Verirrt - Erzählung über ein Leben mit Hochsensibilität
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About this ebook
Valerie Forster hat sich umfassend mit dieser besonderen Wesensart beschäftigt und ist selbst hochsensibel. So bereichern auch ihre persönlichen Erfahrungen die Erzählung. Authentisch schildert sie, wie es ist, hochsensibel zu sein.
Valerie Forster
Valerie Forster wurde 1985 am Bodensee geboren. Ihre Liebe zur Natur und zu den kleinen Dingen im Leben prägte sie von frühester Kindheit an. Zunächst arbeitete sie als Grafik-Designerin in der Werbebranche. Nach einer Auszeit entschied sie sich zu einem Fernstudium für Autoren und sie absolvierte weitere Fernstudien zu verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebieten und Philosophie. Die reiche Pracht und der Schutz unserer Umwelt sind Kernthemen ihres kreativen Wirkens. Mit ihrer eigenen künstlerischen Sprache sprengt sie Gattungsgrenzen, so gelingt ihr die Verknüpfung von kunstvollen Büchern und Kalendern, Lebenskunst und ihrer Liebe zur Natur. Ihre Fotografien und Illustrationen sind auch in Ausstellungen zu sehen. Bisher erschienen von ihr »Der kleine GROSSE Wolf« und »Verirrt – Erzählung über ein Leben mit Hochsensibilität«.
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Verirrt - Erzählung über ein Leben mit Hochsensibilität - Valerie Forster
Emilie sieht ihren Weg schon vor sich : Erst die Ausbildung, dann arbeiten, Geld verdienen und irgendwie mit anderen mithalten. Kaum erinnert sie sich daran, wie glücklich sie als Kind in der Natur war, wie sie die kleinen Dinge im Leben liebte. Immer wieder spürt sie, dass sie empfindlicher und weniger belastbar ist. Eine wahre Erlösung ist es, als sie erfährt, warum sie anders ist : Sie ist hochsensibel. Während einer Auszeit reist Emilie mit ihrem Vater nach Norwegen. Unterwegs macht sie sich ernsthafte Gedanken über sich und die Menschen. Schließlich lernt sie die Stille in der Natur wieder zu genießen und auch die Vorteile ihrer Hochsensibilität zu schätzen, was ihr einen ganz neuen und eigenen Weg eröffnet. Nachvollziehbar zeigt Valerie Forster, wie befreiend es sein kann, einen zuvor überwiegend als belastend empfundenen Wesenszug plötzlich als Qualität anzusehen.
Valerie Forster wurde 1985 am Bodensee geboren und ist hochsensibel. Schon als Kind war sie draußen in der Natur am glücklichsten, daher sind die reiche Pracht und der Schutz unserer Umwelt für sie untrennbar miteinander verbunden. Zunächst arbeitete sie als Grafik-Designerin in der Werbebranche. Nach einer Auszeit entschied sie sich zu einem Fernstudium für Autoren und sie absolvierte weitere Fernstudien zu verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebieten und Philosophie. Mit ihrer eigenen künstlerischen Sprache sprengt sie Gattungsgrenzen, so gelingt ihr die Verknüpfung von kunstvollen Büchern, Lebenskunst und ihrer Liebe zur Natur. Bisher erschien von ihr »Der kleine GROSSE Wolf«.
Genieße die stillen Wunder,
die in einer lauten Welt keine Bewunderer finden.
Weisheit aus Norwegen
Wirf deine Angst ab,
verlass dich auf deine inneren Hilfsquellen,
vertraue dem Leben,
und es wird dir’s vergelten.
Du vermagst mehr, als du denkst.
Ralph Waldo Emerson
Inhaltsverzeichnis
Prolog
Die seltsame Begegnung
Bilder der Vergangenheit
Ein anderer Blickwinkel
Tiefe Leere
Endlich weg
In den Bergen
Der Kjerag
Regen
Frei
Die Kanufahrt
Auf dem Gaustatoppen
Wandern im Setesdal
Verirrt
Zeit zum Leben
Die Bestimmung
Epilog
Prolog
Wie vom Blitz getroffen saß ich da, erleuchtet von einer Erkenntnis über mein wahres Ich. Die wenigen Zeilen offenbarten mehr über mich als alles, was ich bisher wusste.
»Emilie, das musst du unbedingt lesen«, sagte Mama, hielt mir das aufgeschlagene Programmheft der Volkshochschule hin und zeigte auf den Kurs »Hochsensibel : zu zart für diese Welt?«
Ich legte mein Lieblingsbuch auf die Armlehne des Sessels und nahm ihr das Heft aus der Hand. Meine Gedanken weilten noch beim kleinen Prinzen, so las ich unwillig die ersten Sätze, während sie mich erwartungsvoll ansah : »Hochsensibilität ist bei circa 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung eine angeborene Wesensart. Schon Pawlow, bekannt durch seine Experimente mit Hunden, wies diese Spielart der Natur an Säugetieren und Menschen nach.«
Na toll, dachte ich. Doch bereits ab dem dritten Satz war meine ganze Aufmerksamkeit geweckt : »Hochsensible Menschen haben ein Nervensystem, das Reize bereits bei niedrigen Schwellen verarbeitet, daher sind sie empfindsamer gegenüber Lärm, Temperatur, Geräuschen, Gerüchen, Geschmäcken, Farben, Lichteinfall, Berührung, Stress, Medikamenten und so weiter.«
Sofort erinnerte ich mich an eine Situation aus meiner frühen Kindheit. Im Kindergarten hatte ich mich an Fasching geweigert eine orangene Pappnase aufzusetzen, weil sie so widerlich nach Klebstoff gestunken hatte, dass ich kaum atmen konnte. Mama hatte mich schließlich wieder mit nach Hause nehmen müssen, denn auch das bunte und laute Narrentreiben war für mich unerträglich gewesen. Eklige Gerüche und Geschmäcke oder Bilder von Horrorszenarien verfolgen mich noch heute quälend lange. Zarte, harmonische Klänge und Farben sind mir lieber.
»Sie sind schnell reizüberflutet und haben starke Rückzugsbedürfnisse«, las ich weiter.
In meiner Kindheit hatte ich nur mit drei Freundinnen intensive Kontakte gepflegt. Kam ich mit anderen Kindern zusammen, die wilder waren oder Dinge taten, die mir nicht passten, zog ich mich bald aus dem Spiel zurück. Mein Vater tat sich mit meinem Verhalten oft schwer, aber bei meiner Mutter fand ich die Geborgenheit, welche ich benötigte. Später begann ich Situationen, die mir missfielen, zu vermeiden. Etwa ging ich nie mit in Discos oder auf Partys, allein der Gedanke an die betäubend laute Musik und die Gesellschaft der Betrunkenen war für mich nicht auszuhalten. Wie konnten Jugendliche daran bloß Spaß haben? Mich selbst zu beschäftigen fällt mir dagegen leicht, hier kann ich Dinge nur für mich tun, wie lesen oder die Natur erkunden. Ich schlüpfe gerne in die Rolle der stillen Beobachterin, dafür muss ich mich keinen stressigen Situationen aussetzen, denn unbekannte Gegenden und vor allem große Städte sowie Menschenmassen überwältigen mich leicht.
»Diese ›Weicheier‹ und ›Spinner‹ haben allerdings nicht nur Schwächen und Probleme mit ihrer Umwelt, sondern auch viele Stärken.«
Ich schmunzelte über die Bezeichnungen Weicheier und Spinner, aber so falsch mochten sie wohl nicht sein. Ich kann mich gut in andere Menschen einfühlen und spüre, wenn sie etwas freut oder belastet, ohne dass sie es aussprechen. Wenn jemand aus der Familie einen schlechten Tag hatte oder es Streit gab, bin ich meist die ausgleichende Person, die zuhört und die Harmonie wieder herstellt. Aber ist das eine Stärke? Ich war mir nicht sicher.
»Ihr hoher Gerechtigkeitssinn, ihre Beschäftigung mit Werten und Ethik, ihre Phantasie und Kreativität, sowie die Veranlagung für feinste Wahrnehmungen machen sie zu idealen Künstlern,Therapeuten, Forschern oder Erfindern und Beratern.«
Mein Gerechtigkeitssinn ist tatsächlich sehr stark ausgeprägt. Zertritt jemand achtlos eine Blume oder quält er ein Tier, leide ich mit ihnen, als wäre ich die Betroffene. Unbewusst gebe ich immer wieder Ratschläge, und ich kann Dinge wahrnehmen und erkennen, die anderen häufig verborgen bleiben. Ich sehe sofort, wenn ein Bild schief hängt, als Erste entdecke ich die winzige Zecke im Fell der Katze, und einenWetterumschwung spüre ich schon zwei Tage im Voraus. Phantasie und ein Gefühl für harmonische Farben und Formen habe ich auch, nicht umsonst bin ich Grafik-Designerin. Allerdings geht es mir stets ums Kreative, an die wirtschaftlichen und profitorientierten Denkweisen konnte ich mich nie gewöhnen. Die Arbeitsmethoden anderer erscheinen mir oft unüberlegt und chaotisch, weil sie einfach drauflosmachen, ohne vorher zu überlegen. Für Philosophie interessiere ich mich nicht erst, seit ich vor Jahren »SofiesWelt« verschlungen habe.
»Die Referentin ist selbst hochsensibel und gibt Einblick in internationale Forschungen zum Thema. Im Seminar gibt sie Kraft und macht Mut die eigene Hochsensibilität zu leben.«
Ich sah Mama an, dann wieder die Anzeige, die ich eben gelesen hatte, ich musste erst meine Sprache wiederfinden.
»Das ist ja unglaublich«, brach es endlich aus mir heraus, »das bin doch ich, genau so könnte ich mich beschreiben.«
»Das dachte ich auch, als ich es las«, sagte sie.
Ich hatte mich immer gefragt, ob alle Menschen das Gleiche wahrnehmen, etwa in einer Farbe den exakt selben Farbton sehen, oder eine Belastung gleich stressig empfinden. Immer wieder hatte ich den Eindruck, es müsste Unterschiede geben, nun brauchte ich mich nicht länger fragen.
Die Neuigkeit, dass Hochsensibilität keine Krankheit ist und ich trotz allem »normal« war, was früher nicht nur mancher Lehrer bezweifelte, kam genau zur richtigen Zeit. Ich hatte meine Arbeitsstelle gekündigt, weil ich die belastenden Umstände nicht länger ertragen konnte.