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Ein paar Tage Zärtlichkeit
Ein paar Tage Zärtlichkeit
Ein paar Tage Zärtlichkeit
Ebook340 pages4 hours

Ein paar Tage Zärtlichkeit

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About this ebook

Über den Wolken lernen sich Gina und Teri kennen. Das ungleiche Paar beschließt die Weihnachtstage zusammen zu verbringen, um danach wieder eigene Wege zu gehen - die reiche Erbin Gina ins Jetset-Leben, Möbeldesignerin Teri an ihren Arbeitsplatz. Doch Teri verliebt sich, Gina hingegen scheint mühelos in neue Affären zu gleiten ... waren ein paar Tage Zärtlichkeit wirklich alles, was Teri erwarten kann?
LanguageDeutsch
Publisherédition eles
Release dateApr 29, 2013
ISBN9783941598874
Ein paar Tage Zärtlichkeit

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    Ein paar Tage Zärtlichkeit - Ruth Gogoll

    Ruth Gogoll

    EIN PAAR TAGE ZÄRTLICHKEIT

    Roman

    Originalausgabe:

    © 2011

    ePUB-Edition:

    © 2013

    édition el!es

    www.elles.de

    info@elles.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    ISBN 978-3-941598-87-4

    Coverillustration:

    © sansan – Fotolia.com

    1

    »Sie fliegen wohl nicht gern?«

    Teri nahm die Stimme neben sich nur durch ein Rauschen in ihren Ohren wahr. »Nein«, antwortete sie mühsam. »Wenn ich es vermeiden könnte, würde ich überhaupt nicht fliegen.«

    Die Stimme lachte. »Keine Angst. Wir fallen nicht runter.«

    Teri warf einen vorsichtigen Blick auf den Nachbarsitz im Flugzeug, von wo die Stimme kam. »Wenn Sie es sagen . . .« Sie wirkte nicht sehr überzeugt.

    »Ich fliege dauernd«, sagte die Frau, die Teri nun interessiert ansah. »Und ich bin noch kein einziges Mal heruntergefallen.« Sie lachte wieder.

    »Einmal ist immer das erste Mal«, erwiderte Teri düster.

    »Da haben Sie recht.« Die Frau musterte Teri noch immer. »Aber beim Fliegen verzichten wir einfach darauf. Was halten Sie davon?«

    »Ich muß meine Beruhigungs-CD hören«, sagte Teri. »Dann geht es mir bestimmt bald besser.« Mit zitternden Fingern versuchte sie die Ohrhörer in das Gerät zu stecken, das auf ihrem Schoß lag, aber es gelang ihr nicht.

    »Darf ich helfen?« Die ruhigen Finger ihrer Sitznachbarin griffen nach ihren, nahmen ihr den Stecker aus der Hand und steckten ihn in das winzige Loch am MP3-Player. »So. Ich glaube, nun können Sie sich ablenken.« Sie lächelte Teri an.

    Teri hatte das Gefühl, sie müßte sich entschuldigen. »Sie wissen nicht, wie das ist . . .«

    »Nein, weiß ich nicht. Ich habe nie Angst«, erklärte die andere. »Aber Sie müssen sich nicht dafür schämen. Und falls Sie Hilfe brauchen, rufen Sie mich einfach.« Sie streckte Teri die Hand hin. »Ich heiße Gina. Gina Lichtenburg.«

    Teri war zu verwirrt, um die Hand sofort zu ergreifen, und ihre Finger zitterten immer noch, als sie es dann endlich tat. »Danke«, sagte sie. »Teresa Dengler.« Sie verzog die Mundwinkel. »Aber niemand nennt mich Teresa. Alle nennen mich Teri.«

    »Paßt auch besser zu Ihnen.« Gina Lichtenburg lächelte freundlich. »Sie sind noch viel zu jung für Teresa.«

    Teri zuckte die Schultern. »Da gehen die Meinungen bestimmt auseinander.«

    »Das glaube ich kaum.« Gina Lichtenburgs Lächeln wurde tiefer. »Fliegen Sie zu Ihrer Familie nach Hause? Zum Weihnachtsfest?«

    »Ich . . .« Teri schluckte. »Ich habe keine Familie mehr. Meine Eltern sind bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.«

    »Tut mir leid. Jetzt verstehe ich, warum Sie nicht gern fliegen.« Gina nickte. »Sehr gut sogar.«

    »Ja, ich . . . ich denke immer daran, wenn ich in einem Flugzeug sitze«, bestätigte Teri. »Aber manchmal muß ich eben einfach fliegen. Aus geschäftlichen Gründen. Auch diesmal hatte meine Firma mich nach New York geschickt, und jetzt komme ich zurück.«

    »Was arbeiten Sie denn?« fragte Gina.

    »Ich bin Möbeldesignerin«, sagte Teri. »Innenarchitektin eigentlich, aber es gab nie die Möbel, die ich mir für die Einrichtung der Objekte vorgestellt hatte, also habe ich angefangen, sie selbst zu entwerfen.«

    Gina verzog anerkennend die Mundwinkel. »Sehr kreativ. So etwas geht mir leider völlig ab.« Sie lachte. »Ich kaufe einfach die Möbel, die es gibt.«

    »Es gibt ja auch eine ganze Menge«, sagte Teri. »Für jeden Geschmack. Nur ich bin da so eigen.« Sie lächelte schief. »Entschuldigung, aber ich muß jetzt wirklich meine Hypnose-CD hören, sonst –«

    »Viel Spaß«, erwiderte Gina Lichtenburg lächelnd. »Falls Sie einschlafen, wecke ich Sie, bevor wir landen.«

    »Einschlafen?« Teri zog die Augenbrauen hoch. »So sehr kann mich nicht mal die Hypnose-CD entspannen, wenn ich fliege.« Sie steckte die kleinen Hörer in ihre Ohren, lehnte sich im Sitz zurück und schloß die Augen.

    Gina betrachtete sie nachdenklich, während das Flugzeug über den Wolken dahinglitt. Sie hatte nicht damit gerechnet, auf diesem Flug jemand kennenzulernen, der sie so sehr interessierte wie diese Teri. Teresa . . . nein wirklich . . . unmöglich. Sie lächelte leicht.

    Ehrlich gesagt mußte sie zugeben, daß sie sich momentan aus dieser Art von Interesse eigentlich hatte heraushalten wollen. Sie mußte sich erst einmal von Claudia trennen, bevor so etwas überhaupt möglich war.

    Und sie wollte es auch nicht mehr. Nicht so schnell. Sex . . . ja, aber keine Beziehung. Das endete ja sowieso immer nur in einem Desaster. Wie oft hatte sie das schon erlebt, und wie oft hatte sie sich geschworen, sich nie wieder darauf einzulassen? Und trotzdem tat sie es immer wieder. Es gab einfach zu viele verführerische Frauen.

    Sie blickte zum Fenster hinaus und dann erneut auf Teri. Wieso mußte sie jedesmal lächeln, wenn sie sie ansah?

    Teris Augenlider zuckten, während sie vermutlich versuchte, in eine Art von Trance hinüberzusinken, um das schreckliche Erlebnis des Fliegens verkraften zu können.

    Gina schüttelte leicht den Kopf. So etwas verstand sie wirklich nicht. Sie liebte Herausforderungen, und Angst . . . Angst war ihr so fremd, daß es ihr selbst theoretisch schwerfiel, das Gefühl nachzuvollziehen.

    Aber vielleicht hätte sie das einmal tun sollen. Möglicherweise hätte es ihr erspart, auf die eine oder andere Frau hereinzufallen. Andererseits . . . ihre Mundwinkel hoben sich amüsiert . . . war ja auch nicht alles nur schlecht, was sie dadurch erlebt hatte. Im Gegenteil.

    Im Moment allerdings . . . Sie seufzte innerlich. Sie mußte sich von Claudia trennen, und sie wußte, daß das nicht einfach werden würde. Claudia hing an ihr – und dem guten Leben, das mit Ginas Geld und Lebensstil verbunden war – wie eine Klette. Sie würde nicht so leicht aufgeben.

    Am besten war es wohl, wenn sie ihr eine Abfindung zahlen würde. Aber wollte sie das wirklich? Und wenn . . . welche Summe würde reichen? Claudia war nicht gerade anspruchslos.

    Gina legte den Kopf zurück und ließ die Wolken an ihrem Augenwinkel vorbeiziehen. Sie fand Fliegen, im Gegensatz zu Teri, äußerst entspannend. Wahrscheinlich hätte sie selten genug Schlaf bekommen, wenn sie nicht so viel unterwegs gewesen wäre. Auf der Erde war sie immer viel zu beschäftigt zum Schlafen.

    Nach einer Weile schlossen sich ihre Augen ganz von selbst, und aus den Wolken wurden süße Träume, die sie durch Gefilde gleiten ließen, die nichts mit dem täglichen Leben zu tun hatten.

    Teri versuchte mühsam, sich auf die Stimme in ihren Kopfhörern zu konzentrieren und zu vergessen, wo sie war. Die tiefe, sonore Stimme des Mannes klang beruhigend, sie hätte auch so wirken sollen, aber heute schien es ihr schwerer zu fallen als sonst, die Hypnose in sich eindringen zu lassen.

    Vielleicht die Aufregung vor dem Abflug. Es war so hektisch gewesen, in letzter Minute war sie erst am Flughafen eingetroffen und hatte wie eine Sprintolympiasiegerin durch das Terminal hetzen müssen, um den Flug noch zu erreichen.

    Sie war nicht wirklich der sportliche Typ, und diese Anstrengung hatte nicht nur ihr Herz pochen, sondern auch die Ängste in ihrem Kopf explodieren lassen. Sie kam nun kaum wieder davon herunter.

    Diese Frau neben ihr jedoch hatte etwas Beruhigendes. Als ihre Finger Teris berührten, um ihr die Ohrhörer aus der Hand zu nehmen, hatte Teri eine selbstverständliche Gelassenheit gespürt, die ihr selbst fremd war.

    Sie schien so selbstbewußt, so zuversichtlich, diese Gina Lichtenburg. Eine Frau, die wußte, was sie wollte, und es wahrscheinlich auch bekam.

    Teri flog normalerweise nicht auf den teuren Plätzen, heute war eine Ausnahme, weil die Firma in New York anscheinend immer diese Klasse buchte. Teri war überrascht gewesen, als ihr ihr Sitz von der Stewardess zugewiesen wurde.

    Es war angenehm. Viel größere und bequemere Sitze, mehr Platz, aufmerksame Bedienung. Und diese Frau hier als Nachbarin, die sie nie getroffen hätte, wenn sie Holzklasse geflogen wäre.

    Sie seufzte. Es hatte keinen Sinn. Die CD wirkte heute einfach nicht. In der Tat war es nur ursprünglich eine CD gewesen, sie hatte sie auf ihren MP3-Player überspielt, weil es viel einfacher war, den mitzunehmen als ein Gerät, das CDs abspielen konnte, aber sie sprach immer noch als CD von der Hypnosedatei.

    Sie öffnete die Augen. Vielleicht konnte sie sich auf etwas anderes konzentrieren, das sie ablenkte. Um nicht aus dem Fenster schauen zu müssen, buchte sie immer einen Platz am Gang oder in der Mitte, und die Firma in New York hatte es ihrem Wunsch entsprechend ebenso gemacht.

    Ihre Nachbarin saß am Fenster, was ihr ja auch nichts auszumachen schien, und bedingt durch die Breite der Sitze in der ersten Klasse saß Teri ziemlich weit davon entfernt.

    Als sie zu Gina hinüberblickte, huschte jedoch der Anblick des mit einigen Wolkenfetzen verzierten Himmels vor dem Flugzeugfenster vorbei, und sie hielt erschrocken die Luft an. Ein leiser Angstlaut entwich ihr.

    »Kann ich Ihnen irgend etwas bringen?« Keine Sekunde später stand eine Stewardess neben ihr.

    Teri drehte sich vom Fenster weg zu der Frau in der schmucken Uniform. »Nein. Nein, danke, ich –« Plötzlich erinnerte sie sich daran, daß Getränke in der ersten Klasse inklusive waren. »Einen Whiskey«, sagte sie schnell. »Mit Soda.«

    »Sehr gern.« Die Stewardess nickte, drehte sich um und begab sich in die Küche, um den Drink zu holen.

    Teri vermied es, noch einmal zu ihrer Sitznachbarin hinüberzuschauen, aber schon der eine Blick hatte ihr genügt, um festzustellen, daß sie schlief. Im Gegensatz zu Teri fand sie Fliegen anscheinend beruhigend.

    Teri seufzte tief auf. Wenn sie doch nur schon gelandet wären . . . Wieder festen Boden unter den Füßen . . .

    Die Stewardess kam zurück. Sie griff vor Teri an den herunterklappbaren Tisch, arretierte ihn über Teris Schoß und stellte das Whiskeyglas darauf. »Noch etwas?« Sie lächelte geschäftsmäßig freundlich.

    »Nein.« Teri schüttelte den Kopf. »Das wäre alles, danke.«

    »Rufen Sie mich, wenn Sie etwas brauchen«, bot die Stewardess zuvorkommend an und ging langsam durch die Reihen davon, ihre Blicke über die Gäste schweifen lassend, um festzustellen, ob irgend jemand ihre Dienste benötigte.

    Wenn ich schon fliegen muß, sollte ich in Zukunft vielleicht immer die erste Klasse wählen, dachte Teri. Der Service gleicht so einiges aus.

    Allerdings nicht ihre Flugangst. Sie griff nach dem Whiskeyglas und umklammerte es mit beiden Händen, als eine winzige, kaum spürbare Turbulenz das Flugzeug ein wenig wackeln ließ.

    »Immer noch so schlimm?« Gina war anscheinend aufgewacht.

    »Ja.« Teri schaute nicht zu Gina hinüber, um den Anblick des Fensters beziehungsweise der Leere dahinter zu vermeiden. Sie umklammerte weiterhin ihr Whiskeyglas. Auf die Art würde sie den Whiskey wahrscheinlich bis zur Landung in London festhalten, aber nicht trinken. »Bitte kümmern Sie sich nicht um mich. Ich will Ihnen nicht den Flug verderben.«

    »Tun Sie nicht.« Gina beugte sich ein wenig zu ihr. »Aber Whiskey ist eine gute Idee.« Sie schaute auf und winkte der Stewardess.

    »Frau Lichtenburg?« Die Augenbrauen der Stewardess hoben sich fragend, als sie zu ihnen trat.

    »Einen Whiskey. Bitte«, orderte Gina.

    »On the rocks«, sagte die Stewardess.

    »Ja.« Gina lächelte leicht. »Wie immer.«

    »Wie immer.« Die Stewardess warf einen merkwürdigen Blick auf Gina und dann auf Teri und entfernte sich.

    »Sie fliegen anscheinend so oft, daß Sie jede Stewardess kennen«, vermutete Teri.

    »Ja, ich –«, Gina räusperte sich, »kenne sie.«

    Teri war zu angespannt, um es sofort zu bemerken, aber nach etlichen Sekunden ging ihr auf, daß diese Aussage etwas Zweideutiges hatte. Zumindest so, wie Gina sie betonte.

    »Es tut mir leid«, sagte Teri leise. »Ich kann Sie nicht anschauen, wenn ich mit Ihnen spreche. Hinter Ihnen ist das Fenster.«

    Gina drehte sich um und schaute hinaus. »Ach ja«, sagte sie. »Sollen wir aufstehen und woanders hingehen? Wir können unseren Whiskey auch an der Bar trinken.«

    Teri atmete erleichtert auf. Ihr Gehirn funktionierte nur auf Sparflamme, sonst wäre sie vielleicht selbst auf den Gedanken gekommen. Allerdings hatte die Klasse, die sie normalerweise nehmen mußte, keine Bar, insofern wäre es ihr vielleicht gar nicht eingefallen, daß es hier so etwas geben könnte.

    Sie stand auf und schlug dabei der Stewardess, die gerade mit Ginas Whiskeyglas gekommen war, das Getränk fast aus der Hand. »Entschuldigung«, sagte Teri automatisch. »Ich habe nicht aufgepaßt.«

    »Sie müssen sich nicht entschuldigen«, erwiderte die Stewardess, warf einen Blick auf Gina, die nun hinter Teri stand, und fügte hinzu: »Dafür nicht.«

    »Kann ich meinen Whiskey haben?« fragte Gina und trat hinter Teri auf den Gang.

    Die Stewardess streckte leicht den Arm aus, so daß Gina das Glas erreichen konnte. »Aber sicher . . . Frau Lichtenburg.«

    »Danke, Katja.« Gina nahm das Glas und warf einen Blick auf die Stewardess, der schwer zu deuten war.

    »Immer wieder gern.« Die Stewardess schien noch etwas sagen zu wollen, dann wandte sie sich jedoch ab und ging zu einem Mann, der gerade nach ihr gewinkt hatte.

    Teri hatte zuerst etwas erstaunt, dann langsam verstehend den Schlagabtausch verfolgt. »Sie kennen sich besser, als ich dachte«, bemerkte sie belustigt.

    »Ja, ich – Ja.« Gina ging an ihr vorbei in Richtung Bar. »Wie gesagt, ich fliege oft.«

    Das ist es nicht allein, dachte Teri. Und wenn ich in einem besseren Zustand wäre, könnte ich die Stewardess verstehen. Gina war eine sehr attraktive Frau. Groß und dunkel ging sie vor Teri her, als ob nichts sie aufhalten könnte.

    Teris Blick fiel auf Ginas wohlgeformten Po, der in hervorragend geschnittenen Flanellhosen steckte. Da war jeder Muskel und jede Sehne am richtigen Platz. Vielleicht sollte ich mir ein paar Photos von ihr geben lassen und die das nächste Mal statt der Hypnose-CD benutzen, dachte Teri. Das scheint besser zu wirken. In der Tat fühlte sie sich auf einmal erstaunlich gut dafür, daß sie sich in einem Flugzeug befand.

    »So, hier ist kein Fenster«, sagte Gina und lehnte sich an die Bar. »Ist das besser?«

    »Viel besser.« Teri lehnte sich neben sie. »Sie müssen mich sehr albern finden.«

    »Gar nicht.« Gina musterte sie aufmerksam. »Ich bewundere Sie dafür, wie Sie mit dem Problem umgehen.«

    Teri zuckte die Schultern. »Bewunderungswürdig ist das nun wirklich nicht. Wenn ich Sie so anschaue . . .«

    »Ich habe keine Angst.« Gina zuckte ebenfalls die Achseln. »Da ist es leicht.«

    »Das wäre schön«, sagte Teri seufzend. »In ein Flugzeug steigen zu können, ohne Angst zu haben.«

    »Soweit ich weiß, gibt es Trainings dafür«, sagte Gina. »Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?«

    »Ich fliege nicht so oft. Was immer ich kann, mache ich mit dem Auto oder der Bahn.« Teri nippte an ihrem Whiskey.

    »Über den großen Teich ist das schwierig.« Gina lachte und nahm einen großen Schluck. Ihr Whiskeyglas war mit einem Mal fast leer. Nur die Eiswürfel klimperten leise.

    »Ja, leider.« Teri atmete tief durch. »Jede Minute kommen wir der Landung näher. Das sage ich mir immer wieder.«

    »Fliegen Sie von London noch weiter?«

    »Nein. Ich bleibe dort. Ich arbeite für eine Londoner Firma.«

    »Wahrscheinlich ist England auch viel geeigneter für das, was Sie machen«, nahm Gina an. »Von Stilmöbeln bis zu modernem Schick gibt es da ja alles.«

    »Ja.« Teri nickte. »Deshalb habe ich in London während meines Studiums ein Praktikum gemacht, und irgendwie bin ich dann im Vereinigten Königreich hängengeblieben.« Sie lachte. »Nicht zu meinem Schaden. Wenn man einmal vom Fliegen absieht.«

    »Schön für Sie«, sagte Gina. »Und London soll ja auch sehr . . . hm . . . anregend sein. Soho zum Beispiel.«

    »Ja, Soho . . . das ist nicht so ganz mein Fall.« Aber manche Dinge konnte man eben nur dort tun, und das hatte Teri auch schon ausprobiert. »Sie kennen Soho nicht? Wenn Sie doch so eine Jetsetterin sind?«

    »Ja, komisch irgendwie.« Gina runzelte die Stirn. »Ich war natürlich schon viel in London, aber oftmals wirklich nur als Zwischenstation. Auf dem Weg irgendwo anders hin.«

    »Das ist in der Tat merkwürdig«, sagte Teri. »Aber vielleicht gefällt Ihnen das Wetter nicht.« Sie lächelte.

    »Das ist wahr.« Gina lachte. »Ich bin jetzt gerade auf dem Weg nach Südfrankreich. Da ist es wesentlich wärmer.«

    »Zu Weihnachten«, sagte Teri. »Es gibt auch schöne, warme Tage in England zu anderen Jahreszeiten. An der Südküste in Cornwall zum Beispiel. Da ist es im Sommer fast wie am Mittelmeer.«

    »Ja, der Golfstrom, ich weiß«, nickte Gina. »Vielleicht sollte ich es mal ausprobieren.«

    »Im Sommer auf jeden Fall«, unterstützte Teri die Idee. »Da können Sie sich sogar einen Sonnenbrand holen.« Sie lachte.

    »Mit Ihnen?« fragte Gina mit einem undefinierbaren Blick.

    »Wie?« Teri war überrumpelt.

    »Ich meine«, Gina räusperte sich, »machen Sie da manchmal Urlaub?«

    Teri schluckte. »Ja, durchaus«, nickte sie dann. »Ich liebe die englische Küste.«

    »Dann würde ich es mir vielleicht überlegen«, sagte Gina. »Ist sicherlich nicht so langweilig wie Marbella oder St. Tropez.«

    Teri lachte. »Damit ist es wohl kaum zu vergleichen.« Sie schüttelte leicht den Kopf. »Langweilig . . . also das könnte ich nicht sagen, aber ich bin auch leicht zufriedenzustellen. Ich brauche nicht viel. Nur ein bißchen Ruhe, das Rauschen des Meeres . . .«

    Gina lächelte. »Das sind wirklich keine hohen Ansprüche.«

    Teri lächelte auch. »Ich weiß, ich bin in der Tat langweilig, keine aufregende Gesprächspartnerin.«

    »Das kommt darauf an«, sagte Gina, »was man unter aufregend versteht. Sie sind definitiv völlig anders als die Frauen, die ich normalerweise kennenlerne.«

    Teri warf einen Blick nach hinten in die erste Klasse. »Wie diese Stewardess zum Beispiel?«

    »Oh . . . sie . . .« Gina verstummte und zögerte. »Sie halten mich für eine furchtbare Aufreißerin, nicht wahr?«

    »Das geht mich nichts an«, sagte Teri, »aber wenn Sie schon so fragen: Ich habe nicht den Eindruck, daß Sie viel anbrennen lassen, das stimmt.«

    »Und deshalb würden Sie nie mit mir ausgehen?« fragte Gina.

    »Oh . . . ähm . . . das kommt ein wenig überraschend.« Teri musterte Gina. Nicht daß es sie nicht gereizt hätte . . . »Was machen Sie eigentlich beruflich?« lenkte sie ab.

    »Beruflich?« Gina sah aus, als würde sie die Frage nicht verstehen.

    »Na ja, es muß doch einen Grund geben, warum Sie so viel herumjetten. Sie haben einen Beruf, der das verlangt. Oder nicht?«

    »Mein Beruf . . .« Gina wirkte plötzlich verlegen, was gar nicht zu ihr paßte. »Für Sie ist es selbstverständlich, einen Beruf zu haben, oder?«

    Teri blickte sie erstaunt an. »Ja. Eigentlich schon. Man muß ja Geld verdienen.«

    »Es sei denn, man hat es geerbt«, sagte Gina. »Das ist wohl mein Beruf: Erbin.«

    »Erbin.« Teri war völlig baff. So jemand wie Gina hatte sie wirklich noch nie getroffen. »Sonst machen Sie nichts? Sie jetten nur so herum, von einem Ort zum anderen?«

    »Ja«, sagte Gina. »Immer den Ereignissen hinterher, die gerade stattfinden. Obwohl es jetzt ohne die Concorde natürlich länger dauert.«

    »Sie sind mit der Concorde geflogen?« Teri war beeindruckt.

    »Oft«, sagte Gina. »Es war die schnellste Verbindung.«

    »Und die teuerste.« Teri seufzte. Nein, das war nichts für sie, dieses Jetsetleben. Gina gehörte also zur Schickeria, zu denen, die zu den angesagten Orten jetteten, nur weil sie angesagt waren. Und weil sie das Geld und sonst nichts zu tun hatten.

    »Damit Sie mich nicht für ganz unterbelichtet halten«, fuhr Gina fort, »ich habe in der Tat einmal studiert. Und das Studium sogar abgeschlossen. An der Sorbonne.«

    »Jetzt bin ich wirklich beeindruckt«, sagte Teri. »Auf französisch?«

    Gina schmunzelte. »Ja, auf französisch«, bestätigte sie. »Eines meiner Kindermädchen war Französin, ein anderes Engländerin, und ein deutsches hatte ich natürlich auch. So habe ich die Sprachen von klein auf gelernt.«

    »Natürlich«, wiederholte Teri wie erschlagen. Sie hatte nicht ein einziges Kindermädchen gehabt, ganz zu schweigen von drei. Wie jeder normale Mensch vermutlich war sie von ihrer Mutter erzogen worden.

    »Tut mir leid«, sagte Gina schuldbewußt. »Wenn ich geahnt hätte, daß Sie das so erschüttern würde, hätte ich es nicht erwähnt.«

    Teri räusperte sich. »Es erschüttert mich nicht«, sagte sie. »Es überrascht mich nur. Ich fliege normalerweise nicht in der ersten Klasse und höre solche Geschichten nicht oft.«

    »Als Möbeldesignerin haben Sie doch sicher auch mit der englischen High Society zu tun«, sagte Gina. »Vielleicht sogar mit den Royals.«

    »Kennen Sie die auch?« fragte Teri.

    »Prinz Harry . . .«, setzte Gina an, aber dann unterbrach sie sich. »Nein, nicht wirklich«, fuhr sie fort. »Keine Angst. Zu diesen Kreisen gehöre ich denn doch nicht.«

    »Wie beruhigend«, sagte Teri.

    »Ihr Sarkasmus ist berechtigt«, stimmte Gina zu. »Ich habe Sie zu sehr mit der Sache überfahren. Können wir noch mal von vorn anfangen?« Sie verzog etwas komisch das Gesicht.

    Teri lachte. »Sie haben mein Prestige vermutlich um etliche Grade gehoben. Die Engländer sind ja sehr snobistisch. Wenn ich irgend jemand von Ihnen erzähle –«

    »Wollen Sie das denn? Von mir erzählen?« unterbrach Gina sie.

    »Ich weiß nicht. Hätten Sie etwas dagegen?« Teri blinzelte sie von unten herauf an.

    »Flirten Sie mit mir?« fragte Gina.

    Teri verzog die Mundwinkel. »In einem Flugzeug? Das kann ich mir nicht vorstellen. Dazu bin ich viel zu aufgeregt.«

    »Du flirtest«, stellte Gina kategorisch fest. »Und Aufregung . . .«, sie schaute Teri an und schmunzelte, »ist ja keine schlechte Voraussetzung.«

    »Flirten ist das eine«, sagte Teri, »aber versprechen Sie – versprich dir nicht zu viel davon. Das ist nur eine Strategie, um mich von meiner Flugangst abzulenken.« Sie stutzte. »Und es funktioniert«, fuhr sie erstaunt fort. »Ich denke wirklich kaum mehr daran, daß unter uns nur Luft ist.« Im selben Moment schauderte sie. Als sie es aussprach, war ihr der Umstand schlagartig wieder zu Bewußtsein gekommen.

    Gina legte einen Arm um Teri. »Ruhig«, sagte sie. »Ganz ruhig. Es dauert nicht mehr lange.«

    Teri fühlte Ginas warme Hand auf ihrer Schulter, und sie gab zu, sie hätte gern noch mehr gefühlt. Aber Gina war eine Aufreißerin erster Güte, und dazu war sie sich zu schade. Hätte Gina nicht sie, Teri, auf diesem Flug kennengelernt, wäre es eben eine andere gewesen – oder die Stewardess. Nein, da wollte sie sich nicht einreihen.

    Sie griff nach Ginas Hand und schob sie sanft fort. »Danke«, sagte sie. »Es geht schon.«

    »Okay.« Gina wirkte enttäuscht, aber nicht entmutigt. Sie zog ihre Hand zurück und lehnte sich wieder an die Bar. »Noch ein Whiskey«, sagte sie zu dem Steward, der dort stand. »Und seien Sie nicht so sparsam mit dem Eis.« Sie schob ihr leeres Glas in seine Richtung.

    »Bitte, sei nicht beleidigt«, sagte Teri. »Ich bin einfach nicht so . . . spontan.«

    »Kein Problem.« Gina nahm das Glas in Empfang, das der Steward zwischenzeitlich wieder gefüllt hatte. Nachdem sie einen Schluck genommen hatte, fuhr sie fort: »Ich bin es nur nicht gewöhnt, zurückgewiesen zu werden. Das ist mir ehrlich gesagt noch nie passiert.«

    »Das glaube ich.« Teri schmunzelte.

    »Warum?« fragte Gina und lehnte sich noch mehr an die Bar zurück. »Warum glaubst du das?«

    »Na ja . . .«, sagte Teri. »Du bist attraktiv . . . und reich . . . und –«

    »Danke für das attraktiv«, unterbrach Gina ihre Überlegungen, »aber reich ist schon genug, glaub mir. Der Rest ist nicht so wichtig.«

    »Wenn du das so siehst . . .«, meinte Teri zweifelnd.

    »Ich sehe das weniger so«, erklärte Gina, »mehr die anderen.«

    »Die Frauen, die du normalerweise kennenlernst, meinst du«, vermutete Teri.

    »Ich lerne sie meist nicht zufällig kennen«, erläuterte Gina bereitwillig. »Sie kommen auf die Partys, auf denen die Leute sind, die Geld haben, und sie kommen nur aus einem Grund.«

    »Findest du das nicht ein bißchen . . . abtörnend?« fragte Teri. »Ich meine, wenn du weißt, daß eine Frau dich nur anmacht, weil du reich bist?«

    »Eigentlich . . .« Gina stützte ihren Ellbogen auf die Theke und schaute in die Luft. »Eigentlich habe ich mir darüber noch nicht viele Gedanken gemacht«, sagte sie. »Es ist eben, wie es ist. Ich kenne es nicht anders.«

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