Unter Jungs: Wie man fünf Söhne bändigt ... oder auch nicht
By Casjen Carl
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Unter Jungs - Casjen Carl
2015
Lizenz zum Töten
Ein Garten mit fünf Jungen ist eine selten glückliche Fügung. Zwei kicken eins gegen eins zwischen den Toren, einer stöbert im Dickicht nach Schätzen, die beiden kleinsten Buben sitzen im Sand und üben sich in gerechter Arbeitsteilung. Wenzel backt Kuchen, Adam kostet.
Die Idylle wird aber gestört. Von Mücken, Wespen und den wirklich üblen Schnecken. Was die Eltern vor ethisch komplizierte Fragen stellt. Was beispielsweise ist die richtige Reaktion, wenn einer der Knaben sich zum Töten anschickt? Bei Mücken fällt die Entscheidung im Handstreich. Oder besser mit einem Handschlag, zu dem er spontan ermuntert wird. Regenwürmer dagegen – „Sie graben unsere Beete um!« – erhalten väterlichen Beistand. Ebenso Ameisen, auch wenn sie den Kindern durchaus als Schmerzbringer bekannt sind.
Was aber wird aus Schnecken, die skrupellos auf unseren Beeten wildern? Sie loszuwerden, steht ohnehin als Problem. Ein Wegweiser zum Nachbarn, wo die Kriecher der Tod zwischen der Schere erwartet, wirkte bisher nicht. Also den Jungen die Lizenz zum Töten ausstellen und eine Schere in die Hand drücken? Die Frage bringt Erziehungsberechtigte in eine seelische Notlage. Adam half nun bei der Entscheidung ein Stück weiter, als er ein kleines Exemplar zerbiss. Dann doch lieber die Schere.
Endlich ein Haustier
Die Kleinen wollen schon seit Monaten ein Haustier. Als große Naturexperten sind sie mit der Lebensweise vieler Vierbeiner oder Kriechtiere vertraut. Der Dreijährige versteht es prächtig, den kauenden Kater der Oma zu imitieren. Kopf leicht zur Seite, ein Auge halb zu, böser Blick und kräftig schmatzen.
Caspar als großem Mimen gelingt es wiederum exzellent, die Pose des Bruders nachzustellen. Adam, mit zehn Monaten, versucht sich gerade an den Essgebaren der Ferkelchen. Finger komplett im Trog – Verzeihung! – in der Tasse, die kurzen Borsten kräftig mit Brei eingeweicht.
Aber so ein echtes Tier im Hause, um das sich Mama oder Papa dann kümmern könnten, das wär schon was.
Nun also wurde der Wunsch erfüllt. Ein Mäuschen hatte sich eingeschlichen und knusperte munter in der Küche vor sich hin. Ließ es hinter dem Herd scheppern und kleine dunkle Klümpchen fallen. Von der elterlichen Sorge um die Essensvorräte der Familie angetrieben, folgte die Großwildjagd. Mit einem Spielzeugkäscher gelang es sogar, das Tierchen vor die Tür zu befördern.
Aber das kleine braune Ding hatte Sehnsucht nach den kleinen Burschen. Kam wieder und ließ sich tatsächlich ein zweites Mal fangen. Mit einer Lebendfalle. Thüringer Knackwurst wurde zum Verhängnis.
Der leicht müffelnde Geruch – des wohl Mäuse-Jungen – verdrängte aber schnell den Wunsch, ihn länger einzuquartieren. Aus die Maus! Er oder sie wurde einen Kilometer entfernt der Natur wiedergegeben.
Die Frau im Haus versprach aber fürs nächste Jahr ein echtes Haustier. Eine Katze.
Jugendamt bei uns zu Hause
Wochen gingen ins Land.
Dass wir uns erst heute und an dieser Stelle dem Thema stellen, mag an dem Schock liegen, den der Tag im tristen Spätherbst mit sich brachte.
Die städtischen Amtsstuben waren kaum verlassen, der Filius bereits im Kindersitz festgezurrt, da blitzte in seinen Händen eine kleine Gummipuppe. Der nicht einmal zweijährige Knabe hatte sie zur Überbrückung der elterlichen Formular-Ausfüllstunde bekommen und nun wohl die übereilte Abreise genutzt, um einen unrechtmäßigen Besitzerwechsel vorzunehmen.
So gelangte das Beutestück – selbstverständlich unter Protesten des Fahrers – mit nach Hause. Das Gummi-Ding durfte am nächsten Vollbad des Missetäters teilnehmen und erhielt einen passenden Namen. Den seiner Heimat: Jugendamt.
Der zwischenzeitlich gefasste Entschluss, den kleinen Kinderzimmer-Bewohner wieder in seine natürliche Umgebung zurückzuführen, musste verworfen werden. Jugendamt war schlicht weg.
Aber nicht etwa ausgebüxt. Unter der dicken Schneedecke des Winters hatte er sich versteckt. Kam schließlich viel später mit völlig eingefallenem Bauch wieder zum Vorschein. So durfte er noch bleiben, zum Aufpeppeln.
Übrigens: Jugendamt ist ein Monster – aber ein sehr freundlich ausschauendes.
Einer spinnt immer
Jedes Mal freue ich mich aufs Einkaufen. Vor dem Jungs-Wochenende, wenn das Quintett komplett ist, gereicht es zum besonderen Vergnügen.
Geht der Große mit auf Tour, ganz besonders. Als Sportler sprintet er nämlich die langen Gänge im Supermarkt flink entlang, um die für sieben Leute nötigen Waren des täglichen Bedarfs zusammenzusuchen. Aus der Milch-Ecke geht’s rüber zum Fleisch-Boulevard und danach gleich in das Obst-Karree. Friedrich derweil als Kutscher den Wagen steuert.
Sind Caspar und Wenzel mit am Start, dauert selbstverständlich alles ein wenig länger, der Unterhaltungswert ist aber ungleich höher.
Verstecken spielen? Kein Problem. Wenzel habe ich schon zwischen Hosenstapeln aus einem langen Regal gezogen. Aber ihn auch nur gefunden, weil der Knabe perfekt auf den Ruf „Mäuschen piep einmal« eingespielt ist.
Caspar wählt eher die Distanz als Versteck und düst mit seinem Laufrad bis zu den Spielsachen oder verschwindet zwischen den DVD-Regalen.
Weniger vergnüglich ist dagegen die Abreise. Nicht nur wegen des vollgestapelten Einkaufswagens, dessen Inhalt zweimal – vom Korb aufs Band und vom Band in den Korb – umgeschichtet werden muss.
Diesmal ist es Wenzel, der das Finale bestreitet. Den Traktor will er partout nicht zurück ins Regal legen. Es endet mit einem Wutanfall und er liegt langgestreckt auf dem Fußboden. Wie gut tut da der Beistand einer Kundin: „Ich habe vier, und einer spinnt immer."
Papa, wie weit ist es noch?
Ein guter Urlaub beginnt mit einem Kindergartentag. Drei Helfer beim Auto packen wären doch zu viel des Guten.
Start nach dem Frühstück des folgenden Tages. Die Rechnung geht auf. Adam auf dem Beifahrersitz verleiert schon am Ortsausgang die Augen, sein nächstgrößerer Bruder muss aber schon auf Höhe des Rastplatzes Thüringer Becken pullern. Als Caspar, unser Filou, kurz nach Halle ruft: „Guck mal, ein Schiff mit Anhänger. Es ist nicht mehr weit«, wissen wir, unsere Reisegruppe ist von großem Optimismus geprägt.
Da die Fahrt als Dreistufenrakete geplant ist, vergeht sie trotz der Zielmarke polnische Ostseeküste wie im Fluge. Als Erstes wird vorgelesen vom Indianerjungen Yakari. Nun folgt die zweite Werbeeinblende, denn auch die Hörspielphase – schmutziger Rock aus Autolautsprechern war früher – folgt den Abenteuern des Trickfilmhelden Yakari.
Mit der dritten Stufe wird unwiederbringlich der Weg pädagogisch wertvoller Erziehung verlassen. Als Urlaubsüberraschung wird ein DVD-Player hervorgezaubert. Er erfährt seine Premiere – natürlich mit einem Yakari-Trickfilm.
Ruhe auf den billigen Plätzen. Der mitreisenden Dame gelingt ein Blick ins Nachrichtenmagazin, während der Chauffeur darüber sinniert, ob er sich nicht in eine Lkw-Kontrolle schmuggelt, um die Ruhezeiten überprüfen zu lassen.
Als die ganze Bande am Abend am Strand steht, gibt es nur noch einen Gedanken. Das Meer!
Und: Was für eine Sandkiste …
Volle Pulle am Strand
Ist eine lange Autoreise geschafft und das Urlaubsziel erreicht, heißt das nicht, dass alle Probleme aus der Welt sind. Noch gut erinnern wir uns an den panischen Ruf von der Rückbank: Ich muss mal! Während einer der Knaben neben Saft auch die Gelassenheit getankt hat und noch getrost zwei Rastplätze – weil für Kinder absolut unzumutbar – passieren lassen kann, ist es beim anderen Ex-Windelträger höchste Eisenbahn.
Da greifen Erfahrungen von Reisen mit den großen Jungs. Vor zehn Jahren ließen endlose Autobahnbaustellen die Not- entleerung durch Befüllen einer Brauseflasche zum einzigen Ausweg werden. Unter Jungs gesagt, gewisse anatomische Vorteile zahlen sich