Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

200 Jahre Freimaurerei in Österreich
200 Jahre Freimaurerei in Österreich
200 Jahre Freimaurerei in Österreich
Ebook358 pages3 hours

200 Jahre Freimaurerei in Österreich

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Bernhard Scheichelbauer, langjähriger Großmeister der Großloge von Österreich, sowie Gustav Kuéss, langjähriger Großbibliothekar, beleuchten den historischen Hintergrund zur österreichischen Bruderkette. Ein unerläßliches Werk für den Interessierten sowie für den Bruder Freimaurer.
LanguageDeutsch
PublisherStudienVerlag
Release dateDec 9, 2015
ISBN9783706557849
200 Jahre Freimaurerei in Österreich

Related to 200 Jahre Freimaurerei in Österreich

Related ebooks

Social Science For You

View More

Related articles

Reviews for 200 Jahre Freimaurerei in Österreich

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    200 Jahre Freimaurerei in Österreich - Gustav Kuéss

    lassen.

    I.

    UNTER DEM AUFGEKLÄRTEN ABSOLUTISMUS

    Die erste Loge Österreichs

    Österreich gehörte damals zu den rückständigsten Staaten in Europa. Kein Wunder, daß hier freimaurerische Ideen den besten Boden fanden, denn Maria Theresia, gewiß eine fromme Frau, sah klar, daß durchgreifende Reformen nötig waren, um den Staat zu erhalten und der Bevölkerung Liebe zum Vaterland einzuflößen. Sie gelangte von sich aus zu der Erkenntnis, und die Freimaurer, die ihr als Berater zur Seite standen, vor allem der Staatskanzler Graf Kaunitz, waren treue Diener des Hauses Habsburg-Lothringen. Die Kaiserin konnte nicht vermeiden, daß sie bei der Durchführung der Neuerungen, die dem Zeitgeist entsprechend nur im Sinne der Aufklärung erfolgen konnten, mit dem konservativsten Element, der katholischen Kirche, in Widerspruch geriet. Es beherrschte sie der altkaiserliche Gedanke, als „oberste Schutzfrau der Kirche" alle schwebenden Fragen zu ordnen. Absolutistisch und entschieden drang sie in den kirchlichen Rechtskreis ein. Sie verlangte die straffe Durchführung des placetum regium (päpstliche Erlässe durften nur mit staatlicher Bewilligung verkündet werden), die Ausdehnung der Steuern auf die Geistlichkeit, die Fixierung kirchlicher Taxen, Einschränkung geistlicher Gerichte, Aufhebung einiger Feiertage usw. Auf den Rat von Franz Stephan, Kaunitz und van Swieten wurden die Jesuiten aus dem Amte des Hof beichtvaters und des Zensors verdrängt. Als Gegenspieler trat ihr Erzbischof Migazzi entgegen. Er konnte aber nicht verhindern, daß kaiserliche Verordnungen die Abschaffung der geistlichen Strafen, der Klosterkerker und der öffentlichen Kirchenbußen, die Aufhebung gewisser Wallfahrten und des Asylrechtes der Kirche, die Überwachung des Kirchenvermögens und die Aufhebung von Klöstern bestimmten. Auch der Beseitigung des Jesuitenordens durch Clemens XIV. (1773) stimmte Maria Theresia zu.

    Als Gefäß neuer kultureller Ideen hatte die „Loge auf die geistig regsamen „höheren Stände, die sich ihrer Führeraufgabe bewußt waren, besonderen Einfluß. Es gehört zu den Pikanterien der Geschichte, daß es gerade ein Kirchenfürst gewesen ist, der Erzbischof Graf Schaffgotsch von Breslau, ein führendes Mitglied der dortigen Loge, der im Jahre 1742 den Reichsgrafen Albert Joseph Hoditz und den Grafen Franz de Grossa mit der Bildung und Installierung einer Loge auf Wiener Boden betraute.

    Ihre Umgangssprache war, wie die aller Gebildeten der damaligen Zeit, die französische. In dieser Sprache hat die Loge gearbeitet und ihre Protokolle abgefaßt. Ihnen, die nach einer noch nicht ganz geklärten Irrfahrt schließlich im Archiv der Loge „Friedrich zum weißen Pferde" in Hannover aufgefunden worden sind, ist es zu verdanken, daß über das Innenleben der ersten Wiener Bauhütte vielfach bessere Kenntnis vorhanden ist als über manche jüngere Periode der österreichischen Freimaurerei.

    Das erste Protokoll dieser „sehr ehrwürdigen Gesellschaft der Freimaurer" vom 17. September 1742 lautet:

    „Die sehr achtbare Großloge hat sich heute den 17. September beim sehr ehrwürdigen Großmeister Bruder Hoditz versammelt. Unter der Leitung der nachgenannten Brüder: Hoditz-Großmeister, Wallenstein, Gilgens-Aufseher, Colmann-Schatzmeister, Czernichew-Sekretär.

    Anwesend: Duni, Michna, Blair-Gesellen. Arnaud-Lehrling. 2 Türhüter, 6 dienende Brüder.

    Aufgenommen: Doria, Hamilton, Joerger, Gondola, Zinzendorf, Tinti, Camellern, Schramm, Engel, Benedetto Testa.

    Und da der Sehr Ehrwürdige und die Meister übereingekommen waren, hier eine Großloge zu errichten, hat man heute damit den Anfang gemacht durch die Aufnahme obstehender Brüder, welche mit allen erforderlichen Formalitäten aufgenommen wurden und sich allen Gesetzen der sehr ehrenwerten Gesellschaft unterworfen haben, zum Wohle der Welt."

    Die folgenden Protokolle, die bis zum 2. März 1743 reichen, zeigen, daß die Loge fleißig am Werke war. In dieser Zeit hat sie nicht weniger als 22 Arbeiten abgehalten und 56 Suchenden das Licht erteilt. Unter diesen befinden sich die klangvollsten Namen des in- und ausländischen Hochadels, wie ein Bathyany, Bethlen, Draskovic, Hoyos, Kaunitz, Ligny, Paar, Salm-Reifferscheid, Starhemberg, Trauttmansdorff, Windischgrätz, ein Prinz von Hessen-Rheinfels, Seilern, Gallas, Schwarzenberg, Lievenstein, de Lith und andere, meist hohe Staatsbeamte, Offiziere, Gesandtschaftsmitglieder, Weltgeistliche und einige wenige Bürgerliche.

    Was die bürgerlichen Elemente betrifft, so ist besonders das Protokoll vom 20. Jänner 1743 aufschlußreich. Es orientiert auch über die Eigenschaften, auf welche die Loge bei den Suchenden Wert legte. Die diesbezügliche Stelle lautet:

    „Der erste Eingeweihte (es handelt sich um Anton v. Freyenthal) ist Unterleutnant im Grenadier-Regiment von Bayreuth im Dienste Ihrer Majestät der Königin von Ungarn, 25 Jahre alt. Er besitzt Gefühl, ein gutes und sehr aufrichtiges Herz und gibt seit einem Jahr glänzende Beweise seiner Achtung vor dem schönen Geschlecht, wie er auch seinen Mut in den letzten Türkenkriegen bewiesen hat.

    Der ihm folgende (Joseph Riga) ist Hofrat Sr. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Herzog von Sachsen-Weißenfels und Direktor der Finanzkammer des Prinzen v. Oettingen-Spielberg: ein Mann, der schon lange das Licht sucht und ein großes Verlangen zeigt, sich zu vervollkommnen; er wird der Loge nützlich sein durch seine Kenntnisse in den orientalischen Sprachen, hauptsächlich in der hebräischen und chaldäischen, und ist unter der Bedingung aufgenommen, daß er an den Büchern unseres Archives arbeite; daß er dabei die ersten Quellen der königlichen Kunst aufgräbt und daß er den Geist der Gesetze der alten Maurerei erforsche, von dem uns nur der Buchstabe und die Schale verblieben ist, wie bei den alten Juden, welche auch den Geist ihrer Gesetze vergessen haben."

    Man sieht also, daß die Freimaurerei auf ihrem Umweg nach Wien einen Teil des Wissens um ihre Entstehung und den innersten Kern ihrer Lehre eingebüßt hatte: kein Wunder, da schriftliche Aufzeichnungen verpönt waren und das Brauchtum nur mündlich weitergegeben wurde. Daraus entstanden mit der Zeit Abirrungen, die Anlaß zu Legendenbildungen gaben und dem Ganzen nicht immer zum Vorteil gereichten.

    Die illustre Wiener Loge, die später den Namen „Aux trois canons" wählte, hat den bürgerlichen Gelehrten Riga offenbar hauptsächlich deswegen aufgenommen, weil sie sich von seinen Sprachkenntnissen und seinem Wissen die ihr anscheinend am Herzen liegende Wiederfindung des mystischen Kernes der königlichen Kunst erhoffte. Zur Zeit des Ritters von Born gelangte man denn auch auf eine interessante Spur, von der später noch die Rede sein wird. Aus einigen kabbalistischen Zeichen und einzelnen Sätzen der Protokolle kündigen mystisch-rosenkreuzerische Gedanken und alchemistische Spekulationen sich an, die den Gebildeten jener Zeit allgemein vertraut waren. Die Frage nach dem Ritual der Loge kann aus den Protokollen nicht eindeutig beantwortet werden. Es dürfte nach englischem Muster kurz und einfach gewesen sein. Eigenes Arbeitslokal besaß die Loge keines. Man versammelte sich anfangs beim Reichsgrafen Hoditz, später wechselte man bei den einzelnen Mitgliedern ab. Dem Umstand, daß die Versammlungen unauffällig stattfinden mußten — es gab ja kein Gesetz über Versammlungsfreiheit — ist es wahrscheinlich zuzuschreiben, daß nur eines einzigen Brudermahles am 20. Jänner 1743 beim Unterschatzmeister Bruder Buirette Erwähnung getan wird.

    Die Freimaurerei ist ein Männerbund, der in regulären Logen keine Frauen duldet. Die Tatsache scheint zu einer Hofintrige geführt zu haben. Die Kaiserin, die auf ihren „Franzl" eifersüchtig war, hörte gerne auf Einflüsterungen und so kam es, daß die Tätigkeit der Loge am 7. März 1743 ein unerwartetes Ende fand. Die Loge war unter der Hammerführung des zugeteilten Großmeisters Gondola zu einer Arbeit zusammengetreten, um den Suchenden Graf Starhemberg, Frh. v. Lievenstein, Graf Kaunitz, Graf Trauttmansdorff, Graf Gallas und Frh. v. Pfuhl das Licht zu erteilen, als die Weihehandlung sehr unsanft unterbrochen wurde. Auf Befehl Maria Theresias erschien ein Aufgebot von über hundert Mann Grenadiere und Kürassiere unter Führung des Obristwachtmeisters v. Mühlberg, besetzte das Haus, drang in den Logenraum ein, verhaftete die Anwesenden im Namen der Königin und beschlagnahmte verschiedene Gegenstände.

    Die Nachricht von diesem Ereignis ging durch ganz Europa und zahlreiche ausländische Blätter berichteten darüber in mehr oder weniger ausgeschmückter Weise. Einer dieser Berichte sei hier angeführt, da er auch die besonders interessierenden rituellen Gegenstände nennt, die im Logenraum vorgefunden wurden.

    Die Vossische Zeitung Nr. 37 bringt folgendes Schreiben ihres Wiener Korrespondenten vom 10. März 1743:

    „Dem Vorgeben nach hat wenig gefehlt, so wäre das Geheimnis der Freymäurer entdeckt worden. Ich nehme mir die Freiheit, es Ihnen umständlich zu erzählen ... Als die Loge am 7. dieses Märzmonates versammelt war, so hörte man auf einmal gegen 7 Uhr abends einen Lärm und kurz darauf wurden verschiedene Türen eingeschlagen, durch welche man gehen mußte, bevor man zu dem Innersten der Loge kommen konnte. Man vernahm zwei Flintenschüsse, welche dem Vorgeben nach aus Versehen gethan worden, und verschiedene Kürassiere, die von einem Obrist-Leutnant kommandiert wurden, traten sogleich in das Zimmer. Das Stillschweigen und die Bescheidenheit der Brüder, nebst einer gewissen Zuverlässigkeit als einer sicheren Folge der Unschuld wirketen bey diesen Soldaten nicht wenig Ehrfurcht. Einer der Brüder fragte sie auf Befehl des Meisters der Loge, woher diese Gewalttätigkeiten rühreten, und man antwortete, daß man käme, sie auf Befehl der Königin in Verhaft zu nehmen. Als diese Antwort durch den Bruder dem Meister der Loge hinterbracht wurde, so redete dieser die sämtlichen Mitglieder an: Meine Brüder, wir wollen unserer Königin zeigen, daß sie keine treueren Untertanen hat, als wir sind. Es wäre uns schimpflich, wenn unsere Gesetze nicht ebenso gut in unseren Herzen wie in unseren Archiven stünden. Hierauf entwaffueten sich alle Brüder selbst und gaben ihre Degen dem Meister, welcher sie auf einen Sessel legte und den Offizier bat, die Königin zu versichern, daß sie mit eben dem Gehorsam und der Untertänigkeit, mit welcher sie gegenwärtig die Waffen von sich gäben, dieselben jederzeit für das Glück Ihrer Majestät bis auf den letzten Blutstropfen führen würden.

    Weil die meisten vornehme Standespersonen waren, so wurde ihnen auf ihr Versprechen erlaubt, bis auf weiteren Befehl Hausarrest zu halten. Ein irländischer Geistlicher ward in das Erzbischöfliche Gefängnis gebracht und einige andere Personen von geringerem Stand in das Rumorhaus geführt. Desselben Abends wurden noch die Geräte, die man auf dem Tische und in dem Saale gefunden, vor Ihre Majestät gebracht. Sie bestanden in einem Zirkel, einem Winkelmaße, einer Richtschnur, einem Hammer, einem Stein, einigen Schurzfellen, schwarzen und weißen Steinchen, einem Tische und einem Armlehnstuhl. Alles dieses ward zu verschiedenen Mitgliedern der Regierung getragen und ist gegenwärtig bey einem gewissen Grafen Khevenhüller. Man ist jetzt beschäftigt, das Geheimnis aus diesen Stücken zu entdecken..."

    Wie später so oft, hat die Regierung das „Geheimnis" der Freimaurerei gerade da gesucht, wo es nicht zu finden war: in Geräten und nicht im Erlebnis, in toten Gegenständen und nicht in brüderlichen Herzen. Im übrigen scheint die Anwesenheit so vieler hochgestellter und bei Hofe wohlbekannter Persönlichkeiten bei der aufgedeckten Freimaurerversammlung das Mißtrauen der Königin zerstreut zu haben, denn der Vossische Korrespondent konnte seiner Zeitung in Bälde melden:

    „Am 19. als dem Namenstage des Königlichen Prinzen Joseph ist allen bisher in Arrest gewesenen Freymäurern die Freiheit wieder erteilt worden und ihnen erlaubt worden, ihren sonst gehabten Charakter beyzubehalten, doch mit der Bedingung, daß die Kavaliers in 14 Tagen nicht bey Hofe erscheinen, und bey Königlicher Ungnade, Verlust Ihrer Bedienungen, auf Konfiskation ihres Vermögens sich nicht ferner in einer Loge finden lassen. Freymäurer von niedrigem Stande haben, falls sie nicht von ihren Zusammenkünften ablassen, empfindliche Strafen zu gewärtigen."

    Später änderte Maria Theresia ihre Meinung allerdings zu Gunsten der Freimaurer, die ihr so große Dienste leisteten. Der Bericht des Vossischen Korrespondenten gewinnt auch deshalb eine besondere Bedeutung, weil er anschließend sagt:

    „In ihrer Loge hat man ein Buch angetroffen, worin die Worte geschrieben gewesen: „Unser Orden, welcher der berühmteste von allen, die nur bekannt sind, ist so alt wie die Welt, und Adam ist der erste Freymaurer gewesen."

    Dieser Satz geht unzweifelhaft auf das Andersonsche Konstitutionsbuch zurück.

    Die Kaiserin hatte wohl eine ihr mißliebige Organisationsform getroffen, aber die Freimaurerei war geblieben, denn sie wohnte in Herz und Kopf jener Männer, deren sie zum Umbau ihres Reiches nicht entraten konnte. Bei allen Arbeiten und Plänen, Reformen und Neuschöpfun gen, bei allen diesen umwälzenden sozialen und kulturellen Errungenschaften waren Freimaurer in hervorragendem Maß beteiligt. Wo immer man die Geschichte Maria Theresias und ihres Sohnes Joseph aufblättert, begegnet man auf fast jeder Seite den Namen: Gottfried van Swieten, Prälat Rautenstrauch, Joseph von Sonnenfels, Franz Karl von Kressel, Ignaz von Born, Melchior von Birkenstock, Tobias Philipp von Gebler, Otto von Gemmingen und vielen anderen. Im Staatsrat, in der Hofstudienkommission, in den Akademien, in allen wichtigen Institutionen und Ämtern sind sie zu finden und an der Arbeit, aus dem rückständigen Staatsgebilde eine moderne Großmacht zu schaffen. Sie waren in diese Stellungen nicht deshalb gekommen, weil sie Freimaurer waren. Der geniale Instinkt der Kaiserin hatte sie zur Mitarbeit herangezogen, weil ihr diese Männer durch ihre in selbstloser Hingabe zur Verfügung gestellten Fähigkeiten geeignet erschienen. Die meisten von ihnen hatten in jungen Jahren in Deutschland, in Frankreich oder in England das freimaurerische Licht erblickt und dann ihre Arbeitskraft, ihren Idealismus und Patriotismus dem Vaterlande und seiner bedrängten Herrseherin geweiht. Sie lebten und wirkten aus ihrer freimaurerischen Gesinnung heraus, obwohl sie wußten, daß die Kaiserin als Frau das wahre Wesen der Freimaurerei nie verstehen konnte.

    Umwerbung Joseph II.

    Was Maria Theresia bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter und Ratgeber meist unbewußt getan hatte, tat Joseph II. bewußt. Schon als Zwanzigjähriger reichte er dem Staatsrat ein Programm ein, in dem er seine Ideale bekanntgibt: Herrscherverantwordichkeit; Machtzentralisation des Staates; absolute Rechte der Krone; Beseitigung der Sonderrechte besonders der Kirche, deren Bischöfe als Staatsbeamte gelten sollten; Ständeausgleich; der Herrscher als erster Diener des Staates. Es ist das Programm des Despotisme lie, des aufgeklärten Absolutismus, der ganz vom Nützlichkeitsgedanken getragen wird. Sprunghaft in seinen Entscheidungen, leicht verletzend in seinen Ausdrucksformen und gedrängt durch die schon bemerkbaren Zeichen der heraufziehenden Revolution in Frankreich, griff der Kaiser, obwohl er das Beste wollte, doch manchmal daneben und erntete statt Dankbarkeit für an sich grandiose Reformen, die Österreich zu hoher Entwicklung führten und mit dem mittelaterlichen Feudalstaat weitgehend aufräumten, eher Mißvergnügen.

    Den Freimaurern gegenüber zeigte er eine vorurteilsfreie Haltung. Er sah so viele ausgezeichnete Männer unter ihnen, daß er ihrer Mitwirkung im Staate nicht entraten zu können glaubte. Schon als er nach dem Tode seines Vaters von seiner Mutter zum Mitregenten ernannt wurde (1765), erwirkte er die stillschweigende Duldung von Logengründungen, die denn auch in fast allen größeren Städten des Reiches erfolgten. Da sie von verschiedenen ausländischen freimaurerischen Körperschaften ihren Ausgang nahmen, waren sie aber in ihrem Brauchtum und ihren geistigen Tendenzen uneinheitlich.

    Von Sachsen über Prag gelangte das Lehrsystem der „Strikten Observanz nach Österreich, ein aus Frankreich stammendes und durch den Reichsfreiherrn Karl Gotthelf von Hund und Altengrotkau nach Deutschland eingeführtes Hochgradsystem. Es bemühte sich, die Freimaurerei von dem am Beginn des 14. Jahrhunderts von Philipp dem Schönen gemeinsam mit dem damaligen Papst grausam unterdrückten Tempelritterorden herzuleiten. Die Bruderschaft der Freimaurer sollte dem Orden zu neuem Glanz verhelfen. Jedes Mitglied hatte bei der Aufnahme einen feierlichen Eid des unbedingten Gehorsams gegenüber dem Ordensoberen abzulegen. — Hier entspringt die Quelle jener falschen Behauptungen, die heute noch die Freimaurer als willenlose Sklaven „geheimer Oberen erscheinen lassen wollen. — Die strikte Observanz fand zunächst eine rasche Ausbreitung, verlor sich aber bald in Phantastik, Eitelkeiten und Spiegelfechtereien. 1782 machte ihr der Ordenskonvent von Wilhelmsbad unter dem Vorsitz des Großmeisters Herzog Ferdinand von Braunschweig mit der Feststellung ein Ende, daß ihr System jeder historischen Grundlage entbehre. Die meisten Logen gingen dann zur „laten Observanz" über, welche nur die freiwillige Disziplin fordert, die zur Aufrechterhaltung jeder Gesellschaft nötig ist.

    Eine andere Richtung der Freimaurerei gelangte von Berlin nach Österreich. Dort hatte sich 1770 unter Führung des Generalstabsarztes und Chefs des preußischen Medizinalwesens Dr. Johann Wilhelm von Zinnendorf und unter dem Protektorate Friedrichs des Großen die „Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland", die nach der christlichen schwedischen Lehrart arbeitete, aufgetan.

    Beide Systeme bemühten sich, Joseph II. zum Beitritt zu gewinnen. Diesbezügliche Berichte des dänischen Rittmeisters Franz August Heinrich von Sudthausen über seine Audienzen beim Kaiser sind von historischem Interesse. Der dänische Offizier kam im Jänner 1776 in einer Rechtsangelegenheit nach Wien und mit dem Auftrage Zinnendorfs, hier Logen nach seinem System zu installieren. Er tat dies und gründete sogar eine kurzlebige Provinzialloge von Österreich unter dem Oberststallmeister Graf (später Fürst) Johann Baptist Dietrichstein, der ihm auch für den 10. Mai 1776 eine Audienz vermittelte, über die Sudthausen in einem noch erhaltenen Gedächtnisprotokoll an Zinnendorf berichtete.

    Die erste Audienz

    nahm nach Sudthausen folgenden Verlauf: Der Kaiser stand in der Mitte des Zimmers mit entblößtem Haupt. Nach dem üblichen Zeremoniell trug ihm Sudthausen kurz seine Prozeßangelegenheit vor, überreichte eine diesbezügliche Denkschrift und bat ihn um seine Intervention. Der Kaiser erkundigte sich über nähere Einzelheiten und versprach, daß er den Auftrag geben werde, den Fall baldigst zu behandeln, damit ihm Gerechtigkeit widerfahre. Nachdem Sudthausen seinen Dank zum Ausdruck gebracht hatte, fügte er sofort hinzu:

    „Auch habe ich noch bei meiner Durchreise durch Berlin von der Großen Loge der Freimaurer daselbst den Auftrag erhalten, dieses alleruntertänigste Anschreiben Ew. Majestät einzuhändigen."

    Die freundliche Miene des Kaisers wurde bei diesen Worten ernst und, indem er den Brief entgegennahm, fragte er:

    „Was wollen denn die Herren von mir? Ich bin ja kein Freimaurer."

    Sudthausen: „Die Große Loge bittet Ew. Majestät allergnädigst zu geruhen, das derselben von dem König von Preußen erteilte Protektorium zu bestätigen."

    Joseph II.: „Wie kann das angehen? Wie kann ich einem Orden ein Protektorium erteilen, der Geheimnisse zu haben selbst vorgibt, von denen ich nicht unterrichtet bin? Der König von Preußen kann das wohl, denn er ist selbst ein Freimaurer und weiß, was die Herren treiben."

    Sudthausen: „Ew. kaiserl. Majestät können versichert sein, daß der Orden sich mit keinen anderen Dingen befaßt, als bloß solchen, die zum Wohle der Menschheit abzwecken. Dieserwegen hat die Große Loge auch kein Bedenken getragen, Ew. Majestät allerhöchsten Schutz sich allergehorsamst zu erbitten. Im übrigen wird es von Ew. kaiserl. Majestät allergnädigstem Befehl abhängen, ob und wann Sie von den Geheimnissen des Ordens wollen unterrichtet werden."

    Der Kaiser hatte inzwischen den Brief geöffnet und las ihn aufmerksam durch. Er war vom 10. August 1775 datiert und hatte folgenden Wortlaut:

    „Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster, Aller-unüberwindlichster Kayser, Allergnädigster Kayser und Herr.

    Die Gesellschaft der wahren Freymaurer, welche die Beförderung insgesamt christlicher Tugenden zu ihrem wesentlichen Endzweck hat, ist, aus Überzeugung dieses ihres edlen Fürhabens und Bemühens, von des Königs von Preußen Majestät auf die aller-huldreichste Weise in besonderen Schutz genommen und derselben unterm 16. Julius des verflossenen Jahres darüber ein förmlicher Schutzbrief, Allerhöchst eigenhändig unterschrieben, ausgefertigt worden.

    Ew. Geheiligten kayserlichen Majestät leget die Große Loge der Freymaurer von Deutschland zu Berlin, als das Haupt dieser besagten Gesellschaft, eine beglaubigte Abschrift des erwähnten königlichen Protectorii mit dem alleruntertänigsten Ansuchen demütigst zu Füßen, die Allerhöchste Gnade zu haben, genannte Große Loge zu Berlin mit Ew. kaiserl. Majestät allerhuldreichstem Schutz für ganz Deutschland ebenfalls Allergnädigst zu begünstigen, damit ebendieselben dadurch in die glückliche Verfassung um so gewisser gesetzt werde, in dem ganzen Deutschen Reiche die überzeugendsten Beispiele von der lautern Absicht und dem unermüdeten Bestreben geben zu können, dem menschlichen Geschlechte auf die liebreichste Art nützlich zu sein.

    Ew. Geheiligte Majestät allenthalben gekannte Weisheit und Großmut lässet uns die Allergnädigste Gewährung dieses unseres demütigsten Gesuches zum voraus freudigst hoffen, und unsere Mitbrüder überhaupt, gleich wie wir insonderheit, werden dagegen auf ewige Zeiten in Allerhöchstdenselben den Größten Beförderer und Geheiligten Beschützer jeder guten Sache aufrichtigst und allergehorsamst verehren.

    Die wir in tiefster Unterwürfigkeit Lebens lang beharren ... Im Namen der Großen Loge der Freymaurer von Deutschland zu Berlin. . ."

    Nachdem der Kaiser den Brief gelesen hatte, sagte er:

    „Ich habe keinen widrigen Begriff von dem Orden. Ich weiß, daß er hauptsächlich wohltätige Handlungen auszuüben bemüht ist, gute Armenanstalten zu stiften sucht. Mir selbst sind Umstände bekannt, daß zurückgekommene, verarmte Offiziere auf eine sehr anständige Art sind unterhalten worden, ohne daß es in der Welt bekannt wurde, durch wen es geschah. Das ist löblich und gefällt mir. Ich habe daher eine ganz gute Meinung vom Orden und von mir hat er sich nie etwas Widriges zu befürchten, allein einen öffentlichen Schutzbrief kann ich ihm doch unmöglich wegen vieler obwaltenden Umständen erteilen."

    Sudthausen: „Nachdem ich mich während meines Hierseins nach den Umständen erkundigt habe, sehe ich wohl ein, daß dieses nicht wohl tunlich ist. Die Großloge und alle wahren Brüder Freimaurer in Deutschland würden sich daher äußerst glücklich schätzen, wenn sie nur durch ein paar Zeilen von den allerhöchst persönlichen gnädigen Gesinnungen Ew. kaiserl. Majestät könnten überzeugt werden, und ich darf die Versicherung hinzufügen, daß der Orden sich äußerst angelegen wird sein lassen, Ew. Majestät höchsten Gnade sich immer mehr und mehr würdig zu machen."

    Joseph II.: „Ja, wie soll das angehen? Als Kaiser kann ich das Protektorium des Königs von Preußen für meine Person allein nicht bestätigen. Soll ich die Sache auf den Reichstag

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1