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Der letzte Guanche: Kanaren Krimi 2/3
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Ebook208 pages2 hours

Der letzte Guanche: Kanaren Krimi 2/3

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About this ebook

In einer Künstlerkolonie auf La Gomera soll Privatdetektiv Lech Burdanowski einem Künstler auf den Zahn fühlen.
Seine Ermittlungen werfen ein grelles Licht auf die aktuelle Situation von Kunst und Künstlern und auch der frühneuzeitliche Kampf der kanarischen Ureinwohner gegen die spanischen Eroberer erfährt eine bedrohliche Vergegenwärtigung.
LanguageDeutsch
Release dateJul 24, 2014
ISBN9783936536812
Der letzte Guanche: Kanaren Krimi 2/3

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    Der letzte Guanche - Stefan Brendle

    erschienen:

    1

    Als Dritter war Burdanowski im Hafen von Los Cristianos auf Teneriffa mit seinem Mietwagen in die laut Plan um 8.45 Uhr startende Armas-Autofähre »Volcán de Taburiente« eingefahren und nach einer starken Stunde Überfahrt – Burdanowski stand die meiste Zeit seitlich an der Reling, in Gischt und angenehm kühlem Wind – checkte er als Erster im Hafen von San Sebastián auf La Gomera aus. Burdanowski fuhr an Hafenarbeitern, wartenden Fahrzeugen, kontrollierender Guardia Civil und am Hafenterminal vorbei, am Fuß eines steinbruchartig felsigen Bergs scharf links und eine breite Straße am Yachthafen entlang und dann in einer weiten Linkskurve – rechts begann der Häuserhaufen von San Sebastián, links der Strand und beide zogen sich geschätzt einen halben Kilometer hin bis zu einem schroff ins Meer abfallenden Bergrücken – vor zu einem kleinen Kreisverkehr. Nach dem Kreisverkehr hinter einem stinkenden Kleinlaster her, fuhr Burdanowski über eine Brücke und dann parallel zur Strandpromenade immer weiter geradeaus, bis er vor mehreren Gebäuden unterhalb des Bergrückens dem Kleinlaster und der Fahrbahn ums Ende des mit hohen Sträuchern bepflanzten Mittelstreifens herum folgte. Eine verschrankte Zufahrt ermöglichte ihm den Blick auf den rechts bis zum Bergrücken reichenden Strand und durch eine zweite Zufahrt sah er einen zwischen drei Staffeleien emsig tätigen und von einem Pulk Touristen belagerten weißhaarigen Alten. Burdanowski quetschte die Schnauze des Ford Focus zwischen zwei die Promenade begrenzende Container und einen verbeulten roten Renault Express, der im offenen Teil der ansonsten durch Steinbrocken versperrten zweiten Zufahrt parkte, stellte den Motor ab, löste den Sicherheitsgurt, setzte sich bequem, kramte in seiner Gürteltasche, entnahm ihr einige Papiere, schaute sie durch, kramte erneut in der Tasche, grinste, zuckte mit den Schultern, steckte die Papiere zurück in die Tasche und zog sein Mobiltelefon heraus. Burdanowski wählte die gespeicherte Nummer der Frankfurt-Filiale der Kalkbrenner Detective GmbH, es läutete zweimal und dann hatte er auch schon Sabrina, die Sekretärin, an der Strippe.

    »Na, Cowboy?«, fragte sie mit ihrer glockenhellen Stimme.

    »Yep.«

    Sabrina lachte. »Lass mich raten: Lech Burdanowski hat schon wieder dieses radikal kritische Philosophenzeugs gelesen und jetzt kann er seine allerneuesten Notizen nicht mehr finden.«

    »Zum Bücherlesen bin ich kaum gekommen in letzter Zeit, aber du hast Recht, die Notizen sind weg.«

    »Na ja«, sagte Sabrina spitzig, »vielleicht wirst du auch ganz einfach alt – die Fünfzig sind ja nicht mehr fern.«

    Burdanowski, im Rückspiegel einen schnellen Blick auf seine halblangen braungrauen Haare und den weißbraunen Stoppelbart werfend, grinste ein weiteres Mal. »Jetzt komm, ein kleines Pläuschchen ist ja auch nicht schlecht, du unterhältst dich doch gern mit mir und den letzten Fall auf Teneriffa drüben hab ich ja wohl zufriedenstellend gelöst.«

    »Stimmt, alle sind sie schwer beeindruckt.«

    »Moment mal!«

    Burdanowski schaute nach hinten. Zwei oder drei Fahrzeuge waren ohne Probleme an seiner Karre vorbei gefahren, aber jetzt beharrte ein Sonnenbebrillter in einem gelben Citroën auf Halten und Hupen. Burdanowski legte das Handy auf den Beifahrersitz, ließ den Motor an, fuhr, so gut es ging, einen halben Meter weiter vor, stellte den Motor ab, öffnete, während der Citroën-Mann erneut hupend und voll aufs Gas tretend vorüberrauschte, die Fahrertür, griff sich das Handy vom Beifahrersitz, setzte die Füße ins Freie, stützte die Ellbogen auf den Schenkeln ab und hielt sich das Handy wieder ans Ohr.

    »Übrigens, der Verkehr am Hafen und auch am Strand hier ist zwar noch recht dicht, aber irgendwie hat man tatsächlich das Gefühl, dass die Uhren auf La Gomera ein wenig langsamer ticken.«

    »Dass ich dir das gesagt habe, hast du nicht vergessen.«

    »Nein, und auch nicht, dass es dir deine Freundin Marion gesagt hat.«

    »Die ist nun leider momentan nicht auf den Kanaren«, sagte Sabrina spöttisch, »aber dafür kannst du’s diesmal ja wirklich ruhiger angehen lassen, erst mal ein bisschen wandern und so.«

    »Genau, denn zum Wandern hat’s mir auf Teneriffa beim besten Willen nicht gereicht.«

    Sabrina räusperte sich. »Okay, Meisterdetektiv, was willst du wissen?«

    »Na ja, um Künstler geht’s diesmal, um Künstler in der Krise, das hab ich mir gemerkt. Und dort unten, so ziemlich am hinteren Ende des Strands von San Sebastián, den ich fürs morgendliche Schwimmen genauer unter die Lupe nehmen wollte, hab ich auch schon einen gesichtet.«

    »Gut«, sagte Sabrina fröhlich, »dann verklickere ich dir jetzt das Wesentliche noch einmal – langsam, zum Mitschreiben.«

    »Muchas gracias.«

    »Also, Alexander Reiffler, ein ehemals nahezu mittelloser Künstler, ist trotz Krise zu Geld gekommen, viel Geld. Und jetzt, endlich, kann er sich unsere Dienste, die Dienste einer Detektei, leisten, um eine offene Rechnung mit einem unter anderem auf La Gomera in einer Künstlerkolonie in Epina, oben an der Straße nach Alojera, ansässigen Künstler namens Gerd Stillkrauth zu begleichen.«

    »Künstler unter sich.«

    »Reiffler will Stillkrauth aber nicht wegen der alten Sache belangen, die er ihm wie ein Elefant nachträgt, nein, Reiffler hat vage Informationen über aktuelle krumme Geschäfte Stillkrauths und nun löchert er die Detektei, dass sie entsprechend gegen Stillkrauth recherchiert, denn diese aktuellen Geschäfte, so vermutet Reiffler, sind wirklich krumm genug, um Stillkrauth für lange Zeit in den Knast zu bringen.«

    »Reiffler will kein Geld von Stillkrauth, er will ihn im Knast.«

    »Genau. Und was wir nun bisher über Stillkrauth rausgekriegt haben, ist unter anderem Folgendes: Stillkrauth hat zunächst gutes Geld verdient mit seiner Malerei, einen entsprechenden Lebenswandel kultiviert, Frauen, teure Hobbies, und in seiner besten Zeit hat er sogar auf einer Akademie den Professor gemacht.«

    »Dann die Krise.«

    »Ja, dann die Krise, das mit dem Geld, das er dringend braucht, um es mit vollen Händen auszugeben, auch für Stillkrauth nicht mehr ganz so einfach, er lässt sich und seine Projekte zunächst verstärkt sponsern, tritt nicht nur im Fernsehen auf, sondern macht geradezu den Medienkasper und startet, indem er eine Art Agentur betreibt, unlautere Geschäfte mit Kunst und Künstlern.«

    »Denen dann unter anderem auch Reiffler zum Opfer fällt.«

    »Ja, und laut Reiffler ist Stillkrauth dann während eines ersten Südamerikaaufenthaltes in wirklich krumme Geschäfte eingestiegen, Reiffler vermutet mit Drogen vor allem, die Geschäfte mit Kunst und Künstlern hat Stillkrauth dann kurzerhand gestrichen und seine mediale Präsenz zurückgefahren, sponsern lässt er sich aber nach wie vor und hat, wie Reiffler erfahren haben will, sogar zwei seiner deutschen Sponsoren dazu gebracht, in seine Südamerikageschäfte zu investieren.«

    »Eine echte Begabung.«

    »Wie Reiffler ganz sicher zu wissen glaubt, befindet sich Stillkrauth gerade mal wieder auf La Gomera, zur traditionellen Kunsttagewoche in der Kolonie, die ist immer ab dem Dritten dieses Monats, dem Gründungstag der Kolonie, und heute ist zwar der letzte Tag dort, aber wenn wir Glück haben, reist ja Stillkrauth nicht gleich morgen wieder ab und da du dich ja auch noch auf den Kanaren aufhältst, haben wir uns gedacht, kannst du ja, bevor du den Rückflug antrittst ins schöne Deutschland, auch noch bei den Künstlern auf La Gomera vorbeischauen und sehen, was sich da so rauskriegen lässt.«

    »Dann sehen wir mal.«

    »Hast du alles mitgeschrieben?«

    Burdanowski lachte. »Nein, ich hab’s jetzt im Kopf. Nur um den Ort mit der Künstlerkolonie mach ich mir auf der aktuellen Wanderkarte, die ich mir noch kaufen muss, einen roten Kreis.«

    »Wie gesagt, Epina heißt das Kaff und oberhalb von Alojera liegt es, falls du’s dir nicht doch aufschreiben willst, bevor du deinen Kreis malen kannst.«

    Burdanowski lachte erneut. »Okay, Sabrina, danke, und sonst wie immer, wenn ich noch was brauch, ruf ich bei euch an.«

    Burdanowski machte das Handy aus, verstaute es in der Gürteltasche, drehte am Autoschlüssel, ließ das Seitenfenster hoch, drehte den Schlüssel zurück und zog ihn ab, griff auf dem Beifahrersitz nach seiner Baseballkappe und dem zwanzig Jahre alten La-Gomera-Reiseführer, den ihm eine nette Touristin auf Teneriffa geschenkt und in dem er während der Überfahrt, an der Reling stehend, geblättert hatte, stieg aus, warf die Fahrertür zu, schloss ab, steckte den Autoschlüssel erst in eine Tasche seiner Shorts, aber dann doch wie auch den Reiseführer in die Gürteltasche, schob die Baseballkappe in den Hosenbund und dann spazierte er in seinen leichten Wanderstiefeln die Zufahrt runter und über den erst grau kiesigen und dann braun sandigen Strand vor zum alten Künstler, dessen gegenwärtige Belagerung sich gerade, zumindest zum Teil, aufzulösen schien.

    Drei Zuschauer im Badedress schlenderten ab in Richtung Meer und zwei im Wanderoutfit, augenscheinlich ein älteres Ehepaar, er mit schwerem Feldstecher um den Hals, sie mit prallem Rucksack auf dem Rücken, kamen, laut deutsch sprechend, Burdanowski entgegen.

    »Frechheit, das da. Der Kerl legt den Hut aus und pappt 20-Euro-Scheine in sein Geschmiere«, sagte der Feldstechermann und schüttelte den Kopf.

    »Der Hut da liegt nicht aus, der liegt nur da«, sagte die Rucksackfrau mit entschuldigendem Seitenblick auf Burdanowski.

    »Aber die beiden Scheine, Petra, ich sag dir, die sind echt!«

    Vier weitere Zuschauers standen noch herum, in T-Shirts und kurzen Hosen, zwei jüngere Frauen und zwei jüngere Männer, alle dünn und mit Brillen auf der Nase, aber auch sie nun offensichtlich im Aufbruch begriffen und auch sie deutsch sprechend, jedoch eher leise, und dabei kurz den Neuankömmling musternd.

    »Man könnte meinen, der Strand hier und der Berg dort seien zu sehen, auf allen drei Bildern, aber dann auch wieder nicht«, sagte die kleinere der beiden Frauen.

    »Beeindruckende Collagen jedenfalls – und tolle Farben«, sagte der größere der beiden Männer.

    »Und alles wirkt wie ein Sog, ein Sog, der einen mitreißt«, sagte die größere der beiden Frauen.

    »Mitreißt, mitreißt, aber nicht verschluckt«, sagte der kleinere der beiden Männer.

    Auch die vier machten den Abgang, diesmal links den Strand entlang, und Burdanowski, jetzt allein hinter Kunst und Künstler stehend, trat noch einen Schritt vorwärts.

    »Hola.«

    Der Alte, weiße strähnige Haare, weißer stoppeliger Bart und alles, was an Haut im hageren Gesicht und am sehnigen Körper zu sehen war, braungebrannt und wie das verwaschene T-Shirt, die löchrige Kniehose und die Sandalen über und über farbbekleckert, war mit zwei Pinseln zugleich zwischen den drei Staffeleien in Aktion. Kurz betrachtete er Burdanowski aus den Augenwinkeln, dann musterte er den außer einem ausgefransten Strohhut, Malutensilien, einer kleinen Werkzeugkiste und einem einfachen 510er Mora-Messer auf mehreren Plastiksäcken auf dem Boden ausgebreiteten Müll, stellte die Pinsel neben der abgelegten Farbpalette in ein schmutziges Glas, griff sich einen löchrigen Dosenrest aus dem Müllsortiment und eine Tube mit Klebstoff aus der Werkzeugkiste, schraubte die Tube auf, verpasste dem Dosenrest ordentlich Klebstoff, stülpte ihn über einen der Drähte, die überall aus den in allen Farben leuchtenden Collagen ragten, trat etwas zurück, warf einen prüfenden Blick erst auf den gut haftenden Dosenrest, dann auf alle drei Bilder und schließlich erwiderte er Burdanowskis Gruß.

    »Buenos.«

    Burdanowski, nachdem auch er einen prüfenden Blick auf die Bilder geworfen hatte, fuhr auf Spanisch fort: »Na, dann die berühmte Frage: Was ist das, was stellt das dar?«

    Der Alte schaute nochmals prüfend auf sein Werk, dann ebenfalls prüfend auf Burdanowski und dann, anscheinend mit allem halbwegs zufrieden und im Unterschied zu Burdanowski in muttersprachlichem Spanisch sprechend, sagte er: »Das ist Kunst, caballero, Kunst, die sich selbst überwindet. Und das, was das darstellt, ist nicht das, was das ist.«

    Burdanowski grinste. »Hört sich gut an, so nach cultura.«

    »Cultura?« Der Alte kratzte sich den Bart und dann schüttelte er den Kopf. »Der Kapitalismus, wenn du weißt, was ich meine, der Kapitalismus hat keine cultura. Hatte er nie. Im Kapitalismus, wo auch immer auf dieser Welt, geht’s ganz hohl und leer um Wert und Geld – und sonst gar nichts.«

    Burdanowski nickte. »De acuerdo. Und darauf willst du mit deiner Kunst hier dann raus?«

    »Auch. Lässt sich ja nicht vermeiden. Aber zunächst mal darauf, dass sozusagen eine Rückverwandlung ansteht, nachdem alles und jedes in Geld verwandelt wurde, in Geld und in Warenschrott. Und Rückverwandlung, die setzt Rückbesinnung voraus, kritische Rückbesinnung.«

    »Kritische Rückbesinnung, aha.«

    »Si, kritische Rückbesinnung, kritische Rückbesinnung auf Geschichte, kritische Rückbesinnung auf das, was war: Alles, was einem da dann so unterkommt, gegen den Strich bürsten – gegen den Kommerz, gegen die Beliebigkeit der Warenwelt, gegen die Schönfärberei.«

    Der Alte schraubte die Klebstofftube zu, verstaute sie in der Werkzeugkiste, griff sich die Farbpalette und einen der im Glas stehenden Pinsel, blinzelte in Richtung Sonne und dann warf er einen schnellen Blick rundum.

    »Hier auf den Kanaren, hier ging die Neuzeit los, von hier aus, sag ich dir, haben sie die Geldmacherei dann so richtig gestartet – weltweit. Hier, an den Ureinwohnern, den Guanchen, da haben sie im Kleinen schon mal geübt für Amerika und von hier, von La Gomera, von San Sebastián aus ist dann auch Kolumbus, der verdammte Drecksack, endgültig in See gestochen.«

    »Verdammter Drecksack?« Burdanowski lachte. »›Verdammter Drecksack‹ ist gut. Das erste, was ich hier in San Sebastián nach einem Bad im Meer und dem zweiten Frühstück tun wollte, war den Brunnen anschauen, aus dem er, so steht’s in meinem Reiseführer, sein Wasser für den folgenden Transatlantiktrip geschöpft haben soll.«

    Der Alte schüttelte den Kopf. »Kein Problem. Der Laden, das alte Zollhaus, das sie im 17. Jahrhundert um den Brunnen rum gebaut haben, ist offen bis um Eins. Und Eintritt frei.«

    »Na, immerhin.«

    Erneut blinzelte der Alte in Richtung Sonne.

    »Pass auf, ich mach dann jetzt Schluss hier, das Licht wird zu grell.«

    Mit dem Pinsel wies der Alte rüber zum verbeulten Renault Express.

    »Ich packe mein Zeug in meine Karre dort, fahr die Straße vor bis etwa zur Brücke über den Rio San Sebastián und dann geh ich in der Dulceria Mendoza einen Kaffee trinken. Die Dulceria kannst du, wenn du über die Plaza de las Américas zur Plaza de la Constitución

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