Preußische Zündnadelgewehre: Leitfaden für angehende Sammler und Schützen
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Im Buch werden nur von Nikolaus (von) Dreyse entwickelte und in der preußischen Armee regulär eingeführte Gewehre beschrieben. Modelle, die nicht über das Versuchsstadium hinauskamen, werden genauso wenig behandelt wie Wallbüchsen oder Zündnadelgewehre anderer Systeme oder anderer Staaten.
Dafür sind hier viele Informationen zusammengefasst, die sonst nur in der zeitgenössischen militärischen Literatur und den preußischen Vorschriften zu finden sind, vor allem Angaben zur Munition der Zündnadelgewehre, zu ihrer Pflege, zu zeitgenössischen Reparaturen, zum Umgang und zur zeitgenössischen Schießpraxis.
Damit ist dieses Buch auch eine Ergänzung von historisch oder technisch orientierten Schriften über die Zündnadelgewehre. Auch der Sammler findet hier Informationen, zum Beispiel solche, die es ihm ermöglichen, zeitgenössische von neuzeitlichen Reparaturen zu unterscheiden.
Außerdem soll hier eine Brücke geschlagen werden zwischen den Sammlern, die mit ihren Zündnadelgewehren nie schießen würden und denen, die heute mit Zündnadelgewehren um sportliche Ehren kämpfen. Also sind hier auch Informationen darüber zu finden, wie und wo man heute mit Zündnadelgewehren schießt, wer bei Problemen helfen kann und wie man Munition für Zündnadelgewehre herstellen kann.
Wolfgang Finze
Jahrgang 1949, Studium der Physik. Aktiver Schütze (auch mit Vorderlader- und Zündnadelgewehren), Verfasser zahlreicher Beiträge in der Zeitschrift VISIER und im VISIER-Special zu Waffentechnik, Waffengeschichte und zur Geschichte des Deutschen Schützenbundes. Vom Verband für Waffentechnik und Geschichte (VdW) bestellter Sachverständiger. Bisher verfasste Bücher zum Themenkomplex Zündnadelgewehre: - Preußische Zündnadelgewehre: Leitfaden für angehende Sammler und Schützen (200 Seiten, ISBN-13: 978-3739201085) - Preußische Zündnadelgewehre in Deutschland 1861 - 1871 und die Aptierung nach Beck: Leitfaden für Sammler (224 Seiten, ISBN-13: 978-3744894135) - Schießen mit preußischen Zündnadelgewehren: Tipps zur Handhabung, Pflege und zur Munition (56 Seiten, ISBN-13: 978-3752812305) - Chassepot-Zündnadelgewehre: Hinweise und Tipps für Sammler und Schützen (124 Seiten, ISBN 978-3752829136) Autor eines Buches und über das bayerische Podewils-Gewehr - Das bayerische auf Rückladung abgeänderte Gewehr M.1858 (Podewils-Gewehr): Tipps für Sammler und Schützen (108 Seiten, ISBN 978-3749478934) Autor dreier Bücher zum Thema Vorderladerschießen - Mit Pulver und Blei - Schießen mit Vorderladergewehren (ISBN-13: 978-3752609615) - Papierpatronen für Musketen und Vorderlader- Dienstgewehre (ISBN-13: 978-3754384428 - Steinschloss - Technik und Handhabung (ISBN-13: 978-3756834945 Herausgeber der Edition historischer Texte zur Schießpraxis in deutschen Schützenvereinen der Zeit vor 1900. In dieser Edition sind bis jetzt erschienen: - Kommentierte Neuauflagen des von Heinrich Kummer verfassten und 1862 erschienenen Buches Der praktische Büchsenschütze (ISBN-13: 978-3848264292) - Neuauflage des von C.C. Beyer verfassten und 1844 erschienenen Buches Meine Erfahrungen bei dem Scheibenschießen: Eine praktische Anleitung für angehende Scheibenschützen. (ISBN-13: 978-3738622577) - Erfahrungen und Betrachtungen - Ausgewählte Artikel zu Waffentechnik, Munition und Schießpraxis aus der Deutschen Schützen- und Wehrzeitung der Jahre 1872 bis 1881 (ISBN-13: 978-3752876710) Gemeinsam mit Joachim Görtz Autor des Buches - Fremde Gewehre in Deutschen Diensten (108 Seien, ISBN-13: 978-3831146093)
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Book preview
Preußische Zündnadelgewehre - Wolfgang Finze
Meiner Frau gewidmet
Nikolaus v. Dreyse
(aus: Die Gartenlaube, Jg. 1868, S. 629)
Danksagung
Es ist die angenehme Pflicht des Autors, all denen zu danken, die zum Zustandekommen dieses Buches beigetragen haben.
Besonderer Dank gilt dabei den folgenden Personen, die für dieses Buch uneigennützig Informationen und Bilder bereitstellten, ohne die dieses Buch nie hätte entstehen können.
Christian Buchholz, Bad Harzburg
Hartmann Hedtrich, Eberstadt
Markus Käthner, Steinau
Udo Lander, Forbach
Gerhard Peters, Leutershausen
Karl-Heinz Sack, Sömmerda
Roland Zwack, Gunzenhausen
Inhalt
Vorwort
Geschichte des Zündnadelgewehrs
Wie viele Zündnadelgewehre gab es
Hersteller von Zündnadelgewehren
Dreyse, Sömmerda
Gewehrfabrik Spandau
Gewehrfabrik Danzig
Gewehrfabrik Saarn
Gewehrfabrik Erfurt
Gewehrfabrik Crause in Herzberg
Weitere Hersteller
Funktionsweise des Zündnadelgewehrs
Die Beck´sche Aptierung
Kleine Stempelkunde
Herstellerstempel
Fertigungs- und Ausgabejahr
Umänderungsjahr bei Pioniergewehren U/M
Laufkaliber
Laufmaterial
Militärischer Beschuss
Schaftlänge
Körnerpunkte auf der Stempelplatte
Markierung zur Bestimmung der Nadellänge
Truppenstempel
Die einzelnen Modelle kurz vorgestellt
Trageweise der Zündnadelgewehre
Gewehre für die Infanterie
Zündnadelgewehr M/41
Zündnadel-Füsiliergewehr M/60
Zündnadelgewehr M/62
Jägerbüchsen
Zündnadelbüchse M/49
Zündnadelbüchse M/54 (Pikenbüchse)
Zündnadelbüchse M/65
Karabiner
Gewehre für die Pioniere
Zündnadel-Pioniergewehr U/M
Zündnadel-Pioniergewehr M/69
Die Defensionsgewehre
Defensions-Zündnadelgewehr Ö/M
Defensions-Zündnadelbüchse Ö/M
Defensions-Zündnadelgewehre B/M
Defensionsgewehre Na/M
Defensions-Zündnadelbüchse U/M
Munition für Zündnadelgewehre
Die Patrone M/55 mit preußischem Langblei
Herstellung der Patronen
Zündnadel-Gewehr- und Büchsenpatrone
Zündnadel-Karabinerpatrone
Zündnadel-Platzpatrone
Zündnadel-Patronen mit Explosivgeschoss
Ballistik der Zündnadelpatrone M/55
Die Patrone n/A mit erleichtertem Langblei
Schießen mit dem Zündnadelgewehr
Laden eines Zündnadelgewehrs
Schießausbildung
Schießauszeichnungen
Schießen im Einsatz und Trefferleistung
Reinigung, Pflege und Reparaturen der Zündnadelwaffen
Reinigung
In der Garnison
Im Felde
Im Gefecht
Pflege
Reparaturen
Reparaturen an der Kammer
Reparaturen an der Hülse
Reparaturen am Lauf
Reparaturen am Schaft
Zündnadelgewehre heute
Umgang mit dem Zündnadelgewehr
Sportliches
Patronen für Zündnadelwaffen selbst herstellen
Wer hilft, wer liefert was
Zwischen 1857 und 1871 in Preußen geltende Münzen, Maße und Gewichte.
Münzen
Masse
Länge
Literatur
Preußische Dienstvorschriften
Vorwort
Die Jahre zwischen 1848 und 1876, in denen die preußische Armee ganz oder teilweise mit Zündnadelgewehren bewaffnet war, sind die Jahre zwischen der „Ölmützer Punktation", in der Preußen auf österreichischen Druck vorerst auf den Führungsanspruch in Deutschland verzichten musste, und der nach drei siegreichen Kriegen im Jahre 1871 erreichten Schaffung eines deutschen Staates unter preußischer Führung.
Preußen hatte 1841, zu einer Zeit, als andere Armeen gerade die Umstellung vom Stein- auf das Perkussionsschloss abgeschlossen hatten und bei der Infanterie fast ausschließlich glattläufige Vorderlader geführt wurden, die geradezu revolutionäre Entscheidung getroffen, Teile seiner Armee mit einem Hinterlader mit gezogenem Lauf, ausgelegt für eine Einheitspatrone, auszurüsten. Die tatsächliche Einführung der Gewehre begann 1848, kurze Zeit später wurde beschlossen, die ganze Armee mit Zündnadelgewehren zu bewaffnen. Preußen hatte damit gegenüber allen anderen Armeen der Welt waffentechnisch einen Vorsprung von fast 20 Jahren erreicht. Nach 1850 wurde Preußens Infanterie, auch wegen ihrer Bewaffnung mit Hinterladern, zur besten und schlagkräftigsten Infanterie Europas.
Dieses Buch beschränkt sich auf von Nikolaus (von) Dreyse entwickelte und in der preußischen Armee regulär eingeführte Handfeuerwaffen. Modelle, die nicht über das Versuchsstadium hinauskamen (wie z.B. die Zündnadelpistole), werden deshalb genauso wenig behandelt wie Wallbüchsen oder Zündnadelgewehre anderer Systeme oder anderer deutscher Staaten. Dafür sind hier viele der Informationen zusammengefasst, die verstreut in der oft nur schwer zugänglichen zeitgenössischen militärischen Literatur und den preußischen Vorschriften enthalten sind.
Einen großen Umfang nehmen Angaben zur Munition der Zündnadelgewehre, zur zeitgenössischen Schießausbildung und zur Schießpraxis im Gefecht ein; etwas, das in den meisten der eher historisch oder technisch orientierten Schriften über die Zündnadelgewehre nur kurz oder gar nicht behandelt wird.
Außerdem wird mit diesem Buch der Versuch unternommen, eine Brücke zwischen den Sammlern und den Schützen zu schlagen, zwischen denen, die ihre Zündnadelgewehre nie schießen würden und denen, die heute mit Zündnadelgewehren um sportliche Ehren kämpfen.
Es wird also auch beschrieben, wo man heute wieder mit Zündnadelgewehren schießt, wer bei Problemen mit den Gewehren helfen kann und natürlich auch, wie man heute Munition für Zündnadelgewehre selbst herstellen kann.
Rostock, im Januar 2016
Wolfgang Finze
Geschichte des Zündnadelgewehrs
„Königliche Hoheit, 60.000 mit diesem Gewehre bewaffnete Mann unter Führung eines talentvollen Generals und seine Majestät der König werden bestimmen können, wo Preußens Grenze gehen soll." - So Major Prien 1838 bei einer Audienz beim Kronprinzen, dem späteren König Friedrich Wilhelm IV.
Als Preußen das 1841 von Nikolaus Dreyse entwickelte Zündnadelgewehr mit seiner Einheitspatrone einführte, verfügte es über das beste Militärgewehr seiner Zeit, das allen damals beim Militär geführten Gewehren weit überlegen war. Allerdings bedeutete die Einführung im Jahre 1841 nicht, dass die preußische Armee ab 1841 mit Zündnadelgewehren ausgerüstet war; ihre tatsächliche Einführung begann erst 1848 und war 1866 noch nicht abgeschlossen.
Nikolaus (auch Nicolaus) Dreyse, geboren 20.11.1787 in Sömmerda, gestorben am 09.12.1867 in Sömmerda, wurde 1846 zum Kommissionsrat, 1854 zum geheimen Kommissionsrat ernannt und damit „hoffähig". Wegen seiner Verdienste wurde er 1864 geadelt und hieß danach von Dreyse.
Dreyse experimentierte seit 1827 mit Einheitspatronen und der Nadelzündung. Sein Ziel war, das Laden des Vorderladers durch eine Patrone zu erleichtern, die nicht nur Ladung und Geschoss, sondern auch das Zündmittel enthielt. Die preußische Armee verfolgte die Entwicklung mit großem Interesse, sowohl der Kronprinz (der spätere König Friedrich Wilhelm IV.) als auch der Prinz von Preußen (der spätere König Wilhelm I) förderten Dreyse. Der Durchbruch gelang ihm, als er 1836 einen Hinterlader mit gezogenem Lauf vorstellte. Nach einigen Verbesserungen und Truppenversuchen nahm Preußen 1841 dieses Gewehr als Bewaffnung der Füsilierbataillone an.
Dreyse trat die Rechte an seiner Erfindung an den preußischen Staat ab, erhielt dafür ein jährliches Gehalt¹ von 1.200 Talern, ein einmaliges Geschenk von 10.000 Talern und am 4. Dezember 1840 den Auftrag, 60.000 Gewehre mit je 500 Patronen zu fertigen sowie einen Kredit von 90.000 Talern, um damit die zur Fertigung benötigte Fabrik bauen zu können. Gleichzeitig erklärte man Gewehr und Munition zum Staatsgeheimnis. Aus Gründen der Geheimhaltung wurden die Gewehre zunächst „leichte Percussionsgewehre genannt, ehe am 22. März 1855 ihre Bezeichnung in „Zündnadel-Gewehr
geändert wurde.
Die in Sömmerda hergestellten Gewehre wurden unter strenger Geheimhaltung so lange gelagert, bis genug Gewehre für die Bewaffnung der Füsilier-Bataillone vorhanden waren. Anfang 1848 lagerten in den Zeughäusern in Berlin und Magdeburg etwa 45.000 Zündnadelgewehre und an anderen Orten 22 Millionen Patronen. Am 6. Juni 1848 wies der König an, die Garderegimenter zu Fuß Nr. 1 und 2, das Garde-Reserve-Regiment sowie die Füsilierbataillone der Infanterieregimenter 2, 9 und 32 sofort mit Zündnadelgewehren zu bewaffnen. Allerdings dauerte es einige Zeit, bis die Gewehre tatsächlich an die Regimenter ausgegeben wurden. So nennt die Regimentsgeschichte des Infanterieregiments Nr. 32 das Jahr 1849 als Ausgabejahr:
„Bedeutungsvoll ist, daß in diesem Jahre das Füsilier-Bataillon des Regiments an Stelle der bisher geführten Perkussionsgewehre mit den ersten Hinterladergewehren, den Zündnadelgewehren M/41, bewaffnet wurde."
Am 14. Juni 1848 wurde das Berliner Zeughaus gestürmt. Dabei fielen die dort gelagerten Zündnadelgewehre (aber keine Munition, denn die lagerte im Artillerielaboratorium vor dem Oranienburger Tor) in die Hände der Revolutionäre. Das lange gehütete Geheimnis war keines mehr.
Auch wenn fast alle abhanden gekommenen Gewehre wieder beschafft werden konnten, blieben etwa 30 verschwunden. Einige davon fanden mit Sicherheit den Weg ins Ausland. Dort fiel die Beurteilung der Zündnadelgewehre allerdings überall negativ aus, jeder sah nur die (durchaus vorhandenen) Schwächen und hielt Einheitspatronen für viel zu gefährlich für eine militärische Verwendung, aber keiner erkannte die sich durch die Ladeweise ergebenden Vorteile für das Militär. Ploennis² schreibt dazu:
„Da man weder im Verschlussmechanismus noch in der Pille ein eigentliches Geheimnis entdecken konnte, vergass man den Kern der Sache da zu suchen, wo