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Das Cthulhu Projekt 2018: Ein Mystery Thriller
Das Cthulhu Projekt 2018: Ein Mystery Thriller
Das Cthulhu Projekt 2018: Ein Mystery Thriller
Ebook321 pages4 hours

Das Cthulhu Projekt 2018: Ein Mystery Thriller

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About this ebook

Der Internet Ermittler Mickey Parson, der sich auf die Beschaffung von Artefakten spezialisiert hat, bekommt den Auftrag, für einen reichen Kunden ein verschollenes Buch zu finden. Der letzte Besitzer, ein amerikanischer Anthropologe, wurde einige Tage zuvor tot in seiner Wohnung in Tulum in Mexiko aufgefunden. Parson soll die mysteriösen Umstände seines Todes aufklären und der Spur des Buches folgen. Seine Recherche führt ihn von Mexiko nach Salem, einer kleinen Stadt in Massachusetts, die für die Hexenverfolgungen im 17. Jahrhundert bekannt ist. Was hat ein Autoren-Zirkel, der sich auf Horror-Literatur spezialisiert hat, mit dem Toten in Mexiko und dem verschwundenen Buch zu tun? Schritt für Schritt enthüllt er die morbiden Pläne eines unheimlichen Netzwerks von Geheimgesellschaften.
LanguageDeutsch
Release dateNov 20, 2015
ISBN9783738691955
Das Cthulhu Projekt 2018: Ein Mystery Thriller
Author

Anton Lacroft

Anton Lacroft, geboren 1962, befasst sich mit okkultem Wissen und geheimen Gesellschaften. Seinen Schwerpunkt setzt er auf Themen wie Illuminaten, Freimaurer, Templer, Alchemisten, Rosenkreuzer, Kabbala, Heiliger Gral, Tantrismus, Katharer, Gnosis, etc.

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    Das Cthulhu Projekt 2018 - Anton Lacroft

    23

    1

    Jener Tag, an dem sich Mickey Parsons Leben für immer veränderte, begann ganz harmlos. Wie jeden Morgen schritt er durch eine weiträumige Werkhalle. Sie hatte hohe Fenster und war durch Glaswände in ein kleines Labyrinth von Ateliers eingeteilt. Neonlampen warfen ihr Licht auf den versiegelten Parkettboden aus Bergahorn. Der Schall in den einzelnen Arbeitsbereichen wurde durch Zweifach-Verglasungen isoliert, damit man hier ungestört arbeiten konnte, ohne dass die großzügige Atmosphäre des Baus verloren ging. Sein Büro befand sich in einem ehemaligen Fabrikgebäude, das vor ein paar Jahren zu einem Dach für kreative Jungunternehmer umfunktioniert worden war. Parson verdiente seine Brötchen als Recherche-Dienstleister. Er hatte sein Studio gleich neben seinem Kollegen Nick Oswald. Dieser saß bereits geschäftig vor dem Bildschirm, als er zur Tür hereinkam. Wie gewöhnlich blickte er kurz auf und hob zur Begrüßung lässig die Hand. Parson winkte zurück und steuerte auf die Küche zu, um sich einen Espresso aus der Maschine einzuschenken. Er liebte ihn schwarz und leicht bitter. Mit der Tasse in der Hand setzte er sich an seinen Arbeitstisch und startete den Computer. Während das Betriebssystem heraufgefahren wurde, lehnte er sich in seinen Ledersessel zurück und überlegte, was heute auf dem Programm stand.

    Vor drei Jahren hatte der mittlerweile dreißigjährige Parson seinen Traum verwirklicht und seine eigne Firma gegründet. Von Anfang an hatte er sich auf Nachforschungen im Bereich wertvoller Artefakte spezialisiert. Zu seiner Kundschaft gehörten sowohl Privatiers, die ihre Sammlung vervollständigen wollten, als auch Museumskuratoren, die eine Ausstellung organisierten. Sie nahmen ihn in Anspruch, wenn es darum ging Näheres über ein bestimmtes Kunstobjekt herauszufinden, oder wenn man nichts über seinen Verbleib wusste. Die Einnahmen aus vier bis fünf Aufträgen pro Monat reichten gut aus, um seinen Lebensstil zu finanzieren.

    Während er an der Kaffeetasse nippte, wurde er plötzlich aus seinen Gedanken gerissen, als das Telefon klingelte. Er stellte die Tasse auf den Bürotisch und meldete sich:

    „I-Research, Parson."

    Am anderen Ende der Leitung vernahm er eine kräftige Frauenstimme:

    „Hier spricht Shriver. Ich bin die Privatsekretärin von Arnold Arkham und rufe Sie auf Empfehlung von Herrn Bendheim an. Er sagt, Sie hätten sich auf die Suche von verschollenen Wertsachen spezialisiert. Ihre Erfolgsquote soll sehr hoch sein."

    „Bis jetzt liegt sie bei hundert Prozent", erwiderte Parson.

    „Tatsächlich, Sie haben noch nie versagt?", fragte sie leicht erstaunt.

    „So ist es!"

    „Dann sind Sie genau der Mann, den wir brauchen."

    „Ich schätze, Sie suchen sicher etwas Wertvolles. Worum geht es?"

    „Darüber würde Herr Arkham gerne persönlich mit Ihnen sprechen. Hätten Sie vielleicht heute Nachmittag Zeit? Die Sache eilt."

    „Das ist ziemlich kurzfristig!", wandte er ein.

    „Oh, ich bin sicher Sie werden sich für dieses Treffen freimachen können, insistierte die Dame, „Herr Arkham ist sehr großzügig und wird Ihr Entgegenkommen angemessen entschädigen.

    Parson überlegte kurz. Der Name Arkham sagte ihm nichts, aber Bendheim hatte ihn empfohlen. Es musste sich demnach um einen vermögenden Kunstsammler handeln. Solche Aufträge waren immer sehr einträglich.

    „Einverstanden, in meinem Terminkalender habe ich noch eine Lücke entdeckt. Wäre Ihnen heute Nachmittag um zwei Uhr recht?"

    „Ausgezeichnet, zwei Uhr passt!", erwiderte Shriver erfreut.

    „Und wo treffen wir uns?"

    „Bei Ihnen im Büro", sagte sie und bevor er reagieren konnte, hatte sie bereits aufgelegt. Nachdenklich blickte er seinen Hörer an. Wer dieser Arkham wohl sein mochte? Er gab er den Namen in die Suchmaschine ein und überflog die Ergebnisse.

    „Seltsam, dachte er, „da ist rein gar nichts über ihn zu finden. Wie ungewöhnlich für einen reichen Mäzenen!

    Da fiel ihm ein, dass er mit Esperanza zum Lunch verabredet war. Vielleicht wusste sie etwas über ihn. Bis dahin würde es aber noch einige Stunden dauern und die Frage brannte unter seinen Nägeln. Existierte Arkham wirklich, oder wollte ihn jemand auf die Schippe nehmen? Sein Verdacht verflüchtigte sich erst wieder, nachdem er mit Bendheims Sekretärin telefoniert hatte. Er war tatsächlich an Arkham weiterempfohlen worden. - Bendheim war für ihn ein seltener Glücksfall gewesen. Nachdem er in den Anfängen seines Unternehmens langweilige Routinearbeiten hatte erledigen müssen, bescherte er ihm jene Art von Aufträgen, die er herbei gesehnt hatte und die sich um seltene Kulturgegenstände drehten. Angefangen hatte alles mit der Suche nach einem verschollenen Vermeer, einem Gemälde aus dem Besitz der Familie Bendheim, welches während des Hitler-Regimes durch die Nazis verschleppt und 1998 durch die Washingtoner Erklärung auf die Liste der Raubkunst gesetzt worden war. Parson gelang es, seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Sein Erfolg ebnete ihm den Weg zu einer zahlungskräftigen Kundschaft mit äußerst spannenden Recherchen. Dies alles ging ihm für einen Sekundenbruchteil durch den Kopf, während er sich an den Computer setzte, um mit seiner Arbeit zu beginnen.

    Einige Stunden später betrat Parson eines seiner Stammlokale durch den Hintereingang. Das Speiserestaurant, in dem er sich zum Lunch verabredet hatte, befand sich im ersten Stock. Esperanza wartete bereits an einem der weiß gedeckten Tische auf ihn. Die Immobilienmaklerin wirkte trotz ihrer 38 Jahre immer noch sehr jung und attraktiv. Ihre schulterlangen, schwarzen Haare und ihre schlanke, wohlproportionierte Figur zogen manch heimlichen Blick auf sich. Parson begrüßte sie wie eine alte Bekannte, bevor er sich zu ihr an den Tisch setzte. Nachdem der Kellner die Bestellung aufgenommen hatte, fragte sie mit besorgter Miene:

    „Wie geht es dir? Hast du die Trennung schon ein bisschen verarbeiten können?"

    „Oh, keine Sorge, ich bin schon drüber hinweg."

    „Mach dir nichts vor. Drei Wochen sind zu kurz dafür. Du siehst immer noch ein bisschen mitgenommen aus."

    „Nein wirklich!, meinte er mit einem breiten Lächeln, „das Leben ist zu kurz, um es mit Selbstmitleid zu verschwenden!

    Da kam der Kellner mit den Getränken. Parson nutzte die Gelegenheit, um das Thema zu wechseln. Er machte ihr ein Kompliment über ihr neues Kleid und im Nu begannen sie ein harmloses Alltagsgespräch. Als nach einer Weile das Essen aufgetragen wurde, schien für Parson der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein, um über seinen neusten Auftraggeber zu sprechen.

    „Hast du schon mal von Arnold Arkham gehört?"

    „Allerdings, antwortete sie, „er gehört zu unseren besten Kunden. Vor einem Jahr hat er durch uns ein sehr teures Anwesen gekauft. Wieso fragst du?

    „Heute Morgen rief mich seine Privatsekretärin an."

    „Tatsächlich, und worum ging es?"

    „Das wollte sie mir am Telefon nicht verraten. Ich weiß nur, dass ich Arkham heute Nachmittag treffen werde."

    „Oh, wie interessant, da wäre ich auch gerne dabei!"

    „Wieso, was ist so besonders an dem Mann?"

    „Ich bin einfach nur neugierig, wie er aussieht, das ist alles!"

    „Hast du ihn noch nie gesehen?"

    „Nein, niemand hat ihn bis jetzt zu Gesicht bekommen. Er lebt sehr zurückgezogen. Man weiß praktisch nichts über ihn. Und das, obwohl er ein Pharma-Imperium besitzt."

    „Wie kann es sein, dass man trotz des enormen Reichtums im Internet nichts über ihn findet?"

    „Aus dem einfachen Grund, weil er nicht so heißt. Er benutzt den Namen zur Tarnung, um in der Öffentlichkeit inkognito zu bleiben."

    „Und wer ist er in Wirklichkeit?"

    „Das weiß niemand, nicht einmal mein Chef."

    „Wie ist so etwas möglich?"

    „Seine Privatsekretärin erledigt alle administrativen Angelegenheiten für ihn. Wir haben ausschließlich mit ihr verhandelt. Ich habe mich schon gefragt, ob sie vielleicht in Wirklichkeit Arkham ist und ihre wahre Identität hinter der Maske der Privatsekretärin versteckt hält."

    „Du meinst, er existiert gar nicht?"

    „Wenn dann höchstens als Phantom. Er ist zumindest die meiste Zeit des Jahres unterwegs. Eine seiner Hausangestellten hat mir erzählt, dass er zwar ab und zu in dem Haus logiere, dass er aber ebenso ungesehen ankomme, wie abreise und sich jeweils in seinen Privatgemächern abschotte. Nur die Privatsekretärin dürfe zu ihm gehen."

    „Hat der Mann denn nie Hunger?"

    „Doch, aber für das Essen ist sein Butler zuständig."

    „Dann gibt es also noch eine zweite Person, die Arkham nahe steht."

    „Richtig, der Butler, der Arkham überall hin begleitet. Ich zweifle allerdings daran, dass er ein echter Butler ist."

    „Wieso meinst du?"

    „Er könnte ja auch Shrivers Geliebter sein."

    „Oder aber Arkham selbst!", meinte Parson, während Esperanza nebenbei beobachtete, wie ihr Kellner mit einem Herrn im gediegenen Anzug sprach und dabei in seine Richtung blickte. Es war ein Asiate von mittlerer Statur mit Millimeter kurzen schwarzen Haaren und ebenmäßigen Gesichtszügen.

    „Ich glaube, du bekommst Besuch von deinem Taekwondo-Trainer", witzelte sie, als der Asiate zielstrebig auf die beiden zusteuerte. Parson schaute unauffällig über seine Schulter und entgegnete:

    „Unmöglich, ich habe den Mann noch nie gesehen." Als der Unbekannte ihren Tisch erreicht hatte, fragte er höflich:

    „Sind Sie Herr Parson?"

    Er musterte ihn kurz, bevor er mit einem Kopfnicken antwortete.

    „Entschuldigen Sie, wenn ich Sie gerade störe. Herr Arkham schickt mich. Ich soll Sie zu ihm bringen", sagte der Asiate.

    Instinktiv schaute Parson auf seine Armbanduhr.

    „Oh, bin ich vielleicht zu spät?", fragte er.

    „Keineswegs, antwortete der Asiate, „Herr Arkham möchte ihnen nur ein wenig entgegen kommen.

    „Woher wissen Sie überhaupt, dass ich hier bin?" fragte Parson und schielte dabei vielsagend zu Esperanza, die von dem, was sich abspielte, ziemlich beeindruckt schien.

    „Herr Oswald, ihr Partner war so freundlich, uns mitzuteilen, wo sie sich aufhalten."

    „Oswald, klar, das hätte ich mir eigentlich denken können."

    „Wenn Sie mir nun bitte zum Wagen folgen wollen", sagte der Asiate, indem er mit der offenen Hand zum Ausgang zeigte.

    „Einen Moment bitte, ich muss noch die Rechnung begleichen", warf Parson ein.

    „Nicht nötig, Herr Arkham übernimmt die Kosten. Ich habe bereits für Sie bezahlt."

    Nachdem Parson sich von Esperanza küssend verabschiedet hatte, verließ er das Lokal mit dem Fremden wieder durch den Hinterausgang, der zur der Gasse führte, wo er seinen eigenen Wagen geparkt hatte. Mittlerweile hatte sich der Himmel ein wenig gelichtet und die Sonne schien gelegentlich hinter den Wolken hervor. Vor dem Lokal stand eine blitzblanke, aber sonst unauffällige Limousine. Es war ein deutsches Mittelklasse-Modell mit einem sechsstelligen Kennzeichen. Der Asiate hielt ihm die Hintertür auf, damit er einsteigen konnte. Parson bemerkte sogleich, wie wichtig Anonymität für Arkham sein musste. Es passte zu dem, was er von Esperanza über ihn erfahren hatte. Einzig der Chauffeur fiel aus dem Rahmen. Er sah zu gut aus, um nicht aufzufallen. Der schaute in den Rückspiegel und sagte:

    „In der Konsole neben Ihnen ist eine Minibar eingebaut. Bitte bedienen Sie sich ungeniert!"

    Parson öffnete ein Türchen, das mit Wurzelholz ausstaffiert war. Dort waren Fläschchen mit Whiskey, Brandy, Cognac und Calvados nebeneinander aufgereiht. Er genehmigte sich als Digestif einen Cognac und ließ die Landschaft an sich vorbei ziehen, während er zu Arkhams Anwesen gefahren wurde. Dabei stellt er sich vor, was er wohl tun würde, wenn er über einen solchen Reichtum wie Arkham verfügen würde. Kurz vor zwei Uhr bog die Karosse in eine Nebenstraße ein, passierte ein verziertes Gittertor und kam auf eine etwa fünfhundert Meter lange Allee mit Pappeln, die zu einem herrschaftlichen Haus führte. Es war ein zweistöckiger Bau aus dem 18. Jahrhundert mit konkav geschwungenem Walmdach. Der Fahrer parkte den Wagen auf dem römischen Kopfsteinpflaster des Vorplatzes. Als ihm der Asiate die Tür aufhielt und ihn höflich aufforderte, ihm ins Haus zu folgen, erhöhte sich Parsons Puls allmählich. Was würde ihn dort drin erwarten? Würde man ihn zu Frau Shriver bringen, die Esperanza für die wahre Erbin hielt, oder würde man ihm eine Posse vorspielen, um das Täuschungsmanöver aufrecht zu erhalten?

    Bedachtsam schritt er hinter dem Asiaten her durch die prachtvollen Innenräume des Hauses, vorbei an unzähligen Kostbarkeiten, die hier als Einrichtung dienten. In einem Saal erspähte er einen antiken Tisch aus massivem Holz mit Stühlen aus der Gründerzeit des Gebäudes, in einem andern hing eine goldene Rokoko-Laterne. Die Wände waren geschmückt mit Gemäldeportraits in vergoldeten Rahmen. Über allem prangten Deckengemälde mit Motiven aus der griechischen Mythologie. Unbezahlbar waren vermutlich auch die reich verzierten Holzböden. Dergestalt durchquerten sie Raum für Raum bis der Asiate vor einer großen Holztür stehen blieb und eine Klingel betätigte. Eine Überwachungskamera war darüber installiert. Plötzlich wurde die Türe durch ein Surren im Schloss entriegelt.

    „Bitte treten Sie ein, Herr Arkham ist nun bereit Sie zu empfangen", sagte der Asiate, bevor er sich durch eine Seitentüre zurückzog.

    Parson betätigte behutsam den goldenen Türgriff, um einzutreten. Dahinter verbarg sich ein großzügiger Lichthof mit Ziersäulen, in dessen Mitte eine bequeme Sitzgruppe stand. Die Lounge war in zarten Pastellfarben gehalten. Plötzlich tauchte eine Gestalt auf der gegenüberliegenden Seite auf. Als sie näher kam, erkannte Parson einen schlanken, kleinen Mann. Sein Alter war schwierig zu erraten, denn es musste irgendwo zwischen fünfundvierzig und fünfundfünfzig Jahren liegen. Ein gepflegter Vollbart und nach hinten gekämmte Haupthaare zierten seine sonst weichen und jugendlichen Gesichtszüge. Seine tiefblauen Augen übten eine seltsame Anziehungskraft auf ihn aus. Er war ganz leger gekleidet, als komme er gerade vom Golfplatz. Allein die dunklen Farbtöne der karierten Hosen und das schwarze Poloshirt passten nicht so ganz auf einen Sportrasen. Trotzdem strahlte er Eleganz und Würde aus. Mehr noch als durch den Tand, der ihn umgab, war Parson von Arkham selbst beeindruckt. Zweifellos musste er der sonderbare Erbe sein, den Esperanza beschrieben hatte. Allerdings sprach einiges für ihre Theorie, wonach er und seine Privatsekretärin dieselbe Person waren. Wenn man den Bart und die Augenbrauen wegdachte, hatte Arkham durchaus viel Weibliches an sich: Die kleine Statur, die femininen Gesichtszüge, die mandelförmigen Augen mit den langen Wimpern und die zierlichen Körperbewegungen beim Gehen. Inzwischen war Arkham, der die Halle durchquert hatte, bereits bei ihm angekommen. Gespannt wartete Parson darauf, dass sein Gastgeber den Mund auftat. Der begrüßte ihn mit einem leichten Händedruck und einer Tenorstimme, die sowohl zu einem Mann aber auch einer Frau gehören konnte. Ein Umstand, der Parson weiter an dessen wahrer Identität zweifeln ließ.

    „Bevor wir zum Geschäftlichen kommen, genehmigen wir uns noch einen!", sagte er, nahm eine Cognac-Flasche, die auf dem Tisch stand, schenkte die bernsteinfarbene Flüssigkeit in zwei Gläser und drückte ihm eines davon in die Hand.

    „Cheers!", rief er und hielt sein Glas für einen Toast leicht in die Höhe. Parson tat es ihm gleich und nahm danach einen leichten Schluck.

    „Oh, der ist wirklich ausgezeichnet!", glitt es ihm über die Lippen, was Arkham mit einem zustimmenden Lächeln aufnahm.

    „Aber Sie haben mich wohl kaum dazu eingeladen, um Ihren Cognac zu loben", fuhr Parson fort.

    „Das haben Sie vollkommen Recht. Der Grund, wieso ich Sie hierher eingeladen habe, ist natürlich ein anderer", antwortete er und bat ihn auf einem der Sofas Platz zu nehmen.

    „Lassen Sie uns doch zur Sache kommen. Wie ich von Bendheim gehört habe, sind Sie sehr erfolgreich beim Auffinden von verschollenen Artefakten."

    Parson senkte seinen Kopf zustimmend.

    „Wären Sie bereit einen Auftrag für mich zu übernehmen? Ich würde Sie fürstlich dafür entschädigen."

    „Klingt sehr interessant. Und was suchen Sie?", erwiderte Parson.

    „Ein sehr altes Buch. Bis vor kurzem war es noch im Besitz von Francis Parker, einem amerikanischen Anthropologen, der einen Forschungsauftrag an einem Institut in Mexiko City hatte. Er beschäftigte sich mit der Maya-Kultur und leitete zuletzt eine Grabung in der Nähe von Cancun. Vor wenigen Tagen fand man in tot in seiner Wohnung. Die Polizei geht von einem Selbstmord aus, was ich persönlich bezweifle. Ich suche jemanden, der nach Mexiko fliegt, um herauszufinden, wo das Buch jetzt ist."

    „Wäre es nicht ratsamer für Sie, einen Privatdetektiven anzuheuern?", entgegnete Parson.

    „Nein, ich brauche jemanden wie Sie, der sich mit Artefakten aber auch mit dem Internet bestens auskennt. Geld spielt dabei keine Rolle. Für Ihre Spesen bekommen Sie die Black-Card."

    „Die Black Card?, wiederholte Parson überrascht, „das Buch muss Ihnen sehr viel bedeuten, allerdings bezweifle ich immer noch, dass ich der richtige Mann für diesen Job bin.

    „Doch der sind Sie! Ich habe einen treffsicheren Instinkt, wenn es darum geht, Menschen einzuschätzen. Deshalb bin ich auch bereit, so großzügig für Ihre Aufwendungen aufzukommen."

    „Zugegeben die Sache reizt mich, aber wenn ein Mord im Spiel ist, dann ist das eine Nummer zu groß für mich."

    „Das kauf ich Ihnen nicht ab! Bendheim hat mich darüber informiert, dass Sie Kampfsport betreiben. Im Militär haben Sie außerdem gelernt, wie man mit Waffen umgeht. Sie wissen sich daher in brenzligen Situationen zur Wehr zu setzen. Außerdem kann Ihnen ein solches Abenteuer in Ihrer Situation nur recht sein. Sowas bringt sie auf andere Gedanken."

    „Wie meinen Sie das?"

    „Die Trennung von Ihrer Freundin…"

    „Woher haben Sie das denn erfahren?!"

    „Also, was ist, nehmen Sie den Auftrag an? Die Sache eilt. Je schneller Sie die Fährte aufnehmen können, umso besser."

    Parson zögerte noch kurz, meinte aber dann:

    „Einverstanden, ich nehme an."

    2

    Noch am gleichen Abend saß Parson in einer Maschine nach Cancun. Dank Arkhams Black-Card kam er erstmals in den Genuss erste Klasse zu fliegen. Während er mit Champagner bedient wurde, studierte er die Akten, die ihm Arkham ausgehändigt hatte. In seinem Handgepäck befand sich außerdem sein wichtigstes Arbeitsgerät, ein brandneues, hochwertiges Notebook. Aus den Unterlagen ging hervor, dass Francis T. Parker am Morgen des neunten Septembers tot in seiner Wohnung in Tulum aufgefunden wurde. Er soll an einer Überdosis Heroin gestorben sein. Obwohl kein Abschiedsbrief bei der Leiche war, vermutete die Polizei einen Suizid. Parson betrachtete, das Foto des Opfers, das dem Dossier beigelegt war. Es zeigte den fünfunddreißig jährigen Mann in einem hellgrauen Anzug und dunklem Binder. Sein weiches, fast weibliches Gesicht war völlig blass, so dass es krank wirkte. Die kurzen dunkelblonden Haare waren nach hinten frisiert. Einzig die markanten Augenbrauen und die runden Brillengläser mit feinem Rand verliehen ihm ein wenig Persönlichkeit. Er sah tatsächlich wie ein labiler Drogensüchtiger aus, was sowohl auf einen Unfall, als auch einen Selbstmord schließen ließ. Auch ein Mord lag im Bereich der Möglichkeiten, denn die Überdosis könnte ihm auch jemand anderes verpasst haben. Außerdem fehlte der Abschiedsbrief. Wurde Parker tatsächlich erledigt, weil sein Mörder hinter dem antiken Buch her war, wie Arkham dies behauptete? Gedanken versunken nickte Parson allmählich ein und wachte erst kurz vor der Landung wieder auf.

    Nachdem er die Passkontrolle hinter sich gebracht und seinen Koffer bei der Gepäckförderanlage abgeholt hatte, begab er sich in die Empfangshalle zur Autovermietung, um den Schlüssel für seinen reservierten Wagen abzuholen. Die Formalitäten waren schnell erledigt, so dass er wenig später Richtung Stadt losbrausen konnte. Das amerikanische Kleinwagen-Modell war zum Glück mit einem Navigationsgerät ausgestattet, so dass er seine Unterkunft in der Innenstadt Cancuns problemlos finden konnte. Es war ein komfortables Hotel in der Nähe des Anthropologischen Museums. Als er sein Zimmer bezog, war es kurz vor zehn Uhr Ortszeit. Dank der bequemen Minisuiten in der First-Class hatte er den ganzen Flug schlafen können und war deshalb entsprechend ausgeruht. Voller Tatendrang überlegte er, was er als nächstes tun wollte. Als erstes musste er einen Übersetzer finden, der ihm bei seinen Ermittlungen behilflich sein konnte. Er zückte sein Notebook und gab die Begriffe „Cancun Übersetzer Deutsch in die Suchmaschine ein, aber es erschienen bloß Websites von Online-Wörterbücher. Sein zweiter Versuch, jemanden über ein Forum ausfindig zu machen, scheiterte mangels genügender Spanisch-Kenntnisse. Deshalb beschloss er kurzerhand einen kleinen Spaziergang zu machen und sich ein bisschen im Umkreis des Hotels umzusehen. Er befand sich mitten in einer bekannten Tourismusregion. Da bestand immerhin eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er sich auf Englisch verständigen konnte. Wenig später schlenderte er gemütlich die Kukulkan Straße entlang und steuerte auf einen modernen, Weißen Gebäudekomplex zu, dessen Frontalansicht an ein Käfer oder eine Schildkröte erinnerte. Das kam vermutlich daher, dass die pyramidale Kuppel des Haupttraktes, wie ein Panzer aussah, die Eingangssäulen und deren First wie Beine und die zwei Fenster darüber wie ein Paar Augen. Es war ein riesiges Kongress- und Kulturzentrum. Vor der fünfzig Meter breiten Eingangstreppe standen ein paar junge Mexikaner herum. Sie trugen grüne Poloshirts mit der Aufschrift „Cancun Center. Einer aus ihrer Gruppe kam spontan auf ihn zu und fragte auf Englisch:

    „Wollen Sie das Museum besichtigen? Ich kann Sie darin herumführen. Das kostet Sie nur eine Kleinigkeit und sie bekommen dafür wertvolle Informationen."

    Als Parson den Kopf schüttelte und weitergehen wollte, hielt er ihm den Badge entgegen, den er um den Hals trug.

    „Warten Sie, Señor, ich habe einen Ausweis als Museumsführer. Sehen Sie diesen Stempel? Das ist eine offizielle Zulassung!"

    „Tut mir leid ich suche keinen Tour-Guide, entgegnete Parson, „ich suche einen Deutsch-Übersetzer. Er dachte, er hätte den Burschen bereits abgewimmelt, aber er ließ nicht locker und sagte:

    „Sie haben Glück, Señor, ich kenne einen DeutschÜbersetzer. Geben sie mir einen Dollar und ich verrate Ihnen, wo Sie ihn finden."

    Dazu bleckte er seine Zähne. Parson musterte ihn und überlegte. Einen so kleinen Verlust konnte er verkraften, falls er ihn reingelegen wollte.

    „Ok, erwiderte er, „hier hast du einen Dollar und nun heraus mit der Sprache!

    Er nahm den Geldschein und winkte jemanden aus seiner Gruppe zu.

    „Hey Pedro, komm mal her!, sagte er auf Spanisch, um noch etwas von einem „Germanico hinzuzufügen. Da schritt ein etwa 23-jähriger Bursche bedächtig zu ihnen herüber. Wegen seiner unbekümmerten Art machte er auf Parson einen eher schlechten Eindruck. Das änderte sich schlagartig, als er seinen Mund auftat.

    „Guten Tag, meine Name ist Pedro Montalban, ich habe gehört, Sie suchen einen Übersetzer?", sagte er in einwandfreiem Deutsch.

    „Wo haben Sie so gut Deutsch gelernt?", fragte Parson überrascht.

    „Ein bisschen hier, ein bisschen da, aber hauptsächlich an der Universität. Letztes Semester habe meinen Bachelor in deutscher Sprache gemacht."

    Parson musste sich zugestehen, dass sein erster Eindruck falsch gewesen war und beschloss, ihn als Übersetzer anzuheuern.

    „Wären Sie bereit für hundert Dollar pro Tag für mich zu arbeiten. Sie müssten mich bei Gesprächen begleiten und für mich übersetzen. Wenn Sie gut arbeiten, erhöhe ich ihr Honorar", sagte er. Pedro musste nicht lang überlegen. Die Bezahlung war mehr als gut und er hatte keine Festanstellung. Als Zeichen seines guten Willens händigte er ihm kurzweg einen Tagessold aus, um dann gleich mit der ersten Frage loszulegen:

    „Was befindet sich eigentlich im Cancun Center?"

    „Für Touristen ist eigentlich nur das Anthropologische Museum interessant. Natürlich ist auch die Innenarchitektur des Gebäudes sehenswert, aber nicht vergleichbar mit den über 1500 Jahre alten Kulturgegenständen der untergegangenen Maya-Kultur aus dem Gebiet der Yukatan-Halbinsel und vor allem der Region von Quintana-Roo…".

    „Gut, das reicht fürs erste, unterbrach ihn Parson, „lassen wir das Cancun Center mal beiseite. Weißt du vielleicht, wo das hiesige Polizeirevier ist?

    „Meinen Sie die Tourismuspolizei?"

    „Ich glaube eher nicht, denn es geht um einen Selbstmord, der in Tulum verübt wurde."

    „In dem Fall müssen wir zur Polizeistelle in Playa del Carmen fahren. Die sind für Tulum zuständig. Mit dem Auto ist es knapp eine Stunde bis dorthin. Brauchen Sie ein Taxi?"

    „Nein", erwiderte Parson, „das ist nicht nötig, ich habe

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