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Be Love Now: Der Weg des Herzens
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Be Love Now: Der Weg des Herzens
Ebook478 pages6 hours

Be Love Now: Der Weg des Herzens

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About this ebook

In seinem Buch "Be Love Now" gibt Ram Dass einen einzigartigen Einblick in seinen langen spirituellen Weg. Der heute 80-Jährige lässt uns teilhaben an den wichtigsten Erfahrungen seiner Transformation vom bedeutenden Harvard-Psychologieprofessor zum "Diener Gottes". Die Begegnung mit seinem Guru Neem Karoli Baba, liebevoll Maharaj-ji genannt, führt zu einem Leben in bedingungsloser Liebe - der Essenz des Daseins.

"Be love now" ist ein sehr persönliches Buch und gleich zeitig eine wundervolle Entdeckungsreise, die Herz und Geist öffnet.

"Stell dir vor, dass dich jemand mehr liebt, als du je zuvor geliebt worden bist. Man liebt dich stärker noch als deine Mutter dich als Kind geliebt hat, mehr als dein Vater dich je liebte, dein Kind oder dein dich liebender Partner. Diese Liebe will nichts von dir, ist nicht auf persönliche Befriedigung aus und will nichts mehr, als dass du völlig erfüllt bist. Du wirst nur für das geliebt, was du bist, deshalb, weil es dich gibt."
LanguageDeutsch
Release dateMar 15, 2012
ISBN9783899016079
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    A fascinating read on the Hindu practice of ‘being love’ from spiritual guru Ram Dass. Though the first third was excellent, I felt that middle third was somewhat verbose and could have been condensed.

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Be Love Now - Ram Dass

Kapitel Eins

Der Pfad des Herzens

Stell dir vor, dass dich jemand so liebt, wie du es noch nie zuvor gespürt hast; dass du noch mehr geliebt wirst, als deine Mutter dich als Kind geliebt hat, mehr als dein Vater dich je liebte, dein Kind oder dein dich liebender Partner – wer auch immer. Diese Liebe will nichts von dir, ist nicht auf persönliche Befriedigung aus und will nichts mehr, als dass du völlig erfüllt bist. Du wirst einfach so geliebt, wie du bist, einfach deshalb, weil es dich gibt. Du musst dir diese Liebe nicht verdienen. Deine Fehler, dein Mangel an Selbstwertgefühl oder Schönheit oder dein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Erfolg – nichts davon spielt eine Rolle. Und niemand kann dir diese Liebe nehmen, sie wird immer da sein. Stelle dir vor, in dieser Liebe zu sein wäre wie ein entspannendes, immerwährendes und warmes Bad, das dich umgibt und trägt und das jeden Gedanken und jedes Gefühl durchdringt. Es fühlt sich an, als würdest du dich in dieser Liebe auflösen. Tatsächlich ist diese Liebe ein Teil von dir, sie fließt immerwährend durch dich hindurch. Sie ist wie die subatomare Struktur des Universums, die alles miteinander verbindet. Wenn du dich für dieses Fließen öffnest, fühlst du es in deinem Herzen – nicht in deinem physischen Herzen oder in deinem emotionalen Herzen, sondern in deinem spirituellen Herzen, dem Ort in deiner Brust, auf den du deutest, wenn du „Ich bin" sagst.

Das ist dein tieferes Herz, dein intuitives Herz. An diesem Ort treffen dein höherer Geist, reine Bewusstheit, die feineren Gefühle und deine Seelenidentität zusammen und verbinden dich mit dem Universum. Hier gibt es diese Liebe, und hier sind Gegenwart und Liebe.

Es gibt diese bedingungslose Liebe wirklich. Sie ist ein Teil deines inneren Seins. Sie ist weniger ein tätiges Gefühl denn ein Daseinszustand. Sie sagt nicht: „Ich liebe dich wegen dieser oder jener Ursache oder gar: „Ich liebe dich, wenn du mich liebst. Es ist eine Liebe ganz ohne Anlass, Liebe ohne einen Gegenstand. Du sitzt einfach nur in dieser Liebe, der Stuhl selbst ist in dieser Liebe, und sie durchdringt alles. Dein denkender Geist wird von dieser Liebe ausgelöscht.

Wenn ich mich an den Ort in mir begebe, der Liebe ist, und wenn du dich an den Ort in dir begibst, der Liebe ist, dann sind wir in Liebe verbunden. Dann sind du und ich wahrhaft in der Liebe, im Seinszustand der Liebe. Das ist die Pforte, die Schwelle zum Eins-Sein. Diesen Raum habe ich betreten, als ich auf meinen Guru traf.

Vor vielen Jahren saß ich in Indien im Hof eines kleinen Tempels in den Ausläufern des Himalaya. Dreißig oder vierzig von uns umgaben meinen Guru, Maharaj-ji. Dieser alte Mann, in eine einfache Decke gehüllt, saß auf einem Holzbett. Für einen kurzen, ungewöhnlichen Augenblick lang wurde es still. Die Stille war meditativ, wie ein weites Feld an einem windstillen Tag oder ein tiefer, klarer, unbewegter See. Ich spürte, wie Wellen voller Liebe zu mir ausstrahlten, die mich überspülten wie die sanfte Brandung eines tropischen Strandes, in die ich eintauchte, die mich sanft schaukelten, meine Seele liebkosten. Sie waren unermesslich offen und nahmen mich völlig an.

Ich fühlte mich völlig überwältigt, brach fast in Tränen aus, so dankbar und so voll Freude, dass ich kaum glauben konnte, was da gerade geschah. Ich öffnete meine Augen und schaute mich um. Ich spürte, dass alle anderen dasselbe erlebten. Ich sah zu meinem Guru hin. Es saß einfach nur da, blickte um sich, tat nichts. Es war einfach sein Wesen, dass wie die Sonne gleichermaßen auf alle schien. Die Strahlen waren nicht gezielt auf jemanden gerichtet. Für ihn war diese Ausstrahlung nichts Besonderes, sie war nur sein natürlicher Zustand.

Diese Liebe ist wie das Strahlen der Sonne, eine Naturkraft, die Vervollständigung dessen, was ist, eine Glückseligkeit, die jeden Partikel des Seins durchdringt. Auf Sanskrit heißt das sat-cit-ananda (Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit), die Glückseligkeit des Bewusstseins des Daseins. Das Schwingungsfeld der ananda-Liebe durchdringt alles, alles in dieser Schwingung ist in Liebe. Es handelt sich um einen Bewusstseinszustand jenseits des Verstandes. Maharaj-jis Liebe brachte uns von einem Schwingungsebene zur nächsten, von der Ebene des Ego zu jener der Seele. Als Maharaj-ji mich durch diese Liebe zu meiner Seele führte, starb der Verstand. Vielleicht ist diese bedingungslose Liebe deshalb so schwer in Worte zu fassen. Die besten Beschreibungen stammen aus der Feder mystischer Dichter. Fast all unsere Worte beziehen sich auf die Perspektive der bedingenden Liebe, auf die zwischenmenschliche Perspektive, die sich an diesem bedingungslosen Ort jedoch einfach auflöst.

War Maharaj-ji in meiner Nähe, badete ich in dieser Liebe. Einer der anderen westlichen Besucher Maharaj-jis, Larry Brilliant, meinte:

Wie soll ich nur erklären, wer Maharaj-ji war und wie er das machte, was er machte? Ich habe keine Erklärung. Vielleicht war es seine Liebe zu Gott. Ich kann nicht erklären, wer er war. Vielleicht verstehe ich allmählich, warum er alle lieben konnte. Es war eben seine Aufgabe, er war ein Heiliger. Heilige sollten ja alle lieben.

Aber es verblüffte mich nicht einmal, dass er jeden liebte – sondern dass ich, wenn ich vor ihm saß, selbst alle liebte. Das war für mich am schwersten zu verstehen, wie er den Geist der Menschen um sich so transformieren konnte, dass er nicht nur das Beste in uns zu Tage förderte, sondern etwas, das zuvor nicht in uns war, von dem wir nichts ahnten. Ich glaube nicht, das einer von uns jemals im ganzen Leben wieder so gut oder rein oder liebevoll war, wie zu dem Zeitpunkt, an dem wir vor ihm saßen. ¹)

Willkommen also auf dem Pfad des Herzens! Ob du es glaubst oder nicht, für dich kann es wahr werden: bedingungslos geliebt werden und selbst zu dieser Liebe werden. Der Pfad dieser Liebe führt nirgendwohin. Er bringt dich nur stärker ins Hier, in den gegenwärtigen Augenblick, in die Wirklichkeit dessen, der du bereits bist. Der Pfad bringt dich aus dem Verstand und mitten in dein Herz.

Der Mensch neigt von Natur aus zur Liebe. Menschen aller Zeiten und Regionen haben diesen Pfad in ganz unterschiedlichen Kulturen entdeckt. In Indien nennt man ihn bhakti Yoga, die Entdeckung des vollendeten Einsseins durch die Liebe. Diese Tradition reicht viele Jahrhunderte zurück. Die Übungen des bhakti Yoga stellen einen Weg dar, in die bedingungslos Liebe einzutreten, in das strahlende Herz, sich im Meer der Liebe aufzulösen, im Einen. Später wirst du in diesem Buch auf einige der indischen „Heiligen" treffen, die zu dieser Liebe wurden, und Möglichkeiten kennenlernen, wie du selbst diesen Pfad beschreiten kannst. Es gibt kein Rezept. Jeder von uns braucht seinen ureigenen Schlüssel, um die Wirklichkeit des Herzens zu erschließen.

Sich in die Liebe fallen lassen

Wenn du als Erwachsener zum ersten Mal die bedingungslose Liebe spürst, kann es sich wie das sanfte Schmelzen eines Gletschers anfühlen oder wie eine Naturkatastrophe, wie ein Erdbeben, das dich bis in dein tiefstes Inneres erschüttert. Du verliebst dich, aber wie dich diese Liebe erfasst, ist so intensiv und allumfassend, dass sie dein Selbstbild verwandelt. Man kann nicht in einem grenzenlosen Meer schwimmen und gleichzeitig im Gartenteich des begrenzten Selbst verharren. Selbst wenn sich die Pforte nur einen Augenblick lang öffnet, wenn sie wieder verschwindet und scheinbar vergessen wird, färbt dieser Augenblick der Bewusstwerdung, der Herzöffnung, dein gesamtes restliches Leben. Es gibt kein Zurück mehr. Die letztendliche Süße bleibt und kann nie mehr verleugnet werden.

Jesus wählte den Fischer als Metapher. Wenn du zum ersten Mal diese tiefe Freude spürst, bist du in der reinen Liebe des göttlichen Fischers gefangen; diese Liebe hat dich am Haken. Mein Guru ist wie ein Fliegenfischer. Das Ego zerrt und windet sich und versucht, sich von dieser Leine zu reißen, aber jedes Mal dringt der Haken der göttlichen Liebe tiefer ein, und schließlich ergibt sich dein kleines Selbst, die Persönlichkeit mit all ihren Gewohnheiten, das Bündel an Gedanken und Sehnsüchten, dem größeren Selbst, diesem Wesen aus reiner Liebe und Bewusstheit, dass dich zu sich zieht und mit dir eins wird.

Als ich zum ersten Mal nach Indien kam, lehnte ich die Vorstellung eines Gurus entschieden ab. Mich zog der Buddhismus an, weil er den Psychologen in mir ansprach. Wie also landete ich dann vor den Füßen eines Hindu-Gurus? Als ich ihn zum ersten Mal begegnete, wusste ich gar nicht, was ich da wollte. Als mich aber Maharaj-ji in seine bedingungslose Liebe tauchte, veränderte das mein ganzes Leben. Meine Vorstellung von mir selbst krempelte sich völlig um. Das Treffen öffnete mein Herz. In diesem Augenblick öffnete ich mich meinem Guru – und zwar nicht nur dem alten Mann in der Decke, der vor mir saß, sondern dem Ort in ihm, an dem mein wahres Selbst gespiegelt wurde. Aus diesem Selbst stammt die bedingungslose Liebe.

Als ich nach meinem ersten Indienaufenthalt in die Vereinigten Staaten zurückkehrte, fühlte ich mich, als trüge ich ein Juwel in meinem Herzen, das ich teilen wollte. Ich konnte über die Öffnung meines Herzens sprechen und das neue Bewusstsein, das sie erzeugt hatte. Aber ich sprach kaum über den Guru. Dieser Begriff schien mir für den Westen völlig ungeeignet.

Zunächst erzeugt die Vorstellung, sich jemand anderem völlig zu ergeben, unterschiedliche Reaktionen. Unsere Welt sieht das Sich-Ergeben fast immer negativ. Wir wollen nicht, dass man uns sagt, was wir zu tun haben, wir möchten es selbst herausfinden. Sich zu ergeben bedeutet, auf Macht zu verzichten. Gewöhnlich hat das mit der Macht des Ego oder sexueller Beherrschung zu tun.

Das Wort „Guru" lässt uns eher an Trickbetrüger und Schwindler als an einen spirituellen Meister denken. Wir haben natürlich jedes Recht zum Zynismus, wenn wir sogenannte Gurus sehen, die sich in Geld, Sex und Macht verstricken. Verführung, Steuerhinterziehung, eine Sammlung von Rolls Royces, teure Mantras – selbst Hollywood macht sich über Gurus und ihren Kult lustig (z.B. in The Love Guru). Es ist schwer, nicht sofort an charismatische Verführer zu denken, die ihre leichtgläubigen Anhänger ausnehmen.

Die meisten Menschen würden einen echten Guru nicht einmal erkennen, wenn sie über ihn stolperten. Nur wenige haben je einen getroffen. Zuerst erschien mir Maharaj-ji fast wie ein Zauberwesen. Er verfügte über unglaubliche spirituelle Kräfte, aber allmählich begriff ich, dass mich tatsächlich das Meer seiner Liebe gefangen genommen hatte. Das war das Echte. Hier war ein Wesen aus Fleisch und Blut, das ständig im Zustand der bedingungslosen Liebe lebte. Diese Liebe erlaubte mir, mich zu ergeben, seine Führung bei der inneren Reise anzunehmen, um diese Liebe in mir selbst zu entdecken.

Später traf ich auf weitere Wesen (einige lebten noch, andere hatten ihren Körper bereits verlassen), die mir dabei halfen, den Verlauf des Pfades des Herzens deutlicher zu erkennen. Diese Wesen haben viele Formen, Größen und Manifestationen, wie wir alle. Sie sind Wegweiser und Führer, die uns auf der bhakti marg, der Straße zur Liebe, begleiten, obwohl wir diese selbst beschreiten müssen. Einige der Wesen, die mich inspirierten, haben auch dieses Buch inspiriert. Ich hoffe, dass sie auch dir auf deinem Weg beiseitestehen werden. Die bedingungslose Liebe löst jedes verstandesmäßige Zögern auf, weil uns ihre Süße trunken macht. Wie Motten umkreisen wir die Flamme, wir opfern uns im Feuer der lebendigen Liebe.

Lebendige Flamme der Liebe

Oh, lebendige Flamme der Liebe.

wie zärtlich durchdringst du

den tiefsten Kern meiner Seele!

Beende, was du begonnen hast.

Reiße den Schleier von dieser süßen Begegnung.

Oh, sanfte Feuerschneide!

Oh, herrliche Wunde!

Du beruhigst mich mit deiner flammenden Umarmung.

Du begleichst all meine alten Schulden

und lässt mich vom Ewigen kosten.

Indem du mich verzehrst, wandelst du Tod in Leben.

Oh, flammende Leuchte!

Du erhellst die dunkelsten Kammern meiner Seele.

Wo ich einst in Bitterkeit und Trennung versank,

erstrahle ich nun, mit köstlicher Intensität,

in Wärme und Liebe zu meinem Geliebten.

Wie friedvoll, wie liebevoll

erweckst du mein Herz,

den geheimen Ort, an dem allein du mir innewohnst!

Süß ist dein Atem auf meinem Anlitz,

beruhigend und belebend zugleich.

Wie zart und wie leuchtend

lässt du mich vor Liebe vergehen zu dir!

Johannes vom Kreuz ²)

Welches Bild du auch wählst (du kannst dir auch ein eigenes machen), ob du dich nun der Sanftheit einer unendlich tiefen Herzensverbindung ergibst, von einer Flutwelle der Liebe überspült wirst oder in die Anziehungskraft eines Sternes gerätst – sobald du die bedingungslose Liebe erfahren hast, gibt es kein Entrinnen mehr. Du kannst weglaufen, aber du kannst dich nicht mehr verstecken. Die Saat ist gesät und wird in dem ihr eigenen Tempo aufgehen. Du kannst nur zu dem werden, was du wahrhaft bist.

Du kannst dir einbilden, du könntest nach Belieben kommen und gehen oder spielen, wo du willst, aber der Geliebte hat längst etwas mit dir vor. Tatsächlich kannst du dich der Anziehung des Göttlichen einfach nur immer noch mehr ergeben. Langsam, aber sicher, entweder in einem Augenblick oder im Verlauf tausender Leben, holt dich der Geliebte an seiner Angelschnur wieder ein, bis du erneut in den Einheitszustand des sat-cit-ananda, des Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit-Zustandes des Selbst, gelangst.

Familie und Freunde

Der Tag, an dem ich meinen Guru Maharaj-ji zum ersten Mal traf, schuf einen Bund, der mein Leben von Grund auf veränderte. Seine Worte übersetzte ein Mann aus der nahe gelegenen Stadt Nainital für mich ins Englische. Er hieß Krishna Kumar (oder „K.K.") Sah. Nach unserer Begegnung bat ihn Maharaj-ji, mich zu sich nach Hause mitzunehmen. Er trug ihm auf, mir „doppelten roti", also Toast, zu servieren. Er nahm an, dass ich als Mann aus dem Westen indisches Essen nicht gewohnt war.

K.K. betrachtete mich zuerst als zugeknöpften Fremden aus dem Westen und wusste nicht, was er mit mir anfangen sollte. Er hatte jedoch einen Befehl von seinem Guru erhalten und befolgte ihn aufgrund der Achtung, die er für diesen empfand und die bis in seine Kindheit zurückreichte, ganz selbstverständlich. Ohne zu zögern, nahmen er, seine Schwester und sein Bruder mich in die liebevolle Welt seiner Familie auf. Sie behandelten einander spielerisch als spirituelle Wesen und nicht nur wie Geschwister, und mich behandelten sie wie ein Familienmitglied. Und jetzt, vier Jahrzehnte später, dauert diese Beziehung immer noch an.

So wurde ich praktisch kopfüber in eine Welt eingeführt, in der wunderwirkende Wesen, Heilige und Gurus, aufs Engste mit dem Alltäglichen verknüpft sind. Darin war nichts Übergreifendes oder Messianisches. So lebten diese Menschen eben. Das aber, was für sie Alltagsroutine war, ermöglichte mir, mich der tiefgehenden Veränderung in meinen Anschauungen anzupassen, für die ich keine Fixpunkte aus meinen früheren Bezugssystemen hatte.

K.K. und seine Familie waren mit Maharaj-ji aufgewachsen. In Indien üben traditionelle Familien bhakti-Praktiken, die jeden Aspekt des Lebens durchdringen. Liebe ist die unausgesprochene Sprache. Da mehrere Generationen in angrenzenden Häusern leben, stellt diese lebendige Übertragung eine Brücke der reinen Liebe von der Babyzeit über die Kindheit und über die hormonschwangere Pubertät hinaus bis ins Erwachsenenalter bereit. Ein Familien-Guru oder ein spiritueller Familienältester ermöglicht den jüngeren Generationen, Augenblicke der unbegrenzten Liebe zu erfahren. Vielleicht gab es auch in deiner Familie einen solchen Großvater oder eine solche Großmutter.

K.K.s Schwester Bina, die wie er unverheiratet blieb, kauerte in der Küche an einem offenen Feuer und backte chapatis. Ich war von einer ihrer wunderbaren Mahlzeiten bereits pappsatt, als K.K. ein Gespräch mit mir begann. Als ich meinen Kopf zu K.K. drehte, um mit ihm zu reden, zauberte Bina eine weitere chapati und eine Portion subji (Gemüse) auf meinen thali (Messingteller). Ich konnte nicht einmal „Danke oder „Nein danke sagen. Es war für sie ganz normal. Ich aß alles auf. In Indien gilt es als Beleidung, wenn man nicht alles isst, was serviert wird, weil Essen so kostbar ist. So ging das ein paarmal weiter und mein Vergnügen wandelte sich in Schmerz. Aber K.K. und Bina zogen mich mit solch unschuldiger Freude auf, dass ich es einfach nur genießen konnte, selbst wenn mir die Verdauung Verdruss bereitete.

K.K. ist in etwa so alt wie ich, ein paar Jahre jünger. Seine Verbindung zu heiligen Wesen reicht Generationen zurück. Maharaj-ji besuchte sein Haus zum ersten Mal, als er noch ein Kind war. K.K.s Vater Bhawani Das Sah war Polizeiinspektor für die Bergregion von Kumaon während der britischen Kolonialherrschaft über Indien. Zu seinen Aufgaben gehörte das Öffnen und Schließen des hoch im Himalaya gelegenen großen Tempels von Badrinath zu Beginn und Ende des Sommers wie auch die Ausübung von Polizeiaufgaben in dem ausgedehnten Bezirk. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in den Bergen kaum Straßen, er reiste daher zu Fuß oder zu Pferde. Er war ein sehr spiritueller Mann und besuchte während seiner Dienstreisen zahlreiche entlegene Ashrams von Heiligen und Yogis, die sich der Tradition gemäß in die Berge zurückgezogen hatten.

Er wurde ein Anhänger mehrerer großer bekannter wie unbekannter Heiliger, die ihn in seinem Haus besuchten, wenn sie in die Stadt kamen. Neem Karoli Baba – Maharaj-ji – war einer von ihnen. K.K. erinnerte sich, dass es dann immer Süßigkeiten und Feste gab. Als Maharaj-ji das erste Mal in das Haus kam, erkundigte er sich nach dem Bett, in dem ein anderer großer Heiliger, Hairakhan Baba, geschlafen hatte, und legte sich darauf nieder.

K.K.s Vater starb, als K.K. noch sehr jung war. Maharaj-ji blieb deshalb als Familien-Guru in vielerlei Hinsicht seine Vaterfigur – allerdings eine ungewöhnliche! K.K. schwänzte die Schule, um mit Maharaj-ji in den Bergen umherzustreifen. Sein Lehrer, auch ein Anhänger Maharaj-jis, trug ihn als anwesend ein, wenn K.K. für ihn im Gegenzug ein Treffen mit dem Weisen arrangierte. Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen K.K. tatsächlich in die Schule kam, meinte sein Lehrer: „Du hast schon so oft gefehlt, dass ich dich auch heute, wo du da bist, als abwesend eintragen werde."

K.K. übersetzte nicht nur für mich (sein Englisch war sehr gut, denn er arbeitete als Angestellter der Stadtverwaltung), er übertrug durch sein Dasein auch die Liebe auf mich, die zwischen ihm und Maharaj-ji floss und von Maharaj-ji zu mir. Bei K.K. zu leben, die Speisen zu essen, die seine Schwester Bina über offenem Feuer zubereitete, ihre tägliche puja zu beobachten, ihre Andacht und Verehrung am Familienaltar, und die Liebe und den Respekt zu spüren, die sie gegenüber den Heiligen zeigten, ließ mir einen kulturellen Kontext für den Wandel, den ich durchlebte, zuteilwerden. Sie bestärkten die Herzensbindung, die Maharaj-ji wie einen Tunnel in die tiefste Tiefe meines Wesens getrieben hatte. Die Art und Weise, wie K.K. die Heiligen ehrte und liebte, ließ mich verstehen, was in mir gerade geschah.

Trotz alldem war die Erfahrung des Herzens für mich zuerst sehr ungewohnt. Rückblickend erkenne ich vierzig Jahre später, wie sehr ich das, was mir mit Maharaj-ji geschah, durch meinen Verstand zu deuten versuchte. Während unserer ersten Begegnung erzählte er mir, was ich in der vorangegangenen Nacht über meine Mutter gedacht hatte – das konnte er unmöglich wissen. Das beeindruckte mich über alle Maßen. Am Anfang konzentrierte ich mich ganz darauf, dass Maharaj-ji meine Gedanken gelesen hatte. Ich brauchte zehn Jahre, um zu begreifen, dass das, was mich tatsächlich verändert hatte, die Öffnung meines Herzens gewesen war.

Damals war ich durch die Erfahrung, dass er meine Gedanken gelesen hatte, völlig erschüttert. Ich blickte zu Boden, weil ich annahm, dass er, wenn er einen Teil meiner Gedanken lesen konnte, all die peinlichen Geheimnisse kennen musste, an die ich in diesem Augenblick selbst dachte. Ich hatte mir nie klargemacht, welche Folgen es haben könnte, wenn man jemanden trifft, der alles über einen weiß!

Voller Schuldgefühle sah ich Maharaj-ji schließlich an. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Als ich in seine Augen blickte, sah er so voller Liebe zurück, so voll bedingungsloser, allwissender und annehmender Liebe. Es war wie ein Bad oder eine Dusche in der Liebe, das alle Unreinheiten wegwusch, die ich aus der Vergangenheit mit mir herumschleppte.

Weil ich wusste, dass er alles über mich wusste, spürte ich Vergebung. Er sah das alles und liebte mich dennoch. Es war wunderschön.

Seine Liebe spülte alle meine Schuld- und alle Schamgefühle fort, Gefühle, die unbewusst meine Persönlichkeit ausgemacht hatten. Unter diesem einen Blick fiel das Kartenhaus meines Ego zusammen. Plötzlich sah ich mich, zum ersten Mal im Erwachsenenleben, als reine Seele.

Doch zehn Jahre lang konnte ich lediglich sagen, dass er meine Gedanken gelesen hatte, wenn Leute von mir wissen wollten, was genau bei diesem ersten Treffen, das mich so verändert hatte, passiert war. Ich brauchte ein Jahrzehnt um zu begreifen, dass das nicht ausschlaggebend gewesen war. Es hatte mich ohne Zweifel erschüttert, aber es war die Liebe, die mein Herz öffnete.

Ganz nah und unpersönlich

Wenn wir über das Herz sprechen, lässt sich das emotionale leicht mit dem spirituellen Herzen verwechseln, denn obwohl sie beide das Herz sind, stellen sie doch unterschiedliche Ebenen des Bewusstseins dar. Mit dem emotionalen Herzen sind wir alle vertraut, davon handeln Liebesromane und Gedichte (mit Ausnahme mystischer Gedichte). Emotionale Liebe umfasst all die dramatischen Gefühle von Anziehung, Hass, Eifersucht und Süße und Zärtlichkeit, die das Herz höherschlagen lassen – alle diese emotionalen Zustände. Sie ist voller Haken, die unablässig Bindungen schaffen und beständig unser Ego betonen.

Die meisten Gefühle wie Angst, Wut, Gier und Neid sind mit unserer Persönlichkeit verbunden und den Impulsen unseres bewussten und unbewussten Geistes, den Instinkten, die wir zum Überleben und für die Fortpflanzung benötigen. Die Liebe ist ein Teil dieses emotionalen Spektrums, unterscheidet sich aber dadurch, dass sie aus unserer Seele stammt. Selbst wenn sie mit Projektionen unseres Ego verwechselt wird, stammt die Liebe tatsächlich aus der Essenz unseres Seins, dem Teil, der mit dem Geist zu verschmelzen beginnt und sich dem Einen annähert.

Gefühle entstehen in unserem Geist und werden dort gedeutet, sie tauchen auf und verschwinden wieder. Sind wir wütend, spüren wir in unserem Geist Wut. Das Gefühl sowie der externe Reiz oder der interne Impuls, der es auslöst (gewöhnlich eine Art Frustration, die zu Wut führt), kommt in den Geist und rührt die Gedanken durch wie ein durchziehender Wirbelwind.

Siddhi Ma, eine erstaunliche Frau, hält Maharaj-jis Ashrams zusammen. Seit ihrer Kindheit fühlt sie sich von den Heiligen angezogen. Nachdem ihre Kinder erwachsen waren und sie Witwe geworden war, lebte sie dauerhaft in Maharaj-jis Ashrams. Sie sagt über Wut: „Wenn das Feuer erst einmal entzündet ist, brennt es bis zum Ende." Kontrolliert man den ersten Impuls nicht, verschwindet die Wut erst, wenn sie dir und anderen Kummer und Schmerz bereitet hat.

Gefühle haben ein Eigenleben, ob sie nun aus Gewohnheiten stammen oder spontan auftauchen. Gefühle vermitteln auf zahlreichen Ebenen Informationen über die Umgebung. Empfindungen regen Gefühle an, wenn wir mit Menschen und Situationen interagieren. Sie sind wie eine Welle, die dich anhebt und wieder absetzt. Spüren wir emotionale Liebe, dann reiten wir diese Welle. Ebbt sie ab, brauchen wir die Liebe erneut. Unsere westliche Psyche beruht auf der Notwendigkeit emotionaler Liebe. Unser Geist erschafft eine ganze Wirklichkeit um sie herum. Wir glauben, es sei so, dass jeder die emotionale Liebe brauche. Erhalten wir sie nicht, dann fehlt uns etwas oder wir werden unsicher. Unser Geist sagt uns, dass es uns umso besser geht, je mehr emotionale Liebe wir

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