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Schloss Rodriganda: Roman, Band 51 der Gesammelten Werke
Schloss Rodriganda: Roman, Band 51 der Gesammelten Werke
Schloss Rodriganda: Roman, Band 51 der Gesammelten Werke
Ebook561 pages7 hours

Schloss Rodriganda: Roman, Band 51 der Gesammelten Werke

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About this ebook

Dies ist der erste Teil eines ursprünglich fünfbändigen Romans (ergänzt um Band 77 "Die Kinder des Herzogs"). Die Handlung erzählt vor historischem Hintergrund die Geschichte von zwei Grafen, die – der eine in Spanien, der andere in Mexiko – ahnungslos von abgefeimten Schurken umgeben sind. Der deutsche Arzt Karl Sternau greift in das Geschehen ein...

Die vorliegende Erzählung spielt Ende der 40er-Jahre des 19. Jahrhunderts.

Bearbeitung aus dem 1882/1883 erschienenen Kolportageroman "Das Waldröschen".

Erster Teil eines sechsbändigen Romans. Fortsetzungen:
Band 52 Die Pyramide des Sonnengottes
Band 53 Benito Juarez
Band 54 Trapper Geierschnabel
Band 55 Der sterbende Kaiser
Band 77 Die Kinder des Herzogs.
LanguageDeutsch
Release dateNov 1, 2011
ISBN9783780215512
Schloss Rodriganda: Roman, Band 51 der Gesammelten Werke
Author

Karl May

Karl Friedrich May (* 25. Februar 1842 in Ernstthal; † 30. März 1912 in Radebeul; eigentlich Carl Friedrich May)[1] war ein deutscher Schriftsteller. Karl May war einer der produktivsten Autoren von Abenteuerromanen. Er ist einer der meistgelesenen Schriftsteller deutscher Sprache und laut UNESCO einer der am häufigsten übersetzten deutschen Schriftsteller. Die weltweite Auflage seiner Werke wird auf 200 Millionen geschätzt, davon 100 Millionen in Deutschland. (Wikipedia)

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    Book preview

    Schloss Rodriganda - Karl May

    KARL MAY’s

    GESAMMELTE WERKE

    BAND 51

    SCHLOSS

    RODRIGANDA

    Erster Band der Bearbeitung von

    Das Waldröschen

    ROMAN

    VON

    KARL MAY

    Herausgegeben von Dr. Euchar Albrecht Schmid

    © 1951 Karl-May-Verlag

    ISBN 978-3-7802-1551-2

    KARL-MAY-VERLAG

    BAMBERG • RADEBEUL

    Inhalt

    1. Von den Komantschen verfolgt

    2. Die Hacienda del Eriña

    3. Der Schatz der Mixtekas

    4. Am Teich der Krokodile

    5. Der Schwarze Hirsch

    6. Pablo Cortejo

    7. Eine Schurkentat

    8. Der falsche Erbe

    9. Doktor Sternau

    10. Gasparino Cortejo

    11. Was der Bettler erzählt

    12. Ein missglückter Anschlag

    13. Alfred de Lautreville

    14. Neue Schlingen

    15. ‚Pohon Upas!‘

    16. Die Zigeuner

    17. Im Gefängnis

    18. Am Leuchtturm von Mont St. Michel

    Der vorliegende Roman spielt Ende der 40er-Jahre des 19. Jahrhunderts und ist der erste Teil des von Karl May in den Jahren 1882/1883 geschriebenen ersten Münchmeyer-Romans „Das Waldröschen (Bd. 51 - 55 und 77 der Ges. Werke). Über die Entstehungsgeschichte, den Werdegang und die Geschicke der fünf Münchmeyer-Romane findet man Näheres in Bd. 34 der Ges. Werke, „ICH, und in den Sonderbänden „Karl-May-Bibliografie 1913-1945 und „Der geschliffene Diamant.

    1. Von den Komantschen verfolgt

    Es war im Herbst 1847.

    Auf dem Rio Grande del Norte schwamm langsam ein leichtes Kanu flussabwärts. Es war aus langen Baumrindenstücken gebaut, die mit Pech und Moos verbunden waren, und trug zwei Männer verschiedener Rasse. Der eine führte das Steuer und der andere saß sorglos im Bug, damit beschäftigt, aus Papier, Pulver und Kugeln Patronen für seine schwere Doppelflinte zu drehen.

    Der Steuerer hatte die scharfen, kühnen Züge und das durchdringende Auge eines Indianers; und auch ohnedies hätte man an seiner Kleidung sofort gesehen, dass er zur roten Rasse gehörte. Er trug nämlich ein wildledernes Jagdhemd mit ausgefransten Nähten, ein Paar Leggins, deren Seitennähte mit Kopfhaaren der von ihm erlegten Feinde geschmückt waren, und Mokassins, die doppelte Sohlen zeigten. Um seinen Hals hing eine Schnur aus den Zähnen des Grauen Bären und sein Haupthaar war in einen hohen Schopf geflochten, aus dem drei Adlerfedern hervorragten, ein sicheres Zeichen, dass er ein Häuptling war. Neben ihm im Boot lag ein fein gegerbtes Büffelfell, das ihm als Mantel diente. In seinem Gürtel steckten ein blinkender Tomahawk, ein zweischneidiges Skalpmesser und der Pulver- und Kugelbeutel. Auf dem Büffelfell ruhte eine lange Doppelflinte, in deren Schaft man viele eingeschnittene Kerben bemerkte, die die Zahl der bereits erlegten Feinde bezeichnen sollten. An der Bärenzahnschnur war das Kalumet befestigt und außerdem ragten aus dem Gürtel die Kolben von zwei Revolvern hervor. Die bei den Indianern so seltenen Waffen ließen erkennen, dass er mit der Zivilisation in Berührung gekommen war.

    Das Steuer in der Rechten, schien er seinem Begleiter zuzuschauen und sich um weiter nichts zu bekümmern. Ein aufmerksamer Beobachter aber hätte bemerkt, dass er dennoch unter den tief gesenkten Wimpern hervor die Ufer des Flusses scharf mit dem verschleierten Blick beobachtete, der dem Jäger eigen ist, der in jedem Augenblick einen Angriff erwarten kann.

    Der andere, der im Vorderteil saß, war ein Weißer. Er war lang und schlank, aber ungemein kräftig gebaut und trug einen blonden Vollbart, der ihn gut kleidete. Auch er hatte Lederhosen an, die in den hoch heraufgezogenen Schäften schwerer Aufschlagstiefel steckten. Eine blaue Weste und ein ebensolches Jagdhemd bedeckten seinen Oberkörper. Der Hals war frei und auf dem Kopf saß einer jener breitkrempigen Filzhüte, die man im Fernen Westen häufig zu sehen bekommt; er hatte Farbe und Form verloren.

    Die Männer mochten beide im gleichen Alter von vielleicht achtundzwanzig Jahren sein. Sie trugen anstatt der Sporen scharfe Fersenstacheln, ein Beweis, dass sie beritten gewesen waren, ehe sie sich das Kanu bauten, um den Rio Grande hinabzufahren.

    Während sie vom Wasser des Flusses abwärts getragen wurden, vernahmen sie plötzlich das Wiehern eines Pferdes. Die Wirkung dieses Lautes folgte blitzschnell, denn noch war er nicht verklungen, da lagen die beiden Männer auf dem Boden des Kanus, sodass sie von außen nicht gesehen werden konnten.

    „Schli – ein Pferd!", flüsterte der Indianer in der Mundart der Jicarilla-Apatschen.

    „Es steht weiter abwärts", meinte der Weiße.

    „Es hat uns gewittert. Wer mag der Reiter sein?"

    „Ein Indianer nicht und ein weißer Jäger auch nicht, sagte der Präriejäger. „Ein erfahrener Mann lässt sein Pferd nicht so laut wiehern. Rudern wir ans Ufer, steigen wir aus und schleichen hin!

    „Und das Kanu bleibt liegen?, fragte der Indianer. „Wenn es nun Feinde sind, die uns ans Ufer locken und töten wollen?

    Pshaw, wir haben auch Waffen!"

    „So mag wenigstens mein weißer Bruder das Boot bewachen, während ich die Gegend untersuche."

    „Einverstanden."

    Die Männer lenkten das Kanu ans Ufer. Der Indianer stieg aus, während der Weiße mit der Rifle in der Hand sitzen blieb, um seine Rückkehr zu erwarten. Nach einigen Minuten sah er ihn in aufrechter Stellung kommen, ein Zeichen, dass keine Gefahr vorhanden sei.

    „Nun?", fragte der Trapper.

    „Ein weißer Mann schläft dort hinter dem Busch."

    „Ah! – Ein Jäger?"

    „Er hat nur ein Messer."

    „Ist weiter niemand in der Nähe?"

    „Ich habe niemand gesehen."

    „So wollen wir hin!"

    Der Weiße sprang aus dem Fahrzeug und band dieses fest. Dann ergriff er seine schwere Rifle, zog die beiden Revolver, die auch er besaß, halb hervor, um kampfbereit zu sein, und folgte dem Indianer. Sie erreichten bald die Stelle, wo der Schläfer lag. Neben ihm stand ein Pferd angebunden, das auf mexikanische Weise gesattelt war.

    Der Mann trug die nach unten weiter werdenden mexikanischen Hosen, ein weißes Hemd und eine kurze, nach Husarenart um die Schultern hängende blaue Jacke. Hemd und Hose wurden durch ein gelbes Tuch zusammengehalten, das er wie einen Gürtel um die Hüften gewunden hatte. In diesem Gürtel steckte außer einem Messer keine einzige Waffe. Der gelbe Sombrero¹ lag über seinem Gesicht, um dieses gegen die warmen Strahlen der Sonne zu schützen. Der Mann schlief so fest, dass er das Nahen der beiden anderen gar nicht hörte.

    „Hallo, Bursche, wach auf!", rief der Weiße, ihn am Arm schüttelnd.

    Der Schläfer erwachte, sprang empor und zog das Messer.

    „Verdammt, was wollt ihr?", rief er schlaftrunken.

    „Zunächst nur wissen, wer du bist."

    „Wer seid ihr denn?"

    „Hm, mir scheint, du hast Angst vor dem roten Mann da. Ist nicht nötig, alter Junge. Ich bin ein deutscher Trapper namens Unger und dieser hier ist Shosh-in-liett, der Häuptling der Jicarilla-Apatschen."

    „Shosh-in-liett?, rief der Fremde. „Oh, dann habe ich keine Sorge, denn der große Krieger der Apatschen ist ein Freund der Weißen.

    Shosh-in-liett heißt zu deutsch ‚Bärenherz‘.

    „Nun, und du?", fragte Unger.

    „Ich heiße Domenico und bin Vaquero²", antwortete der Mann.

    „Wo?"

    „Jenseits des Flusses beim Grafen de Rodriganda."

    „Und wie kommst du herüber?"

    Ascuas – potztausend, sagt mir lieber, wie ich hinüberkomme! Ich werde von Komantschen verfolgt."

    „Das scheint sich nicht zu reimen. Du wirst von Komantschen verfolgt und legst dich in aller Gemütsruhe schlafen."

    „Der Teufel schlafe nicht, wenn man so müde ist!"

    „Wo trafst du auf die Komantschen?"

    „Grad im Norden von hier, dem Rio Pecos zu. Wir waren fünfzehn Männer und zwei Frauen, sie aber zählten über sechzig."

    „Habt ihr gekämpft?"

    „Ja. Die Roten überfielen uns, ohne dass wir von ihrer Gegenwart etwas ahnten. Darum machten sie die Mehrzahl von uns nieder und nahmen die Frauen gefangen. Ich weiß nicht, wie viele noch außer mir entkommen sind."

    „Wo kamt ihr her und wohin wolltet ihr?"

    Der Vaquero war nicht gesprächig und ließ sich jedes Wort abkaufen, er erwiderte:

    „Wir waren zum Fort Guadalupe geritten, um die beiden Damen abzuholen, die dort zu Besuch gewesen waren."

    „Aber der Rio Pecos liegt doch nicht auf dieser Strecke."

    „Bevor wir den Heimweg zu unserer Hacienda einschlugen, unternahmen wir einen kleinen Jagdausflug dem Rio Pecos zu. Da erfolgte der Überfall."

    „Wer sind die Damen?"

    „Señorita³ Emma Arbellez und Karja, die Indianerin."

    „Wer ist Señorita Arbellez?"

    „Die Tochter unseres Pächters Pedro Arbellez."

    „Und Karja?"

    „Die Indianerin ist die Schwester von Tecalto, dem großen Häuptling der Mixtekas."

    Da horchte Bärenherz auf.

    „Die Schwester von Tecalto?, fragte er. „Er ist mein Freund. Wir haben die Friedenspfeife miteinander geraucht. Die Schwester seines Herzens soll nicht gefangen bleiben! Gehen meine weißen Freunde mit, sie zu befreien?

    „Ihr habt doch keine Pferde", versetzte Domenico.

    Der Indianer warf ihm einen geringschätzigen Blick zu. „Bärenherz hat ein Pferd, wenn er eins braucht. In einer Stunde wird er den Hunden der Komantschen eins genommen haben."

    „Das wäre stark!"

    „Nein, das versteht sich von selbst", versicherte Unger.

    „Wann seid ihr gestern überfallen worden?"

    „Am Abend."

    „Und wie lange hast du geschlafen?"

    „Wohl kaum eine Viertelstunde."

    „So werden die Komantschen bald hier sein."

    Valgame dios – Gott steh mir bei!"

    „Du bist ein Vaquero und kennst die Gebräuche der Roten nicht. Was für eine Absicht haben sie deiner Meinung nach mit den Damen? Haben sie die beiden wegen eines Lösegeldes gefangen genommen?"

    „Sicherlich nicht. Sie werden sie mitnehmen, um sie zu ihren Weibern zu machen, denn beide sind sehr schön."

    „Ich habe gehört, dass die Mädchen der Mixtekas wegen ihrer Schönheit berühmt sind. Wenn also die Komantschen die beiden Damen nicht wieder herausgeben wollen, so werden sie darnach trachten, dass man deren Aufenthaltsort nicht entdecken kann; sie müssen ihre Spur verbergen. Infolgedessen dürfen sie also auch keinen von euch entkommen lassen, und darum haben sie sich gewiss aufgemacht, um dich zu verfolgen, damit du keine Kunde heimtragen kannst."

    „Das leuchtet mir leider ein", nickte der Mexikaner verdrießlich.

    „Die Komantschen waren zu Pferd?"

    „Ja."

    „Sie werden dich also auch zu Pferd verfolgen. Sie werden auf deiner Spur reiten und Pferde haben, wenn sie hier ankommen."

    „Verdammt, das ist leicht anzunehmen, obgleich ich nicht daran gedacht habe!"

    „Ja, einen sonderlichen Scharfsinn scheinst du nicht zu besitzen. Dachtest du dir denn nicht, dass man dich verfolgen würde? Warum legst du dich da zum Schlafen?"

    „Ich war zu müde."

    „Du musstest wenigstens erst über den Fluss gehen."

    „Er ist zu breit und das Pferd war zu angegriffen."

    „Danke Gott, dass wir keine Komantschen sind! Du wärst hier eingeschlafen und im Paradies ohne Kopfhaut erwacht. Hast du Hunger?"

    „Ja."

    „So komm mit zum Boot! Führe aber zunächst dein Pferd weiter hinter die Büsche, damit man es von Weitem nicht sehen kann!"

    Das Gespräch war zuletzt nur von Unger und dem Vaquero geführt worden. Bärenherz hatte sich zum Kanu zurückbegeben, wo er ruhend auf der Büffelhaut lag. Der Vaquero erhielt Fleisch, Wasser gab es im Fluss, so war für alles gesorgt.

    Nachdem er sich satt gegessen hatte, fragte ihn Unger nach seinen näheren Verhältnissen und erfuhr, dass er auf einer der Besitzungen des Grafen Fernando de Rodriganda angestellt sei, die zerstreut zwischen dem Rio Grande del Norte, dem Grenzfluss zwischen Mexiko und Texas, und den Kordilleren von Coahuila lagen.

    Als einige Zeit vergangen war, verließ Unger das Boot, um das etwa erhöhte Ufer zu erklettern und Ausguck zu halten. Er hatte die Höhe kaum erreicht, als er einen Ruf der Überraschung ausstieß.

    Ola – holla, sie kommen! Bald hätten wir die rechte Zeit versäumt."

    Bärenherz stand im Nu bei ihm.

    „Sechs Reiter!", sagte er.

    „Kommen auf jeden drei!" Der deutsche Trapper schien nicht damit zu rechnen, dass der Vaquero auch einen der Feinde bewältigen könnte.

    „Wer nimmt das Pferd?", fragte Bärenherz.

    „Ich", erwiderte der Deutsche.

    Der Indianer nickte und sagte dann: „Von diesen Komantschen darf keiner zu Pferd entkommen!"

    Unger bejahte und wandte sich an den Vaquero:

    „Du hast nur dein Messer? So kannst du uns bei dieser Sache nichts nützen. Du bleibst im Kanu liegen, ich nehme einstweilen dein Pferd."

    „Aber wenn es erschossen wird!", sagte der Mann ängstlich.

    „Dummheit, so bekommen wir sechs andere dafür!"

    Der Mexikaner musste dieser Anordnung Folge leisten. Er versteckte sich im Boot, während die beiden anderen sich zu dem Ort begaben, wo sie ihn gefunden hatten, sich neben das hinter den Büschen des Ufers versteckte Pferd stellten und warteten.

    Die Reiter, die Unger zuerst als sechs dunkle Punkte in der Ferne erkannt hatte, kamen schnell näher. Man konnte schon ihre Bekleidung und Bewaffnung erkennen.

    „Ja, es sind die Hunde der Komantschen", stellte Bärenherz fest.

    „Wir schießen sie in die Schulter. Die beiden letzten müssen zuerst daran glauben, die vordersten bleiben uns dann gewiss."

    „Ich nehme den letzten", erklärte der Apatsche.

    „Gut!"

    Die Komantschen waren inzwischen auf einen halben Kilometer herangekommen. Sie ritten noch immer im schnellsten Galopp. In einer Minute mussten sie sich im Bereich der Büchsen befinden.

    „Diese Komantschen haben kein Hirn, sie vermögen nicht zu denken!"

    „Sie könnten doch wenigstens vermuten, dass der Vaquero hier versteckt ist und auf sie wartet. Aber jedenfalls meinen sie, dass er sofort über den Strom geschwommen ist."

    „Uff!"

    Mit dieser Aufforderung zur Aufmerksamkeit erhob der Apatsche seine Büchse. Unger tat dasselbe. Gleich darauf krachten zwei Schüsse und noch zwei, und vier der Komantschen stürzten von den Pferden. Im nächsten Augenblick saß der Trapper auf dem Pferd des Vaquero und brach mit ihm durch die Büsche. Die beiden übrig gebliebenen Komantschen stutzten. Sie hatten gar nicht Zeit, ihre Tiere zu wenden, so war der Deutsche bei ihnen. Sie erhoben ihre Tomahawks zum tödlichen Schlag. Er aber hielt den Revolver bereit, drückte zweimal ab und auch die zwei stürzten von den Pferden.

    Die für indianische Begriffe unerheblich verwundeten Krieger waren rasch gefesselt. Dieser Sieg war in weniger als zwei Minuten errungen. Die Pferde wurden mühelos gefangen.

    Jetzt kam Domenico herbei, der vom Kanu aus alles beobachtet hatte.

    Ascuas!, meinte er, „das war ein Sieg!

    „Pah!, lachte der Deutsche. „Sechs Komantschen, was ist das weiter! Was nun? Brechen wir sofort auf?

    „Ja, erwiderte der Indianer. „Die Schwester meines Freundes soll nicht vergebens auf Hilfe warten.

    „Nehmen wir den Vaquero mit?"

    Bärenherz musterte diesen und entgegnete. „Tu, was du willst!"

    „Ich gehe mit", erklärte der Mexikaner.

    „Ich glaube nicht, dass wir dich brauchen können, meinte Unger, „denn ein Held bist du nicht.

    „Ich hatte ja keine Waffen."

    „Aber bei dem gestrigen Überfall bist du doch auch geflohen."

    „Nur, um Hilfe herbeizuholen."

    „Ach so! Wirst du den Platz wieder finden können, wo ihr überfallen wurdet?"

    „Ja."

    „So magst du uns begleiten."

    „Darf ich mir von den Waffen der Indianer nehmen?"

    „Gewiss. Nimm dir auch ein Pferd von ihnen! Das deine lassen wir frei, es ist zu sehr abgetrieben und würde uns nur hinderlich sein."

    Man lockerte einem der Roten die Fesseln, damit er sich befreien konnte. Er mochte dann zusehen, wie er mit seinen Gefährten weiterkam. Die Gewehre wurden mitgenommen. Die drei besten Pferde wurden dann bestiegen, die übrigen freigelassen und der kleine Zug setzte sich in Bewegung.

    Es ging nach Norden, immer dem Rio Pecos zu. Der Weg führte zunächst durch offene Prärie, dann erhob sich eine Sierra vor ihnen, deren Berge bewaldet waren. Sie ritten durch Täler und Schluchten und gelangten gegen Abend auf eine Höhe, von der aus man eine kleine Savanne überblicken konnte.

    „Uff!, rief der Apatsche, der voranritt. „Sieh! Er streckte die Hand aus und deutete hinab.

    Dort lagerte ein Trupp Indianer, in dessen Mitte man die Gefangenen erblickte. Der Deutsche nahm ein kleines Fernrohr aus der Tasche, stellte es, hob es an das Auge und spähte hindurch.

    „Was sieht mein weißer Bruder?", fragte Bärenherz.

    „Neunundvierzig Komantschen und sechs Gefangene."

    „Sind die Frauen dabei?"

    „Ja, zwei. Wir werden sie am Abend befreien."

    Der Indianer nickte.

    „Diese neunundvierzig Komantschen vermögen nicht hundert Wachen aufzustellen, fuhr der Trapper fort. „Dennoch wollen wir uns verbergen. Es könnten außerdem noch andere Vaqueros entkommen sein. Die hat man gewiss auch verfolgt, und wenn die Verfolger zurückkehren, würden sie uns leicht entdecken. Halte die Pferde!, wandte er sich an Domenico.

    „Wir beide wollen zunächst dafür sorgen, dass unsere Fährte verwischt wird."

    Unger kehrte mit Bärenherz eine Strecke des Weges, den sie gekommen waren, zurück, um die Hufspuren unsichtbar zu machen. Dann wurde im dichtesten Gebüsch der Anhöhe ein Versteck ausgesucht, worin sie sich mit ihren Tieren verbargen.

    Die Sonne ging unter und es wurde Abend. Die finstere Nacht brach an und noch regte sich nichts in dem Versteck. Die beste Zeit zum Überfall war kurz nach Mitternacht.

    „Nun, hast du dir überlegt, wie es zu machen ist?", fragte der Deutsche den Apatschen.

    „Ja, erklärte der Rote. „Mein Bruder kann eine Wache überwältigen, ohne dass sie einen Laut von sich gibt. Wir schleichen hinzu, beseitigen die Wachen, schneiden die Fesseln der Gefangenen durch und entfliehen mit ihnen.

    „So wird es Zeit, denn das Anschleichen ist langwierig."

    „Aber Domenico bleibt zurück?", fragte der Häuptling.

    „Ja, er muss die Pferde halten."

    „Wo erwartet er uns?"

    „Da, wo wir die Komantschen zuerst erblickten. Wir müssen dort vorüber, da wir doch jedenfalls zum Rio Grande zurückkehren."

    Die beiden mutigen Männer ergriffen ihre Gewehre und schritten davon, nachdem sie dem Vaquero die nötigen Anweisungen erteilt hatten.

    Unten im Tal brannte ein einziges Wachfeuer, rund darum lagen die schlafenden Komantschen und bei ihnen die gefesselten Gefangenen. Die Wachtposten waren wohl außerhalb dieses Kreises zu suchen. Als die beiden das Tal erreichten, flüsterte Bärenherz:

    „Ich gehe links und du gehst rechts."

    „Gut. Auf alle Fälle befreien wir zunächst die beiden Frauen."

    Dann trennten sie sich. Unger umschlich das Lager nach der rechten Seite hin. Das geschah in der Weise, wie sie in der Prärie gebräuchlich war. Man legt sich auf den Boden nieder und schiebt sich wie eine Schlange langsam weiter. Auch muss man dafür sorgen, dass die Pferde keine Witterung bekommen, weil sie sonst durch ihr ängstliches Schnauben die Nähe des Feindes verraten.

    So tat es Unger. Erst einen weiten Bogen schlagend, nahm er diesen allmählich enger, bis er eine dunkle Gestalt erblickte, die langsam auf und nieder schritt. Das war eine Wache. Er schlich sich mit größter Vorsicht heran. Es war ein Glück, dass die Nacht finster war und das Feuer schwach leuchtete. So kam er ungesehen der Wache bis auf fünf Schritt nahe, dann schnellte er sich plötzlich auf sie zu, packte sie von hinten bei der Kehle und schnürte diese so fest zu, dass ein Laut unmöglich war. Der Mann sank, ohne einen Laut geben zu können, nieder. Im Nu war der Rote gefesselt und geknebelt.

    So gelang es Unger nach vielleicht einer Viertelstunde, eine zweite Wache unschädlich zu machen. Dann stieß er mit Bärenherz zusammen, der auf gleiche Weise auch zwei Komantschen überwältigt hatte.

    „Nun zu den Frauen!", flüsterte der Indianer.

    „Vorsicht!", bat der Deutsche.

    Pshaw! Der Apatsche ist mutig, aber auch vorsichtig. Vorwärts!", war die Antwort.

    Sie wandten sich unhörbar durch das hohe Gras dem Feuer zu. Die Mädchen waren an der hellen Farbe ihrer Kleidung leicht zu unterscheiden, sie lagen nebeneinander und waren an Händen und Füßen gefesselt. Unger erreichte sie zuerst und näherte seine Lippen dem Ohr der einen. Dabei sah er trotz der Dunkelheit, dass sie ihre Augen offen hielt und ihn beobachtet hatte.

    „Erschreckt nicht und verhaltet Euch still!, raunte er ihr zu. „Erst wenn ich auch Eurer Freundin die Fesseln durchschnitten habe, eilt zu den Pferden hin!

    Sie verstand ihn. Der Trapper durchschnitt die Riemen, die ihnen ins Fleisch gedrungen waren.

    Sobald der Apatsche bemerkte, dass der Deutsche sich der Mädchen annahm, suchte er die männlichen Gefangenen auf. Es waren vier Vaqueros, sie lagen in der Nähe. Er kroch zu ihnen heran. Auch sie schliefen nicht. Er nahm das Messer zur Hand, um ihre Riemen zu durchschneiden. Schon hatte er es bei zweien getan, da erhob sich plötzlich in der Nähe einer der Indianer. Er hatte die Bewegungen des Apatschen im Halbschlaf gehört. Zwar erhob Bärenherz sofort sein Messer und stieß es ihm in die Brust, aber der zu Tod Getroffene fand noch Zeit, einen lauten Warnungsruf auszustoßen.

    „Vorwärts, zu den Pferden! Mir nach!", rief der Apatsche, indem er blitzschnell die Bande der Übrigen löste.

    Sie sprangen empor und stürzten zu den Pferden.

    „Schnell, schnell, um Gottes willen!", rief auch der Deutsche, ergriff mit jeder Hand eine der Damen und riss sie zu den Pferden hin. Aber ihre Hand- und Fußgelenke waren von den Fessen so eingeschnürt gewesen, dass sie sich kaum bewegen konnten.

    „Bärenherz!", rief der Deutsche in höchster Angst.

    „Hier!", ertönte die Stimme des Apatschen.

    „Schnell herbei!

    Im nächsten Augenblick war der Häuptling da. Er ergriff eine der Frauen, hob sie empor und eilte mit ihr zu den Pferden. Unger tat es ebenso. Sie sprangen auf, zogen die Frauen aufs Pferd, schnitten die Lassos durch, an denen die Tiere angepflockt waren, und jagten davon.

    Das alles war mit der Schnelligkeit des Blitzes geschehen. Doch keinen Augenblick zu früh, denn kaum trieben sie die Tiere an, da krachten hinter ihnen die Schüsse der Komantschen.

    Diese hatten nicht an die Möglichkeit eines Überfalls gedacht und darum fest geschlafen. Jetzt sprangen sie empor und griffen zu den Waffen. Dabei liefen sie wahllos durcheinander und merkten erst, was geschehen war, als die Gefangenen bereits davonsprengten. Nun warfen auch sie sich auf die noch übrigen Pferde und jagten den Entflohenen nach.

    Unger und der Apatsche ritten an der Spitze. Sie kannten den Weg. Jeder von ihnen hatte ein Mädchen vor sich. Oben auf der Höhe wartete der Vaquero. Als er sie kommen hörte, stieg er auf und nahm die beiden anderen Pferde am Zaum.

    „Uns nach!", rief ihm der Trapper zu.

    So ging die wilde Jagd bei voller Dunkelheit jenseits wieder ins Tal hinab, voran die Flüchtlinge und hinter ihnen die Komantschen, die unaufhörlich schossen, ohne jemand zu treffen. Endlich erreichte man die freie Prärie und nun konnte an eine Gegenwehr gedacht werden.

    „Könnt Ihr reiten, Señorita?", fragte Unger seine Dame.

    „Ja."

    „Hier ist der Zügel! Immer geradeaus!"

    Damit sprang er ab und stieg auf sein Pferd, das der Vaquero am Zügel führte. Der Apatsche tat ebenso. Sie bildeten nun die Nachhut und hielten mit ihren vortrefflichen Büchsen die Indianer in Schach. So ging es fort, bis der Morgen graute und es sich zeigte, dass die Komantschen weit zurückgeblieben waren, teils aus Vorsicht, teils wohl auch deshalb, weil sie ihre Tiere jetzt noch nicht so antreiben wollten wie die Flüchtigen.

    „Wollen wir langsamer reiten?", fragte Domenico.

    „Nein, erwiderte der Deutsche. „Immer fort, so schnell wie möglich, damit wir den Strom zwischen uns und die Komantschen bringen.

    Unger konnte jetzt die befreiten Mädchen genauer betrachten. Die eine war eine Spanierin und die andere eine Indianerin, beide von besonderer Schönheit.

    „Könnt Ihr den Ritt noch aushalten, Señorita?", frage er die Weiße.

    „Solange Ihr wollt", antwortete sie.

    „Ich heiße Unger", stellte er sich artig vor.

    „Unger? Das klingt deutsch."

    „Ich bin auch ein Deutscher. Wollt Ihr Euch mir anvertrauen?"

    „Gern."

    „Wir müssen über den Fluss. Dort trafen wir den Vaquero Domenico und hörten von ihm das Nähere. Wir erledigten seine Verfolger und beschlossen, auch Euch zu befreien."

    „Zwei Männer gegen so viele?"

    Es traf Unger ein leuchtender Blick aus ihren dunklen Augen und er bemerkte, dass diese mit Wohlgefallen auf seiner stattlichen Gestalt ruhten. Damit war aber auch die Unterredung beendet.

    Die vier männlichen Geretteten waren drei Vaqueros und der Majordomo⁴ Diego.

    Als die fliehende Gruppe den Rio Grande erreichte, hatte sie die Verfolger so weit hinter sich gelassen, dass man sie aus den Augen verloren hatte.

    „Was tun wir?, fragte Diego. „Erwarten wir die Indianer hier, um ihnen einen Denkzettel zu geben? Wir haben acht Gewehre.

    „Nein, ich bin ein Feind jedes unnützen Blutvergießens."

    „Unnütz? Ich meine nicht. Wenn wir sie hier nicht zurückweisen, dann werden sie uns folgen und wir bringen sie überhaupt nicht mehr los."

    „Wir können auch dann nicht von ihnen loskommen, wenn wir an dieser Stelle einige Dutzend Rothäute in die Ewigen Jagdgründe schickten, denn das würde ihre Rachsucht erst recht herausfordern. Nein, wir setzen über und reiten weiter. Die Damen nehmen im Kanu Platz."

    So geschah es. Der Majordomo ruderte die Mädchen hinüber, während die anderen zu Pferd ins Wasser gingen. Als man drüben anlangte, wurde das Boot versenkt. Nachher ging es im Galopp in die jenseitige Ebene hinein. Einige Stunden ritt man in unverminderter Schnelligkeit dahin. Erst dann erlaubte man den Pferden einen langsameren Schritt, was auch die Unterhaltung erleichterte.

    Bärenherz ritt auch jetzt wieder an der Seite der schönen Mixteka-Indianerin, während sich der Trapper zu der Mexikanerin hielt.

    „Wir sind nun schon stundenlang beisammen, ohne uns nur im Geringsten kennengelernt zu haben", sagte Unger zu seiner Begleiterin.

    „Oh, ich meine doch, dass wir uns im Gegenteil recht gut kennen, meinte sie lächelnd. „Ich weiß von Euch, dass Ihr für andere Euer Leben wagt und dass Ihr ein kühner und umsichtiger Jäger seid.

    „Das ist allerdings etwas, aber nicht viel. Lasst mich wenigstens meinerseits das Notwendigste nachholen."

    „Ich werde Euch dankbar sein, Señor."

    „Mein Name ist Anton Unger, ich bin der jüngere von zwei Brüdern. Wir wollten studieren, da aber die Mittel nicht ausreichten und der Vater starb, so ging mein Bruder zur See und ich nach Amerika, wo ich nach vielen Irrfahrten schließlich in der Prärie mein Leben friste."

    „Aber wie kommt ihr so weit herab an den Rio Grande?"

    „Hm, das ist eine Sache, von der ich nicht sprechen möchte."

    „Also ein Geheimnis?"

    „Vielleicht ein Geheimnis, vielleicht auch nur eine große Kinderei."

    „Ihr macht mich neugierig."

    „Nun, so will ich Euch nicht auf die Folter spannen, lachte Anton Unger. „Es handelt sich nämlich um nichts mehr und nichts weniger als um die Hebung eines unendlichen reichen Schatzes.

    „Was für eines Schatzes?"

    „Eines aus kostbarsten Steinen und edlen Metallen bestehenden Schatzes, der aus uralter Indianerzeit stammt."

    „Und wo soll er liegen?"

    „Das weiß ich auch nicht."

    „Ah, das ist unangenehm! Aber wo habt Ihr denn von dem Vorhandensein dieses Schatzes gehört?"

    „Hoch droben im Norden. Ich hatte das Glück, einem alten, kranken Indianer einige nicht ganz wertlose Dienste zu leisten, und als er starb, vertraute er mir zum Dank dafür das Geheimnis an."

    „Aber er sagte Euch die Hauptsache nicht, nämlich wo er liegt?"

    „Er sagte mir, dass ich ihn in Mexiko in der Provinz Coahuila suchen müsse und gab mir eine Karte mit, bei der sich ein Übersichtsplan befindet."

    „Und welche Gegend betrifft die Kartei?"

    „Ich weiß es nicht. Die Karte enthält zwar Höhenzüge, Talbildungen und Wasserläufe, aber keinen Namen."

    „Das ist allerdings sonderbar. Weiß auch Shosh-in-liett, der Häuptling der Apatschen, davon?"

    „Nein."

    „Und doch scheint er Euer Freund zu sein?"

    „Er ist es im vollsten Sinn des Wortes."

    „Und mir teilt Ihr das Geheimnis mit, obgleich wir uns erst heute gesehen haben!"

    Unger blickte der schönen Mexikanerin mit seinen ehrlichen Augen voll ins Gesicht und entgegnete:

    „Es gibt Menschen, denen man es ansieht, dass man kein Geheimnis vor ihnen zu haben braucht."

    „Und zu diesen rechnet Ihr mich?"

    „Ja."

    Emma errötete, reichte ihm die Hand und erwiderte: „Ihr täuscht Euch nicht. Ich werde Euch das beweisen, indem ich ebenso aufrichtig gegen Euch bin und Euch eine auf Euer Geheimnis bezügliche Mitteilung mache, Señor."

    „Ich bitte Euch sogar darum", antwortete er überrascht.

    „Ich kenne nämlich einen Mann, der auch nach diesem Indianer-Schatz trachtet."

    „Ah! Wer ist es?"

    „Unser junger Patron, der Graf Don Alfonso de Rodriganda y Sevilla, der Neffe und Erbe des kinderlosen Grafen Fernando. Um nach dem Schatz zu forschen, hält er sich zurzeit bei meinem Vater auf."

    „Was weiß er von dem Schatz?"

    „Oh, wir alle wissen, dass die früheren Beherrscher des Landes ihre Schätze verbargen, als die Spanier Mexiko eroberten. Außerdem gibt es Orte, wo das gediegene Gold und Silber in Massen zu finden ist. Man nennt solche Orte eine Bonanza. Die Indianer kennen diese Plätze, sterben aber lieber, als dass sie einem Weißen ihr Geheimnis anvertrauen."

    „Und diesem Don Alfonso hat es doch einer anvertraut?"

    „Nein. Wir bewohnen die Hacienda del Eriña, und es geht die Sage, dass sich in deren Nähe eine Höhle befindet, in der die Mixtekas ihre Schätze versteckten. Diese Höhle ist viel gesucht worden, auch Graf Alfonso hat sich große Mühe gegeben, aber keiner fand sie."

    „Wo liegt die Hacienda del Eriña?"

    „Etwas über eine Tagesreise von hier, am Abhang der Berge von Coahuila. Ihr werdet sie sehen, da ich hoffe, dass Ihr uns dorthin begleitet."

    „Ich werde Euch erst verlassen, bis ich Euch in Sicherheit weiß, Señorita!"

    „Ihr werdet uns auch dann noch nicht verlassen, sondern unser Gast sein, Señor?"

    „Gerade Eure Sicherheit erfordert, dass ich Euch bald verlasse. Ich bin überzeugt, dass uns einige Komantschen heimlich folgen werden. Man wird uns überfallen wollen, um Rache zu nehmen. Darum werde ich bei der Hacienda mit Bärenherz umkehren, um auf Kundschaft zu reiten."

    „Fürchtet Ihr nicht, dass uns die Komantschen noch vor der Hacienda einholen könnten?"

    „Nein, das fürchte ich nicht. Bedenkt, dass uns die Roten nur so lange zu folgen vermögen, als es hell genug ist, um unsere Spuren erkennen zu können, während wir auch in der Dunkelheit reiten. Das gibt uns mehrere Stunden Vorsprung, die die Indianer unmöglich einbringen. Aber bleiben wir für jetzt bei dem Königsschatz! Es weiß also niemand, wo die Höhle zu suchen ist?"

    „Wenigstens kein Weißer."

    „Aber ein Indianer?"

    „Ja. Es gibt einen, der den Schatz der Könige kennt, vielleicht sind es auch zwei. Tecalto ist der einzige Nachkomme der einstigen Beherrscher der Mixtekas, sie haben das Geheimnis auf ihn vererbt. Karja, die neben dem Häuptling der Apatschen reitet, ist seine Schwester und es ist nicht unmöglich, dass er es ihr mitgeteilt hat."

    Unger betrachtete die Indianerin jetzt mit größerer Aufmerksamkeit als vorher.

    „Ist sie verschwiegen?", fragte Anton Unger.

    „Ich denke es, erwiderte die Mexikanerin. Dann fügte sie lächelnd hinzu: „Man sagt allerdings, dass Damen nur bis zu einem gewissen Punkt verschwiegen sind.

    „Und welcher Punkt ist das, Señorita?"

    „Die Liebe."

    „Ah! Es ist möglich, dass Ihr Recht habt, scherzte er. „Darf ich vielleicht erfahren, ob Karja bereits bei dem Punkt angelangt ist?

    „Ich halte es fast für wahrscheinlich."

    „Ah! Wer ist der Glückliche?"

    „Ratet! Es ist nicht schwer."

    Die Stirn des Jägers zog sich zusammen. „Ich vermute, es ist Graf Alfonso, der ihr auf diesem Weg das Geheimnis entlocken will."

    „Ihr ratet richtig."

    „Und Ihr glaubt, dass seine Bestrebungen Erfolg haben?"

    „Sie liebt ihn."

    „Und ihr Bruder, der Nachkomme der Mixtekas? Was sagt er zu dieser Liebe?"

    „Vielleicht weiß er noch nichts davon. Er ist der berühmteste Cibolero⁵ und kommt nur selten zur Hacienda."

    „Der berühmteste Cibolero? Dann müsste ich seinen Namen kennen. Der Name Tecalto aber ist mir unbekannt."

    „Er wird von den Jägern nicht Tecalto genannt, sondern Mokaschi-tayiss."

    „Mokaschi-tayiss – Büffelstirn?, fragte Unger überrascht. „Ah, den kenne ich allerdings. Büffelstirn ist der bedeutendste Büffeljäger zwischen dem Red River und der Wüste Mapimi. Ich habe viel von ihm gehört und würde mich freuen, ihn zu sehen. Und Karja ist also die Schwester dieses berühmten Mannes? Da muss man sie ja mit ganz anderen Augen betrachten.

    „Wollt Ihr vielleicht Eure Liebenswürdigkeit auch an ihr versuchen?"

    Unger lachte. „Ich? Wie kann ein Westmann liebenswürdig sein! Und wie könnte ich mit einem Grafen de Rodriganda in Wettbewerb treten wollen! Wäre es mir möglich, liebenswürdig zu sein, so würde ich es bei einer anderen versuchen."

    „Und wer wäre diese andere?", fragte Emma.

    „Nur Ihr allein, Señorita!", antwortete er aufrichtig.

    Ihr Auge lachte ihn an. „Aber bei mir könnt Ihr ja nichts von Eurem Königsschatz erfahren."

    „Oh, Señorita, es gibt Schätze, die mehr wert sind als eine ganze Höhle voll Gold und Silber. In dem Sinn wünschte ich, einmal ein glücklicher Gambusino⁶ zu sein."

    „Sucht, vielleicht findet Ihr!"

    Sie streckte ihm die Hand entgegen, die er rasch ergriff und innig drückte.

    Im Verlauf des Weiterrittes erfuhr Unger, dass die beiden Mädchen am Rio Grande del Norte gewesen waren, um eine Tante der Mexikanerin zu besuchen, die schwer krank darniederlag. Die Pflege der beiden Frauen hatte den Tod der Tante nur zu verzögern vermocht. Später hatte Arbellez den Majordomo Diego mit den Vaqueros geschickt, um die Tochter abholen zu lassen. Auf dem Rückweg waren sie von den Komantschen überfallen worden.

    Während ihrer Unterredung war hinter ihnen ein anderes Gespräch geführt worden. Bärenherz ritt an der Seite der Indianerin. Sein Auge umfasste die schöne Gestalt seiner Nachbarin, die mit einer Sicherheit auf dem halbwilden Pferd saß, als habe sie niemals anders als auf einem indianischen Männersattel geritten. Der schweigsame Häuptling war nicht gewohnt, seine Worte zu verschwenden; wenn er aber sprach, so hatte eine jede Silbe das doppelte Gewicht. Karja kannte die Art der Indianer, darum wunderte sie sich nicht darüber, dass er wortlos blieb. Doch sie fühlte, dass sein Auge durchdringend auf ihr ruhte. Fast erschrak sie, als er sie anredete:

    „Zu welchem Volk gehört meine junge Schwester?"

    „Zum Volk der Mixtekas", entgegnete sei.

    „Das war einst ein großer Stamm und ist noch jetzt durch die Schönheit seiner Frauen berühmt. Ist meine junge Schwester eine Squaw oder ein Mädchen?"

    „Ich habe keinen Mann."

    „Ist ihr Herz noch ihr Eigentum?"

    Bei dieser Frage, die ein Weißer sicherlich nicht so unumwunden ausgesprochen hätte, rötete sich ihr dunkles Antlitz, aber sie antwortete ruhig:

    „Nein."

    Sie wusste, dass hier Offenheit richtig sei, denn sie kannte die Apatschen. Es veränderte sich kein Zug seines eisernen Gesichts und er fragte weiter:

    „Ist es ein Mann ihres Volkes, der ihr Herz besitzt?"

    „Nein, ein Weißer."

    „Bärenherz beklagt seine Schwester. Sie mag es ihm sagen, wenn der Weiße sie betrügt."

    „Er wird mich nicht betrügen!", erwiderte Karja stolz.

    Ein leises Lächeln zuckte um seine Lippen, er schüttelte den Kopf und entgegnete:

    „Die weiße Farbe wird leicht schmutzig. Meine Schwester mag vorsichtig sein!"

    Man ritt immer dem Süden zu. Eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit wurde zu einer kurzen Rast angehalten. Menschen und Tiere bedurften der Erholung. Nach einer halben Stunde ging es weiter. Unger wunderte sich über die Ausdauer, mit der seine weiße Begleiterin den Gewaltritt aushielt, und er konnte nicht umhin, ihr gegenüber eine diesbezügliche Bemerkung fallen zu lassen. Emma lächelte:

    „Ihr müsst wissen, dass ich mich schon seit meiner Kindheit hierzulande aufhalte. Wir leben von jeher halb in der Wildnis."

    „Habt Ihr nie Sehnsucht nach der Zivilisation und nach dem Verkehr mit Euresgleichen?"

    „Keineswegs. Ich habe auf der Hacienda alles, was ich brauche, und ich ziehe den Verkehr mit den urwüchsigen Kindern der Natur dem mit der höheren Gesellschaft vor, wo doch das meiste hohl und falsch ist. Gebt Ihr mir nicht Recht?"

    „Ihr sprecht meine Meinung aus. Auch ich habe unter den so genannten Wilden mehr Treue und Anhänglichkeit gefunden als unter den Gebildeten. Seht nur einmal den Apatschen an! Er ist die tüchtigste, wackerste und treueste Rothaut, die ich kenne, und auf ihn allein verlasse ich mich lieber als auf Dutzende und Hunderte von Weißen, deren Hautfarbe zwar heller, deren Herz dafür aber desto falscher ist."

    „Gut! Verlassen wir uns auf ihn und auf noch einen! Auf Euch!"

    „Ah, wollt Ihr das wirklich?", fragte er mit einem freudigen Aufleuchten seiner Augen.

    „Von ganzem Herzen!, antwortete Emma. „Ihr lobt nur die Apatschen, aber Ihr vergesst zu sagen, dass man Euch ebenso vertrauen kann.

    „Glaubt Ihr das wirklich?"

    „Ja. Ich habe Euch beobachtet. Ihr seid kein gewöhnlicher Jäger und ich bin überzeugt, dass auch Ihr einen Ehrennamen tragt, den Euch die Trapper und Indianer gegeben haben."

    Er nickte. „Ihr erratet es."

    „Und welches ist Euer Jägername?"

    „O bitte, nennt mich immer Antonio."

    „Ihr wollt ihn mir nicht sagen?"

    „Jetzt nicht. Wenn man ihn nennen wird, werde ich mich zu erkennen geben."

    „Ah, Ihr seid eitel. Ihr wollt inkognito sein wie ein Fürst."

    „Ja, lachte er. „Ein guter Jäger muss ein klein wenig eitel sein und Fürsten sind wir alle, nämlich Fürsten der Wildnis, des Waldes und der Prärie.

    „Fürsten! Da fällt mir einer jener berühmten Namen ein: Matava-se⁷."

    „Ja, der ist einer der Berühmtesten. Habt Ihr von diesem weißen Jäger schon gehört?"

    „Viel. Er soll da oben in den Felsengebirgen gewesen sein."

    „Allerdings, darum nennen ihn die Indianer Matava-se, die englischen Trapper Rockyprince, und die französischen Coureurs sagen Prince du roc. Alle drei Namen bedeuten Fürst des Felsens."

    „Habt Ihr ihn gesehen?"

    „Nein, aber ich habe gehört, dass er ein Landsmann von mir ist, ein Deutscher. Er soll Karl Sternau heißen und ein Arzt sein. Er hat Amerika bereist und ist mehrere Monate mit unserem braven Bärenherz hier durch die gefährlichsten Gegenden des Felsengebirges gestrichen. Jetzt befindet er sich wieder drüben in Europa."

    „Werdet auch Ihr wieder in Eure Heimat gehen?"

    „Ja, wenn ich so viel besitzen werde, dass ich meinen Angehörigen drüben ein behagliches Leben bieten kann."

    Auf die Worte folgte ein kurzes Schweigen. Beide dachten daran, dass ihr gegenwärtiges Beisammensein nicht auf die Dauer sein könne. Unger war der Erste, der das Schweigen unterbrach.

    „Habt Ihr noch nie den Wunsch gehabt, die Welt zu sehen und Reisen zu machen? Zum Beispiel nach Europa?"

    „Noch nie! Unsere Hacienda ist meine Heimat, aus der ich noch nie herausverlangte."

    „Fürchtet Ihr Euch in Eurer Einsamkeit nie vor einem Überfall der Roten?"

    „Oh, die Hacienda ist eine kleine Festung."

    „Ich kenne diese Art von Gutshöfen. Sie sind aus Stein gebaut und gewöhnlich mit Schanzwerk umgeben. Was aber hilft das gegen einen Feind, der unvermutet kommt?"

    „Wir werden wachen und Ihr mit. Ich will hoffen, dass Ihr doch unser Gast sein werdet!"

    „Ich muss fragen, was Bärenherz dazu meint. Von ihm kann ich mich nicht trennen."

    „Er wird bleiben!"

    „Er ist ein Freund der Freiheit. Er hält es in einem Gebäude nie längere Zeit aus."

    „Oh, lächelte Emma, „ich sehe, dass er es aushalten wird.

    „Woher vermutet Ihr das?"

    „Aus den Blicken, mit denen er Karja betrachtet."

    „Hm! Ihr beobachtet richtig, wie ich auch schon bemerkt habe."

    „Bärenherz sollte mich dauern, wenn er sich hinreißen ließe."

    „Pah! Er ist von eisenhartem Stoff gemacht. Er wird nie um Liebe winseln."

    „Aus welchem Stoff seid denn Ihr gemacht?", neckte die schöne Mexikanerin.

    „Vielleicht aus dem gleichen."

    „So würdet auch Ihr nicht jammern?"

    „Nie!"

    „Das ist stolz!"

    „Aber richtig. Das Weib, das ich liebe, soll mich auch achten. Aber bitte, wir bleiben zurück! Der Apatsche eilt, weil er noch die Zeit vor Einbruch der Dunkelheit benützen möchte, um möglichst rasch vorwärts zu kommen, und das wollen wir ihm nicht durch unser Zögern erschweren."

    Nach einer halben Stunde brach die Dunkelheit herein. Es ging jedoch, wenn auch langsamer, noch zwei Stunden weiter, bis ein breiter Wasserlauf erreicht wurde. Man folgte ihm, bis das Flüsschen einen Bogen bildete. Dort wurde angehalten.

    Sie sprangen alle von den Pferden, richteten das Lager vor. Innerhalb des Dreiviertelkreises, den der Fluss bildete, und hart an dessen Ufer wurden die Pferde untergebracht.

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