Das geleitete Gymnasium: Entwicklung eines Führungskonzepts zwischen Freiheit und Verantwortung. Mit einem Vorschlag für eine konsistente Qualitätsentwicklung und -sicherung
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Führung stellt dabei nicht nur die Qualität der Auftragserfüllung sicher, sondern strebt die KULTUR EINER "LERNENDEN ORGANISATION" an: Neue Erkenntnisse und neue Erfordernisse führen zu gemeinsamen Zielsetzungen und fließen in einen steten Entwicklungsprozess ein. Die Schulangehörigen als Menschen mit ihren fachlichen, innovativen, kooperativen und kommunikativen Fähigkeiten stehen somit im Vordergrund.
POTENZIALE BESSER AUSCHÖPFEN
Der Autor erläutert umfassend, wie ein FÜHRUNGSKONZEPT entwickelt werden kann mit dem Ziel, Potenziale besser auszuschöpfen, mehr Teilautonomie zu ermöglichen und die QUALITÄTSENTWICKLUNG stimmig zu dokumentieren. Zu Beginn stehen deshalb Analysen des selbst ernannten Auftrags sowie der vorgegebenen Strukturen. Im Anschluss ist die Entwicklung von konkreten Vorstellungen zu zahlreichen grundlegenden Themen essenziell, bevor darauf aufbauend Strukturen entwickelt werden können. Elementar sind hier Menschenbild und gemeinsame Vorstellungen von Qualität - Ergebnis ist ein Führungskonzept als zentrales schulkulturelles Element.
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Das geleitete Gymnasium - Hanspeter Hitz
-sicherung
1. Vorwort und Einführung
Die vorliegende Schrift richtet sich an Schulleitungen. Sie orientiert sich zwar am Gymnasium, kann aber auf alle Schul- resp. Hochschulstufen und auch auf andere „Expertenorganisationen" übertragen werden.
Die Schrift ist die eines anwendungsorientierten Entwicklers, der verschiedene Theorien zu einem Ganzen zusammenfügt und nur den Anspruch hat, möglichst konsistent zu sein. „Wahr" ist dann eine Aussage, die widerspruchsfrei entweder ins Bestehende eingefügt oder aus den Grundpfeilern hergeleitet werden kann.
Ich habe meine Sichtweise und Erfahrungen als Privatperson und als langjähriger Rektor der Kantonsschule Frauenfeld gewonnen. Dies ist also eine persönliche Schrift und daher zumeist in der Ich-Form geschrieben.
Aber ich liste systematisch Fragen auf, für die jede Schulleitung Antworten finden muss. Sie als (zukünftige) Führungsperson können und sollen die Fragen auch anders beantworten, womit Sie auf ein anderes konsistentes „Gebäude" für Ihre Schule kommen werden. Falls Sie aber z. B. finden, dass Mitwirkung der Lehrpersonen bei gewissen Themen wichtig ist, dann müssen Sie eine Mitwirkungsstruktur aufbauen – ansonsten bleibt Mitwirkung ein schönes Wort. Falls Sie einen Zusammenhang zwischen Unterrichtsentwicklung der Schule und persönlicher Fortbildung der Lehrpersonen sehen, muss sich das in den entsprechenden Konzepten niederschlagen und gelebt werden.
Meine Ausführungen sind prozesshaft und damit anpassbar – damit sie nicht „leer" sind, sind sie zur Illustration mit meinen Antworten durchzogen. Ich setze nur eines voraus: ein humanistisches Menschenbild. Freiheit erlaubt es den Menschen, Verantwortung zu übernehmen. Wer glaubwürdige Ziele innerhalb des vorgegebenen Rahmens setzt, den Grad der Zielerreichung überprüft und die Lehren zieht, ist auf dem richtigen Weg. Der Umgang mit Freiheiten setzt Reflexion voraus: Klarheit über die eigenen Werte, Einstellungen und Vorstellungen sowie die eigene Rolle und sein Handeln sind interessanter als Diskussionen über Führungsstile. Auf dem Menschenbild, das dem gymnasialen Auftrag entspricht, basieren die Vorstellungen über Qualität und Führung.
Das „System Schule ist stark vernetzt. Es zu beschreiben, heisst irgendwo anzufangen und mehrfach hindurchzugehen. Mein Text ist eine mögliche „Linearisierung
dieser Landkarte. Und es zeigt meine Art, Verantwortung zu tragen.
Das unten stehende Schema stellt die folgenden Zusammenhänge dar.
In Kapitel 2 zeige ich eine Übersicht, wie ein Führungskonzept aufgebaut werden kann. Führung ist einerseits Beziehungsarbeit und unterstützt andererseits die Erfüllung des Auftrags in einem guten Verhältnis von Qualität und Aufwand. Ich begründe in diesem Kapitel, dass das Aufdecken unseres Menschenbildes, die Analyse des Auftrags und das Entwickeln von Vorstellungen einem Führungskonzept zu Grunde liegen.
Ich hoffe, Sie damit zu motivieren, sich zu den in Kapitel 3 aufgeführten Bereichen eigene Vorstellungen zu machen. Ich fasse die Bereiche allerdings nicht abstrakt, sondern entwerfe Skizzen. Als Nachteile ergeben sich Überschneidungen mit dem vorangehenden Kapitel 2 und inhaltliche Beeinflussungen des Lesers. Ich nehme Wiederholungen in Kauf, damit Sie Kapitel 3 als Anleitung durcharbeiten können. Sie können dabei vieles auch einmal auslassen.
In Kapitel 4 liste ich Führungsaufgaben auf. Zu den Führungsbereichen sind Konzepte zu entwickeln, welche aber für die Arbeit am Führungskonzept nicht vorliegen müssen. Sie können also die Kolonne mit den Konzepten ausser Acht lassen resp. diese später definieren und erarbeiten.
Kapitel 5 kann gegebenenfalls auch übersprungen werden: Es zeigt, wo überall die Vorstellungen in die Konzepte einfliessen und wie eine konsistente Qualitätsentwicklungsdokumentation aufgebaut werden kann. Das Entwickeln von Vorstellungen lohnt sich somit nicht nur im Hinblick auf die Erarbeitung des Führungskonzepts. In diesem Kapitel zeige ich daher auch beispielhaft andere Konzepte – und weiche damit vom Hauptziel dieser Schrift aufs Nebenziel ab.
In Kapitel 6 zeige ich den Aufbau des Führungskonzepts. Damit ist das Hauptziel erreicht.
In Kapitel 7 stelle ich noch weitere Führungsinstrumente vor, die für den Alltag ausreichend sind. Für schwierigere Aufgaben wie z. B. Strategieprozesse verweise ich auf die umfangreiche Literatur.
Ich erlebte in meinen rund 20 Jahren als Rektor Reformen, eine enorme Deregulierungsphase mit Übergang zur geführten Schule, die Liquidation und den Aufbau von Abteilungen, Sparmassnahmen u. v. a. m., und ich war in Pionier- und in Konsolidierungsrollen. In dieser Zeit durfte ich mit acht verschiedenen Schulleitungsmitgliedern, vielen Lehrpersonen und nicht-unterrichtenden Angestellten zusammen arbeiten. Diese Mischung von institutioneller und personeller Konstanz und Veränderung hat mir beruflich und persönlich viel gebracht. Ich danke dafür ganz herzlich.
2. Systemische Grundüberlegungen – eine Übersicht
2. 1. Einleitung
Führung koordiniert die Zusammenarbeit aller Schulangehörigen zur Erreichung der Ziele der Schule. Führung stellt nicht nur die Qualität ¹ der Auftragserfüllung sicher, sondern strebt die Kultur einer „lernenden Organisation" ² an: neue Erkenntnisse und neue Erfordernisse führen zu gemeinsamen Zielsetzungsprozessen und fliessen in den Entwicklungsplan ein. Die Schulangehörigen als Menschen mit ihren fachlichen, innovativen, kooperativen und kommunikativen Fähigkeiten stehen somit im Vordergrund.
Für den Aufbau unseres Führungskonzepts sind also wesentlich:
• unser Menschenbild
• unser Auftrag und dessen Deutung
• Vorstellungen eines guten Unterrichts und einer guten Schule
• unser Qualitätsverständnis
2. 2. Menschenbild
Menschen wollen persönliche Verantwortung übernehmen. Selber Ziele setzen und erreichen sowie selber gestalten oder mitgestalten können ist befriedigend und schafft hohe Identifikation und – bei entsprechender Würdigung – hohes Engagement. Die eigene Tätigkeit wird als sinnvoll und wirksam erlebt, was Selbstvertrauen schafft und den Umgang mit Unsicherheiten und Veränderungen erleichtert.
Wer Selbstvertrauen hat, kann Vertrauen schenken. Wer sich wirksam erlebt, wagt Innovation und kann sich in ein Team einbringen. Wer selbstkritisch ist, ist veränderungs- und konfliktlösefähig und kann Feedback geben und annehmen.
Aufgabe der Führung ist es somit, möglichst viel Gestaltungsfreiraum innerhalb eines verlässlichen Rahmens zu schaffen für Gruppen und Einzelne, ihr Wissen und Können zu erschliessen, Ideen zu unterstützen, Fehler als Chance zu sehen, Mut und Verbesserungen zu würdigen und Erfolge zu feiern. Und wenn nötig, einzugreifen.
Im Schulkontext ist die Zusammenarbeit der Lehrpersonen (gemeinsam vorbereiten, unterrichten, prüfen etc.) wichtig, damit diese die Verantwortung für den Gesamtunterrichtserfolg gemeinsam tragen.
2. 3. Auftrag
Der Regierungsrat erteilt der Schule einerseits einen Leistungsauftrag, andererseits legt er betriebliche Leitplanken in den Bereichen Pflichten/Rechte, Finanzen, Personalwesen und Infrastruktur fest. Die Qualität der Auftragserfüllung ist nicht gesteuert über irgendwelche „Marktkräfte" ³, sondern letztlich ein Aushandlungsprozess: die Schulen erfüllen Aufträge teilautonom mit bestimmter Qualität möglichst kostengünstig. Dazu gehört die Sicherstellung und allfällige Weiterentwicklung der Qualität. Der Kanton überprüft die Einhaltung der Leitplanken und das Qualitätsmanagement. ⁴
Teilautonomie senkt das Systemrisiko (Vermeidung flächendeckenden Unsinns durch zentrale Regelungen; Nutzung des lokalen Potentials) und bringt Innovation. Die Rektorinnen und Rektoren sollten sich intra- und interkantonal austauschen und Bewährtes bei Bedarf adaptieren.
2. 4. Entwicklung des Führungskonzepts
2. 4. 1. Aufgabe der Führung
2. 4. 1. 1. Qualitätsentwicklung
Was gute Schule und guter Unterricht ist, ist nicht a priori klar und verändert sich im Kontext gesellschaftlicher