Prozess gegen Gott
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Ein Buch, das für Christen wie Nichtchristen gleichermaßen zur Pflichtlektüre gehört.
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Book preview
Prozess gegen Gott - Arthur Richter
»P apa, Papa, in dieser Kirche haben sie Jesus ja auch umgebracht!«, stellte meine kleine Tochter beim Besuch einer weiteren Kirche im Süden Frankreichs fest. Das erinnerte mich an zwei kleine Mädchen, die Arthur Richter in seinem »Prozess gegen Gott« beschreibt. Losgelöst vom Wissen um die Geschichte sind sie einfach entsetzt, was da passiert ist, als sie ein Kreuzesbild in einer Kunsthandlung entdecken. Auf der anderen Seite erinnerte es mich an meine Begeisterung für dieses Buch!
Die Passion und die Auferstehung Christi ist das zentrale Ereignis, das mich bewegt, wenn ich sage: »Ich glaube an Jesus Christus!« Doch lange Zeit habe ich diese Tatsache nur zur Kenntnis genommen, darüber gelesen und oberflächlich darüber gesprochen. Erst Arthur Richters Erzählung hat mich dadurch, dass sie mich in die damalige Zeit, ihre Regeln, Erwartungen und ihre Ängste mithineinnahm, aus der Betrachterrolle geholt und für mich begreifbar gemacht, was da um meinetwillen geschehen ist. Aus der einfachen Überlieferung ist ein konkreter Bezug geworden.
Und noch mehr: In Diskussionen mit Freunden, in der Jugendarbeit, bei Themenabenden mit Erwachsenen habe ich immer wieder erlebt, dass sich durch die Einbettung in die Realität der damaligen Zeit viel persönlichere – weil konkretere – und nachhaltigere Diskussionsansätze eröffnen. Abende wurden gelegentlich länger und engagierter. Neue Perspektiven auf alte Standpunkte haben immer wieder Veränderungen bewirkt.
Für mich ist es zu einer lieb gewonnenen Angewohnheit geworden, »Prozess gegen Gott« regelmäßig zu lesen und darüber zu sprechen. Mit dieser Neuauflage kann man dieses Buch endlich wieder weiterempfehlen und verschenken. Wichtig sind mir dabei neben den Menschen, die schon in einer Beziehung mit Jesus leben, gerade diejenigen, die sich mit der Frage: »Was hat Jesus eigentlich mit mir zu tun?«, auseinandersetzen.
Diese Erzählung, die weitestgehend unverändert übernommen wurde, ist in Zusammenarbeit mit dem Marburger Kreis e.V. – mc² – neuaufgelegt worden. Der Marburger Kreis – Mitglied der »Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste« im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) – ist ein Netzwerk engagierter Christen aus verschiedenen Konfessionen und Berufen mit dem Ziel, eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben anzubieten. Das »c« bei mc² steht für »crossover«, die Jugendarbeit des Marburger Kreises.
Dieser Bericht hat nichts an Aktualität verloren. Ich wünsche Ihnen, dass er Sie hineinnimmt in die Zeit Jesu und Sie teilhaben lässt an den Ängsten und Hoffnungen der Menschen, die damals noch nicht wussten, wie diese Geschichte enden würde.
Peter Mazurek
Mitarbeiter im Marburger Kreis, Diplom-Kaufmann
Seit meiner Kindheit hat die »Passionsgeschichte« eine starke Anziehungskraft auf mich ausgeübt. Gleichzeitig fürchtete ich mich vor ihr — wie Kinder vor unheimlichen Geschichten zurückschrecken und doch leise von ihnen angezogen werden. Später wandelte sich das Interesse und wurde sachlich. Ich spürte, dass das hier mehr war als eine erbauliche Geschichte und dass wir den berichteten Tatbeständen nur darum so gedankenlos gegenüberstanden, weil wir den Sinn dafür verloren hatten. Wenn man die alten Berichte heute überhaupt noch zur Kenntnis nimmt, hat man sie »eingeordnet«. Sie gehören zum Gebiet der Religion, werden ohne besondere Bedenken anerkannt und zur gegebenen Zeit betrachtet und besprochen. Mit dem, was man »das Leben« nennt, haben sie nichts zu tun. Die übliche Form frommer Betrachtung lässt uns meist nicht ahnen, welche spannungsgeladene Menschheitstragödie hinter dieser Geschichte steht: »Ein schreckliches Drama, in welchem Gott das Opfer und der Held ist« (Sayers).
In den letzten fünfzehn Jahren habe ich mich viel mit der Geschichte des Prozesses Jesu von Nazareth beschäftigt und alles Erreichbare gelesen, bunt und unsystematisch, wie es mir in die Hand kam. Dann wurde ich aufgefordert, jungen Leuten davon zu erzählen. Meist hatten sie von diesen Dingen keine Ahnung und waren misstrauisch und ablehnend gegenüber allem, was mit Gott zu tun hatte. An der Art, wie sie sachlich, unsentimental und voraussetzungslos die Erzählung aufnahmen, ging mir selber ganz neu die dynamische Spannung und Dramatik der Geschichte auf. Die jungen Menschen begriffen mit dem Herzen, dass es sich hier nicht um langweilige dogmatische Aussagen handelte, sondern um das Handeln Gottes an uns, und dass sie selber gemeint waren.
Später habe ich diese Notizen gesammelt und geordnet. Nun sollen sie einem weiteren Kreis zugänglich gemacht werden. Ich betone, dass die Arbeit keinen Anspruch auf theologische Richtigkeit und wissenschaftliche Vollständigkeit erhebt. Genau genommen befinde ich mich in einer ähnlichen Lage wie der Herausgeber des zweiten Makkabäer-Buches, der in seinem Vorwort sehr eindringlich klarstellt: »Dies alles, was Jason von Kyrene in fünf Büchern berichtet hat, wollen wir versuchen, in ein einziges Buch zusammenzuziehen. Das Eindringen in die Tiefe und das umfassende Berichterstatten und die sorgfältige Erforschung aller einzelnen Tatsachen, das ist Sache des eigentlichen Geschichtsschreibers; dagegen das Streben nach Kürze des Ausdrucks und der Verzicht auf ausführliche Darstellung ist dem zu gestatten, der nur eine Umformung des Stoffes vornimmt« (2. Makkabäer 2,23 und 30-31).
Das Literaturverzeichnis im Anhang ist unvollständig; das ist durch die Entstehungsweise dieser Arbeit begründet. Ich habe den herzlichen Wunsch, dass der Leser anschließend nach der Bibel greift und sich in die Berichte der Evangelien vertieft. Wenn das geschieht, dann hat diese Arbeit ihren Sinn erfüllt.
Arthur Richter
»I ch glaube an Jesus Christus.« Das bekenne ich und sage damit, dass eine personale Beziehung zwischen ihm und mir besteht, dass ich ihm gehorche und ihn lieb habe. Und wenn ich Jesus lieb habe, dann ist es ein natürliches Bestreben, ja, mein brennendes Interesse, wenigstens annähernd herauszufinden, wer er war und wer er heute ist.
Das Leben Jesu ist eingebettet in die Geschichte. Wir erkennen, wie die Geschichte auf ihn ausgerichtet ist. Seine Geburt ist die Zäsur. Mit ihr begann ein neuer Abschnitt, der auf die Wiederkunft Jesu Christi zuläuft. Wir achten darauf, dass wir uns kein geschichtsloses Bild Jesu machen, dass er nicht wie auf dem Goldgrund alter Bilder beziehungslos und zeitlos erscheint. Solche Darstellungen werden schnell zu Theorien, über die man sich streitet, oder es entstehen Ideale, die rasch subjektiv verfälschen. Jesus lebte in der Geschichte seines Volkes, und in seiner Gemeinde lebt er in der Menschheitsgeschichte weiter bis zu dem Endpunkt, den er selber bestimmen wird. »Ende« bedeutet im Neuen Testament nicht ein Versinken in das Nichts, sondern es heißt »Ziel«. Jesus ist selber das Ziel der Geschichte.
Wir sehen mit Staunen und Ehrfurcht den Plan Gottes, seine Oikonomia, wie er im Neuen Testament manchmal genannt wird. Wir sehen, wie Gott von Abraham, Isaak und Jakob her sein eigenes Volk schafft und durch die Geschichte hindurchführt. In diesen langen Jahrhunderten redeten die Propheten immer wieder von dem »Messias«, den Gott senden würde. Bileam, ein etwas zwielichtiger Mann, sagte das Wort von dem Stern, der aus dem Geschlecht Jakobs aufgehen werde, schon 1300 Jahre vor Christi Geburt. Später wurde durch die Propheten vom »Sohn Davids« geredet, von dem großen Monarchen, der das Reich Davids wieder aufrichten werde. Daniel sah und beschrieb den »Menschensohn«, der auf den Wolken des Himmels kommen sollte, um in Jerusalem zu regieren. Vom Priesterkönig war die Rede, der den Frieden der Welt bringen werde. Und schließlich kam durch Jesaja die