Seewölfe - Piraten der Weltmeere 51: Ein Anker für die Königin
By Fred McMason
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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 51 - Fred McMason
12
1.
Die Kunde von dem fürchterlichen Schiff, das die Themse hinauf segelte, in Richtung London, hatte sich in Windeseile herumgesprochen.
Reiter waren nach London geprescht, um dort zu erzählen, was sie bei Gravesend mit eigenen Augen gesehen hatten.
Eine spanische Galeone, mit der englischen Flagge am Mast, hatte drei angreifende Segelschiffe und eine Barke vernichtet, sie in Grund und Boden geschossen, die Besatzungen zum Teil im Kampf von Mann zu Mann umgebracht und die Leichen über Bord geworfen. Und auf dem Achterdeck stand ein schwarzhaariger Teufel, der dieses Höllenschiff kommandierte.
Die Reiter brauchten bei ihren Schilderungen nicht zu übertreiben. Was sie berichteten, trieb den Zuhörern das kalte Grauen in die Gesichter.
Und jetzt näherte sich die wilde Galeone London, segelte tollkühn und stolz die Themse hinauf, der Hauptstadt entgegen!
Daher herrschte an diesem 26. März 1580 verständlicher Aufruhr, der sich allmählich zur Panik steigerte, je näher sich das fremde Schiff auf die Stadt zuschob.
Immer mehr Reiter preschten bis an die Stadttore. Die Pferde, die sie geritten hatten, schwitzten und zitterten. Die Männer hatten angstverzerrte Gesichter. Einer der Reiter verlangte den Tower-Hauptmann Bromley zu sprechen.
Als Bromley endlich erschien, konnte der Mann kaum reden, so erregt war er.
Bromley sah die Anzeichen, daß etwas passiert war, überdeutlich. Überall an den Ufern standen sie. Menschen, ganze Scharen, die aufgeregt durcheinander schnatterten, angstvoll zur Flußbiegung hinuntersahen und sich wild gestikulierend unterhielten.
„Sir! stieß der Reiter hervor. „Eine Galeone segelt die Themse herauf, eine spanische Galeone, Sir. Ich habe genügend Männer, die bezeugen können, wie dieses Schiff drei englische Segler vernichtet hat. Sie haben die Galeone angegriffen und sind in einem mörderischen Kampf besiegt worden. Das Schiff ist außergewöhnlich stark armiert. Jeden, der sich ihm in den Weg stellt, schießt es erbarmungslos zusammen.
Bromley begann vor Aufregung zu fiebern. Hart schluckend, starrte der Hauptmann auf seine Stiefelspitzen.
„Wo war das?" fragte er beunruhigt.
„Bei Gravesend, Sir. Da ging es los. Jetzt segelt die Galeone mit dem Flutstrom nach London. Nicht mehr lange, und sie wird hier eintreffen."
Ein paar andere Reiter erschienen und berichteten überstürzt das gleiche, die schrecklichen Kämpfe, die Versenkung der Schiffe und von dem Kampf an Bord.
„Verdammt, dann muß ganz schnell etwas geschehen. Und Sie sind sicher, daß es ein Spanier ist?"
„Ja, ein Spanier. Allerdings führt das Schiff die englische Flagge am achteren Mast."
„Das hat nichts zu bedeuten. Bromley winkte ab. „Im Gegenteil: Wohl jeder Spanier, der hier heraufsegelt, würde die englische Flagge führen, um die Leute zu verwirren.
Bromley wurde ganz käsig im Gesicht. Seiner Ansicht nach konnte es kein Engländer sein, denn der würde nicht drei der eigenen Schiffe rücksichtslos versenken.
Also ein Spanier, vielleicht sogar ein Spanier, der mit den Iren kooperierte und sich im Schutz der englischen Flagge London näherte, um die Stadt zu überfallen. Und wenn das Schiff so stark armiert war, dann ...
Bromley mochte diesen Gedanken nicht zu Ende spinnen. Er mußte handeln, und zwar schnell. Der Spanier sollte einen Empfang erhalten, an den er noch lange denken würde.
Er ließ die Männer stehen, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Und schon ein paar Minuten später versetzte er die ganze Stadt in Alarmbereitschaft.
Eine unglaubliche Hektik begann.
Ein Spanier in London! Das war nicht zu fassen. Die wildesten Gerüchte begannen zu kursieren, und jeder heizte sie noch ein wenig nach seinem eigenen Geschmack auf.
Eine halbe Stunde später war die Stadt nicht wiederzuerkennen. Bromley hatte für den nötigen Aufruhr gesorgt.
Die Tower-Besatzung war als erste gerüstet, am Kai wurden in hektischer Eile die Kanonen geladen, ausgerichtet und von grimmig blickenden Männern besetzt. Auf den Wehrtürmen und Gängen des Tower bezogen Bogenschützen Stellung. Gabelstützen für die schweren Arkebusen wurden herbeigeschleppt. Die Schützen luden ihre Hakenbüchsen und gingen ebenfalls in Stellung.
Unterdessen wurde die Bürgerwehr mobilisiert. Gleichzeitig lösten sich vom Ufer kleine Kriegsfahrzeuge und segelten zur Strommitte. Sie kämpften sich mühsam voran, der Flutstrom war kaum auszusegeln.
Die Stadt zog in den Krieg. So jedenfalls sah es aus, bis an die Zähne bewaffnet, als galt es, gegen ganz Spanien zu kämpfen.
Dann hörten die entsetzten Einwohner nur noch gebrüllte Befehle. Soldaten der Stadtgarde rannten aufgescheucht durcheinander, von Befehlen bald hierhin, bald dorthin gelenkt. In dem ausbrechenden Chaos wußte keiner mehr so richtig, wer die Befehle gab, wem er zu gehorchen hatte und was er tun sollte, sobald der Spanier hier aufkreuzte.
Sofort feuern, war die allgemeine Devise, mit allem was die Gewehre und Kanonen hergaben. Die Bogenschützen sollten das Schiff mit einem Hagel aus Pfeilen eindecken, Brandpfeile sollten in die Segel geschossen werden. Die Kriegsfahrzeuge sollten angreifen.
Nein, hier brach der Spanier nicht durch. Das war völlig aussichtslos. Und wenn er noch so wild um sich schoß.
Erst allmählich wurde es wieder ruhiger. Noch war der Spanier nicht in Sicht, noch konnte man planen, ändern und Kampfpositionen so besetzen, daß er nicht die geringste Chance hatte, die Stadt zu überfallen.
Die Kriegsfahrzeuge verschwanden langsam um die Flußbiegung. Und da ging es erst richtig los.
Bei Woolwich kreuzten andere Boote auf. Eine Mordsarbeit begann.
Über der Themse wurde eine Kettensperre ausgelegt. In mühevoller Arbeit schleppten Botte die schweren Kettenglieder zum anderen Ufer hinüber. Acht Boote waren es, die in knochenbrechender Arbeit die Kettensperre zogen. Auf den Schiffen fluchten und schwitzten die Männer, brüllten Offiziere die Befehle, gelangte man nur unendlich langsam vorwärts.
Und alles lauerte auf den Feind. Immer wieder flogen die Blicke zur Flußbiegung hinunter, ob die Masten des verdammten Spaniers nicht bald auftauchten und die ersten Breitseiten aufdröhnten, wenn die Kriegsschiffe heran waren.
Die Kette war immer noch nicht am anderen Ufer. Verzweifelt mühten sie sich mit dem schweren Ding ab. Immer wieder brach eins der Boote aus dem Kurs und das Manöver mußte wiederholt werden.
In London grassierte die Angst. Sie steigerte sich zur Panik, zur Hysterie, Männer und Frauen halfen verzweifelt mit, Kugeln und Pulver heranzuschleppen. Inzwischen waren auch die Befestigungsanlagen östlich der Stadt besetzt, die jetzt einem aufgescheuchten Ameisenhaufen glich.
Diejenigen, die nichts zu tun hatten, halfen mit, die schwere Kettensperre mit Tauen weiter heranzuziehen, um die wie verrückt pullenden Männer in den Booten zu unterstützen, denn von dieser Sperre hing viel ab. Hier mußte sich der verdammte Spanier fangen. Dann war er ihnen hilflos ausgeliefert. Sie würden ihn in Grund und Boden schießen, diesen verfluchten Don, sein Schiff würde brennend untergehen, niemand würde den Untergang überleben.
Endlich war es soweit. Die Kettensperre gelangte über die halbe Meile Distanz endlich ans Ufer. Gegenüber von Woolwich halfen jetzt kräftige Fäuste mit, die Kette zu verankern.
Wieder preschten Reiter den Fluß hoch. Sie schrien sich die Kehlen heiser, brüllten ihre Worte in angsterfüllte, verzerrte Gesichter.
„Die Spanier kommen! Die Spanier kommen!"
Die ersten Menschen verloren die Nerven. Die überall postierten Soldaten packten ihre Waffen fester.
Auf den Wehrgängen und Befestigungsanlagen waren sie bereit, die Bogen zu spannen. Und unter ihnen, am Kai, glommen die ersten Lunten in unruhigen und schweißnassen Händen.
Noch gut eine Meile war der Spanier jetzt entfernt, wie die Reiter berichteten. Er segelte mit der Flut und dem Wind. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis er hier eintraf.
Hälse reckten sich, ausnahmslos alle starrten zur Flußbiegung.
Und jeder von ihnen bildete sich ein, zwischen Büschen und Bäumen deutlich die Mastspitzen des Spaniers erkennen zu können, der mit feuerbereiten Kanonen heransegelte, um London ins Verderben zu stürzen.
2.
Auf dem Achterkastell, direkt an der Schmuckbalustrade der „Isabella V.", stand breitbeinig der Seewolf. Sein sonnengebräuntes Gesicht war ernst und verschlossen, der Blick seiner eisblauen Augen nach vorn gerichtet.
Philip Hasard Killigrew wurde von Sorgen geplagt, düstere Vorahnungen drängten sich in sein Gehirn und nisteten sich dort ein. Er hatte der Crew eingeschärft, auf der Hut zu sein, denn was sie hier, auf dem letzten Abschnitt ihrer langen Reise aus der Karibik erlebt hatten, setzte allem die Krone auf.
Hier ging es fast noch wilder zu als in den südlichen Gefilden, wo sie sich mit den Spaniern herumgeschlagen hatten. Kurz vor dem Ziel waren sie überfallen worden, in Gravesend, als drei englische Segler die Galeone überfielen, sie entern wollten und sich anstelle des riesigen Schatzes nur blutige Köpfe holten.
Das Schlimme daran war, daß die Zuschauer, die dem erbitterten Kampf vom Ufer aus beigewohnt hatten, sie für Spanier und die drei verdammten Flußpiraten für englische Schiffe hielten, die den Spanier angreifen wollten und dafür vernichtet worden waren.
Ein Irrtum! Ein Irrtum, der verhängnisvolle Folgen haben konnte. Und das alles hatte dieser Themsepirat Noah Buckle eingefädelt, wie Hasard glaubte. Buckle, der hinterhältige Gastwirt und Mörder, der jetzt in der Vorpiek schmorte.
Die Reiter, die am Themseufer entlanggeprescht waren und jetzt London alarmierten, bereiteten dem Seewolf Sorgen. Was würden sie berichten? Natürlich, daß ein spanisches Schiff drei englische Segler zusammengeschossen