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Wenn das Erbe in die Wolke kommt: Digitalisierung und kulturelles Erbe
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Wenn das Erbe in die Wolke kommt: Digitalisierung und kulturelles Erbe

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Der von der Abteilung Volkskunde des LVR-Instituts für Landeskunde (LVR-ILR) verantwortete Sammelband fasst die Ergebnisse der Jahrestagung 2014 der Abteilung und des DFG-Projektes „Digitales Portal Alltagskulturen im Rheinland" zusammen. „Wenn das Erbe in die Wolke kommt" - hinter dem Titel versteckt sich die Frage nach den Chancen und Nutzen aber auch Schwierigkeiten und Risiken der Möglichkeiten digitaler Speicherung, Darstellung und Nutzung kulturellen Erbes.
Immer mehr Institutionen haben damit begonnen, ihre Archivbestände, die sowohl Quellen wissenschaftlicher Forschung als auch kulturellen Erbes darstellen, zu digitalisieren. Ziel dabei ist neben der digitalen Sicherung analoger Bestände v. a. die Öffnung der Sammlungen für neue und viel größere Nutzergruppen als bislang angesprochen werden konnten - mit anderen Worten: die weltweit abrufbare Präsentation der Bestände zur Forschung und Vernetzung.
Welche Herausforderungen birgt dieser Ansatz, insbesondere wenn es sich um heterogene Quellenbestände handelt, die prozesshafte Kulturmuster dokumentieren sollen? Welche methodischen und theoretischen Kompetenzen brauchen Kulturwissenschaftlerinnen und Kulturwissenschaftler, um die fast unbegrenzt scheinenden Potentiale von Vernetzungen angemessen zu interpretieren? Welche neuen Möglichkeiten der Präsentation, aber auch welche damit verbundenen Gefahren und Probleme eröffnen sich in den neuen virtuellen Realitäten für die Aufgaben von Sammlung, Dokumentation und Forschung?
LanguageDeutsch
Release dateDec 10, 2015
ISBN9783837515985
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    Book preview

    Wenn das Erbe in die Wolke kommt - Christian Baisch

    Autoren

    „Das Erbe in die Wolke…"

    Eine Einleitung

    Eckhard Bolenz, Lina Franken, Dagmar Hänel

    Die Digitalisierung hat die Welt verändert – dieser technischen Entwicklung wird inzwischen eine ähnliche Bedeutsamkeit für die menschliche Kultur zugeschrieben wie der Erfindung des Buchdrucks. Digitalisierung betrifft alle Bereiche des Alltagslebens; Möglichkeiten und Angebote wie Telebanking, Online-Shopping, soziale Netzwerke, Kommunikation, digitale Medien und vieles mehr haben nicht nur einen fast unüberschaubaren Markt geschaffen, sondern sind inzwischen Teil des Alltags und seiner Praktiken geworden.¹

    Auch der Bereich der Wissenschaft und wissenschaftlicher Institutionen wie Museen und Archiven ist mitten in einem Wandlungsprozess, der strukturelle Arbeitsweisen und Methoden ebenso berührt wie grundsätzliche Diskurse und Ordnungssysteme. Wissen werde zunehmend digital vorgehalten, vermittelt und angeeignet, so stellen es zahlreiche Wissens- und Bildungsportale im Internet dar. Beispielsweise können wir auf der Seite www.wissen.de „eine informative Wissenswelt mit einer Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten² entdecken. Das Angebot reichte bei einer Recherche Anfang September 2015 auf der Startseite dieses Online-Angebots von einem Video „Geheimnisvolles Mani über Artikel wie „Sommerliche Superlative, in dem Nutzende der Website über den Weltrekord im 24-Stunden-Wasser-Rutschen informiert werden, auch die Frage, „Wieviel Taschengeld ist richtig wird hier behandelt. Dazwischen lassen sich Werbeinformationen über Holzparkett und eine Geldanlage von Investmentbanken anklicken oder auch der direkte Einstieg in den Online-Shop, um beispielsweise eine „LUFFT-Wetterstation" zu erwerben.³

    Dieses zugegebenermaßen etwas plakative Beispiel zeigt, dass der Wissensbegriff unterschiedlich definiert wird, für wissenschaftliche Kontexte ist gerade in Bezug auf das Digitale die Unterscheidung von Daten, Informationen und Wissen bedeutsam.⁴ Die Bereitstellung von Daten oder Informationseinheiten auf einer online-Plattform ist nicht gleichbedeutend mit einem Wissensportal, auch wenn populäre Medien dieses suggerieren. Welche Konsequenzen die Digitalisierung und ihre Potentiale auf wissenschaftliche Institutionen und ihre Arbeit haben, soll im Folgenden diskutiert werden.

    Digitalisierung, Wissen und kulturelles Erbe

    Mit dem Bild und dem dazugehörigen Titel auf dem Einband dieses Buchs sind komplexe Prozesse von Digitalisierung, Erinnerungskultur und der Professionalisierung wie Popularisierung eines gesellschaftlichen Diskurses um kulturelles Erbe in einer vielleicht in ihrer Naivität provokanten Darstellung zusammengebunden. Sie zeigt einen Ansatz, Digitalisierung als Option in der Sicherung und Vermittlung kulturellen Erbes einzusetzen, wie es momentan zahlreiche Museen und Archive tun. Diese Überlegung stand auch am Anfang unseres Projekts „Digitales Portal Alltagskulturen im Rheinland".

    Die im LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte aufgebaute Sammlung zum immateriellen Kulturerbe der Region Rheinland enthält Bilder und Narrationen von Ritualen und Festen, alltäglichen Wissensbeständen und Arbeitspraktiken. Fotos, Filme und Dokumente sind über ein klassisches Karteikastensystem erschlossen, zumindest mehr oder weniger. Das Ausscheiden von langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Institut und ein damit einhergehender Wissensverlust über die vorliegenden Bestände initiierten Prozesse der Neustrukturierung zur Inwertsetzung der Sammlung, wichtigstes Element hierbei ist die Digitalisierung.

    Wie können Verfahren und Potentiale digitaler Speicherung, Darstellung und Nutzung kulturellen Erbes eingesetzt werden, um die gewünschten Ziele von Sicherung und langfristiger Wissensvermittlung zu realisieren? In einem Pilotprojekt haben sich 2012 das LVR-Institut für Landeskunde, das LVR-Freilichtmuseum Lindlar und das LVR-Freilichtmuseum Kommern zusammengeschlossen, um eine Auswahl ihrer Bestände gemeinsam vernetzt zu erschließen und ein digitales Portal zur Alltagskultur zu entwickeln.⁵ Das Projekt wurde mit großer finanzieller Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt, so dass das Portal 2013–2015 in einer ersten Phase realisiert werden konnte.

    Doch zunächst stellte sich die Frage, wie das Quellenmaterial als materielles Erbe in die Wolke, die digitale Speicherung, kommen kann um dort im nächsten Schritt sinnvoll mit seiner immateriellen Ebene verknüpft, beziehungsweise um diese erweitert zu werden. Im Folgenden wurde in diesem Projekt nicht nur Quellenmaterial fotografiert oder gescannt und in digitale Datenbanken eingepflegt, sondern es wurden auch komplexe Prozesse der Wissensgenerierung umgesetzt, Strukturierungen und Ordnungssysteme entwickelt sowie ein Fachthesaurus zur Verschlagwortung des Erbes in der Wolke erarbeitet. Aus Datenmaterial durch Ordnungsstrukturen Informationen zu generieren und über Anreicherung mit Kontextwissen und semantischer Verknüpfung Wissensbestände einer breiten Öffentlichkeit verfügbar zu machen, war und ist das Ziel des Projekts. Diskussionen des Projektteams miteinander und der Austausch mit anderen Digitalisierungsprojekten über Bezüge von Einzelbelegen zu großen gesellschaftlichen Prozessen aber auch zu Fragen nach Konsequenzen der Digitalisierung auf tradierte disziplinäre Arbeits- und Denkweisen sowie auf Diskurse zu Materialitäten und Immaterialitäten von Kultur brachten uns zu der Überlegung, diese Impulse über eine Tagung in eine größere Fachöffentlichkeit zu tragen und dort zu diskutieren. Unter dem Titel „Wenn das Erbe in die Wolke kommt. Digitalisierung und kulturelles Erbe fand diese als Volkskundliche Jahrestagung des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte in Kooperation mit dem Institutionenübergreifenden DFG-Projekt „Digitales Portal Alltagskulturen im Rheinland und der Abteilung Kulturanthropologie/Volkskunde des Instituts für Archäologie und Kulturanthropologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 13. bis 14. November 2014 im Universitätsforum in Bonn statt.

    Eingeladen wurden zahlreiche aktuell laufende Digitalisierungsprojekte sowie ausgewiesene Expertinnen und Experten zu unterschiedlichsten Aspekten des Digitalisierungsprozesses kulturellen Erbes. Von besonderer Bedeutung in diesem interdisziplinären Austausch war die disziplinäre Leitperspektive der Volkskunde/ Kulturanthropologie, die als „umfassende Wissenschaft vom Alltagsleben"⁶ immer auch die Ebene der gesellschaftlichen Aneignung und Umsetzung der eher technisch-theoretischen „Digitalisierungstopoi" impliziert.

    Die große Resonanz auf den Call for Papers und die Tagungseinladung sowie intensive und konstruktive Diskussionen während der Tagung haben uns bestärkt, die Vorträge und Projektpräsentationen zu publizieren. Auch um die Diskussion um und über die Digitalisierung kulturellen Erbes und ihre Umsetzung im Arbeitsalltag in Anbetracht ihrer Bedeutung für alle geisteswissenschaftlichen aber auch dokumentarischen Disziplinen aufrecht zu erhalten.

    Vielstimmige Diskurse: Zur Struktur des Bands

    Wenn auch ein disziplinärer Schwerpunkt im Bereich volkskundlich-kulturanthropologisch arbeitender Autorinnen und Autoren deutlich ist, wird doch das Thema Digitalisierung über die Fachgrenzen hinaus diskutiert. Neben Fachperspektiven sind Positionen von Museen und Archiven berücksichtigt, so dass gemeinsame Fragen, die durch Prozesse der Digitalisierung entstehen, aus unterschiedlichen Positionen heraus diskutiert werden. Die Grundstruktur orientiert sich an drei Perspektiven, die auch im Tagungsprogramm als Panels sichtbar wurden:

    1. „Das Erbe ins Netz" – Wissensmanagement in Archiven und Museen

    2. „Materiell – immateriell – digital" – Aggregatzustände der Kultur?

    3. „Ein Fundus für die Wissenschaft" – Forschen mit digitalen Quellen

    Für die Publikation wurden diese Perspektiven gebündelt und in der Reihenfolge modifiziert.

    Neben diesen drei Perspektivierungen bot die Tagung mit einem „Markt der Möglichkeiten" eine (nicht nur digitale) Plattform zur Präsentation mehrerer Online-Portale. In den Pausen sowie vor und nach dem offiziellen Tagungsprogramm ergaben sich hier Gelegenheiten, Portale in ihrer Benutzung kennenzulernen und mit Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Drei dieser Portale werden am Schluss dieser Publikation präsentiert.

    Ein zentraler Diskussionspunkt während der Tagung betraf Fragen der Kategorisierung von Quellenmaterial: Bisherige Unterscheidungen von materiell und immateriell oder Objektivierung und Subjektivierung verändern sich durch die Möglichkeiten digitaler Realitäten. Was macht Digitalisierung mit Institutionen, Methoden und Akteuren der Wissensgenerierung?

    Gertraud Koch befragt in ihrem Beitrag zum einen Wandlungen im Prozess des Tradierens im Kontext digitaler Medien und Möglichkeiten, zum anderen die kulturelle Produktion unter dem Schlagwort digital heritage. Das Internet fungiert hier gleichzeitig als Präsentations- und Speichermedium, kann also selbst als ein riesiges Archiv betrachtet werden.

    Ruth-E. Mohrmann setzt sich mit den Anforderungen an Archive, Museen und die Geisteswissenschaften durch den wirkmächtigen Digitalisierungstopos auseinander. Ausgehend von der Unterscheidung zwischen Wissen und Informationen plädiert sie für digital humanities mit Augenmaß und vor allem für einen Blick – gerade der Disziplin Volkskunde/Kulturanthropologie – auf die menschlichen Akteure in diesem Feld.

    Auch der Beitrag von Lina Franken und Dagmar Hänel präsentiert eine Position im Diskurs um die Kategorisierung von materieller, immaterieller und digitaler Kultur, hierbei liegt der Schwerpunkt auf Fragen des Wissensmanagements in Archiven, das sie anhand des Projekts „Digitales Portal Alltagskulturen vorstellen und hinterfragen. Konkret diskutieren sie Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung anhand der Aspekte „Auswahlkategorien und „Systematisierung" von Daten.

    Christoph Schmitt und Holger Meyer wagen sich an ein für Volkskundlerinnen und Volkskundler ambivalent diskutiertes Thema: Kann und soll das Material des Atlas der deutschen Volkskunde (ADV),⁷ das in analoger Form unter anderem in der Abteilung Volkskunde/Kulturanthropologie der Universität Bonn aufbewahrt wird, digitalisiert werden? Die Autoren plädieren für diesen Schritt nach dem Vorbild des von ihnen seit mehreren Jahren realisierten digitalen Portals WossiDiA, in dem die Sammlungen des Volkskundlers Richard Wossidlo digital zugänglich gemacht werden, und fordern zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Quellenmaterial auf.

    Die Judaistin Anna Menny thematisiert eine – gerade für volkskundlich-kulturanthropologische Ansätze mit ihren starken regionalen und lokalen Bezügen – zentrale Frage: Was passiert mit solchen lokalen/regionalen Ansätzen, wenn das Material durch Digitalisierung jede Lokalität verliert? Am Beispiel des jüdischen Kulturerbes in Hamburg stellt sie verschiedene Digitalisierungsprojekte vor und erläutert die Veränderung von Erinnerungskulturen durch ihre Virtualisierung.

    Frank Dürkohp präsentiert mit dem digitalen Landesportal „Kulturerbe Niedersachsen" ein umfassendes Angebot der digitalen Recherche und Forschung, das direkten Zugriff auf Bestände zahlreicher niedersächsicher Museen, Archive und Bibliotheken ermöglicht und erläutert so exemplarisch Kontexte, Umsetzungsmöglichkeiten und Perspektiven der Digitalisierung kulturellen Erbes.

    Alexandra Bloch-Pfister betrachtet das vielbeachtete Projekt Europeana 1914– 1918 als europäisches Projekt der Digitalisierung kollektiver Erinnerungskulturen zum Ersten Weltkrieg und diskutiert Vorgehensweise, Konzept und Ertrag anhand von Crowd-Sourcing als Methode der Quellenerhebung. Auch sie plädiert für eine stärkere Forschungsarbeit mit den nun digital vorliegenden Quellen.

    Christian Baisch erläutert am Beispiel eben des Projekts „Digitales Portal Alltagskulturen im Rheinland" für die Digitalisierung kulturellen Erbes unumgängliche, zentrale Metadatenstandards und die gerade bei heterogenem Quellenmaterial große Herausforderung der Qualitätssicherung. Er betont, dass die Übersetzungsleistungen von sammlungsbezogenen in standardisierte Erschließungskriterien den Mehraufwand insofern rechtfertig, als nur darüber eine Wiederauffindbarkeit der Daten gewährleistet ist.

    Werner Schweibenz stellt in seinem Beitrag zum Abschluss des Bands noch einmal grundsätzliche Fragen nach Original und Digitalisat und nach der Kategorisierung von Quellen. Er versteht analoges und digitales Museumsexponat nicht als Gegensätze, sondern als Kontinuum, erläutert seinen Ansatz anhand von Beispielen und plädiert für einen im Zuge der Digitalisierung immer notwendiger werdenden, ergänzenden Begriff zu den gängigen Begriffen „Artefakt, „Naturafakt und „Mentefakt. Er schlägt hierfür das „Digitalifakt zur Benennung digitalisierter Objekte vor.

    Drei Projektpräsentationen beschließen den Tagungsband: Thomas Järmann berichtet über das Forschungsprojekt „Broadcasting Swissness, das am Züricher Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft durchgeführt wird. Thomas Kollatz erläutert eine Datenbank zu jüdischer Grabsteinepigraphik „Epidat und Lisa Landes stellt das wohl zur Zeit prominenteste Projekt in Deutschland im Kontext der Digitalisierung kulturellen Erbes vor: Die „Deutsche Digitale Bibliothek", die nicht nur als Schnittstelle zu internationalen Portalen wie der Europeana fungiert, sondern einen umfangreichen Bestand an Digitalisaten unterschiedlicher Kultureinrichtungen für Forschung sowie museale Vernetzungen zur Verfügung stellt.

    Fazit

    Was kann als Ergebnis von Tagung und Publikation gesehen werden? Das Themenfeld der Digitalisierung kulturellen Erbes ist sicherlich keinesfalls abschließend behandelt, im Gegenteil: Wir hoffen, einen diskursiven Austausch der zahlreichen Akteure in den laufenden Prozessen dieses Felds angeregt zu haben, die Publikation wird hoffentlich zur Verstetigung dieses Austauschs beitragen.

    Tagung und die Beiträge dieser Publikation verweisen auf offene Diskursfelder, zu denen wissenschaftliche Institutionen, die sich im Prozess der Digitalisierung kulturellen Erbes engagieren, Stellung nehmen sollten.

    1. Wir brauchen einen inter- und transdisziplinären offenen Diskurs um Datenund Erschließungsstandards. Die Potentiale der Vernetzung brauchen Standardisierungen, wobei Standards nicht automatisch inhaltliche Qualität bedeuten.

    2. Mit der Digitalisierung kulturellen Erbes entsteht eine neue Qualität von Quellenmaterial. Hier bedarf es gemeinsamer Überlegungen zur Kategorisierung und zum methodischen Umgang.

    3. Digitalisierung braucht kritische Reflexion über ihren Sinn und Zweck, über Angemessenheit und Repräsentanz. Auch Fragen nach Rechten jenseits des Urheberrechts müssen beleuchtet und mit klarer Positionierung beantwortet werden.

    4. Die Digitalisierung kulturellen Erbes und die öffentliche freie Verfügbarkeit von Quellen und Wissen brauchen Vereinbarungen. Die Herausforderungen und die großen Chancen dieses Wandels sollten bewusst und transparent gestaltet werden.

    Neben der Digitalisierung von kulturellem Erbe bleibt das Forschen mit digital verfügbaren Quellen eine Herausforderung, der sich das Fach Kulturanthropologie/ Volkskunde ebenso wie seine Nachbardisziplinen der Geistes- und Kulturwissenschaften aber auch der dokumentarischen Disziplinen in den kommenden Jahren stellen sollten.

    Zum Abschluss möchten wir allen Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge danken, die sicherlich im Zuge der gerade erst begonnenen Digitalisierung von kulturellem Erbe dem einen oder anderen als Denkanstoß oder Hilfestellung dienen konnten und weiterhin dienen werden.

    Ein großer Dank geht zudem an Corinna Schirmer, die mit großer Umsicht die Texte redigiert und an die Druckformalia angepasst hat. Wir bedanken uns ebenfalls beim gesamten Team des Klartext Verlags für die professionelle und gute Betreuung.

    1Vgl. beispielsweise Süddeutsche Zeitung (Hg.): „Digitales Morgen". http://www.sueddeutsche.de/thema/Digitales_Morgen . Zuletzt abgerufen am 11.09.2015.

    2Vgl. Konradien Medien GmbH (Hg.): Wissen.de. http://www.wissen.de/ . Zuletzt abgerufen am 11.09.2015.

    3Ebd.

    4Vgl. dazu u.a. die historischen Perspektiven in Burke, Peter: Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft. Berlin 2001; Vgl. auch Dülmen, Richard van; Rauschenbach, Sina (Hg.): Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft. Köln/Weimar/Wien 2004. Vgl. zum Begriff auch Koch, Gertraud: Die Neuerfindung als Wissensgesellschaft. Inklusionen und Exklusionen eines kollektiven Selbstbildes, in: Hengartner, Thomas; Moser, Johannes (Hg.): Grenzen & Differenzen. Zur Macht sozialer und kultureller Grenzziehungen. 35. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde, Dresden 2005 (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, Band 17). Leipzig 2006, S. 545–559; Barth, Fredrik: An Anthropology of Knowledge, in: Current Anthropology 43 (2002), S. 1–18; Winterberg, Lars: Ernährung und Wissen. Theoretische Annäherungen an eine Ethik des Essens und Trinkens, in: Hirschfelder, Gunther; Ploeger, Angelika; Rückert-John, Jana; Schönberger, Gesa (Hg.): Was der Mensch essen darf. Ökonmischer Zwang, ökologisches Gewissen und globale Konflikte. Wiesbaden 2015, S. 19–33.

    5Vgl. Bauer, Katrin; Hänel, Dagmar: Digitales Portal Alltagskulturen (PortAll). Kultureller Wandel im ländlichen Raum 1900–2000. Projekt zur Digitalisierung und Erschließung volkskundlicher Sammlungsbestände im Rheinland, in: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 58 (2013), S. 253–256.

    6Gyr, Ueli: Kulturale Alltäglichkeit in gesellschaftlichen Mikrobereichen. Standpunkt und Elemente zur Konsensdebatte, in: Ders.: Schnittstelle Alltag. Studien zur lebensweltlichen Kulturforschung. Münster 2013, S. 125–141, hier S. 127.

    7Der Atlas der Deutschen Volkskunde ist ein Großprojekt des Faches, das zwischen 1928 und 1984 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft bzw. ihrer Vorgängerorganisation gefördert wurde. Von 1930 bis 1935 wurden insgesamt fünf umfangreiche Fragebögen im gesamten deutschsprachigen Raum versandt, um mit Ansätzen der Kulturraumforschung, methodisch auf einem Gewährsmannprinzip in Belegorten aufbauend, Kulturprägungen im Raum zu kartieren. Vgl. dazu Gansohr-Meinel, Heidi: „Fragen an das Volk Der Atlas der deutschen Volkskunde 1928–1945. Ein Beitrag zur Geschichte einer Institution. Würzburg 1993; Grober-Glück, Gerda: Zum Abschluß des Atlas der deutschen Volkskunde – Neue Folge. Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte, in: Bringéus, Nils-Arvid u.a. (Hg.): Wandel der Volkskultur in Europa. Band 1. Münster 1988, S 53–70; Schmoll, Friedemann: Die Vermessung der Kultur. Der „Atlas der deutschen Volkskunde und die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1928–1980. Stuttgart 2009.

    Kultur digital

    Tradieren und Produzieren unter neuen Vorzeichen

    Gertraud Koch

    Einleitung

    Digitale Technologien haben in einem kulturgeschichtlich relativ kurzen Zeitraum von circa einem halben Jahrhundert Niederschlag in allen Lebensbereichen gefunden und diese schon jetzt erheblich verändert, wobei die Entwicklungen alles andere als abgeschlossen sind. Die damit verbundenen gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen werden häufig als epochal empfunden. Denn immer wenn neue Medien aufkommen, ändern sich damit auch die Mittel, mit denen Kultur produziert und überliefert werden kann. Im historischen Rückblick stellt sich das sehr plausibel dar, wenn wir auf bahnbrechende neue Technologien wie Buchdruck, Telegrafie, Fotografie und Film, Radio und Fernsehen zurückblicken – um hier nur einige zu nennen. Das Repertoire an Möglichkeiten, Kultur auszudrücken und neu zu schaffen ist mit den Medienentwicklungen stetig erweitert worden. Folgt man Kaspar Maases kulturhistorischer Untersuchung zur Entwicklung der Massenkünste¹ so hat unsere Beschäftigung mit künstlerischen und kulturellen Ausdrucksformen einen Anteil in unserem Lebensalltag wie nie zuvor. Die Voraussetzung für diese Verbreitung populärer Künste ist erst mit der medialen Entwicklung entstanden.²

    Wenn neue Medien sich verbreitet haben, so wie das heute mit der Digitalisierung der Fall ist, haben sich auch die „alten Medien verändert, weil sich das Gefüge an Vermittlungsformen immer wieder neu ordnen musste. Das was wir heute an Umwälzungen auf dem Buch-, dem Zeitungs- beziehungsweise Zeitschriftenmarkt erleben, was wir an Veränderungen im Bereich der Fotografie- und Filmkunst und nicht zuletzt auch in den Archiven und Museen erleben, stellt sich in medienhistorischer Perspektive als ein üblicher, vielfach durchlebter Prozess der Reorganisation dar. „Alte Medien und die damit verbundenen kulturellen Vermittlungsmöglichkeiten erfahren im Lichte der anderen medialen Möglichkeiten eine Neubewertung. Ihre spezifischen Qualitäten müssen sich neu und als immer noch relevant bewähren. Die Medienwissenschaftler Boulter und Grusin haben diese als „Remediation"³ bezeichnet. Dies löst einen homologen Prozess für die Kultur beziehungsweise das

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