Handbuch für den Drogennotfall: Das Wichtgste zu Gefahrenpotentialen, Überdosierungen und Abhängigkeiten
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Unterteilt nach wirkungsspezifischer bzw. chemischer Zusammengehörigkeit werden über 40 Substanzen, von Alkohol und Antidepressiva über Ephedrin und Heroin bis Psilocybin und Yohimbin, monographisch dargestellt. Die Monographien beinhalten: chemische Bezeichnungen und Beschreibung der Substanzen, Symptome und Diagnostik, Dosierung und Überdosierung. Wirkungen und Nebenwirkungen, Gefahren und Wechselwirkungen, Massnahmen für den Notarzt, Rettungsdienst und sonstige Erste Hilfe Einsätze sowie für Arztpraxen und Krankenhäuser.
Kurzfristige Hilfe bei Überdosierungen, Vergiftungserscheinungen und Folgen von Mischkonsum wie auch Behandlung von Abhängigkeiten. Erfahrungsberichte von Konsumenten und aus der medizinischen Notfallpraxis.
Aus dem Inhalt: Was sind psychotrope Substanzen? Psychoaktiv, nicht Physioaktiv? Was tun bei bekannter bestehender Abhängigkeit? Rund 50 Monografien von psychoaktiven Substanzen von Alkohol und Antidepressiva über Ephedrin und Heroin bis Psilocybin und Yohimbin.
Mit diesem Handbuch liegt endlich ein fachlich fundiertes Werk vor, das objektiv die gebräuchlichsten psychoaktiven Drogen, deren Gefahrenpotenziale und die wichtigsten Massnahmen für den Drogennotfall beschreibt.
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Handbuch für den Drogennotfall - Markus Berger
Danksagung
I Vorwort
»Jede Krankheit ist ein Fegefeuer. Daher kann kein Arzt heilen, wenn nicht nach Gottes Ratschluss das betreffende Fegefeuer beendet sein soll. Denn der Arzt soll und kann nicht gegen die göttliche Bestimmung des Fegefeuers wirken.«
PARACELSUS (I/55)¹
Dies ist nun mein drittes Sachbuch zum Thema Drogen und es werden gewiss noch weitere folgen. Das weite Feld der Psychoaktiva ist mein hauptsächliches und grundlegendes Interessengebiet, eben einfach meine Heimat, mein Zuhause. Monografische Abhandlungen sind mir hingegen nicht sehr sympathisch. Warum verfasse ich dennoch ein drittes Sachbuch dieser Art? Aus einem ganz banalen Grund: Es gibt zwar unzählige gute und weniger gute Bücher zu Rauschdrogen, aber es mangelt an Literatur für den Umgang mit Drogennotfällen. Leider gibt es auf dem Literaturmarkt ein nur unzureichendes Angebot zu dieser heißen Thematik. Versuche von RICHI MOSCHER, MARKUS BACKMUND und MATTHIAS BASTIGKEIT können nicht mehr als solche sein. Ihre Auswahl der thematisierten Substanzen ist doch mehr als schmal.
Ich habe zwar nie studiert, aber ich habe als Rettungssanitäter – neben und zum Zwecke meiner psychonautischen Forschertätigkeit – sieben Jahre lang beim Malteser Hilfsdienst und beim Deutschen Roten Kreuz meine Brötchen verdient. In diesen Jahren hielt die Praxis der Drogennotfälle einige schockierende Schattenseiten für mich bereit – in zwischenmenschlicher, psychologischer wie auch in pharmakologischer Hinsicht. Und das, obwohl der Umgang mit Psychoaktiva gar nicht so kompliziert ist, wie er oftmals dargestellt wird und wie er in den Köpfen der Menschen festgeklammert ist.
Für den medizinischen Umgang mit Notfällen, die durch psychoaktive Substanzen induziert sind, gibt es in Bezug auf die meisten Drogen keine oder nur sehr wenig Literatur und ebenso wenige Erfahrungswerte. In den vorhandenen Büchern werden standardmäßig Alkohol, Heroin, LSD, Cannabis, Amphetamin, Ecstasy, Barbiturate und Benzodiazepine behandelt. Das sind gerade acht Substanzen – nicht besonders viele also. Hinzu kommt, dass viele Ärzte, Sanis und Pfleger oftmals sorglos im Umgang mit Rauschdrogen sind. Da wird einem Gymnasiasten nach dem Genuss eines Joints der Magen ausgepumpt (!) und er dann für drei Tage stationär aufgenommen. Der stark alkoholisierte Patient wird, weil er ja aggressiv ist, mit Benzodiazepinen voll gepumpt. Der nervende, zugedröhnte Junkie erhält Naloxonhydrochlorid, um seinen Rausch schnellstens aufzuheben. Dies sind drei Beispiele für klassische Fehlhandlungen, die ausschließlich durch Unwissenheit zustande kommen und die ich fast beliebig fortführen könnte.²
Das vorliegende Handbuch enthält 52 Monografien zu Notfällen mit Psychoaktiva, den entsprechenden Daten zu jeder einzelnen Substanz, den präklinischen und klinischen Maßnahmen, Angaben zu Risiken und Wirkungen, Pharmakologie und Diagnostik und vieles mehr. Es richtet sich im Speziellen an Ärzte, Rettungsassistenten und medizinisches Pflegepersonal, aber auch an Pädagogen, Therapeuten und Betreuer in klinischen und ambulanten Suchthilfe-Einrichtungen, an Angehörige von Drogenkonsumenten und natürlich an die Konsumenten selbst. Auf die Erklärung gemeinhin bekannter Maßnahmen, wie Reanimationsalgorithmen, habe ich verzichtet. Jeder im Medizinwesen Tätige sollte solcherlei beherrschen. Für die Aus- und Weiterbildung in dieser Hinsicht sei explizite Literatur empfohlen.
Ich hoffe, mit dem »Handbuch für den DrogenNotfall« eine Lücke zu schließen, das Fachpersonal für ein tabuisiertes Thema zumindest ein wenig sensibilisieren zu können und die gesundheitlichen Chancen von künftigen DrogenNotfall-Betroffenen etwas zu verbessern – auch und gerade, weil Ärzte und Pfleger oftmals meinen, dass Drogenbenutzer an ihrem Leiden selbst schuld seien. Wenn auch nur einer meiner drei Wünsche in Erfüllung geht, hat sich die Arbeit für mich schon gelohnt.
MARKUS BERGER
Knüllwald, den 15. Juli 2004
II Vorwort von Hans Cousto
Gäbe es keine Straßenverkehrsordnung und keine Führerscheinpflicht für alle Fahrzeuglenker, wären die Verhältnisse auf den Straßen völlig chaotisch und die Zahl der durch Verkehrsunfälle verletzten oder getöteten Personen vermutlich unermesslich hoch. Dies erkannte vor inzwischen 111 Jahren der um die »Gefährdung der öffentlichen Ordnung« durch die ersten Automobile besorgte damalige Pariser Polizeipräsident Louis Lépine. Am 14. August 1893 erließ er eine Verordnung, die einen »Kapazitätsnachweis« für die Kraftfahrer und eine Genehmigung für die in den Verkehr gebrachten Autos vorschrieb. Es war die erste Verordnung dieser Art weltweit. Die Anwärter auf den »Kapazitätsnachweis« mussten das vollendete Alter von 21 Jahren nachweisen können, männlichen Geschlechts sein und eine praktische Prüfung ablegen. Sie hatten zu beweisen, dass sie ihr Fahrzeug in Gang setzen und insbesondere auch anhalten konnten. Sie mussten auch zeigen, dass sie das fahrende Automobil im damals bereits vorgeschriebenen Rechtsverkehr beherrschten und in der Lage waren, leichte Pannen auf der Landstraße selbst zu beheben. Prüfer waren Bergbauingenieure, die zur damaligen Zeit im Bereich Technik am versiertesten waren, jedoch selbst häufig nicht in der Lage waren, ein Automobil zu lenken. In ganz Frankreich gab es damals 1.700 Autos.
Um heute einen Führerschein zu bekommen, muss man nicht nur bei einer theoretischen Prüfung die Kenntnis der Verkehrsregeln und bei einer praktischen Prüfung die Fähigkeit ein Fahrzeug zu lenken unter Beweis stellen, sondern auch noch einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren, damit man im Notfall nach einem Verkehrsunfall weiß, was man zu tun hat, um weiteren Schaden von den durch den Unfall geschädigten Personen abzuwenden. Dennoch bleiben die Menschen aus Angst und vermeintlicher Unkenntnis an der Unfallstelle oft untätig. Deshalb beschäftigte man sich bei Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz, dem Arbeiter-Samariter-Bund, dem Malteser-Hilfsdienst und der Johanniter-Unfall-Hilfe mehr und mehr selbstkritisch auch mit den Erste-Hilfe-Kursen selbst, da es nicht ausreicht, lediglich die Kompetenz zur ersten Hilfe zu vermitteln. Die Bereitschaft zum Eingreifen ist nicht nur vom Wissen und Können, sondern entscheidend auch von der Motivation abhängig. Erste-Hilfe-Kurse sollten weit mehr als bisher zum Eingreifen motivieren, Einstellungen verändern, Hemmschwellen abbauen und den Laienhelfern ihre Ängste nehmen. Menschen in akuten Notsituationen zu helfen, ist für Laien schwer, oft sehr schwer.
Diverse Untersuchungen haben gezeigt, dass die erworbenen Fähigkeiten zur ersten Hilfe bereits nach zwei bis drei Jahren oft um mehr als die Hälfte sinken. Deshalb sollten alle Verkehrsteilnehmer ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse regelmäßig auffrischen. Von der Notwendigkeit, über ausreichende Kenntnisse zur ersten Hilfe zu verfügen, sind fast alle Autofahrer überzeugt, doch diese Einstellung steht im krassen Widerspruch zum tatsächlichen Verhalten in Notfallsituationen. Viele Menschen schrecken aus Angst davor zurück, erste Hilfe zu leisten. Etwa jeder zehnte Unfalltote könnte gerettet werden, wenn Ersthelfer eine sachgerechte erste Hilfe leisten würden.
Genauso wie man eine Zulassung (Erlaubnis) braucht, um ein Automobil in den Verkehr zu bringen, genauso braucht man auch eine Erlaubnis, um Betäubungsmittel oder andere psychotrope (auf die Seele einwirkende) Stoffe in den Verkehr zu bringen. Dies gilt zumindest in Deutschland für die in den Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), respektive in der Schweiz, für die in den Anhängen der Verordnung über die Betäubungsmittel und psychotropen Stoffe aufgeführten Substanzen. Da jedoch die Erteilung einer solchen Erlaubnis von den Behörden äußerst restriktiv gehandhabt und nur in seltenen Fällen zu wissenschaftlichen Zwecken im öffentlichen Interesse erteilt wird, findet der überwiegende Teil des Verkehrs mit Betäubungsmitteln und anderen psychotropen Stoffen unter Bedingungen statt, als gäbe es keine Gesetze oder Verordnungen zur Regelung des Verkehrs mit Betäubungsmitteln. Wäre das Betäubungsmittelgesetz nicht in erster Linie ein rein prohibitives Gesetz, das heißt ein Gesetz, das den allermeisten Menschen jeglichen Umgang mit Betäubungsmitteln und anderen psychotropen Stoffen verbietet, und gäbe es ein Betäubungsmittelgesetz, das dem real existierenden Umgang mit psychoaktiven Substanzen Rechnung trüge, dann wäre der Markt mit diesen Substanzen geordneter, vernünftiger geregelt und weniger chaotisch und die Zahl der Drogennotfälle deutlich geringer. Das heißt, die Zahl der durch Drogenunfälle verletzten oder getöteten Personen wäre vermutlich deutlich niedriger als unter den heute gegebenen Bedingungen.
Da die pharmakologische Wirkung zahlreicher psychoaktiver Substanzen eine Intensivierung und Sensibilisierung der Sinneswahrnehmungen auslöst und nicht im geringsten eine Betäubung derselben, ist es völlig absurd, diese Substanzen als Betäubungsmittel zu bezeichnen und den Verkehr mit diesen Substanzen mittels eines Betäubungsmittelgesetzes regeln zu wollen. Die Veränderung der Sinneswahrnehmungen respektive der kognitiven (lateinisch: cognoscére = erkennen, kennen lernen) Funktionen, die sich einerseits durch eine kaum fassbare Aktivierung und Sensibilisierung aller Sinnesorgane auszeichnen kann und anderseits lang vergessen geglaubte Bilder aus dem Erinnerungsvermögen in unglaublich klarer Plastizität ins Zentrum des Bewusstseins führen kann, hat manchmal zur Folge, dass die ungeheure Vielfalt von Sinneseindrücken nicht mehr verarbeitet werden kann und man sich von dem Input Overflow (Eingabe-Überfluss) völlig erschlagen fühlt. Unerfahrene wie auch schlecht respektive ungenügend vorbereitete Psychonautiker sind dieser Gefahr weit mehr ausgesetzt als Menschen, die bereits im Umgang mit außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen vertraut sind.
Der Begriff Psychonautik, der in der Szene der Bewusstseinsforscher immer mehr Zuspruch findet, ist eine Wortzusammensetzung aus den zwei griechischen Begriffen ψυχη [psyché], gleich bedeutend mit Hauch, Atem, Seele (als Träger bewusster Erlebnisse), und ναυτικη [nautiké], gleich bedeutend mit Schifffahrtskunde, respektive ναυς [naus], gleich bedeutend mit Schiff. In der neueren Fachliteratur werden Psychonautiker manchmal auch als Psychonauten bezeichnet. Diese Bezeichnung erfolgt in Analogie zu den gängigen Begriffen in der Raumfahrt, wo Weltraumfahrer als Kosmonauten respektive Astronauten bezeichnet werden. Von der Ethymologie her bedeutet der Begriff Psychonaut soviel wie Seelenschiff, der Begriff Psychonautiker soviel wie Seelenschifffahrtskundiger. Entsprechend bedeutet Kosmonaut soviel wie Weltallschiff, Astronaut soviel wie Sternenschiff, Kosmonautiker soviel wie Weltallschifffahrtskundiger und Astronautiker soviel wie Sternenschifffahrtskundiger.
Indikatoren für eine Prognose bezüglich der Intensität und Erlebnisqualität der visionären Umstrukturierung durch die Sensibilisierung der Sinneswahrnehmungen aus der Perspektive eines außergewöhnlichen Bewusstseinszustandes sind eine stark ausgeprägte bildhafte Vorstellungskraft im Zustand des normalen Wachbewusstseins und eine hohe Empfindungsfähigkeit für das sinnlich wahrnehmbar Schöne. Das heißt, ein starker Bezug zur Ästhetik fördert die Erlebnisqualität der visionären Umstrukturierung. Der Begriff Ästhetik kommt von griechisch αισθεσται [aisthéstai] »fühlen, empfinden und wahrnehmen«, respektive von αισθητικος [aisthétikós] »zum Wahrnehmen fähig«. Der medizinische Fachausdruck für Betäubungsmittel Anästhetikum ist aus der Negationsform an-aisthétikós abgeleitet und bedeutet nicht fühlbar, nicht empfindbar und nicht wahrnehmbar.
Die wichtigsten pharmakologischen Auslöser außergewöhnlicher Bewusstseinszustände sind die so genannten entheogenen Drogen, gefolgt von den entaktogenen Drogen. Entheogene Drogen sind Substanzen, die das Göttliche in einem entstehen und gewahr werden lassen. Der Begriff entheogen ist aus den drei griechischen Wörtern εν [en] »innen«, θεος [theós] »Gott, Gottheit« und γεν [gen] »generieren, erzeugen« zusammengesetzt. Zu den wirksamsten entheogenen Substanzen zählen die auch als Halluzinogene bezeichneten Indolderivate LSD (Lysergsäurediethylamid), DMT (Dimethyltryptamin), DET (Diethyltriptamin) und Psilocybin wie auch die Phenethylamine Meskalin und 2C-B.
Als entaktogene Drogen bezeichnet man Substanzen, die das innere Gefühl und Empfinden steigern. Der Begriff ist von dem lateinischen Wort für Berührung, Tastsinn und Gefühl, tactus abgeleitet. Zu den klassischen entaktogenen Substanzen zählen die drei Methylendioxyamphetamine MDMA (Ecstasy), MDE (Eve) und MBDB (Eden), wobei MDMA wegen seiner speziellen Wirkung auch als empatische Droge bezeichnet wird, weil MDMA die Bereitschaft und die Fähigkeit fördert, sich in die Einstellung anderer Menschen einzufühlen.
Ein bereits vor Beginn eines außergewöhnlichen Bewusstseinszustandes gegebenes hohes Potenzial der Empfindungsfähigkeit für das sinnlich wahrnehmbar Schöne (Ästhetische) verstärkt die Wahrscheinlichkeit einer intensiven Erlebnisfähigkeit im Bereich einer durch die Einnahme einer entheogenen Substanz ausgelösten visionären Umstrukturierung. Da LSD die Erlebnisintensität im gleichen Bereich verstärkt, und zwar deutlich, hat LSD eine starke Wesensverwandtschaft mit der Eigenschaft zur erhöhter Feinfühligkeit und Empfindsamkeit, also etwas, das ein sensibles und gut funktionierendes Nervensystem voraussetzt. LSD bewirkt somit haargenau das Gegenteil von dem, was man von einem Betäubungsmittel (Anästhetikum) erwartet, Minderung oder Ausschaltung der sensorischen Feinfühligkeit.
Wie schon erwähnt, ist der Fachbegriff für Betäubungsmittel, Anästhetikum, als Negation zum Begriff Ästhetik gebildet worden und bedeutet nicht empfinden, nicht wahrnehmen. Es ist somit völlig widersprüchlich und unlogisch, LSD als Betäubungsmittel zu bezeichnen, da diese Substanz die Sinne anregt und das Wahrnehmungsspektrum stimuliert und erweitert und nicht, wie ein echtes Betäubungsmittel, das Potenzial für Reizempfindungen dämpft und betäubt. Drogen wie LSD sind