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Der 7. Rabe
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Der 7. Rabe
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Der 7. Rabe

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About this ebook

Niemand hatte ihm gesagt, dass sich die Grenzen verschoben haben.
Niemand hatte ihm gesagt, dass dort die Wölfe lauern.
Niemand weiß, ob ein 7. Sohn ein Glücks- oder doch eher ein Unglücksrabe ist ...

Als der Rabenwandler Raj in die Hände der feindlichen Wolfswandler gerät, erhebt Farres, der Beta des Rudels, Anspruch auf ihn. Er macht ihn zu seinem Sklaven, denn er hat einen ungeheuerlichen Plan, den er nur mit Rajs Hilfe in die Tat umsetzen kann.

Gay Fantasy
LanguageDeutsch
Release dateMar 17, 2013
ISBN9783943678871
Der 7. Rabe

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    Der 7. Rabe - Sandra Busch

    Der siebte Rabe

    von

    Sandra Busch und Sandra Gernt

    Impressum:

    © dead soft verlag, Mettingen 2013

    http://www.deadsoft.de

    © the authors

    www.sandra-busch.jimdo.com

    www.sandra-gernt.de

    Coverbild: shocky@fotolia.com

    Covergestaltung: Monika Hanke

    1. Auflage

    ISBN 978-3-943678-85-7

    ISBN 978-3-943678-86-4

    Wir verneigen uns voller Ehrfurcht vor Moni, der es gelingt, für unsere Bücher immer wieder wundervolle Cover zu zaubern. Wir halten deine Kreativität in Ehren.

    1.

    Der Wind zerzauste seine Federn und die ersten Böen des nahenden Sturms verlangten äußerste Konzentration von ihm. Schlauer wäre es, sich ein sicheres Fleckchen zu suchen und das Unwetter abzuwarten. Aber Rajs Ziel war nicht mehr fern und er hatte seine Familie seit fünf langen Jahren nicht gesehen. Er freute sich darauf, seine Brüder nach dieser endlosen Studienzeit in der Hohen Akademie endlich wieder um sich zu haben. Den fröhlichen Haufen hatte er zwischen seinen meist unangenehmen und weniger freundlichen Kommilitonen besonders vermisst. An seine strengen Dozenten mochte er nicht einmal mehr denken. Noch immer zürnte er seinem Vater, dass der ihn nach einem ausgeuferten Streit an die Akademie verbannt hatte, wo er täglich die Nase in staubige Schriftrollen hatte stecken müssen. Nur weil er sich mit jedem Flügelschlag weiter von der Akademie entfernte, genoss er selbst einen so anstrengenden Flug wie diesen.

    Der Himmel wurde von Minute zu Minute dunkler, ein nahes Grollen kündete den Sturm an. Als die ersten Blitze herabzuckten, suchte er sich gezwungenermaßen und mit leisem Fluchen einen Landeplatz. Eine Lücke zwischen den Baumwipfeln nutzte er aus, um auf einer kleinen Lichtung mit rotbraunem Herbstlaub zu landen. Nach zwei Hüpfern verwandelte er sich in seine menschliche Gestalt, schüttelte die Falten seines Umhangs aus und schaute sich kurz orientierend um. Das Gestrüpp auf der einen Seite der Lichtung wirkte dicht genug, um ihm einigermaßen Schutz vor dem Sturm zu gewähren. Wie ärgerlich! Er hätte nicht mehr lange fliegen müssen, um sich in der warmen Behaglichkeit seines Zimmers ausruhen zu können. Stattdessen würde er etliche ungemütliche Stunden unter einem nassen Gestrüpp verbringen müssen.

    Mit raschen Schritten lief er über die Lichtung, bis ihn ein Geräusch inne halten ließ. Alarmiert spitzte er die Ohren. Lauerte da etwas in den Schatten zwischen den Bäumen? Plötzlich hatte Raj den Eindruck beobachtet zu werden. Nervös drehte er sich einmal um die eigene Achse und versuchte etwas im Halbdunkel des Waldes zu erkennen.

    „Ist da jemand?" Er erhielt keine Antwort, allerdings glaubte er eine gleitende Bewegung im Unterholz zu entdecken.

    „Hallo?"

    Seine Brüder hatten ihm ein Stück des Weges entgegenkommen wollen. War das etwa ein Streich, den sie ihm spielen wollten? Vielleicht hatten sie ihn zwischen den Gewitterwolken entdeckt und sich spontan zu diesem Schabernack entschlossen, als er sich für eine Landung entschied. Zuzutrauen wäre es ihnen allemal.

    „Randyn? Bist du das?"

    Stille. Dann ein kaum wahrnehmbares Knacken.

    „Rayskel? Ris’tan?"

    Donnergrollen. Inzwischen schon sehr viel näher. Eine erneute Bewegung zu seiner Linken ließ ihn herumwirbeln.

    „Risser! Rynalph! Rakden! Das ist nicht witzig!"

    Es lachte auch niemand, am allerwenigsten er selbst.

    „Randyn, du Narrenprinz! Hört auf mit dem Unfug. Ich bin nicht die weite Strecke geflogen, um nun …"

    War da ein Knurren? Seine Nackenhärchen stellten sich auf. Schlagartig fühlte er sich bedroht.

    „Randyn?", flüsterte er den Namen seines zwei Jahre älteren Lieblingsbruders. Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen, unschlüssig, wie er sich verhalten sollte. Das war kein Spaß mehr unter Brüdern. Das hier schmeckte nach Gefahr. Ein weiterer Blitz erhellte für einen kurzen Moment die Umgebung und brachte ein verstecktes Augenpaar zum Aufleuchten. Raj fuhr herum und begann zu rennen, wobei er seine Verwandlung einleitete. Doch bevor er Federn ausbilden und sich dem Himmel entgegenwerfen konnte, wurde ein Netz über ihn geschleudert. Er geriet ins Stolpern, verhedderte sich in den Maschen und stürzte hilflos zu Boden. Gleich darauf erstarrte er vor Furcht. Große Pfoten tauchten in seinem Blickfeld auf, tappten direkt auf ihn zu, verschwammen kurz und bewegten sich nun als Stiefel weiter. Neben seinem Gesicht blieben sie stehen. Raj ließ seinen Blick von den Stiefeln aus höher wandern. In ihnen steckte eine lederne Hose in braun-grünen Waldtönen und spannte ein wenig über den langen, kräftigen Beinen. Eine Tunika aus rauer grauer Wolle bildete zusammen mit einem Flickenmantel, der seinen Träger zwischen den Sträuchern sicherlich unsichtbar machte, den Abschluss der Bekleidung. Nun schaute er direkt in das Gesicht seines Angreifers – ein Gesicht von teuflischer Schönheit. Eine Wolke rötlichbraunen Haares rahmte es ein. Grüne Augen musterten ihn eindringlich. Eine Weile schwiegen sie sich an. Dann verzog sich der sinnliche Mund des Fremden zu einem Lächeln und entblößte dabei makellose spitze Zähne.

    „Helft ihm auf."

    Hände tauchten wie aus dem Nichts auf und zerrten ihn unsanft auf die Füße. Hektisch schaute sich Raj um. Zwölf Gestalten befanden sich bei ihm auf der Lichtung. Wolfswandler! Einige befanden sich in ihrer Wolfsgestalt, andere hatten sich in Menschen verwandelt. Nicht seine Brüder hatten ihm einen Streich gespielt, erkannte er, sondern er war in die Hände des Feindes gefallen.

    Schon seit Jahren herrschte ein erbitterter Territorialkrieg zwischen Raben und Wölfen. Offenbar hatten sich die Grenzen wieder verschoben, ansonsten wäre er hier unter keinen Umständen gelandet. Das hätte Randyn ihm mitteilen müssen!

    „Ich habe es ja geahnt, dass wir bei einem Streifzug auf neuem Grund und Boden jemanden aufgreifen, der die Grenze nicht tolerieren will", sagte ein älterer Wolf. Der Rothaarige ignorierte ihn.

    „Wen haben wir denn da?", fragte der stattdessen und trat einmal um Raj herum, während er in dem unerbittlichen Griff zweier Männer hing.

    „Du bist doch einer der Rabenprinzen, nicht wahr? Ihr habt alle die gleiche Fresse. Aber begegnet sind wir uns noch nicht, oder? Jedenfalls kann ich mich nicht an dich erinnern."

    Stumm schüttelte Raj den Kopf.

    „Er ist so winzig, sagte eine Frau rechts von ihm. „Er reicht ja kaum bis an die Schulter eines Maulwurfs.

    Raj funkelte sie wütend an. Seine Größe, oder vielmehr seine mangelnde Größe, war seit jeher sein wunder Punkt. Jetzt lachte sie ihn auch noch aus. Verflixtes Weibsbild!

    „Lasst mich los", zischte er und versuchte sich von den Händen und dem Netz gleichermaßen zu befreien. Ein Schlag in den Magen nahm ihm direkt die Lust an einem weiteren Versuch. Pfeifend klappte er zusammen und wurde nur von den zwei Männern auf den Füßen gehalten. Er würgte, rang nach Atem und das alles gleichzeitig, während er gegen die Schmerzenstränen anblinzelte.

    „Hättest du die Güte mir zu verraten, wer genau du bist, Rabenfresse?"

    „Raj", brachte er keuchend hervor.

    „Raj? Raj, das Hühnchen? Der siebte Sohn unseres werten Feindes, dieser verdammten Saatkrähe, die sich feige in ihrer Burg versteckt?"

    Der Fremde riss das Netz von ihm und umfasste mit eiserner Hand sein Kinn.

    „Wo bist du die letzten Jahre gewesen, Hühnchen? Wir haben dich hier vermisst. Hattest du vielleicht Angst, dass die Sagen die Wahrheit berichten und ein siebter Sohn Unglück bringt? Wolltest du deshalb nicht an unserem Spiel um Land und Leben teilnehmen? Nun sprich schon!"

    „Ich …ich war an der Hohen Akademie, antwortete Raj hastig. „Ich habe dort studiert …

    „Oh, wir haben einen Gelehrten unter uns." Der Fremde spuckte ihm verächtlich ins Gesicht. Fassungslos stand Raj da und spürte, wie der warme Speichel über seine Haut rann.

    „Töte ihn, Farouche!"

    Ein junger Mann, der sich aus einer Gruppe Wölfe löste, zog die Aufmerksamkeit aller auf sich. Es war allerdings der Name, den er genannt hatte, der Raj erstarren ließ.

    Farouche! Er war in der Gewalt des grausamen Königs der Wölfe. Bis eben hatte Raj noch gehofft, einem kleinen unbedeutenden Rudel in die Hände gefallen zu sein. Hatte er zuvor Angst empfunden, so steigerte sie sich nun zur nackten Panik. Randyn hatte ihm vor einigen Jahren geschrieben, dass Farouche seinen eigenen Vater zerfleischt hatte, um selbst als Alpha der Wölfe zu herrschen. Seitdem wurde die Canisfeste von einem Schlächter regiert.

    „Reiß ihm die Kehle heraus!" Stark humpelnd näherte sich der junge Mann. Respektvoll wichen ihm die übrigen Wölfe aus und sogar Farouche ließ Rajs Kinn los. Verkrustete Schmarren und dunkle Blutergüsse zeugten von einem harten Kampf, den dieser Wolf ausgefochten haben musste. Die rotbraunen, ungebändigten Haare und grünlichen Augen bewiesen die Verwandtschaft zu Farouche. Raj wusste, dass verletzte und alternde männliche Wolfswandler sich harten Hierarchiekämpfen stellen mussten, während bei den Raben für jeden gleichermaßen gesorgt wurde. So war es nicht verwunderlich, dass selbst ein Bruder oder Vetter von Farouche sich den Respekt der anderen verdienen musste, wollte er am Leben bleiben. Dieser Mann strahlte Kälte und heiße Wut zugleich aus, er wirkte noch gefährlicher als der Rudelführer. Hasserfüllt starrte er Raj an.

    „Ich will auf seiner Leiche tanzen, Farouche."

    „Das ist mein kleiner Bruder, Hühnchen. Schau ihn dir gut an. Es waren die verdammten Wolfseisen deines Schwarms, die Farres beinahe den Fuß abgerissen und ihn zum Krüppel gemacht haben."

    „Das tut mir leid", flüsterte Raj.

    „Oh ja, es wird dir verflucht leidtun, wenn der Kleine dir jeden einzelnen Knochen im Leib bricht, angefangen mit deinen Fingern. Verabschiede dich vom Fliegen, Hühnchen, denn wir werden dir die Flügel stutzen. Und damit du begreifst, wem du fortan gehörst, eine kleine Lektion."

    Raj bekam einen gemeinen Tritt in die Kniekehlen, dass er erneut Bekanntschaft mit dem Waldboden schloss. Ein Stiefel grub sich in seinen Nacken und drückte ihn nieder. Gleich darauf prasselte es warm und stinkend auf seinen Hinterkopf. Dieser Schlächter pisste ihn an!

    „So markieren Wölfe ihren Besitz, Hühnchen."

    Gelächter ertönte rings um ihn herum. Indessen lief der Urin in seinen Kragen und sickerte ihm in die Kleidung. Raj fühlte seine Wangen brennen und Zorn in seinen Eingeweiden kochen. Noch nie war er derartig gedemütigt worden.

    Farouche wandte sich von ihm ab. Weiterer Donner grollte und der Himmel begann seine Schleusen zu öffnen.

    „Bringen wir ihn in die Festung", rief Farouche, ehe er sich in einen großen Wolf verwandelte und ihm einen letzten spöttischen Blick zuwarf.

    2.

    „Zwecklos, wir müssen die Nacht hier verbringen." Farouche ballte gereizt die Fäuste.

    Das Unwetter hatte die Nande über die Ufer treten lassen. Der Fluss war auch zu besten Zeiten launisch und tückisch, mit gefährlichen Unterströmungen und zahllosen scharfen Felsen. Raj wusste, dass die Wölfe nicht aus Feigheit Respekt vor diesem Gewässer hatten. Solange der Fluss so stark angeschwollen war, würden sie ihn gefesselt nicht lebendig auf die andere Seite schaffen können. Darüber würde niemand eine Träne vergeuden, doch auch sie selbst waren vor den Gefahren des reißenden Wassers nicht gefeit.

    „Wir könnten uns die Zeit vertreiben, indem wir mit dem Raben spielen", sagte einer der Wölfe mit einem gierigen Funkeln in den bernsteingelben Augen.

    „Das Recht auf den ersten Biss gebührt Farres." Farouche näherte sich Raj, der hilflos am Boden lag, die Arme so grausam auf den Rücken gefesselt, dass er kaum atmen konnte. Nur so konnte eine Verwandlung effektiv verhindert werden, weil er die Arme dazu ausbreiten musste. Ein Arm war dabei verzichtbar, waren beide gefesselt, konnte die Verwandlung nicht einsetzen.

    „Wie wäre es damit: Wir binden einen Strick um seinen Hals, den einer von uns festhält und lassen ihn ansonsten frei flattern. Würde sicher lustig aussehen und uns ein langes Spielvergnügen bescheren. Wenn er versucht, sich zu verwandeln, schlachten wir ihn ab." Der Anführer lächelte Raj an und riss ihn hoch, sodass er auf den Knien zu liegen kam, wobei Farouche wieder seine spitzen Raubtierfänge entblößte.

    Raj brauchte seine ganze Kraft, um seine Angst nicht zu zeigen. Um dem Feind offen ins Gesicht zu blicken, ohne zu zittern, ohne sich durch einen Laut des Schmerzes zu verraten. Er war ein Prinz, er würde aufrecht sterben!

    „Warte." Farres trat seinem Bruder entgegen, wobei er sich vor Raj stellte. Es hätte eine beschützende Geste sein können, bedeutete aber vermutlich bloß, dass der verkrüppelte Wolf ihn für sich beanspruchen wollte.

    „Ich habe nachgedacht, Farouche. Als Geisel könnte er uns mehr bieten als vergängliches Vergnügen, meinst du nicht?"

    Die Blicke, die zwischen den Brüdern gewechselt wurden, waren schwer zu deuten. Schließlich nickte der Leitwolf.

    „Du hast Recht. Sein Vater soll ihm keine große Liebe entgegenbringen, doch das eine oder andere wird ihm sein Sohn schon wert sein. Die Raben sind immerhin berühmt für ihren Zusammenhalt in der Sippe." Farouche holte aus und schlug Raj hart ins Gesicht. Haltlos stürzte Raj zurück auf den Boden. Sofort war der Wolfswandler über ihm und präsentierte seine Reißzähne aus nächster Nähe.

    „Freu dich, Federvieh, du wirst den nächsten Sonnenaufgang noch erleben, grollte er bedrohlich. „Mit beiden Augen und allen Gliedmaßen. Eine beschädigte Geisel ist weniger wert.

    Er stand auf und nickte Farres zu. „Er untersteht deiner Obhut, Bruder. Bring ihn da rüber, ich will seine hässliche Visage nicht die ganze Zeit anstarren müssen."

    Farres packte ihn und zerrte ihn brutal auf die Beine.

    „Viel Spaß!", rief einer der Männer. Alle spuckten in Rajs Richtung, oder knurrten warnend, sobald er ihnen nahe kam.

    „Du hast viele Stunden lang Zeit, dir allerlei lustige Spiele auszudenken, um unseren Gast zu unterhalten. Sorg nur dafür, dass er nicht zu laut brüllt und morgen früh noch lebendig und körperlich unversehrt ist. Hm – na ja, und wenn nicht, dann ist er halt was weniger wert."

    Farouches grausiges Lachen ging Raj unter die Haut. Das waren keine Menschen. Das waren keine Tiere. Das hier waren gewissenlose Monster!

    ~*~

    Farres schubste den Gefangenen zu Boden. Er landete auf Steinen und Wurzeln, ohne sich abfangen zu können. Das musste sehr schmerzhaft sein, doch der Rabe gab keinen Laut von sich. Das magere Hühnchen war mutig und tapfer, das musste man ihm lassen. Auch wenn er vor Angst stank, von außen war ihm nichts anzumerken.

    Farres beschloss, ihn erst einmal da liegen zu lassen und zu beobachten. Auf Folter warten zu müssen war schlimmer, als sie zu ertragen, wie er aus eigener Erfahrung wusste, seit er als Jugendlicher in Gefangenschaft eines Bärenwandlerclans geraten und erst nach Tagen gegen Lösegeld freigekommen war. Er war gespannt, wie lange es dauern würde, bis Raj um Gnade piepste.

    Der Regen prasselte auf sie nieder, die Dunkelheit der Nacht legte sich über sie. Farres’ Augen erkannten dennoch mühelos jedes Detail. Er sah, wie der Kleine sich mühte, nicht vor Kälte zu zittern. Die unruhigen, winzigen Bewegungen verrieten, wie schmerzhaft die Fesseln und Verletzungen sein mussten, die Raj erlitten hatte. Er wurde zunehmend kurzatmiger, da er mit an den Ellenbogen zusammengebundenen Armen nicht richtig Luft holen konnte. Würde er in dieser Position ohnmächtig, könnte er eventuell sogar ersticken.

    Minutenlang herrschte Schweigen. Farres witterte, dass Raj sich dem Zusammenbruch näherte. Sein Puls raste, ein Krampf schüttelte seinen kaltschweißigen Körper durch. Beeindruckend, dass er noch immer kein Wort sprach, weder mit Blicken noch auf andere Weise um Hilfe bettelte. Gelehrter oder nicht, er musste mit Schmerzen vertraut sein. Als er begann, sich stöhnend und keuchend zu krümmen, um Atem schöpfen zu können, beugte Farres sich über ihn. Er erwartete Verzweiflung, Panik, ein Zeichen der Todesangst, die er in Raj witterte. Stattdessen blickte er in nachtschwarze Augen, die trotzigen Stolz und Wut spiegelten.

    „Du bist stark", flüsterte Farres verblüfft. Er zückte sein Messer, widerstand der Versuchung, es vor der Nase seines Gefangenen tanzen zu lassen und zerschnitt Rajs Fesseln. Der junge Rabenwandler stieß einen kurzen, schrillen Schrei aus, als seine überdehnten Schultern ruckartig befreit wurden. Er wand sich nach Luft japsend, kämpfte minutenlang stumm um seine Selbstbeherrschung. Erst, als Raj ruhiger wurde, hockte Farres sich auf seinen Rücken und schnitt ihm das Hemd vom Leib.

    Der Körper unter ihm wurde starr.

    „Du bist ziemlich angeschlagen, auch wenn ich dich ließe, würdest du nicht allzu weit fliehen können, sagte Farres leise. „Aber dazu lasse ich es gar nicht erst kommen.

    Raj wandte ihm das Gesicht zu. Ein schmutziges, regennasses Gesicht, dessen Jugend und Schönheit etwas in Farres’ wunder Seele berührte. Dieser Rabe war ein tapferes Geschöpf. Ein Gelehrter zudem, kein Krieger. Es hieß, dass Prinz Raj sich mit seinem Vater überworfen hatte, weil er dessen Politik in Bezug auf die Wölfe kritisiert hatte. Hätte es nicht einer der anderen Rabenbrüder sein können, der ihnen in die Fänge geriet? Bei denen hätte er keine Skrupel gehabt, tief in ihre Rückenmuskeln zu schneiden, um sie an der Flucht zu hindern …

    Als ihm klar wurde, was es war, das seine Hand verharren ließ, glitt Farres verblüfft von seinem Opfer herab und schubste es herum, damit er ihm von nahem in die Augen blicken konnte.

    Kein Hass.

    Da waren viele Gefühle, die in dem kleinen Raben tobten. Doch keines davon hatte mit Hass zu tun.

    „Du bist seltsam", murmelte er, packte Rajs Kinn und starrte ihn intensiv an.

    „Bist du zu dumm, um deine Feinde zu hassen? Oder sollte in der Brut des Rabenkönigs etwa ein Küken mit Herz und Seele geschlüpft sein?"

    Verwirrung war es, die nun in

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