Lebensräume - Lebensträume: Innovative Konzepte und Dienstleistungen für besondere Lebenssituationen
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Book preview
Lebensräume - Lebensträume - Kohlhammer Verlag
Vorwort des Reihenherausgebers
Am 28. und 29. September 2010 veranstaltete die Diakonie Neuendettelsau zusammen mit dem International Dialog College and Research Institute (IDC) im historischen Rathaussaal in Nürnberg einen in seinem Zuschnitt bislang einzigartigen Kongress mit dem Titel
Lebensraum – Lebenstraum
AAL – Ambiente und Dienstleistungen in besonderen Lebenssituationen.
Referenten mit ganz unterschiedlichen Erfahrungshintergründen haben das hoch innovative Themenfeld Ambient Assisted Living (AAL) von verschiedenen Seiten aus betrachtet. Die bislang vorherrschende Technikdominanz konnte dadurch in einen wesentlich breiteren Kontext gestellt werden. Vor allem wurde deutlich, warum brillante technische AAL-Innovationen so häufig scheitern. Die Gründe hierfür liegen darin, dass die Komplexität des Marktzugangs in der Regel unterschätzt wird, die Bedürfnislagen der höchst heterogenen Zielgruppen nicht oder allenfalls unzutreffend eingeschätzt werden und vor allem die Finanzierung der Forschungs- und Entwicklungskosten sowie der Anlaufkosten massiv unterschätzt werden.
Die Referenten zeigten mit zahlreichen Konzepten und Anwendungsbeispielen auf, wie diese Hürden durch eine konsequente Betrachtung des Gesamtzusammenhangs überwunden werden können.
Der Kongress war auf vier Themenschwerpunkte ausgerichtet, die auch für diesen Band strukturgebend sind:
Lebensräume – virtuelle und reale Räume
Lebensträume – Design- und Dienstleistungskonzepte
Innovative Assistenzsysteme
Geschäftsmodelle für innovative Assistenzsysteme
Die Referenten des Kongresses wurden bereits während der Vorbereitung ihres Themas darauf hingewiesen, die spätere Veröffentlichung zu bedenken. Daher handelt es sich beim vorliegenden Band um weit mehr als um eine Kongressdokumentation. Er spiegelt vielmehr eine interdisziplinäre Sicht auf das vielschichtige Thema AAL.
In Verbindung mit assistiven Technologien gibt es eine Reihe von forschungsethischen Fragen. Generell unterliegen medizinische Forschung und Pflegeforschung der Kontrolle durch Ethikkommissionen. So liegt es nahe, auch für den Bereich der assistiven Technologien, die in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft zum Einsatz kommen, solche Kommissionen zu installieren; denn die Komplexität der Themen bedarf einer sachgemäßen und ethischen Reflexion und Überprüfung.
Eine solche Ethikkommission kann unter anderem folgende Fragen berücksichtigen, wenn sie Empfehlungen im Hinblick auf den Einsatz assistiver Techniken ausspricht:
➢ Ist die spezielle Technik gut?
➢ Ist es richtig, was man mit dieser Technik unterstützt?
➢ Ist die Technik sicher?
➢ Ist der Einsatz der Technik mit der Würde des Menschen vereinbar?
➢ Erhöht der Einsatz der Technik die Selbstbestimmung des Menschen?
➢ Wird durch den Einsatz der Technik die Freiheit des Menschen gefährdet oder eingeschränkt?
➢ Ist die Technik Mittel zum Zweck oder Selbstzweck?
➢ Werden Beziehungen, die in der sozialen Arbeit substanziell sind, durch Technik substituiert?
➢ Ist die spezielle Technik finanzierbar für alle oder nur für „Reiche"?
➢ Welche neuen Abhängigkeiten müssen bedacht werden (Installation, Wartung)?
➢ Welche Grenzen setzt der Datenschutz (Überwachung)?
➢ Wird die Teilhabegerechtigkeit gefördert?
Ich hoffe, dass Ihnen, sehr verehrter Leser, sehr verehrte Leserin, die Lektüre dieses zweiten Bands der Reihe ‚Dynamisch Leben gestalten‘ nicht nur Freude bereitet, sondern auch hilfreiche Handlungsleitlinien für die innovative Zukunftsarbeit am Thema AAL bietet.
Prof. Dr. h. c. Hermann Schoenauer
Neuendettelsau im Februar 2011
Vorwort der Bandherausgeber
Möglichst lange selbstständig und sicher zu Hause zu leben, das ist der Wunsch der allermeisten älteren Menschen. Denn sie vermuten, dass die Lebensqualität zu Hause sehr viel höher ist als im besten Pflegeheim. Neben den älteren Menschen sind Menschen mit Behinderung und kranke Menschen weitere wichtige Zielgruppen, die bei entsprechender Unterstützung selbstständig in der eigenen Wohnung leben können.
Auch wir sind der Meinung, dass bei entsprechender persönlicher, organisatorischer und durchaus auch technischer Unterstützung die Lebensqualität zu Hause deutlich erhöht werden kann. Zudem wird hierdurch das in Deutschland existierende Vorrangprinzip der ambulanten Versorgung vor der stationären Versorgung umgesetzt.
Wenn wir älteren Menschen technische Möglichkeiten, z. B. ein einfaches Ortungssystem oder eine Spielkonsole zeigen und die Funktionsweise sowie den Nutzen verständlich erklären, dann kommt nicht selten die Aussage, dass sie mit einem solchen System länger zu Hause hätten wohnen bleiben können. Vorausgesetzt natürlich, dass dieses System zuverlässig funktioniert, leicht bedienbar ist, dass ein Dienstleister verfügbar ist, der die Services erbringt und dass hohe ethische Standards durch Technikeinsatz und Dienstleistungserstellung erfüllt werden. Die Dienstleistung steht dabei stets im Vordergrund, die technischen Lösungspotenziale haben einen subsidiären und assistiven Charakter.
Eine weitere wesentliche Antriebskraft für die Beschäftigung mit technischen Innovationen ist die Tatsache, dass schon heute und künftig in erheblich größerem Umfang Pflegekräfte für die Versorgung in den eigenen vier Wänden fehlen werden. Experten gehen davon aus, dass im Jahr 2050 nur halb so viele Pflegekräfte zur Verfügung stehen wie erforderlich. Technische Innovationen im Bereich von AAL können dazu beitragen, dass die immer knapper werdenden personellen Ressourcen effektiv und effizient eingesetzt werden. Die technische Unterstützung soll die Konzentration auf die Kernprozesse befördern. Zudem werden die Arbeitsplätze im Sozial- und Gesundheitsbereich durch Technikverwendung für viele Menschen attraktiver.
Wir benötigen also neue, ethisch reflektierte Modelle der Arbeitsteilung zwischen Mensch und Technik, um die anstehenden Zukunftsaufgaben bewältigen zu können.
Wir freuen uns darüber, dass es gelungen ist, hochkarätige Autoren für das nicht einfache Vorhaben zu gewinnen, AAL aus den folgenden vier Perspektiven zu betrachten:
Lebensräume – virtuelle und reale Räume
Lebensträume – Design- und Dienstleistungskonzepte
Innovative Assistenzsysteme
Geschäftsmodelle für innovative Assistenzsysteme
Unser herzlicher Dank geht an die Autorin und die Autoren dieses Buches für ihre sehr gründliche, umfangreiche und kompetente Ausleuchtung des innovativen Themenfelds.
Wir danken Herrn Jürgen Schneider vom Kohlhammer-Verlag für das entgegengebrachte Vertrauen und für die gelungene Umsetzung unserer Konzeption in den attraktiv gestalteten zweiten Band der Buchreihe ‚Dynamisch Leben gestalten‘.
Dr. Markus Horneber, Prof. Dr. h. c. Hermann Schoenauer
Neuendettelsau im Februar 2011
Einführung
Mit Ambient Assisted Living (AAL) kann ein enormes Handlungs- und Gestaltungsfeld erschlossen werden. Dieses zu umreißen und konkrete Handlungsoptionen aufzuzeigen, ist Ziel dieses Bands. Hierzu wurden vier Themenblöcke konzipiert, die gleichzeitig die Kapitel des Buchs markieren:
Lebensräume – virtuelle und reale Räume
Lebensträume – Design- und Dienstleistungskonzepte
Innovative Assistenzsysteme
Geschäftsmodelle für innovative Assistenzsysteme
Die einzelnen Kapitel stehen einerseits für sich allein. Andererseits ist es besonders reizvoll, die Brücken und Verbindungslinien zwischen den vier Themenfeldern herzustellen. In besonderer Weise laufen die geknüpften Fäden im Kapitel 4 (Geschäftsmodelle) zusammen.
Kapitel 1: Lebensräume – virtuelle und reale Räume
Im ersten Kapitel wird aus der Vogelperspektive das Quartier, der komplexe Lebensraum in Städten und Gemeinden dargestellt. Vorrangig geht es darum, aufzuzeigen, wie durch soziale Netzwerke und durch überlegte Sozialraumgestaltung das häusliche Umfeld adäquat gestaltet werden kann.
Am Beispiel konkret durchgeführter Projekte zeigt Wolfgang Wasel das breite Spektrum der Quartiersarbeit aus inhaltlicher Sicht auf. Besonders interessant sind Konzepte zur Messung der Rentabilität der unterschiedlichen Modelle. Armin Hartmann und Stefan Kutscheid schildern die Konsequenzen der demografischen Entwicklung für die Wohnungswirtschaft. Anhand eines im Markt eingeführten Informations- und Kommunikationssystems zeigen sie vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten zur Gestaltung eines selbstständigen Lebens in der eigenen Wohnung auf.
Kapitel 2: Lebensträume – Design- und Dienstleistungskonzepte
Ein Problem zahlreicher Assistenzsysteme liegt darin, dass sie auffällig sind und stigmatisierend wirken. Auch die Wohnraumgestaltung geht häufig an den Bedürfnislagen der spezifischen Zielgruppen vorbei.
Überzeugende, attraktive und liebevolle Ansätze in der Architektur, die diese Defizite zu überwinden versuchen, stellt Eckhard Feddersen vor. Ob innovative Assistenzsysteme wirklich helfen, Lebensträume zu gestalten, oder ob sie nicht auch zum Alptraum mutieren können, hängt davon ab, ob sie strikt auf die höchst individuellen Bedürfnisse der Nutzer ausgelegt sind. Die Beurteilung der ethischen Vertretbarkeit muss dem Einsatz jeder innovativen Technik vorausgehen. Hiermit beschäftigt sich der Beitrag von Ulrich H. J. Körtner.
Kapitel 3: Innovative Assistenzsysteme
In Kapitel 3 werden sowohl innovative Assistenzsysteme vorgestellt, die sich bereits im Praxisalltag bewährt haben, als auch solche, die sich noch im frühen Stadium der Forschung und Entwicklung befinden.
Wie die Arbeit von Pflegekräften und anderen Dienstleistern in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft bereits heute wirkungsvoll und gezielt durch Informationstechnik erleichtert werden kann, zeigt Wolfgang Meyer. Michael Müßig und Sven Röhl zeichnen die Entwicklung des mobilen Notfallmanagements nach und bieten einen fundierten Ausblick auf Zukunftstechnologien. Nadine Pensky und Jürgen Besser zeigen am Beispiel eines komplexen Forschungsprojekts, wie die künftigen Nutzer eines innovativen Assistenzsystems von vornherein systematisch und methodisch fundiert in den Forschungsprozess einbezogen werden.
Kapitel 4: Geschäftsmodelle für innovative Assistenzsysteme
Ohne ausgeklügelte Geschäftsmodelle und ohne Kenntnis der vielfältigen Hürden führen innovative Assistenzsysteme nicht zum Markterfolg.
Markus Horneber stellt eine Systematik möglicher Innovationsbarrieren vor und berichtet aus der Erfahrung zahlreicher Projekte über Ansatzpunkte, diese Barrieren zu überwinden. Martin Gersch, Michael Hewing und Ralf Lindert entwickeln ausgehend von einer Untersuchung etablierter Geschäftsmodelle im AAL-Bereich eine differenzierte Geschäftsmodell-Typologie. Am konkreten Dienstleistungs-Erstellungsprozess wird deren praktische Relevanz aufgezeigt.
Kapitel 1 Lebensräume – virtuelle und reale Räume
Lebensräume umfassen nicht nur das eigene Haus, die Wohnung oder das Stadtviertel, in dem man lebt. Neben diesen realen Lebensräumen gibt es vielfältige Beziehungs-, Informations- und Kommunikationsgeflechte, in die jeder Mensch eingebunden ist und die er mit gestaltet. Es geht um Netzwerke zwischen den Generationen, zwischen ehrenamtlichen und professionellen Dienstleistern, kurzum: es geht um die Gestaltung der Gemeinschaft. Besondere Lebenssituationen erfordern hierzu besondere Organisationsformen und auch spezifische technische Unterstützungsmöglichkeiten.
Im ersten Kapitel werden anhand zahlreicher Beispiele hoch interessante und innovative Ansatzpunkte aufgezeigt.
Das Quartier – ein Lebensraum. Projekt SONG
¹
Wolfgang Wasel
Zusammenfassung
1. Einleitung
2. Warum Soziales neu gestalten?
3. Lebensräume für Jung und Alt
3.1 Wohnen in lebendiger Gemeinschaft
3.2 Gemeinwesenarbeit als Ausgangspunkt sozialraumorientierter Altenhilfe
3.3 Die Kosten der Lebensräume
3.4 Der Sozialfonds – Eine Stiftung für das Gemeinwesen
3.5 Pflegearrangements
4.Rentabilitätsmessung über die Methodik des Social Return on Investment (SROI)
4.1 Zentrale Ergebnisse der Rentabilitätsanalyse
4.1.1 Ergebnisse des Social Return (nicht quantitativer Zusatznutzen)
4.1.2 Ergebnisse des Economic Return
4.1.3 Kosten
4.1.4 Hilfebedarf in der täglichen Lebensführung
5. Strategische Einordnung
Lieratur
Zusammenfassung
Im Rahmen des Modellprojektes „Soziales neu gestalten" (SONG²) haben sich sechs Unternehmen, vier operativ tätige Sozialunternehmen, die Caritas Betriebsführungs- und Trägergesellschaft mbH (CBT), die Bremer Heimstiftung, das Evangelische Johanneswerk e. V., die Stiftung Liebenau, die Bank für Sozialwirtschaft und die Bertelsmannstiftung zusammengeschlossen mit dem Ziel, die bestehenden Modellprojekte der operativ tätigen Unternehmen im Quartier zu evaluieren. In diesem Artikel werden Grundlage, Struktur und Evaluation des Projektes SONG in den Quartieren dargestellt. Dabei werden die Lebensräume für Jung und Alt explizit erörtert.
1. Einleitung
Im Rahmen des SONG-Projektes sollten fünf Eckpunkte gesetzt werden:
Transparenz über Good-Practice-Modelle der Netzwerkpartner erzielen,
(Gemeinsame) Probleme in Quartiersprojekten erkennen und lösen,
Mehrwert gemeinschaftlicher Wohnprojekte messen (Social Return on Investment),
Politikberatung und Transfer in die Fläche bieten und
Networking und Binnenwirkung bei den Netzwerkpartnern ermöglichen.
Dazu wurden exemplarisch vier operative Projekte ausgesucht, bei denen es sich um Quartiersprojekte handelt. Eines davon ist mit den Lebensräumen (s. u.) explizit beschrieben. Sie gleichen sich in folgender Weise:
Stärkung von Eigenverantwortung und Eigeninitiative der Quartiersbewohner,
Förderung von sozialen Netzen und neuen Formen des Hilfemix,
Entwicklung neuer Kooperationsformen und Gemeinwesenarbeit,
Erschließung neuer Pflegearrangements im Quartier.
Die Stiftung Liebenau hat vor 15 Jahren begonnen, mit dem Konzept Lebensräume für Jung und Alt eine Idee zu verwirklichen, die auf Selbst- und Nachbarschaftshilfe setzt. Ziel ist es, innerhalb einer Wohnanlage ein Netzwerk zu spinnen, das sich in das Quartier hinein entwickelt. Mittlerweile gibt es die Lebensräume an 25 Standorten in Süddeutschland und Österreich. In den Lebensräumen wohnen und leben ca. 1.200 Menschen in ca. 800 Wohneinheiten. Quartiersmanagement ist eingebettet in die Idee, Menschen optimale Dienstleistung in einer sozialraumorientierten Altenhilfe anbieten zu können. Sie trägt damit der sozialpolitischen Vorgabe Rechnung, Inklusion auch in Abhängigkeitssituationen zu gewährleisten.
2. Warum Soziales neu gestalten?
Um die soziale Pflegeversicherung nachhaltig zu gestalten, sind neue Finanzierungsmodelle vonnöten. Für die Nachhaltigkeit wird es jedoch nicht ausreichend sein, lediglich die Umsetzung finanzmathematischer Modelle sicherzustellen, sondern sie muss gleichzeitig kreative Innovationen zur Nachhaltigkeit fördern. Finanzierungsmodelle sind notwendige Veränderungen großer sozialer Sicherungssysteme, die aber ohne Innovationsschübe, wie z. B. Modelle zu Quartiersmanagement, nicht auskommen werden, um die Reform der sozialen Pflegeversicherung wirklich zukunftssicher zu machen.
Die soziodemographischen Entwicklungen und die Entwicklung der Bedürfnisse von Menschen werden zukünftig mehr und zunehmend differenzierte Angebote in den Lebenswelten von und für Menschen erfordern. Ziel wird es sein, maßgeschneiderte Produkte zu entwerfen. Dies wird nur im welfare-mix aus Staat, Markt und Lebenswelten möglich sein. Die Entwicklung der Lebensräume fällt in diese Überlegungen hinein, die stark von der Idee des Quartiersmanagements getragen war. Dem Konzept des Quartiersmanagements fühlen sich die beteiligten Institutionen des SONG-Projektes verpflichtet. Sie haben versucht, ihre Ideen zum Quartiersmanagement transparent zu machen, sie zu beforschen und sie letzten Endes politisch „hoffähig" zu machen, um Soziales neu zu gestalten.
3. Lebensräume für Jung und Alt
Ausgehend von den anfangs skizzierten demographischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, war das Ziel der Lebensräume für Jung und Alt, hier einen Kontrapunkt zu setzen:
Es wurde das Ziel verfolgt, mit der Schaffung der Lebensräume für Jung und Alt im Zeitalter familienentbindender Strukturen ein familienergänzendes System zu formen. Jung und Alt sollten generationsübergreifend zusammen wohnen.
Im Gegensatz zu den klassischen Formen der Altenhilfe sollten hier Finanzstrukturen gefunden werden, die unabhängig von den sozialen Sicherungssystemen funktionieren und
man wollte dem Bedürfnis der meisten Menschen, selbständig, sicher, und in einem ganz normalen Lebensumfeld älter zu werden, nachkommen.
Mit den Lebensräumen für Jung und Alt wurde ein Modell entwickelt, das auf diese Herausforderungen eine Antwort bietet. In überschaubaren Wohnanlagen an mittlerweile 25 Standorten im süddeutschen Raum, sind im wahren Wortsinn „Lebensräume" entstanden, in denen verschiedene Generationen miteinander leben können und wollen. Die Größe der Wohnanlagen liegt zwischen 13 und 85 Wohneinheiten. Zusammen genommen begleitet die St. Anna-Hilfe mehr als 800 Wohneinheiten. Die Wohnungen sind mit 1,5 bis 4 Zimmern und 40 bis 100 Quadratmetern für junge und ältere Bewohner, Alleinstehende, Paare oder Familien interessant. Sie sind über Aufzüge zu erreichen, haben eine barrierefreie Ausstattung, rollstuhlgeeignete Bäder und keine Türschwellen, und sind damit auch für die Pflege geeignet.
Der größte Teil der Wohnungen wird an Privateigentümer verkauft, zur Eigennutzung, als Kapitalanlage oder als Vorsorge für die Zukunft. Wer seine Wohnung nicht oder nicht sofort selbst nutzen oder sie Familienangehörigen überlassen möchte, lässt sie über die St. Anna-Hilfe vermieten und bekommt dafür eine garantierte Miete. Dadurch kann die Belegungssteuerung vollzogen werden. Kauf- und Mietpreise orientieren sich an den örtlichen Vergleichswerten. Bei der Wohnungsvermietung werden in erster Linie Bewohner der örtlichen Gemeinde berücksichtigt. Außerdem gilt der Verteilungsgrundsatz: zwei Drittel ältere Bewohner und ein Drittel jüngere. Die St. Anna-Hilfe übernimmt die Verwaltung für die Wohnungseigentümergemeinschaft, die Generalanmietung, die Mietverwaltung sowie die Hausbewirtschaftung und setzt vor Ort Fachkräfte der Gemeinwesenarbeit als Ansprechpartner für die Bewohner ein.
3.1 Wohnen in lebendiger Gemeinschaft
Entgegen der Vollversorgung in Pflegeheimen ist das Konzept der Lebensräume auf Aktivität, Selbst- und Nachbarschaftshilfe hin orientiert. Wer aktiv ist, bleibt länger jung. Diese Erfahrung liegt dem Konzept der Lebensräume für Jung und Alt zugrunde. Die Bewohnerstatistik zeigt, dass entsprechend unseren Zielsetzungen die Belegung der Lebensräume von nahezu allen Altersgruppen bewohnt wird. Im Schnitt sind die Bewohner 48 Jahre alt. Das hebt sie deutlich vom Durchschnittsalter des Altenhilfesegmentes „Betreutes Wohnen" ab, das ein Durchschnittsalter von 78 Jahren hat. Für das Selbsthilfekonzept spielen insbesondere die Altersgruppen der