Vom Schweben
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Auf eine Welt der verschwindenen Wirklichkeit mit Pessimismus und mit Zorn zu regaieren, mit Abscheu oder mit Verzweiflung, fällt leicht. Aber ist das die Aufgabe des Denkens? Ist ein solches Denken noch frei? Verstrickt es sich nicht in Bitterkeit? Die Kunst der ironischen Selbstbeherrschung, die Alexander Pschera hier entwirft, erweist sich erst in den Weiten der digitalen Landschaft und öffnet neue Möglichkeiten der Lebenskunst.
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Vom Schweben - Alexander Pschera
(XV).
ENTFREMDUNGEN
I – IDIOTEN
Nennt uns Ismael. Wir sind Idioten im Bildungsroman des Internets, diesem Epos der Reise über den Ozean des Wahnsinns und der Entgrenzung.
Natürlich wird man im Internet nicht dümmer. Im Gegenteil. Das Netz ist die Ressource der Allwissenheit. Noch nie war so viel Wissen verfügbar wie heute. Doch wem gehört dieses Wissen? Die Diskrepanz zwischen Verfügbarkeit und Aneignung ist offensichtlich. Was sich heute beobachten lässt, ist eine Akkumulation von Wissen jenseits der Person. Wissen wird nicht abgearbeitet und angeeignet, es wird auch nicht angesammelt, sondern es sammelt sich an. Es wird angeschwemmt. Wissen ist zu Treibgut der Zivilisation geworden.
Der Bildungsmoment hat den Bildungsroman abgelöst, das Prinzip der Reihung das der Entwicklung. In Quizshows werden zusammenhanglose Daten abgefragt. Wahllos streift der Leser durch die Wissenslandschaften der Populärwissenschaften. Von der Gehirnforschung bis zur Unterwasserarchäologie wird alles erklärt, was interessant sein könnte. Welt der Wunder ist das Format der prinzipiellen Verstehbarkeit von allem für alle, des prinzipiellen Interesses aller für alles.
Den Rückschluss auf das, was man wird, durch das, was man weiß, gibt es nicht mehr. Ziellos reihen sich Ausbildungen aneinander: heute Reisebegleiter, morgen Medienberater, dann Logopäde, und schließlich Coach. Der Coach ist die Endstufe des Wissens, weil er ein durchlässiges Medium ist. Er ist transparent für alles, er kann alles und jeden verstehen. Er ist total affin. Der Coach ist Verkörperung situativ-momentanen Wissens. Als Coach erklärt jeder dem anderen, wie sein Leben funktionieren könnte. Die Universalisierung des Coachings rüstet optimal für die Diktatur des Allgemeinen.
Die Reise über den Ozean des Wissens ist keine Charakterreise. Sie gibt nur noch das Gefühl, als würde sich im Roman des Lebens Entwicklung ereignen. Life long learning bedeutet etwas anderes als Entwicklung. Es bedeutet, sich lebenslang immer aufnahmefähiger zu machen für den Wissensstrom der Welt. Fertig ist man, wenn man zu einem Mollusken des Wissens geworden ist, zu einem schwammförmigen Gebilde, das alles aufsaugt.
Mollusken-Wissen erzeugt ein vages Gefühl, eine Atmosphäre des Ahnens, des Informiertseins, des Verweisenkönnens. Wissen ist verfügbar und fremd. Es ist durch seine Verfügbarkeit fremd. Wissen entfremdet uns von uns selbst. Das Wissen des Netzes erzeugt das gleiche Gefühl wie das Erben einer Bibliothek. Die Bücher einer ererbten Bibliothek bleiben immer Fremde, sie werden nie zu Freunden. Sie ordnen sich nie ein in die eigene Lese- und Sammelgeschichte.
Das ist die Idiotie des digitalen Wissens: Sie macht den Menschen zu einem Fremden im Eigenen. Die Technik – und alles, was heute technisch genannt wird, ist digital – macht idiotisch, weil sie Wissen verflüssigt, sodass es uns gestaltlos umgibt. Dieses Wissen ist ungreifbar. Digitalität ist nicht Verblödung, auch wenn man ihr das vorwirft. Ihr Eingriff in die Struktur des Lebens ist radikaler. Die Idiotie des Digitalen besteht darin, als Mensch allein zu bleiben in einer fremd werdenden Umgebung. Das verweist auf die ursprüngliche Bedeutung des griechischen Wortes idios: »eigen«, von dem sich der Begriff idiotes ableitet: »Idioten« in diesem Sinne waren in der Antike Privatpersonen, die für sich sind und die kein öffentliches Amt bekleiden. Der Idiot ist jemand, der nicht zum Raum des Öffentlichen, der ihn umgibt, gehört und der so bleibt, wie er ist. Idioten des Internets sind menschlich in einem Universum der perfektionierten Technik, sie sind fehlerhaft in einem Kosmos hochaufgelöster Bilder, orientierungslos in einem Netz aus GPS-Daten, ambivalent in einer radikal logischen Konstruktion, schuldig in einem System ohne Moral.
Die digitalisierte Realität schließt die eigene Welt aus sich selbst aus. Die digitale Welt ist wie ein schwarzes Loch Antimaterie, in dem jeden Tag ein weiteres Stück der Eigenwelt verschwindet: in mobilen Applikationen, in 3D-Filmen, in Social Games, in digitalisierten Prozessketten, in Patientenkarten und biometrischen Ausweisen. Immer dann, wenn eine neue digitale Kopie der Wirklichkeit erscheint, verschiebt sich das Kriterium der Wirklichkeit. Soziale Netze formulieren ein neues Paradigma der Gruppe, Computertomographen ein neues Paradigma des Gesunden, High Definition-Bilder ein neues Paradigma des Sehens und Erlebens, Business-Software eine neues Paradigma der Arbeit.
Diese Entfremdung macht auch vor den Gefühlen nicht halt. Die »eigene Welt«, der Innenraum der Gefühle, ist zu einem skurrilen Kosmos geworden, weil der Pol verloren ging, an dem er sich ausrichtet: zu einem Gewebe aus Ahnungen, Berührungen, Träumen, Zwischentönen, Blicken, Gerüchen und Stimmungen, die keinen eindeutigen Wert mehr haben, weil sie nicht ins binäre digitale Raster passen. Mehrdeutigkeit überfordert, wo das Ziel der Arbeit darin besteht, für alles eindeutige Lösungen zu finden. Gefühle werden dadurch zunehmend unlesbar. Man besichtigt nach einem Arbeitstag vor dem Rechner schließlich seine eigene romantische Mitte wie ein verstaubtes Rokokoschlösschen und kann sich kaum noch vorstellen, wie es war, als dort einmal Menschen lebten.
Je näher das Fremde rückt, desto fremder wird das Nahe. Die Welt der eigenen Gefühle ist eine unauslotbare Tiefe – die Welt der tropischen Meere oder andere entlegene Naturräume dagegen werden hochaufgelöst und gestochen scharf auf Monitoren in den U-Bahn-Stationen projiziert. Umgeben von den Bildern einer warmen, weichen, farbigen Atmosphäre stehen Menschentrauben, die Ansammlungen vereinzelter Menschen sind, die sich mit wuchtigen Kopfhörern in ihre Innenwelten einschließen. Allein zu sein mit sich selbst und sich aufzulösen in einem auf digitalem Wege nahegebrachten