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Veraschung: Der Island-Roman erzählt von Vigo LaFlamme
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Ebook176 pages1 hour

Veraschung: Der Island-Roman erzählt von Vigo LaFlamme

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About this ebook

Paul verdient sein Geld mit Beschimpft-Werden. Als er genug davon hat, fährt er nach Island. Er trifft dort auf die Aschewolke, tote Menschen und - rettet fast das verschuldete Griechenland.
Diesen hausgemachten Islandroman werden Sie niemals vergessen! Mit 44 praktischen Island-Reisetipps, 3 Morden, 6 Papageientauchern und 4 Islandpferden (süße Ponys).
Für Liebhaber des absurden Witzes und pfiffige Island-Reisende.
Vigo LaFlamme ist eine echte Entdeckung. Nicht nur ein fantasievoller Erzähler, sondern auch ein hervorragender Island-Kenner. VERASCHUNG setzt einen neuen Trend - ist interaktiver Roman, Thriller und Reiseführer zugleich. Voller Charme, Witz und jeder Menge kleiner und großer Island-Momente. Ein Roman für die ganze Familie und auch die Haustiere.
LanguageDeutsch
PublisherMilena Verlag
Release dateOct 7, 2015
ISBN9783902950598
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    Book preview

    Veraschung - Albrecht E. Mangler

    jetzt!"

    ARSCHLOCH-BONUS

    Das Telefon mit den Wikingerhelmhörnern spielte die isländische Nationalhymne als Klingelton. Paul hob ab, in der Hoffnung beschimpft zu werden.

    »Die DVD hat nicht die indische Tonspur. Was für eine Verarsche!«

    Paul trank ruhig einen Schluck Kaffee.

    »Ich verstehe …«

    »Gar nichts verstehst du, in der Beschreibung steht ›Indische Tonspur‹!«

    Paul streichelte langsam die Wikingerhörner des Telefons mit Daumen und Zeigefinger.

    »Ich verstehe Ihren Ärger, aber …«

    »Was für eine Abzocke soll das sein? Ich schicke den Dreck zurück und das Porto bezahlt ihr Arschlöcher. Wie ist Ihr Name?«

    Paul schaute auf seinen Bildschirm mit den Identitätsvorschlägen für Anruf #22731, übrigens sein dreißigster heute. Adam Wintermann. Ja, das müsste passen. »Ich bin Adam Wintermann«, sagte Paul.

    »Adam – ich schick dir die Scheiße zurück!«

    Paul: »Ich verstehe …«

    Auflegen. Durchatmen, Kaffee, Identitäten aktualisieren. Nächster Anruf – jetzt von einem Kunden einer Fluggesellschaft. Das waren die Schlimmsten.

    Paul arbeitete in einer Beschwerdeagentur. Zwanzig Angestellte, die im Schichtdienst Beschwerden von Kunden entgegennahmen, quer durch alle Branchen und Produkte. Dabei war er doch eigentlich Künstler, der mit Shows in Reykjavík (›Deutscher Humor auf nordischer Bühne‹) die Menschen begeisterte. Dann: Wirtschaftskrise. Bühnen dicht. Super-Jeep weg. Tristesse. Er wurde Junior Complaint Manager.

    Pauls Aufgabe als Junior Complaint Manager (CPM) war es, sich die Nöte der Kunden anzuhören, sie zu beschwichtigen und verständnisvoll nichts zu tun. Im Normalfall hieß das, übelste Beschimpfungen zu ertragen und scheißfreundlich zu sein. Denn selbst wenn Paul wollte – er konnte nichts tun. Nichts! Weil die Unternehmen, die seine Agentur engagierten, das nicht wollten. Deren Credo war: Guter Service ist der, den man nicht braucht (dass sie diesen bieten, davon sind sie überzeugt), und falls doch ausnahmsweise etwas schiefging, dann half Pauls Agentur: Le Monde de la Change (LMdC)p – die Welt des Glücks.

    Das Gute dabei: Paul hatte mit einem Kunden höchstens ein Mal Kontakt, kannte selten die Produkte und die Geschichte des Kunden. Das Schlechte: Paul wurde den gesamten Tag angeschrien, beschimpft, bedroht und und und.

    Jeder Anruf bei LMdC wird aufgezeichnet. Pauls direkte Vorgesetzte, Norma, hatte dabei die Idee, einen Arschloch-Bonus einzuführen. Sobald ein Kunde »Arschloch« am Telefon sagt, erkennt die Telefonsoftware das Wort und schreibt dem Konto des Mitarbeiters 10 Cent gut. Hat man innerhalb einer Woche 100 Euro erreicht (dies entspricht 1000 Arschlöchern), bekommt man die Summe ausbezahlt, zusammen mit einer Flasche Büffelgraswodka. Schönes Wochenende!

    Besagte Flasche Büffelgraswodka

    Bis jetzt hatte nur die Studentin Chicki das geschafft, nach einer Woche 20-Stunden-Schicht und Kreislaufproblemen. Danach kam sie nie wieder. Gerüchte besagen, sie wolle Sinologie studieren oder Yoga-Lehrerin werden. Wie auch immer.

    Ach, und die Sache mit den Identitäten: Für jeden Anrufer erstellt der Computer automatisch vier verschiedene Identitäten, mit denen die Mitarbeiter von LMdC den Anruf annehmen können. Grund dafür waren unschöne Ereignisse mit renitenten Kunden in der Vergangenheit, die über das Internet die Adresse der Mitarbeiter herausgefunden hatten und einfach durchgedreht waren. Einfach so. Schwamm drüber. Bei LMdC wird darüber nicht gern gesprochen – die wilden Gründerjahre … – heute alles professionell.

    Für den gerade anrufenden Fluggesellschaftskunden konnte Paul wählen zwischen:

    1.Ibrahim Özgürti

    2.Mark Unterberg

    3.Mario da Silva

    4.Miroslav Rancic

    Die Namen waren so gewählt, dass sie, je nach Kunde, deeskalierend wirken sollten oder umgekehrt, falls der Schwindel aufflog.p Paul war diese Woche (heute: Donnerstag) gut im Arschloch-Bonus-Spiel! Probleme mit Zügen (ein Zeppelinabsturz bei Frankfurt) hatten viele Bahnkunden der DB aufs Heftigste verärgert, sodass ein verspäteter Zugfahrer nur anrief, um »Ihr Arschlöcher, ihr abgewichsten Fotzenarschlöcher, immer seid ihr Arschlöcher zu spät. Ihr Name, Sie Arschloch« und so weiter und so weiter ins Telefon zu schreien. Insgesamt 20 Arschlöcher jedenfalls.

    Wie gesagt, Paul war gut dabei, arschlochmäßig, wählte den Namen, der seiner Meinung nach das größte Arschlochpotenzial hatte, und hob ab.

    Paul: »Guten Tag, mein Name ist …«

    Kunde: »Hören Sie, mein Flug ist abgesagt! Ich möchte mich beschweren.«

    P: »… Sie können sich gerne beschweren, ich nehme Ihre Beschwerde auf, Herr …«

    K: »Westerdübel. Ich will nach Reykjavík, verdammt. Wann geht mein nächster Flug?«

    In Ermangelung eines Westerdübels, hier: Fensterdübel

    P: »… Können Sie mir Ihre Flugnummer und Ticketnummer nennen?« (Anmerkung: Natürlich kann Paul mit diesen Daten nichts anfangen. Das ist alles Teil der Client Appeasement Policy (CAP), welche von der Customer Relationship (CR) Abteilung entwickelt wurde.)

    K: nennt seine Daten

    P: klappert ein bisschen auf den Tasten (schreibt seinem Kollegen via Instant Messaging ein »Arschloch«): »Tut mir leid, Herr Westerdübel, die Gesellschaft bietet heute keinen Flug mehr an. Bitte buchen Sie einen neuen Flug und wenden Sie sich an Ihren Sachbearbeiter.«

    K: »Was? Ich habe keinen Sachbearbeiter. Ich buche online.«

    P:»Es tut mir leid. Ich kann gerne Ihre Beschwerde weiterleiten.«

    K: »Tun Sie das. Was kann ich jetzt tun (verzweifelter Unterton), meine Schwester heiratet heute …«

    P: »Ich werde Ihre Beschwerde weiterleiten. Guten Tag.« (legt auf)p

    Das Telefon mit den Wikingerhelmhörnern schweigt für eine Weile.

    Kein Arschloch bei Anrufer #22732. Verdammt. Was Paul noch nicht wusste: Heute würden ihn noch viele Anrufe erreichen und die isländische Nationalhymne noch oft aus den Wikingerhelmhörnern ertönen. Alles Anrufe von gestrandeten Fluggästen.

    Am Ende des Tages wird ihm sein Arschloch-Bonus so gut wie sicher sein.

    Ancient Wikingerhelm, Eigentum des Björn Hårfagres, lange her.

    Im Vergleich: Deppenhelm. Eigentum des Kurt Meyer, Köln.

    p Vigo (Erzählerkommentar): Das isländische Hochland könnte nicht so einsam und kalt sein wie diese menschliche Wüste. Übrigens: Im isländischen Hochland ist es sehr schön, auch im Winter, wenn man einen guten Wagen hat. Im Sommer empfehle ich Ihnen zum Einstieg eine Fahrt auf der Kjölur-Route. Ein Erlebnis, die eigenen Gedanken zu hören; z.B. auf dem Weg ins Kerlingarfjöll – großartiger Abstecher. Von Gullfoss kommend einfach nach ca. 50 Kilometern rechts abbiegen.

    p Wie spiegelt sich die Schizophrenie der westlichen Welt in diesem Identitäts-Multiple Choice! Wie viele Identitäten haben Sie? Wenn nicht im realen Leben, dann im Internet? Ich allein habe 5 im Netz, die wirklich falschen nicht mitgezählt. Eine digitale Missetäterwüste. Apropos: Wussten Sie, dass Missetäter in Island in die Wüste geschickt wurden (siehe Foto unten), um dort zu sterben (manche schafften es auch, zu überleben, wenn sie das Glück hatten, eine heiße Quelle zu finden)? Eine solche Quelle ist Hveravellir im westl. Hochland der Insel. Dort kann man im heißen Wasser baden und übernachten. Übrigens: Auf Island wachsen auch Bananen! Z.B. in Hveragerdi. Die vulkanischen heißen Quellen werden für Gewächshäuser genutzt.

    p Hier kann man anerkennen, wie realistisch das Verhalten von Service-Mitarbeitern beschrieben wird. Ich selbst habe den Service (auch auf Island) oft so erlebt. Alternativ könnte hier – wie bei einer meiner Islandreisen geschehen – die Kreditkarte des Kunden einfach belastet werden, ohne ihm etwas davon zu sagen. Im Nachhinein findet sich immer ein Grund, z.B. ein Sandsturm, der Flug der Papageientaucher, ein versiegender Golfstrom oder gerne auch Ascheregen …

    Hier gibt es eigentlich gar keine Fußnote. Sieht aber so leer aus. Es grüßt Sie das süße Pony von Seite 25!

    ISLANDASCHE

    Es sollte »Arschwolke-Bonus« heißen.

    Paul und seine Kollegen waren frustriert, obwohl jeder von ihnen seine Büffelgraswodka-Flasche sicher hatte, und der CAP-Chef zähneknirschend nach Hause gegangen war, um endlich auf der Weltkarte nachzusehen, wo dieses Island und sein Vulkan jetzt genau liegen.

    Da liegt Island. Mittig unten der Eyjafjallajökull-Gletscher mit dem gleichnamigen Vulkan

    Eine Aschewolke hatte sich von Island ausgehend über ganz Europa gelegt. Nicht ganz Europa, aber fast: England, Frankreich, Deutschland. Die Flugsicherung (vor allem die englische)p oder sonst irgendwer hatte entschieden, dass wegen der gefährlichen Aschepartikel aus dem Vulkan kein Flugzeug mehr abheben durfte. Die konnten im schlimmsten Fall nämlich die Triebwerke beschädigen.w

    Das hieß jedenfalls nicht nur, dass kaum Maschinen starten konnten, sondern auch, dass Maschinen zwischenlanden mussten. Weiterflug unbekannt.

    Für die LMdC ein Freudentag, schließlich wurde pro Kundenkontakt abgerechnet. Die Aschewolke, so überschlug Paul selbst mit seinem geringen Wissen über die Abrechnungsstrukturen, hatte bei den rund 1.204 Anrufen in den letzten drei Stunden seiner Schicht rund 500.000 Euro in die Kassen der LMdC gespült.

    Ihre Professionalität ließ sich die LMdC von den Konzernen teuer bezahlen (in Wirklichkeit waren es knapp 880.000 Euro, da LMdC teilweise Zeitarbeiter einsetzt, die deutlich schlechter bezahlt wurden als die Stammbelegschaft –

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