Die VwGO in Fällen
By Robert Keller and Eva Menges
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Die VwGO in Fällen - Robert Keller
1. Kapitel: Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten
Fall 1: Zweistufentheorie I (Subventionsverwaltung)
Sparkasse S, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, gewährt dem Unternehmer U nach Maßgabe der allgemeinen Bedingungen für Investitionszuschüsse bei Infrastrukturmaßnahmen einen zweckgebundenen Investitionszuschuss in Höhe von 20.000 €. Nach einiger Zeit stellt S fest, dass U den Zuschuss zweckwidrig verwendet hat. Sie möchte wissen, ob sie zulässig gegen U vor den Verwaltungsgerichten eine allgemeine Leistungsklage auf Rückzahlung des Zuschusses erheben kann.¹
Problemstellung
1
Die Fallgestaltung steht in einem Kontext, der klassisch mit dem Anwendungsbereich der „Zweistufentheorie" gleichgesetzt wird. Der reflexhafte Verweis auf die Zweistufentheorie ersetzt allerdings die sorgfältige Analyse des jeweils zur Entscheidung gestellten Sachverhalts nicht: Weder muss nämlich die Gewährung einer Subvention notwendigerweise gestuft – 1. Stufe: Entscheidung über das „Ob" der Subventionsgewährung, 2. Stufe: Durchführung („Wie") der Subventionsgewährung – verlaufen, noch unterliegt die Durchführung zwingend den Regeln des Privatrechts. Hier erscheint schon das Vorhandensein zweier Stufen durchaus zweifelhaft. Zugleich stellt sich die Frage, ob allein die Rechtsnatur der S als Anstalt des öffentlichen Rechts dazu führt, dass die Durchführung als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist.
Lösung
2
Beide Aspekte sind auseinanderzuhalten: Die Auszahlung des Zuschusses nach Maßgabe der im Sachverhalt erwähnten allgemeinen Bedingungen ohne weitere Entscheidungskompetenz und besondere Prüfung legt nahe, die Anwendung der Zweistufentheorie zu verneinen und von einem einphasigen Vorgang auszugehen.
3
Die Qualifikation des Vertragsverhältnisses zwischen S und U als öffentlich-rechtliches folgt weder aus seinem Gegenstand noch aus der Tatsache, dass es sich bei S um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt: Denn S macht bei der Gewährung des Zuschusses nicht von Sonderrechten Gebrauch, die ihr als Träger hoheitlicher Befugnisse zustehen. S fungiert nicht in einer besonderen Eigenschaft als Beliehene, sondern nimmt Aufgaben wahr, die im so genannten Bankenverfahren auch Kreditinstituten des Privatrechts übertragen sind.
4
S ist mithin die Auskunft zu geben, dass der Rechtsweg nicht zu den Verwaltungsgerichten, sondern zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist.
Fall 2: Zweistufentheorie II (Zugang zu öffentlichen Einrichtungen)
Die Stadt S ist alleinige Gesellschafterin der Festhallen-GmbH F, die im Stadtgebiet eine große Fest- und Versammlungshalle betreibt. Die Festhalle vermietete die F in der Vergangenheit wiederholt an die Parteien C und L. Die nicht verbotene Partei N möchte in S ebenfalls einen Parteitag abhalten. Auf Anfrage erklären sowohl S als auch F, die Festhalle N nicht zur Verfügung stellen zu wollen, da sie mit dem Gedankengut der N nicht in Verbindung gebracht werden möchten. N ist der Auffassung, ihr stehe nach Art. 21 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie nach § 5 ParteienG ein Anspruch auf Überlassung der Festhalle zu. Sie möchte wissen, vor welchen Gerichten sie S oder F auf Überlassung der Festhalle in Anspruch nehmen kann.²
Problemstellung
5
S und F treten N auf zwei verschiedenen Ebenen gegenüber: Während S über ihre Eigengesellschaft eine der Allgemeinheit gewidmete Festhalle bereit hält, obliegt F der Abschluss konkreter Benutzungsverhältnisse. Das legt es nahe, zu differenzieren und je nach einer Inanspruchnahme der S oder der F auch eine Differenzierung bei der Vorgabe des einschlägigen Rechtswegs zuzulassen.
Lösung
6
S ist zwar in die konkrete Nutzungsüberlassung nicht eingebunden, hat aber als Alleingesellschafterin der F die Möglichkeit, darauf hinzuwirken, mit wem F einen Mietvertrag über die Festhalle abschließt. S hat also in der Terminologie der Zweistufentheorie Einfluss auf das „Ob" einer Zulassung der N zur Benutzung der Festhalle. Auf dieser Ebene entscheidet sie nach Maßgabe des öffentlichen Rechts und kann sie nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor den Verwaltungsgerichten in Anspruch genommen werden. Richtig ist dieser Anspruch als „Verschaffungsanspruch" zu qualifizieren, den N nicht im Wege der Verpflichtungsklage, sondern im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend machen muss.
7
Eine direkte Inanspruchnahme der F muss dagegen vor den ordentlichen Gerichten erfolgen. F ist eine juristische Person des Privatrechts. Gegner eines Privatrechtssubjekts in einem Verwaltungsprozess könnte sie nur sein, wenn sie bei der Bereitstellung der Festhalle als Beliehene fungierte, d. h. durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- und Entscheidungsbefugnissen ausgestattet wäre. Das ist nicht der Fall. F ist – untechnisch gesprochen – „Erfüllungsgehilfin" der S in der Leistungsverwaltung. Für eine Beleihung typische Eingriffsbefugnisse hat sie nicht.
8
N kann S vor den Verwaltungsgerichten und F vor den ordentlichen Gerichten in Anspruch nehmen.
Fall 3: Zweistufentheorie III (Vergabe öffentlicher Aufträge)
Gemeinde G schreibt unterhalb der Schwellenwerte im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen die Reparatur des Daches des gemeindlichen Kindergartens aus. Dachdecker D gibt ein Gebot ab. Den Auftrag erhält sein Konkurrent K. D möchte wissen, ob er die Auftragsvergabe an K vor den Verwaltungsgerichten angreifen könne. Er habe das günstige Angebot abgegeben. Mit der Vergabe des Auftrags an K habe G Art. 3 Abs. 1 GG und Vorschriften des Gemeindehaushaltsrechts verletzt.³
Problemstellung
9
Die Annahme des D, die Auftragsvergabe an K sei durch die Verwaltungsgerichte zu überprüfen, hat auf den ersten Blick einiges für sich: G nimmt bei der Auftragsvergabe zumindest mittelbar eine öffentliche Aufgabe wahr. Das gälte erst recht, wenn G auch Überlegungen der Wirtschaftsförderung und Wirtschaftslenkung motivierten. Wenn es sich bei den Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts auch um reines Innenrecht handelt, kann es doch zu einer Verwaltungsbindung führen, die ihrerseits wieder über Art. 3 Abs. 1 GG – im Ergebnis ähnlich der hier nicht einschlägigen Bestimmung des § 97 Abs. 7 GWB – subjektive Rechte der Bieter nach sich zieht. Das scheint dafür zu sprechen, die Streitigkeit zwischen G und D als öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzuordnen und den Verwaltungsrechtsweg zu eröffnen.
Lösung
10
Anders indessen das BVerwG: Nach seiner Auffassung ist für die Entscheidung über den Rechtsweg ohne Bedeutung, dass das Zivilrecht als „Basisrecht" hier von öffentlich-rechtlichen Bindungen überlagert wird und als „Verwaltungsprivatrecht" Anwendung findet. Für den Rechtsweg ist auch nicht entscheidend, ob der Anspruchsgegner öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt, die für Privatpersonen nicht in entsprechender Weise gelten. Ob und in welchem Umfang derartige Bindungen bestehen, ist keine Frage des Rechtswegs, sondern der zu treffenden Sachentscheidung. Die Auseinandersetzung zwischen der öffentlich-rechtlichen Körperschaft und dem übergangenen Bieter bleibt danach eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 13 GVG, bei deren Entscheidung die ordentlichen Gerichte allerdings die Grundsätze des Verwaltungsprivatrechts zu beachten haben. D muss sich deshalb an die ordentlichen Gerichte wenden.
11
Bemerkenswert ist, dass das BVerwG – anders als ein Teil der OVGe – die Einordnung solcher Fälle – richtig – als Anwendungsfälle der Zweistufentheorie ausdrücklich ablehnt: Denn die Auswahlentscheidung und die zivilrechtliche Annahme des Antrags auf Abschluss eines Vertrages fallen in einem Akt zusammen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist kein zweiphasiges Geschehen und muss, um zu einer Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu gelangen, auch nicht künstlich so konstruiert werden.
Fall 4: Hausverbot in öffentlichen Gebäuden
A bezieht von der Arbeitsverwaltung Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch. Bei einer Vorsprache im Arbeitsamt gerät er über die ihm angediehene Behandlung in Rage. Er beschimpft lautstark den für ihn zuständigen Sachbearbeiter. Behördenleiter L verhängt daraufhin gegen A schriftlich in einem als „Bescheid" gekennzeichneten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Schriftstück ein zeitlich befristetes Hausverbot und ordnet zugleich die sofortige Vollziehung an. A legt Widerspruch ein und beantragt beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, zuständig seien im Hinblick auf die Ausübung des Hausrechts durch L entweder die ordentlichen Gerichte oder wegen des Zwecks der Vorsprache des A die Sozialgerichte. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten sei nicht eröffnet. Trifft diese Annahme zu?⁴
Problemstellung
12
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts scheint zunächst einmal plausibel: So könnte man im Ausspruch eines Hausverbots die Ausübung des privatrechtlichen Anspruchs aus § 1004 BGB sehen. Nahe liegt es auch, die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Hausverbots als Annexzuständigkeit den Gerichten zuzuweisen, die sachlich über das Begehren des A zu entscheiden hätten.
Lösung
13
Die letztere Überlegung ist insofern richtig, als bei der Entscheidung über den Rechtsweg darauf abzustellen ist, welche Rechtsnormen die Rechtsbeziehungen der Beteiligten und damit das Hausverbot im Einzelnen prägen. Das können mit der Folge einer Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte Rechtsnormen des Bürgerlichen Gesetzbuchs sein, wenn die Verwaltung ein Hausverbot ausspricht, um die bereits ausgesprochene Ablehnung weiterer Vertragsverhandlungen zu verstärken bzw. einer privatrechtlichen Erklärung in tatsächlicher Hinsicht Nachdruck zu verleihen.
14
Hier sind die einschlägigen Rechtsnormen allerdings nicht privater, sondern öffentlichrechtlicher Natur: Der „Bescheid" des L trägt wesentliche Merkmale eines Verwaltungsaktes. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten ist typischer Gegenstand einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit im Sinne des § 40 VwGO. Die Rechtsbeziehungen, auf die das Hausverbot Einfluss nimmt, sind – A bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – öffentlich-rechtlicher Natur.
15
Die Frage, ob anstelle der Verwaltungsgerichte die Sozialgerichte zur Entscheidung berufen sind, zielt auf die Reichweite der nach § 40 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO abdrängenden Sonderzuweisung des § 51 Abs. 1 SGG. Deren Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt:
16
§ 51 Abs. 1 SGG weist den Sozialgerichten auch in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung nur ganz bestimmte Angelegenheiten zu. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht mutiert nicht zu einer Angelegenheit im Sinne des Katalogs des § 51 Abs. 1 SGG, weil es von einem Träger der Arbeitsverwaltung geltend gemacht wird. Die Grundsätze, die jeder Träger öffentlicher Verwaltung bei der Durchsetzung seines Hausrechts zu beachten hat, sind identisch, gleichgültig, ob die Rechtmäßigkeit der jeweils öffentlich-rechtlich geordneten Aufgabenerledigung im Verwaltungs-, Sozial- oder Finanzrechtsweg überprüft werden kann. Der eher zufällige Umstand, dass im vorliegenden Fall einer der in § 51 Abs. 1 SGG angesprochenen Verwaltungsträger tätig geworden ist, tritt demgemäß so stark in den Hintergrund, dass er nicht geeignet ist, dem erteilten Hausverbot das Gepräge einer der in § 51 Abs. 1 SGG bezeichneten Angelegenheiten zu verleihen. Entsprechend hat das Verwaltungsgericht über den Antrag des A zu entscheiden.
Fall 5: Unterlassung und Widerruf von Äußerungen
Tierarzt T ist mit Aufgaben der Fleischbeschau befasst. Während seines Urlaubs übersieht sein Vertreter V fahrlässig die Kontamination von Schweinefleisch. Die Staatsanwaltschaft S leitet daraufhin gegen T und V ein Ermittlungsverfahren ein, das sie nach einiger Zeit aus unterschiedlichen Gründen gegen T und V einstellt. Anschließend gibt sie eine Pressemitteilung heraus, in der sie nicht nur V, sondern auch T ein Fehlverhalten zur Last legt. T möchte S auf Widerruf ihrer Äußerungen gegen die Presse in Anspruch nehmen. Er fragt, vor welchem Gericht er klagen muss.⁵
Problemstellung
17
Da die Presseerklärung von einer Justizbehörde stammt, liegt es nahe, bei der Entscheidung über den zulässigen Rechtsweg auf § 23 EGGVG zu rekurrieren: Es könnte sich um eine Maßnahme zur Regelung auf dem Gebiet der Strafrechtspflege handeln, über deren Rechtmäßigkeit auf Antrag die ordentlichen Gerichte entscheiden. Dass ein nur schlicht-hoheitliches Handeln, nicht ein Verwaltungsakt, gerichtlich überprüft werden soll, steht der Anwendung des § 23 EGGVG nicht entgegen. Der Begriff der „Maßnahme" im Sinne des § 23 EGGVG ist weit zu verstehen und schließt auch ein schlichthoheitliches Tätigwerden einer Justizbehörde mit ein.
Lösung
18
Gleichwohl gelangt das BVerwG über § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu einer Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Dabei begrenzt es den Anwendungsbereich der abdrängenden Sonderzuweisung des § 23 EGGVG nicht mittels des Merkmals „Maßnahme", sondern über eine enge Interpretation des „Gebiets der Strafrechtspflege: Bei einer Presseerklärung einer Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen handele es sich nicht um eine „spezifisch justizmäßige Verwaltungsmaßnahme
. Vielmehr erfülle die Staatsanwaltschaft den Informationsanspruch der Presse aufgrund entsprechender Regelungen in den Landespressegesetzen und damit andere Aufgaben als solche der Strafrechtspflege.
19
Ob – so in dem hier geschilderten Beispielsfall – das Ermittlungsverfahren bereits abgeschlossen ist, spielt für die Bewertung des BVerwG keine entscheidende Rolle. Denn es betont den Charakter der Maßnahme im Verhältnis zu dem durch die Information primär angesprochenen Empfänger. Auf den Fall übertragen heißt das: Die reflexhafte Betroffenheit des T führt nicht dazu, dass die für das Verhältnis zwischen T und S maßgeblichen Bestimmungen der StPO Einfluss auf die Entscheidungsbefugnis über eine mögliche Verpflichtung der S zum Widerruf ihrer Äußerung gewinnen.
20
Folglich muss T Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten suchen.
Fall 6: Abdrängende Sonderzuweisung I (Amtshaftung)
B erhebt vor dem Verwaltungsgericht gegen die Gemeinde G Leistungsklage auf Zahlung von Schadenersatz aus culpa in contrahendo in Höhe von 2.000,00 €. Er trägt vor, er habe mit G über den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages verhandelt. Diese Verhandlungen seien gescheitert, weil der verantwortliche Bedienstete der G die Gelegenheit zum Abschluss des Vertrages seinem Cousin C habe zuschanzen wollen. B verlangt von G Ersatz der Aufwendungen, die ihm für die Ausarbeitung des Angebots und seine Präsentation bei G entstanden sind. Wie wird das Verwaltungsgericht entscheiden?⁶
Problemstellung
21
Bei isolierter Lektüre nur des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO scheint B richtig verfahren zu sein: Seinen Schadenersatzanspruch leitet er „aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten" her, die in Zusammenhang mit der Anbahnung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages standen. Damit – so scheint es – griffe die abdrängende Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht und wäre der Verwaltungsrechtweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Damit ergäbe sich indessen das paradoxe Ergebnis, dass ein und derselbe Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung nach Art. 34 GG i.V. m. § 839 BGB zwingend von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden wäre, Art. 34 Satz 3 GG, während über den Anspruch aus culpa in contrahendo die Verwaltungsgerichte zu entscheiden hätten.
Lösung
22
Um dieser Schwierigkeit zu entgehen, interpretieren sowohl das BVerwG als auch der BGH die abdrängende Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO weit: Wegen der sachlichen Nähe beider Ansprüche weisen sie die Entscheidung über Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo den ordentlichen Gerichten zu. Voraussetzung ist allerdings, dass ein Vertragsverhältnis tatsächlich nicht zustande kommt. Kommt es zu einem Vertragsschluss, entscheidet die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch über Ansprüche im Zusammenhang mit dessen Anbahnung.
23
Das Verwaltungsgericht wird den Rechtsstreit deshalb nach Anhörung der Parteien trotz des Streitwerts unterhalb der Grenze des § 23 Nr. 1 GVG an das zuständige Landgericht – § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG! – wie folgt verweisen, wobei es wegen § 17b Abs. 2 GVG eine Kostenentscheidung selbst nicht treffen wird:
Beschluss
Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist unzulässig. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht [Ort] verwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Fall 7: Abdrängende Sonderzuweisung II (§ 23 EGGVG)
Dolmetscher D ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 des baden-württembergischen AGGVG in die Liste der allgemein beeidigten Verhandlungsdolmetscher beim Landgericht Stuttgart eingetragen. Nachdem D wegen verschiedener Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz sowie wegen Betrugs rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt worden ist, verfügt der Präsident des Landgerichts Stuttgart, P, nach § 14 Abs. 7 Satz 1 AGGVG die Löschung der Eintragung in die Dolmetscherliste. D möchte diese Verfügung angreifen. An welches Gericht muss er sich wenden?⁷
Problemstellung
24
Der dem D zu erteilende Rat scheint klar zu sein: Die Verfügung des P ist eine Maßnahme, „die eine Behörde [= P als Organ der Landesjustizverwaltung, nicht als Organ der rechtsprechenden Gewalt] zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG entscheiden über die Rechtmäßigkeit von Verfügungen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet des Zivilprozessrechts getroffen werden, auf Antrag die ordentlichen Gerichte. Dies könnte dazu verleiten, D den Rat zu erteilen, nach Maßgabe der §§ 23 ff. EGGVG eine Anfechtungsklage bei dem zuständigen Oberlandesgericht anhängig zu machen.
Lösung
25
Ganz so einfach ist es indessen nicht: Die Eintragung des D in die Liste der allgemein beeidigten Dolmetscher soll es ihm ermöglichen, sich nach § 189 Abs. 2 GVG auf den allgemein geleisteten Eid zu berufen. Die Bestimmung des § 189 Abs. 2 GVG findet aber – so wörtlich der BGH – nicht nur innerhalb der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit