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Milarepa - Herr der Yogis
Milarepa - Herr der Yogis
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Ebook485 pages6 hours

Milarepa - Herr der Yogis

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About this ebook

Das Leben von Jetsün Milarepa.
Die bewegende Lebensgeschichte von Tibet’s berühmtestem Yogi und tantrischen Meister aus dem 11. Jahrhundert. Er war Praktikant des „inneren Feuers“ und Vorvater einer großen buddhistischen Übertragungslinie Tibets (Kagyü) und ist bekannt für seine „hunderttausend“ spontanen Erleuchtungsgesänge, die Macht seiner Hingabe, sein allumfassendes Mitgefühl und die Tiefe seiner Verwirklichung. Dies ist die erste deutsche Übersetzung direkt aus dem Tibetischen.

„Die Lehren der geflüsterten Übertragungs-Linie sind der warme Atem der Dakini“
Milarepa

Kaum eine Lebensgeschichte eines großen Meisters und Yogis ist inspirierender als jene von Jetsün Milarepa, der angesichts unvorstellbarer Schwierigkeiten am Ende doch zur Befreiung gelangte. Bodhiraja, einer seiner Hauptschüler, zeigt sich von Milarepas Qualitäten und unglaubliche Hingabebereitschaft in seiner Praxis so beeindruckt, dass er fest daran glaubt, dieser sei kein Mensch, sondern bereits von Geburt an ein Buddha oder höherer Bodhisattva. Darauf angesprochen, entgegnet Milarepa: „….. es gibt keine hinderliche Einstellung und keine schlimmere Art, den Dharma misszuverstehen. Eine solche eingeengte Sicht macht es Dir unmöglich zu akzeptieren, dass ein gewöhnlicher Mensch wie ich, nachdem er in seiner Jugend schlimme Verbrechen beging, durch den Glauben an das Gesetz von Ursache und Wirkung das Interesse an den Belangen dieser Welt aufgeben und auf dem unbeirrten Weg unabgelenkter Meditation Erleuchtung erlangen kann.“
Milarepa macht damit deutlich, dass ein Jeder von uns in seinem jetzigen Leben Erleuchtung erlangen kann, ganz gleich wie tief er in den Kreislauf der Existenzen verstrickt ist, weil die Unterweisungen und Praktiken des Vajrayana ein unvorstellbares Kräftepotential besitzen. Voraussetzung ist nur ein angemessenes Bemühen, die richtige Einstellung und Motivation.

In dem von Milarepa hinterlassenen Vermächtnisbrief heißt es: „Die früheren Buddhas prophezeihten, dass ein jedes Wesen, das Hingabe verspürt, wenn es nur einmal meinen Namen hört, für die nächsten sieben Lebenszeiten nicht in niederen Bereichen wiedergeboren wird und sich überdies an die Lebenszeiten wir erinnern können.“
LanguageDeutsch
PublisherThomas Roth
Release dateMar 1, 2015
ISBN9786050361117
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    Book preview

    Milarepa - Herr der Yogis - Sequoyah Verlag - Edition Mandarava

    Vorwort des Übersetzers

    Lange Jahre trug ich mich mit dem Gedanken, eine deutsche Übersetzung der Lebensgeschichte des wohl berühmtesten aller tibetischen Yogis, Jetsün[1] Milarepa (1040-1123), anzufertigen. Ebenso lange Jahre schreckte ich vor der schieren Größe dieses Projektes zurück, denn ich wollte nicht einfach eine Übersetzung der vorliegenden englischen Versionen vorlegen, sondern diesen Text direkt aus dem Tibetischen ins Deutsche übertragen, was meines Wissens bisher noch nie getan wurde. Die „Größe dieses Projektes liegt dabei weniger in der Seitenzahl oder Stärke des Originals begründet, sondern eher darin, eine sowohl leserliche als auch akkurate Übersetzung vorzulegen. Drei, bzw. vier meiner Vorgänger haben sich bereits um diese Arbeit verdient gemacht. Jaques Bacot, der bereits 1925 die wohl erste Übersetzung in eine westliche Sprache überhaupt vorlegte, „La Poete Tibetain Milarepa, 1971 nachgedruckt als „Milarepa: Ses mefaits, Ses epreuves, Son illumination"; Kazi Dawa-Samdup und W.Y. Evans-Wentz, die 1928 mit einer englischen Version folgten, „Tibet‘s Great Yogi Milarepa, eine Adaption dieser Übersetzung erschien 1965 in London; und Lobsang P. Lhalungpas englische Neuübersetzung „The Life of Milarepa von 1984. Trotz einiger Unstimmigkeiten und Ungenauigkeiten, welche die ersten beiden Übersetzungen enthalten, muss ich den Hut vor diesen frühen Übersetzern ziehen, denn es ist ihnen trotz allem gelungen, den Geist der Biographie Milarepas einzufangen und Werke von fast ebenso poetischer Tiefe und Schönheit abzuliefern, wie sie das tibetische Original enthält. Ich habe mich oft gefragt, wie Bacot und Samdup/Wentz überhaupt soweit kommen konnten, ohne die Tibetischen Wörterbücher, Lexika und Geschichtsbücher, die uns heute zur Verfügung stehen. Zwei weitere Werke, die sich mit dem Leben von Milarepa beschäftigen, sind der Beschreibung von traditionellen tibetischen Rollbildern gewidmet, Thangkas genannt, die das Leben dieses beispiellosen Meisters illustrieren. Sie wurden 1952 von Toni Schmid und 1986 von Edward Henning verfasst.[2]

    Von diesen drei erstgenannten war es die englische Übersetzung von Dawa-Samdup und Evans-Wentz, die vor vielen Jahren, 1971, ins Deutsche übertragen wurde. Warum nun, so mag man sich fragen, eine neue Übersetzung? Nun, zum einen wurden Bacots und Evans-Wentzs Übersetzungen zu einer Zeit angefertigt, da die Lehren des sogenannten Vajrayana-Buddhismus im Westen noch nahezu unbekannt waren. Die ihm eigene Terminologie war den damaligen Übersetzern nicht geläufig, und viele Textstellen in Milarepas Biographie wurden zwangsläufig nicht immer ganz korrekt verstanden oder zumindest mitunter falsch interpretiert. Seit nunmehr über 30 Jahren haben viele tibetische Meister, insbesondere aus der Kagyü-Tradition des Jetsün Milarepa selbst, den Westen bereist und die Lehren und Unterweisungen des Buddhismus zu uns gebracht. Deswegen sind wir heutzutage in der glücklichen Lage, auf das Wissen und die Hilfe authentischer tibetischer Meister zugreifen zu können und so viele Schwierigkeiten bei der Übersetzungsarbeit relativ schnell und einfach aus dem Weg zu räumen. Besonders die Übersetzung von Lobsang P. Lhalungpa muss hier nochmals Erwähnung finden, denn wohl kaum jemandem ist es gelungen, die oft obskuren umgangssprachlichen Redewendungen des Tibetischen des 12. Jahrhunderts, die der Text enthält, so gut und treffend in die „moderne Sprache" unserer Zeit zu übertragen. Kaum jemand kann hoffen, ihn dort zu übertreffen, und ich habe mich bei solchen Textstellen oft an seiner Übersetzung orientiert.

    Zum anderen hat mich dieser Text selbst seit über 25 Jahren immer wieder derart fasziniert und inspiriert, dass es mir einfach ein persönliches Bedürfnis war, eine neue Übersetzung anzufertigen. Oft wurde und wird Milarepa nach wie vor als ein Beispiel für einen Praktizierenden herangezogen, der das Ideal des Vajrayana-Buddhismus verkörpert: ein Praktizierender, der die vollständige Befreiung oder Erleuchtung in einem Leben erlangt hat. Und schließlich hat es mich gereizt, diesen Text erstmals direkt aus dem Tibetischen ins Deutsche zu übertragen. Oft verliert sich der ursprüngliche Sinn und Charme des Originals, wenn man es aus einer dritten Sprache übersetzt. Daher habe ich mich nach Kräften bemüht, so nahe wie möglich am Originaltext zu bleiben und auch den mitunter etwas rustikalen Sprachgebrauch beizubehalten, anstatt möglichst elegante oder gekünstelte Redewendungen zu finden. Ich hoffe, es ist mir wenigstens anflugsweise gelungen.

    Die tibetischen Ausgaben, die mir bei meiner Arbeit zur Verfügung standen, sind ein Blockdruck aus Manali/Indien mit dem Titel „rnal ‘byor gyi dbang phyug dam pa rje btsun mi la ras pa‘i rnam thar thar pa dang thams cad mkhyen pa‘i lam ston" und eine weitere Version desselben Textes, zusammen mit dem „rje btsun mi la ras pa‘i rnam thar rgyas par phye ba mgur ‘bum", den sogenannten „Hunderttausend Gesängen des Milarepa", die ich vor Jahren in einem tibetischen Buchladen in Boudhanath in Kathmandu/Nepal erstand, sowie eine vor einigen Jahren in Nangchen/Osttibet herausgegebene Neuauflage des ersten Textes. Eine weitere Ausgabe, die mir erst kürzlich zukam, trägt den Titel „rnal ‘byor gyi dbang phyug chen po mi la ras pa‘i rnam mgur". Sie wurde in Amdo in Nordosttibet herausgegeben. Auch in Tibet erfreut sich die Biographie dieses ,Herrn der Yogis‘ nach wie vor größter Beliebtheit.

    Darüber hinaus habe ich die Geschichtswerke „chos byung mkhas pa’i da‘ ston" vom zweiten Pawo Rinpoche, Tsuglag Threngwa (dpa‘ bo gtsug lag phreng ba, 1504-1566) und „bka‘ brgyud gser phreng" vom achten Situ Rinpoche, Chökyi Jungne (si tu chos kyi ‘byung gnas, 1700-1774) sowie „deb ther sngon po" von Gö Lotsawa Shönu Pal (‘gos lo tsa ba gzhon nu dpal, 1392-1481) zu Rate gezogen. Alle drei Werke enthalten diverse Kurzbiographien der frühen Kagyü-Meister.

    All diese verschiedenen Ausgaben der Biographie Milarepas stimmen im Großen und Ganzen miteinander überein. Vor- und Nachworte unterscheiden sich mitunter, und hier und da gibt es einige orthographische Unterschiede. Der Inhalt ist aber zu 95 % identisch. Lediglich die abschließenden Bemerkungen unterscheiden sich von Ausgabe zu Ausgabe ein wenig.

    Obwohl es seit einigen Jahren fast schon üblich ist, manche Namen und Fachtermini in westlichen Übersetzungen ins Sanskrit zurück zu übertragen, habe ich in diesem Fall – bis auf einige wenige Stellen – ganz explizit davon abgesehen. Dieser Text wurde nicht in Indien verfasst, sondern in Tibet. Er wurde nicht in Sanskrit, sondern in Tibetisch geschrieben. Ich hoffe, damit ein kleines bisschen an Authentizität beibehalten zu haben. Wo es mir nötig erschien, habe ich ergänzende Worte in Klammern eingefügt. Auch alle Fußnoten, sowie Anhang und Glossar stammen von mir.

    Thomas Roth (Sherab Drime), Kathmandu 2005

    Einleitung

    Diese Biographie von Jetsün Milarepa wurde von einem tibetischen Meister namens Tsang Nyön Heruka (gtsang smyon he ru ka, 1452-1507)[3] Jahrhunderte nach Milarepas Tod verfasst und erstmals 1488 in Latö (la stod lho shel phug) herausgegeben. Bis dahin wurden die vielen Geschichten, die sich um sein Leben ranken, und seine berühmten spirituellen Gesänge ausschließlich mündlich überliefert. Aus Tsang Nyön‘s eigener Biographie ersehen wir, dass es ihm ein Anliegen war, diese spezielle Version des Lebens von Milarepa, die bis dahin ausschließlich mündlich überliefert wurde und im Begriff war, in Vergessenheit zu geraten, zu Papier zu bringen, um sie so für die Nachwelt zu erhalten. Ihm verdanken wir es also, dass diese Geschichten und Gesänge nicht im Dunkel der Jahrhunderte verloren gingen, sondern uns auch heute immer noch zugänglich sind und uns so gestatten, uns auf relativ einfache Art und Weise mit den Lehren und Ideen des Buddhismus vertraut zu machen. Darüber hinaus mag das Beispiel Milarepas den einen oder anderen zum Nacheifern inspirieren, so wie es Generationen tibetischer Praktizierender inspiriert hat und es nach wie vor tut.

    Es liegt auf der Hand, dass in der heutigen Zeit und Gesellschaft, gleich ob man im Westen oder im Osten lebt, wohl kaum noch jemand in der Lage sein wird, wie Milarepa alles hinter sich zu lassen und den Rest seines Lebens meditierend in einsamen Höhlen zu verbringen. Aber das ist auch nicht der Punkt. Was uns diese beispiellose Biographie vermitteln will ist, dass es für ausnahmslos jedermann möglich ist, den Pfad, der zur Befreiung aus dem Kreislauf der Existenzen führt, zu beschreiten. Das Beispiel Milarepas zeigt uns, wie selbst jemand, der größte Negativität auf sich geladen und schlimmste Verbrechen begangen hat, diesen Pfad erfolgreich bewandern und zur vollen Reifung bringen kann. Dazu ist es allerdings auch notwendig, wenigstens ein Mindestmaß an buddhistischen Grundlagen zu studieren und den stufenweisen Weg der Praxis, mit seinen herkömmlichen und außergewöhnlichen vorbereitenden Übungen, den Praktiken der diversen Yidam[4]-Gottheiten und den damit einhergehenden Übungen der Entstehungs- und Vollendungsprozesse etc., zu beschreiten. Einzig und allein auf einer solchen Grundlage kann weiterführende Praxis erfolgreich sein. Die heutzutage, besonders im Westen grassierenden Ideen und fadenscheinigen Begründungen, warum man sich diese Übungen sparen könne, sind nichts weiter als falsche Ansichten, die auf der Unkenntnis grundlegender Punkte basieren. Wie man im ersten Kapitel des zweiten Teils der Biographie nachlesen kann, gab sich auch Milarepa kurzzeitig solchen Ideen hin, sah aber schnell ein, dass es auf solche Art und Weise keinen Erfolg oder Fortschritt geben kann.

    Milarepa verlor seinen Vater früh und fiel mit seiner Mutter und Schwester in die raffgierigen Hände eines Onkels und dessen Frau, die die Familie wie Leibeigene behandelten und sie systematisch ihres nicht unbeträchtlichen Reichtums beraubten. Verbittert über dieses schwere Los, trug ihm seine Mutter auf fortzugehen und Schwarze Magie zu erlernen, um sich so an den verräterischen Verwandten zu rächen. Er tat, wie ihm geheißen wurde und praktizierte die erlernte Magie mit verheerendem Erfolg. Gleich fünfunddreißig Mitgliedern der Familie wurden seine Verwünschungen gleichzeitig zum Verhängnis. Schließlich erkannte Milarepa die Tragweite seines Tuns und wurde von tiefster Reue erfasst. In diesem Augenblick wurde der Wunsch in ihm geboren, den wahren Dharma zu finden und zu praktizieren und er begab sich auf die Suche nach einem authentischen Meister. Wie wir sehen werden, musste er sich zahlreichen Prüfungen und großen Härten unterziehen, bis er schließlich die ersehnten Lehren und Unterweisungen erhielt. Aber er gab nicht auf und wurde schließlich zu dem, als den wir ihn kennen, einem ,Herrn der Yogis‘.

    Es ist also wichtig zu verstehen, dass Milarepa sich nicht nur der Möglichkeiten, die sich ihm boten, versicherte und sich dann wohlwollend nickend zurücklehnte, wie es sowohl zu seiner Zeit als auch heutzutage nur all zu viele sogenannte Praktizierende tun. Er stürzte sich stattdessen Hals über Kopf in die „Materie" hinein, wohlwissend, dass nur das tatsächliche Praktizieren dieser Lehren zum Erfolg führen kann.

    Ein weiterer wichtiger Punkt, der dem Leser vermittelt werden soll, ist die Effizienz der Lehren und Praktiken des Vajrayana. Egal wie tief der Einzelne in die Wirrnisse von Samsara verstrickt sein mag, er oder sie kann sich daraus befreien. Einzig und allein unser starker Wunsch, dies zu tun, willens zu sein, die eine oder andere Annehmlichkeit aufzugeben und eventuell einige Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen, und letztendlich unser Durchhaltevermögen sind ausschlaggebend.

    Die Ideen und Unterweisungen, die sich in dieser Biographie finden, sind also keineswegs nur das Gedankengut einer längst vergangenen Epoche, sondern nach wie vor lebendig und anwendbar. Tatsächlich ist die Tradition oder Schule Milarepas, begründet von seinem Meister „Marpa Lotsawa[5], dem Übersetzer" (mar pa lo tsa ba chos kyi blo gros, 1012-1097), nämlich die Kagyü-Tradition des Tibetischen Buddhismus, weiterhin sehr lebendig und wird von den Nachfolgern dieser beiden Meister bis zum heutigen Tag aufrechterhalten und fortgeführt.

    Diese Tradition oder Schule nahm ihren Anfang im alten Indien mit den Meistern Tilopa (ti lo pa, 988-1069) und Naropa (na ro pa, 1016-1100). Marpa, weder Mühen noch Kosten oder Gefahren scheuend, reiste dreimal nach Nepal und Indien um die kostbaren mündlichen Unterweisungen von Naropa und anderen Meistern wie Maitripa, Kukuripa etc. zu erhalten und brachte diese nach Tibet zurück, wo er sie ins Tibetische übersetzte und an seine Schüler weitergab. Unter seinen vier Hauptschülern[6] war Milarepa derjenige, der dazu bestimmt war, diese Lehren nach ihrer Meisterung an seine eigenen Schüler weiterzugeben. Die beiden wichtigsten Schüler Milarepas waren der berühmte Gampopa[7] (sgam po pa, 1079-1153) und der weniger bekannte Rechung Dorje Dragpa (ras chung rdo rje grags pa, 1084-1161) oder kurz Rechungpa[8]. Rechungpa finden wir in der vorliegenden Biographie wieder als denjenigen, der Jetsün Milarepa immer wieder bittet, doch weitere Geschichten aus seinem Leben zum Besten zu geben, zur Erbauung und Inspiration seiner Zuhörer. Gampopa, anders als Milarepa und Rechungpa, war ein ordinierter Mönch und begründete eine heute noch starke klösterliche Tradition, die es ermöglichte, die Linie und Lehren der Kagyü-Schule bis auf den heutigen Tag lebendig zu erhalten. Seine Schüler – und wiederum deren Schüler – wurden so zu den Begründern der sogenannten „Vier Großen und Acht Kleinen Kagyü-Linien".[9]

    Rechungpa und seine Schüler folgten eher dem Beispiel Milarepas und zogen als nicht sesshafte Yogis durch Tibet und die Grenzregionen von Nepal, Bhutan und Ladakh und meditierten in einsamen Wäldern oder menschenleeren Bergeinöden und Höhlen. Dies erklärt sicherlich zum Teil, weshalb er weit weniger bekannt ist als sein berühmter Mitstreiter Gampopa. Die Lehren und Unterweisungen von Rechungpa werden heutzutage in erster Linie innerhalb der Drugpa-Kagyü-Linie praktiziert und lebendig erhalten.

    Die Geschichte von Milarepa fand in einer Zeit statt, die in Tibet als die „zweite Übersetzungsperiode" bekannt ist. Die erste Übersetzungsperiode fand im achten und neunten Jahrhundert statt und wurde von Meistern wie Guru Padmasambhava, Khenpo Bodhisattva, Vimalamitra, Vairochana etc. initiiert. Der damalige tibetische König, Trisong Detsen (khri srong de‘u btsan, 790-844), dessen Herzenswunsch es war, den Dharma – die Lehre des Buddha – in Tibet als die Hauptreligion einzuführen, lud diese Meister nach Tibet ein und bat sie die buddhistische Lehre im Lande zu etablieren und mit der Ausbildung von kompetenten Übersetzern zu beginnen, die in der Lage sein würden, die große Menge der Unterweisungen des Buddha und der reichhaltigen Kommentarliteratur – in erster Linie aus dem Sanskrit –ins Tibetische zu übersetzen. Diese Arbeit begann im großen Stil und vieles wurde übersetzt und kommentiert, Klöster wurden gegründet, Mönche und Nonnen ordiniert, und alles nahm einen glücksverheißenden Anfang. Dieser Periode folgte jedoch eine Zeit der Verfolgung und Unterdrückung durch einen Nachfolger des Königs, Langdarma (glang dar ma, 906 ermordet), der sich nach Kräften bemühte, den Buddhismus in Tibet wieder auszulöschen. Klöster wurden zerstört und gebrandschatzt, Mönche ermordet, Bibliotheken verbrannt, und es ist nur einer kleinen Gruppe von nicht ordinierten Laienpraktizierenden zu verdanken, dass die so mühevoll übersetzten Lehren im Untergrund fortgeführt und weiter praktiziert wurden.

    Nur allmählich erholten sich die buddhistischen Institutionen Tibets von diesem Schlag, und erst im zehnten und elften Jahrhundert kam der Buddhismus dort zu einer neuen Blüte. Auch in Indien war die Zeit nicht stehen geblieben, und die verstrichenen Jahrhunderte hatten eine große Zahl von gelehrten und realisierten Meistern hervorgebracht. Insbesondere die Tradition der indischen Mahasiddhas[10] sollte sich als äußerst fruchtbar erweisen. Es muss eine Zeit des Aufbruchs und Neuanfangs in Tibet gewesen sein, und heute berühmte Meisterübersetzer wie Drogmi Lotsawa (brog mi lo tsa ba, 993-1050), Ra Lotsawa (rwa lo tsa ba), Lochen Rinchen Sangpo (blo chen rin chen bzang po, 957-1055), um nur einige der berühmtesten zu nennen, scheuten weder Mühen oder Gefahren noch Kosten, um nach Indien zu reisen und die kostbaren Lehren des Buddha von den dort lehrenden Meistern zu erbitten. Oft unterzogen sie sich langwierigen Perioden der Akklimatisierung in Nepal, um sich auf die so völlig anderen klimatischen Bedingungen Indiens einzustellen. Wie man sich vorstellen kann, war auch das Reisen selbst mitunter von vielen Gefahren begleitet, wie etwa von unbekannten Krankheiten, Banditen und wilden Tieren. Diese Perioden der Akklimatisierung konnten mitunter Jahre dauern und wurden oft dazu genutzt, die Kenntnisse des Sanskrit und anderer indischer Sprachen zu vertiefen, bevor diese tibetischen Übersetzer dann weiterzogen, um die indischen Lehrer aufzusuchen.

    In diesem Klima brach auch Milarepas Lehrer, Marpa der Übersetzer auf, um den Buddhadharma zu erlernen und nach Tibet zu bringen. Er wurde zu einem der berühmten großen Meisterübersetzer dieser Zeit, der sich nicht nur – wie auch viele seiner Kollegen – durch große Gelehrsamkeit auszeichnete, sondern insbesondere auch dadurch, dass er die Lehren, die er übersetzte und verbreitete, selbst praktiziert und vollständig realisiert hatte. Nach außen hin lebte er das Leben eines wohlhabenden Bauern und Grundbesitzers, Ehemannes und Familienvaters, und selbst einigen seiner nächsten Nachbarn war nicht bekannt, dass er ein höchst realisierter buddhistischer Meister war. Seine Lebensgeschichte, die mindestens ebenso inspirierend ist wie die von Milarepa, kann man an anderer Stelle nachlesen.

    Ich will den Leser nun nicht mit weiteren langatmigen Vorreden aufhalten, sondern gleich mit dem Text selbst fortfahren. Mein Dank gilt meinem eigenen Lehrer, dem Ehrwürdigen Tenga Rinpoche, der mir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stand, wenn ich nicht recht weiterkam und mich wieder und wieder ermutigte, dieses Projekt zu Ende zu bringen, und meinem guten und langjährigen Freund und Kollegen Edward Henning, mit dem ich den einen oder anderen schwierigen Punkt mal mehr, mal weniger heftig diskutierte. Sollten sich trotzdem Fehler oder Unklarheiten in die Übersetzung eingeschlichen haben, so sind diese einzig in meinem Unverstand begründet, und ich hoffe, der Leser möge nachsichtig mit mir sein.

    Zuletzt lassen Sie mich dem Wunsch Ausdruck geben, dass zumindest der eine oder andere Leser die Lektüre dieser einzigartigen Biographie als ebenso lehrreich und inspirierend empfinden möge wie ich selbst. Milarepa mag zwar nicht mehr unter uns weilen, aber seine Lehren und sein Beispiel sind so lebendig wie zu seinen Lebzeiten. Es liegt allein an uns, sie anzunehmen und in die Tat umzusetzen.

    Thomas Roth

    rnal ‘byor gyi dbang phyug dam pa rje btsun mi la ras pa‘i rnam thar

    thar pa dang thams cad mkhyen pa‘i lam ston

    Die Geschichte

    der vollständigen Befreiung

    des Herrn der Yogis,

    des höchsten Meisters Milarepa;

    das Aufzeigen des Pfades,

    der zur Allwissenheit führt.[11]

    Namo Guru![12]

    Seit Anbeginn, im himmlischen Bereich des Dharmakaya,

    Frei von Unwissenheit,

    Strahlen deine beiden Manifestationen, Sonne und Mond,

    Frei vom Dämon Rahu,[13]

    Aktivitäten von Mitgefühl und Weisheit aus – in unermesslicher Pracht.

    Die Gesamtheit allen Wissens umfassend,

    Vertreibst du die Dunkelheit der Unwissenheit über den Dharma in allen fühlenden Wesen.

    Nicht nur für solche auf dem Pfad, sondern für alle von jeglichem Temperament und Bewusstsein,

    Für alle Wesen, die durch eine der sieben Arten von Geburt geboren werden.

    Frieden bringst du den Wesen der Vergangenheit und Gegenwart,

    Die sich auf dem Irrweg des Haftens an den sinnlichen

    Erfahrungen der fünf Skandhas verirrten,

    Die aus den schädlichen Handlungen,

    Hervorgerufen von Geistesgiften, entstanden,

    Indem du sie von diesem Irrweg fortführst.

    Damit nicht genug, führst du die Wesen auf den Pfad vollständiger Befreiung,

    Zu den acht hervorragenden Charakteristiken dieses Lebens.

    Du, der du ausgestattet bist mit den zehn alles übersteigenden Kräften,

    Du, der du berühmt bist als Mila.

    Glorreiche Zuflucht aller Wesen des gesamten Universums,

    Vor dir verbeuge ich mich.

    Aus dem Ozean deines Mitgefühls

    Entstehen Wellen von Aktivität zum Wohle fühlender Wesen

    Und füllen meinen Geist, wie einen hohlen Hufabdruck,

    Mit Tropfen von ursprünglichem Gewahrsein,

    Voll der Juwelen von Hingabe und anderen Tugenden.

    So werde ich befreit von spiritueller Verarmung

    Und der sengenden Hitze innerer Verunreinigung.

    Ich bin voll der Freude,

    Wie die Freude eines heißblütigen Mannes,

    Der eine juwelengeschmückte Frau von majestätischer Schönheit an einem einsamen Ort antrifft.

    Obwohl er die Gelübde der Entsagung aufrechterhält,

    Kann er, im Angesicht ihrer Schönheit,

    Nicht einmal den Wunsch formulieren,

    Sich auch nur einen Schritt von ihr zu entfernen.

    Als die Geschichte der Befreiung des Meisters die Ohren dieses Suchenden erreichte,

    Wie eine bezaubernde Schönheit, geschmückt mit den Juwelen des Mitgefühls,

    Erfüllte mich dies mit Freude.

    Nun teile ich das Fest dieser wunderbaren und glorreichen Geschichte,

    Um allen Freude und Lachen zu bringen.

    Mit den duftenden Wassern von Hingabe und Anstrengung

    Wasche ich den Makel des Geheimhaltens vom Juwel der Geschichte des Meisters;

    Und indem ich dieses Juwel an der Spitze des Banners der Lehre des Buddha befestige,

    Bringe ich ihm meine Verehrung dar.

    Mögen der Lama und die Dakinis mir ihren Segen zuteil werden lassen.

    Und so war es, dass zu Beginn, im Schneeland von Tibet, der Meister von der schmerzlichen Natur von Samsara abgestoßen wurde als wäre es ein loderndes Feuer. Nichts davon begehrend, nicht einmal die himmlischen Freuden von Brahma und Indra, war er stattdessen in den Bann gezogen von dem Ideal und den lotus-gleichen Qualitäten der Befreiung und der vollkommenen Erleuchtung. Er besaß solch große Weisheit und Mitgefühl, Glauben und Beharrlichkeit, dass er frei von der geringsten Furcht oder jeglichem Zögern sein Leben zum Wohle des Dharma hingegeben hätte. Im mittleren (Abschnitt seines Lebens) wurde er von seinem heiligen Lama angeleitet. Nachdem er den Nektar, der von den Lippen seines Lamas floss, gekostet hatte, befreite er sich selbst in der Einsamkeit der Berge von den Fesseln der Verdunkelung, und die Triebe des Erwachens keimten in ihm.

    Durch seine feste Entschlossenheit, weltliche Ziel aufzugeben, und durch sein Aufrichten des Banners der Meditation durch sein höchstes Beispiel seiner unaufhörlichen Anstrengungen, war er in der Lage, im Geist seiner glücklichen Schüler ein Verlangen nach dem Pfad, der zur Befreiung führt, wachzurufen, frei von weltlichem Anhaften oder Gleichgültigkeit.

    Von seinen Yidams und den Dakinis geleitet, erreichte er die Vervollkommnung seiner selbst im Dharma, indem er einerseits jedwedes Hindernis in seiner Praxis überwand und andererseits seine spirituellen Fortschritte vertiefte und die Erfahrungen des Erwachens erweiterte.

    Seine Verehrung für die Meister der Linie war so vollkommen, dass er mit den geheimen mündlichen Unterweisungen der mitfühlenden Meister betraut wurde, und so unzählige Übertragungslinien sein Erbe wurden, und er auf diese Art und Weise im Besitz der Zeichen von unvergleichlicher spiritueller Inspiration und Segen war.

    In seinem eigenen Wesen brachte er eine derart intensive Erleuchtungshaltung (Bodhicitta) hervor, dass Menschen, die ihm zuhörten oder auch nur seinen Namen vernahmen, Tränen der Hingabe und des Vertrauens vergossen und ihre Haare zu Berge standen, auch wenn sie bis dahin keinerlei Interesse am Dharma verspürten. All dies veränderte ihre Wahrnehmung derart, dass der Samen der Erleuchtung in ihnen gesät war und sie so vor den Ängsten und Sorgen von Samsara und den niederen Daseinsbereichen geschützt waren. Die Dakinis welche den Zustand von ,Helfern auf dem Pfad des Vajrayana‘ erlangt hatten, unterstützten den Jetsün bei der Realisation des höchsten Gewahrseins, indem sie die körperliche Erfahrung von Freude in ihm hervorriefen.

    Und schließlich, nachdem er die beiden Verdunkelungen vollkommen in den Raum der Leerheit aufgelöst hatte und nachdem er sich von allem befreit hatte, von dem man sich befreien kann, erlangte er echtes Gewahrsein jenseits jeglicher Dualität und brachte die Tugenden wie Weisheit und Mitgefühl zu vollkommener Perfektion, sodass er durch seine eigene Anstrengung zu einem Buddha wurde.

    Wie das Juwel an der Spitze eines Siegesbanners wurde er zum größten aller Meister, anerkannt von allen religiösen Gruppen, Buddhisten wie Nicht-Buddhisten, als das beste und unumstrittene Beispiel für die höchste Erleuchtung. Diese höchste Erleuchtung realisierte er schnell und ohne Umschweife, durch seine Meisterschaft auf dem Pfad des Vajrayana.

    Das Banner seines Ruhmes weht in allen zehn Richtungen, denn die Dakas und Dakinis sprechen überall von seiner Größe.

    Die herabströmende Freude, die von seinem Körper bis zu seinen Zehenspitzen hinabfloss und die bis zu seiner Scheitelkrone aufsteigende Freude brachten ihm die höchste Freude des Erlangens der Frucht. Durch diesen Prozess stellte sich ein Entwirren der groben und subtilen Knoten in den drei Hauptkanälen und vier Zentren ein. Auf diese Art und Weise wurden sie alle zur Essenz des Zentralkanals.

    Aufgrund dieser Realisation war er in der Lage, wie ein endloser Strom spontan Gesänge unzerstörbarer Wahrheit von sich zu geben, in denen er die wahre Bedeutung der zwölf Sammlungen von Sutras und vier Klassen von Tantras offenlegte.

    Jenseits der täuschenden Dualität des Geistes gehend, nahm er alle Erscheinungen und Phänomene als Dharmakaya wahr. Er erlangte solche Meisterschaft über inneres Gewahrsein, dass er alle äußeren Erscheinungen der Welt wie ein heiliges Buch betrachtete.

    Die Kraft seiner Weisheit und seines Mitgefühls waren so unvorstellbar groß, dass er (tote) Tiere erwecken und sie zur Befreiung geleiten konnte. Indem er das Annehmen oder Ablehnen der acht weltlichen Handlungen gänzlich hinter sich gelassen hat, und indem er sich von dem Bedürfen, anderen zu gefallen, befreit hat, ist er wie ein gelassenes und prachtvolles Objekt der Verehrung für himmlische und menschliche Wesen.

    Durch sein höchstes Streben auf dem tiefgründigen Pfad der Meditation wurde er zu einem unvergleichlichen Meister, verehrt selbst von ähnlich gesegneten Bodhisattvas.

    Mit dem großartigen Löwengebrüll der „Selbst-Losigkeit"[14], die er realisiert hatte, flog er, der weiße Löwe, ungezügelt über die Schneeberge inmitten der endlosen Weite des Raums und überwältigte so die Rehe falscher Ansichten.

    Innerlich erlangte er die meditative Einsicht und Kraft, alle äußeren Kräfte zu verwandeln und sich die Einflüsse der vier Elemente zunutze zu machen.

    Aufgrund seiner höchsten, alles übersteigenden Kräfte war er in der Lage, durch den Himmel zu gleiten wie ein Adler und beim Gehen, Stehen und Sitzen in der Luft zu verweilen.

    Durch die Fähigkeit seinen Körper auf wunderbare Weise zu transformieren und loderndes Feuer oder reißende Gewässer hervorzubringen, beseitigte er die falschen Ansichten der Fehlgeleiteten und führte sie durch Sehen, Meditation und rechtes Handeln zur Verwirklichung.

    Basierend auf den Vier Ermächtigungen erlangte er höchste Perfektion durch die alles transformierenden Übungen des Vajrayana und Dakas und Dakinis versammelten sich an den vierundzwanzig Orten seines Vajra- Körpers. Er war ein Heruka[15], der von Dakas und Dakinis verehrt wurde.

    Mit einem Geist gänzlich frei von Furcht und ausgestattet mit unerschütterlichem Vertrauen unterwarf er die acht Armeen von Göttern und Dämonen, so dass sie zu seinen Dienern wurden.

    Er war ein Meister, der die essenzielle Leerheit aller Erscheinungen und Phänomene erkannte.

    Er war wie ein Arzt, der die Krankheit der fünf (Geistes-)Gifte mit der Medizin der fünf Arten von Gewahrsein behandelte und heilte.

    Er nahm alle versteckten Dinge – sowohl im Geist der Menschen als auch andere – klar und deutlich wahr.

    Er war ein Meister, der durch direkte Wahrnehmung alle Erscheinungen und Phänomene als gänzlich leer von jeglicher Substanz wahrnahm.

    Er war ein wahrhaft gelehrter Meister, der ausnahmslos alle äußeren Erscheinungen als den Ausdruck innerer geistiger Phänomene erkannte und den Geist selbst als ungeboren, leer und klar erfuhr.

    Durch die Kraft, die aus der ungehinderten Wahrnehmung, alle Dinge als leer und klar zu erkennen, entsteht, verwirklichte er die Befreiung in den untrennbaren Drei Kayas.

    Er erlangte die wunderbare Fähigkeit, in einem Augenblick all die unvorstellbar zahlreichen Buddhabereiche zu besuchen. In diesen Bereichen sprachen selbst die Buddhas und Bodhisattvas während ihrer Dharmaunterweisungen über seine wundersame Erleuchtung.

    Auf diese Art und Weise erfüllte der Meister auch seine Rolle in den Buddha-Bereichen.

    Indem er in angemessener Form vor den Wesen der sechs Bereiche erschien, säte er die Samen der Erleuchtung in ihnen, indem er ihnen den Pfad aufzeigte, durch angemessene Beispiele und Unterweisungen, die im Einklang mit den Worten des Buddha stehen, und führte sie so zu Reifung und Befreiung.

    In einem Leben und einem Körper erlangte er den Zustand des Buddha Vajradhara mit seinen vier Aspekten der Erleuchtung und den fünf Arten von Gewahrsein.

    Er ist der heiligste unter den Heiligen und befreite zahllose Wesen aus unerträglichem Leiden und half ihnen die Befreiung zu erlangen.

    Überall war der Name Mila Shepa Dorje berühmt und bekannt wie die Sonne und der Mond.

    All die wunderbaren und erstaunlichen Taten, die er zum Wohle seiner Schüler ausführte, waren unvorstellbar und unaussprechlich.

    All die genannten Punkte sind lediglich ein kurzer Abriss der großartigen Geschichte von Milarepas Befreiung. Selbst die Handlungen, die er zum Wohle gewöhnlicher Leute ausführte, sind unbeschreiblich und jenseits unserer Vorstellungskraft.

    So besteht die Geschichte des Jetsün also aus zwei Teilen. Der erste beschreibt sein weltliches Leben, der zweite Teil beschreibt sein schnelles Erlangen der vollkommenen Erleuchtung.

    Teil Eins

    Wie er zu seinem Namen „Mila" kam; die Herkunft seiner Vorfahren und die Art und Weise seiner Geburt.

    Wie sich in seiner Jugend, nach dem Tod seines Vaters, die nächsten Verwandten als Feinde erwiesen, und wie er, nachdem er alles verloren hatte, die Wahrheit und Realität des Leidens erfuhr.

    Und wie er schließlich auf das Drängen seiner Mutter seine Feinde durch die Praxis von Magie und Zauberei vernichtete.

    — Kapitel Eins —

    Milas Geburt

    Die Geschichte der Herkunft der Linie seiner Vorfahren

    und seiner Geburt.

    EMa Ho![16] Während er in der Dröpaphuk-Höhle in Nyanang weilte, war er, der berühmte Meister Milarepa[17], ein Heruka unter den Yogis, umgeben von seinen großen Schülern und Gefolgsleuten, den erwachten Yogis und Bodhisattvas: Rechung Dorje Dragpa, Repa Shiwa Ö, Ngendzong Repa, Seban Repa, Kyira Repa, Drigom Repa, Lengom Repa, Repa Sangye Khyab, Shengom Repa, Dampa Gyakphuwa, dem Lehrer Shakyaguna und anderen. Auch die weiblichen Schülerinnen Lekse Bum und Shen Dormo waren anwesend, zusammen mit anderen. Ebenfalls unter den Anwesenden befanden sich die Tashi Tsering Chenga,[18] die Fünf Schwestern des Langen Lebens und andere Dakinis, welche die subtilen (feinstofflichen) Regenbogenkörper erlangt hatten. Und viele andere waren ebenfalls anwesend – Götter, Männer und Frauen – die sich an diesem Ort versammelt hatten. Der Meister drehte das Rad der heiligen Lehre im Einklang mit den Lehren des Mahayana.

    Zu dieser Zeit befand sich Rechung in seiner Behausung, in tiefer meditativer Versenkung. Eine ganze Nacht lang hatte er den folgenden Traum: In einem bezaubernden Land mit Namen

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