen diese Bemühungen, sie haben allerdings auch günstigere Voraussetzungen als wir. Ogbu (1983) untersuchte in den USA schichtspezifische Bedingungen und fand, dass manche Subkulturen günstige, andere ungünstige Rahmenbedingungen für Schulerfolg und spätere Berufschancen bieten. Ungünstig wirken sich Subkulturen aus, wenn sie sich als Getto gegenüber der Umwelt abschirmen und ihre Kultur nicht in die Hauptkultur integrieren. Genau dies trifft für große Gruppen von Migranten in Deutschland zu. Während die Mittelschicht der Migranten sich gut integriert und ihre Kinder normalen schulischen Erfolg aufweisen, gibt es die von Ogbu beschriebenen Getto-Barrieren bei der überwiegenden Mehrzahl der Migranten. Daher sind die Bemühungen, Migranten stärker als bisher durch Sprachförderung und Selbstverpflichtung zu integrieren, absolut notwendig.

    Das Prozess-Person-Kontext-Modell

    Dennoch ist es nicht die Schicht per se, die Entwicklungsrückstände verursacht, sondern die mit der Lebenswelt der Schicht verbundenen Risikofaktoren, wie oben gezeigt wurde.

    Die Komplexität des Zusammenwirkens von Faktoren haben Bronfenbrenner und Ceci (1994) in einem Modell für menschliche Entwicklung vorgestellt, das von zwei Propositionen ausgeht:

    Proposition 1

    Entwicklung findet durch Prozesse statt, die fortschreitend komplexer werden und zwischen einem aktiven sich entwickelnden bio-psychologischen Organismus und Personen, Objekten und Symbolen in der unmittelbaren Umwelt in reziproker Interaktion stattfinden. Diese Prozesse, die regulär über lange Zeitperioden ablaufen müssen, werden als proximale Prozesse bezeichnet.

    Proposition 2

    Die proximalen Prozesse, welche die Entwicklung beeinflussen, variieren systematisch als eine gemeinsame Funktion von Merkmalen der sich entwickelnden Person, der näheren und weiteren Umwelt, in welcher die Prozesse stattfinden und der Entwicklungsergebnisse.

    Das gesamte Modell lässt sich als folgende Funktion darstellen:

    Ein Entwicklungsergebnis zum Zeitpunkt zwei (T2) ist eine gemeinsame Funktion der Merkmale des Prozesses (Pr), der Person (Pe) und des Kontextes (K) über einen vorausgegangenen Lebensabschnitt vom Zeitpunkt eins zum Zeitpunkt zwei (T1 – T2), wobei zum letzteren Zeitpunkt das Entwicklungsergebnis gemessen wird. In der obigen Formel steht „f" für eine allgemeine nonlineare und non-additive Funktion (obwohl zuweilen auch lineare und additive Beziehungen existieren mögen). Im Zentrum des Entwicklungsmodells stehen die proximalen Prozesse, an denen die übrigen Komponenten gewissermaßen festgemacht sind. Dieses PPCT-Modell (Process-Person-Context-Time-Model) ist trotz seiner hohen Überzeugungskraft noch kaum empirisch getestet worden.

    Fazit: Zugehörigkeit zu sozial benachteiligten Schichten erweist sich in Deutschland aufgrund der Häufung von Risikofaktoren nach wie vor als Schicksal für spätere Lebenschancen. Es gibt jedoch Möglichkeiten, aus diesen schicksalhaften Barrieren auszubrechen. Einige dieser Möglichkeiten sollen im Folgenden diskutiert werden.

    7 Vorbeugende und fördernde Maßnahmen

    7.1 Das Postulat der Entwicklung: keine Zeit verlieren

    Eine wirklich tiefer greifende und nachhaltige Verbesserung der Benachteiligung von Kindern ist aus entwicklungspsychologischer Sicht nur zu erreichen, wenn man früh mit fördernden bzw. kompensatorischen Maßnahmen beginnt.

    Da wir günstige Entwicklungsbedingungen kennen, könnten sie gezielt für die Entwicklung benachteiligter Kinder genutzt werden. Es gibt z. B. Programme für Eltern auf DVD, die zu Hause angesehen und angewandt werden könnten (z. B.: Creative Communication Concepts GmbH München www.3c3c.de). Kinderkrippen und Kindergärten erweisen sich als wichtige ergänzende Institutionen der Entwicklungsförderung, da sie bei entsprechender Ausbildung der Erzieherinnen kompensatorisch wirken und Defizite auffangen können. Unter diesem Aspekt ist die Einführung neuer Bezugspersonen für das Kind eine Bereicherung und nicht ein Notbehelf. Familiäre Einseitigkeiten können oft nur durch die Vermittlung neuer kompetenter Bezugspersonen aufgefangen werden. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass angesichts der Situation in Deutschland eine große Zahl von Kindern ohne vorschulische Förderung geringe Chancen hat, die schulischen Anforderungen zu erfüllen.

    Letztlich bedeuten diese Erkenntnisse eine Verbesserung der Ausbildung von Erzieherinnen hin zu einer Professionalisierung, die dem heutigen entwicklungspsychologischen Wissen entspricht. Die Professionalisierung könnte gegenwärtig wohl am besten durch gezielte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen erreicht werden, bei denen bestimmte Programme in Modulform eingesetzt werden.

    7.2 Entwicklungsdiagnose als das A und O jeder Förderung

    Man stelle sich vor, ein Arzt würde einem Patienten Medikamente verabreichen, ohne eine Diagnose zu stellen. Man würde ihn für verantwortungslos und inkompetent halten. Im Bildungssystem liegt aber eben diese Situation vor. Kinder treffen auf Bildungsmaßnahmen, die ihren individuellen Entwicklungsstand nicht oder nur sehr grob berücksichtigen. Genau wie die ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen an Kindern wäre eine rechtzeitige und regelmäßige pädagogischpsychologische Diagnose des jeweiligen Entwicklungstandes notwendig, um individuell und gezielt zu fördern.

    Wie könnte eine solche Entwicklungsdiagnose aussehen und was sollte sie an Komponenten enthalten? Die wichtigste Komponente dürfte die Sprache sein, für deren Entwicklungsniveau standardisierte Tests ebenso wie spezielle Instrumente zur Erfassung der phonologischen Bewusstheit gehören. Sie lassen sich ab dem Alter von drei Jahren einsetzen und sollten in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Eine weitere Komponente bilden Breitbandverfahren zur Erfassung des allgemeinen Entwicklungsniveaus. Diese Entwicklungstests umfassen kognitive, soziale und motorische Komponenten. Da die

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1