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Engel fallen tiefer: Ein Hamburg-Krimi
Engel fallen tiefer: Ein Hamburg-Krimi
Engel fallen tiefer: Ein Hamburg-Krimi
Ebook188 pages2 hours

Engel fallen tiefer: Ein Hamburg-Krimi

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About this ebook

Hamburg, 1993: Quincy, Dauerstudent und Lebenskünstler, schätzt die Ruhe. Damit ist es leider vorbei, als ihn sein Freund und Nachbar Kalle darum bittet, nach der verschwundenen Tochter eines Kollegen zu suchen. Sandras Spur führt ausgerechnet dorthin, wo Quincy ansonsten lieber durch Abwesenheit glänzt – zur Universität. Weiter zu einem seltsamen Professor aus den noblen Elbvororten und zu einer zwielichtigen Gestalt ins schmuddelige St. Georg. Erfreulicherweise auch zu einer attraktiven Blondine nach Barmbek. Leider bleibt dabei nicht alles heil, und dann sind da auch noch Frau Gösch und Frau von Zittwitz, ebenfalls Nachbarinnen – zwei Seniorinnen mit Haaren auf den Zähnen und scharfen Augen, die »mehr sehen als eine Mischung zwischen Dobermann und Apatschenhäuptling«.
Ein charmanter Hamburg-Krimi aus der letzten Ära ohne Mobiltelefone und Internetrecherchen!
LanguageDeutsch
Release dateMar 7, 2016
ISBN9783837880441
Engel fallen tiefer: Ein Hamburg-Krimi

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    Engel fallen tiefer - Jan Schröter

    Jan Schröter

    Engel fallen tiefer

    Ein Hamburg-Krimi

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Die gedruckte Ausgabe dieses Romans erschien 1994 im Verlag Hamburger Klönschnack Klaus Schümann mit der ISBN 978-3980386319.

    © Edition Temmen 2016

    28209 Bremen – Hohenlohestr. 21

    Tel. 0421-34843-0 – Fax 0421-348094

    info@edition-temmen.de

    www.edition-temmen.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Herstellung: Edition Temmen

    E-Book-ISBN 978-3-8378-8044-1

    Vorwort zur Neuauflage

    »Engel fallen tiefer« schrieb ich 1991. Überwiegend während meiner Arbeitszeit: Damals war ich Teilhaber einer kleinen Buchhandlung, in die sich eher selten Kundschaft verirrte. Ein Jahr später war die Buchhandlung abgewickelt und ich setzte meine Karriere auf die Karte »Vollzeitautor«, zunächst vor allem als freier Journalist und Verfasser von Reiseliteratur. Die »Engel« brachte ich glücklich bei einem Verlag unter, der eigentlich keine Krimis im Programm führte, sondern eine Stadtteilzeitung herausgab – weshalb man lediglich eine sehr kleine Auflage druckte und diese nicht annähernd verkaufte. Das war es dann mit dem Raketenstart als Bestseller-Autor.

    Nach annähernd 25jährigem Autorendasein mit etlichen Buch- und Drehbuchveröffentlichungen ist »Engel fallen tiefer« nun als E-Book zu haben. Ein neues Medium für einen Kriminalroman aus einer Zeit, in der man weitgehend ohne Mobiltelefone und Internet auskam und selbst privat genutzte Personalcomputer nicht flächendeckend präsent waren. Vielleicht gefällt mir genau deshalb mein erster Roman von damals heute noch so gut.

    Ihnen hoffentlich auch, wünscht

    Jan Schröter.

    Kapitel 1

    Ein gebrochener Sonnenstrahl malte skurrile Gebilde an die Decke. Eindeutig Chagall. Die Junihitze sorgte für Stille auf Altonas Straßen, als wäre es ein mexikanisches Provinznest zur Mittagszeit. Irgendwo wurde ein Fenster geschlossen, die Lightshow stürzte ab. Ich lag auf meinem Sofa und dachte über die Möglichkeit nach, die Kaffeemaschine mittels intensiver geistiger Konzentration telepathisch zu animieren, sich selbstständig mit Filtertüte, Kaffee und Wasser zu füllen. Ich hätte es bestimmt geschafft, doch gerade, als ich die Widerstände in der Maschinenelektrik förmlich dahin schmelzen fühlte, klingelte es an der Tür. Ich öffne nie, wenn es nur einmal läutet – wer wirklich etwas von mir will, wird sich schon bemerkbar machen. In diesem Fall schien der Störenfried mit meinen Gewohnheiten vertraut zu sein, denn nach dem fünften Klingeln erzitterte die Tür unter einem derben Faustschlag.

    »Mach auf Quincy – hier is’ Kalle!«

    Mein Nachbar Kalle. Knappe vierzig Jahre alt, geschieden, Staplerfahrer im Baustoffhandel, bekennender Fußballfan. Kaum eine samstägliche Sportschau in der vergangenen Saison, die wir nicht zusammen gesehen haben. Allerdings war heute Montag.

    »Ich komme!«

    Kalle war nicht allein. Neben ihm stand ein schmächtiges, etwas schüchtern wirkendes Männchen, das auf den ersten Blick nur aus Mittelmaß und einer Hornbrille bestand. Natürlich sieht neben Kalle fast jeder etwas unscheinbar aus. Kalle ragt 204 Zentimeter in die Höhe, hat eine Statur, als würde er sich ausschließlich von Hormonpräparaten ernähren und ein Gesicht wie ein militärisches Sperrgebiet – nach dem Manöver.

    »Lass uns rein!« dröhnte er. Ich trat beiseite und die beiden schlingerten mit leichter Schlagseite in meine gute Stube. Ich brauchte nur dem Bierdunst zu folgen, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Kalle sank ächzend in meinen Ledersessel, Mr. Durchschnitt hockte auf dem äußersten Rand des verbliebenen Stuhls wie ein verängstigtes Huhn.«Mann, ist mir heiß!« stöhnte mein Nachbar.

    »Ich hab trotzdem kein Bier im Haus«, baute ich seiner fraglos nächsten Bemerkung vor. »Wer ist denn dein Kumpel da?«

    »Heinz Schubert, mein Arbeitskollege. Heinz, das ist Quincy«.

    »Bisse’n Ami?« fragte Heinz, das Hühnchen.

    »Nein«, klärte ich ihn auf. »Quincy ist bloß ’ne Abkürzung. Für Quinctilius.«

    »Bitte?«

    »Vergiss es.«

    Dabei war es nicht gelogen: ich heiße tatsächlich so. Mein Vater hatte eine Schwäche für Geschichte und für Ausgewogenheit. Unseren Familiennamen – Hermann- empfand er als Reminiszenz an Hermann, den Cheruskerfürsten, der mit seinen Stammesgenossen Anno 9 n.Chr. die Römer erfolgreich davon abhielt, den germanischen Norden mit Viadukten, Sportarenen und Kasernen zu beglücken, indem sie die anrückenden römischen Legionen im Teutoburger Wald nahezu restlos massakrierten. Hermanns Gegenspieler war der römische Statthalter Germaniens, Publius Quintcilius Varus. Nach der Niederlage beging er Selbstmord, vermutlich, um einem schmählichen Ende im Circus Maximus zu entgehen. Der Name Publius erschien meinem Vater wohl als zu ordinär, Quinctilius war offenbar besser geeignet, die Harmonie zwischen Vor- und Nachnamen zu gestalten. Ich kann noch von Glück reden, dass Vater kein Buddhist war, sonst würde ich wahrscheinlich als Ying-Yang Hermann durch die Welt laufen.

    »Sieht so aus, als müsste der glorreiche Baustoffhandel W&F heute ohne die beiden Spitzenkräfte des Hauses seine Transaktionen abwickeln. Riecht auch so, nebenbei bemerkt.«

    »Hörsse, wie der geschwollen reden tut, Heinz? Is ’n richtig gebildeter Typ, der Quincy, hab ich doch gesagt.«

    Heinz grunzte nur und blickte mit seinen durch dicke Brillengläser grotesk verzerrten Spanielaugen abwechselnd zu Kalle und zu mir. Bisher war dieser Besuch wirklich nicht die Krönung des Tages.

    »Gut, Jungs. Ihr habt doch irgendetwas auf der Pfanne, sonst würdet ihr mir an eurem außerplanmäßigen Urlaubstag nicht auf die Pelle rücken. Was ist los?«

    »Mein Kumpel hat Sorgen«, Kalle wies mit dem Zeigefinger auf Heinz, »da hab ich mir gedacht, dass du ihm vielleicht helfen kannst. Erzähl’ doch noch mal, Heinz.«

    »Wenn du meinst, Kalle…«

    Ich lehnte mich auf dem Sofa zurück und versuchte, Heinz durch eine mild-verständnisvolle Onkel-Doktor-Miene zu enthemmen.

    »Meine Tochter ist weg.« Heinz hockte noch immer auf der Stuhlkante und zog die Schultern hoch. »Schon über einen Monat jetzt. Ruft sonst jeden Sonntag an, die Kleine. Bloß jetzt schon fünf Wochen nicht, nicht mal letzten Donnerstag, wo ich Geburtstag hatte und sie doch sonst immer kommt, wenn ich Geburtstag hab’.«

    Seine Schultern sackten herab, Trauer und Hilflosigkeit ließen ihn verstummen. Ich sah mich im Spiegelbild seiner dicken Brillengläser: Ein kleiner Quincy auf einem kleinen Sofa. Kummerkasten auf Empfang.

    »Ich hab schon öfter versucht, bei Sandra anzurufen. Ist nie da. Gestern war ich sogar bei ihrer Wohnung, war aber auch nichts. Ich sehe sie zwar nicht oft, meine Kleine, aber sie ruft sonst immer sonntags an.«

    »Heinzis Tochter studiert!« warf Kalle ein, als sei damit hinreichend erklärt, dass sie den telefonischen Kontakt einem persönlichen Besuch bei ihren Vater normalerweise vorzuziehen schien.

    »Ja, Köpfchen hat Sandra! Lehrerin will sie werden!« Der Stolz gab Heinz sichtlich Auftrieb und Kraft genug, mir die Problematik der Geschichte etwas genauer darzustellen.

    Bereits in Sandras frühester Kindheit starb ihre Mutter an einer Überdosis Tabletten. Ob es eine absichtliche Flucht aus der engen Welt zwischen Windeln, Heinz und einer viel zu kleinen Wohnung war oder ein Unfall, blieb ungeklärt. Zurück blieben Heinz, hilflos und traurig, und Sandra, die nun bei ihrer Großmutter aufwuchs und im Lauf der Jahre einen Ehrgeiz entwickelte, den ihr Vater nie gehabt hatte. Sie besuchte ein Gymnasium, erreichte ein gutes Abitur und begann ihr Studium. Was Heinz mit Stolz erfüllte, war allerdings gleichermaßen Grund für die zunehmende Entfremdung zwischen ihm und seiner Tochter, denn Heinz Schuberts Intellekt stieß bereits an seine Grenzen, wenn er das Wort Universität buchstabieren sollte. So sahen sie sich schließlich nur noch an Geburtstagen und Weihnachten. Und sie telefonierten miteinander – immer sonntags.

    »Ich weiß ja gar nicht mehr so viel über Sandra«, schloss Heinz seinen Bericht, »aber irgendwas ist los. Angerufen hat sie immer.«

    »Was ist mit der Großmutter, bei der sie aufgewachsen ist?« fragte ich.

    »Vor zwei Jahren gestorben. Sandra war gerade drei Monate aus dem Haus und an der Uni. War hart für sie.«

    »Und sonst? Familie? Freunde?«

    »Keine Familie. Über Freunde weiß ich nichts. Hat sie nie was von erzählt.«

    Ich lehnte mich zurück.

    »Das ist alles nicht schön, Heinz, und ich kann verstehen, dass du dir Sorgen machst. Aber was soll ich da für dich tun können? Ich bin weder Kojak noch Schimanski – hast du es schon bei der Polizei versucht?«

    »Hab’ ich. Die haben eine Personenbeschreibung aufgenommen und gesagt, wahrscheinlich macht sie bloß irgendwo Urlaub und ich soll mich nicht aufregen. Ich dachte, du kannst vielleicht… Kalle sagt, du kennst dich da aus an der Uni… du studierst auch… ich weiß gar nicht, wie das da ist und in welche Klasse Sandra geht, oder wie das da heißt. Vielleicht findest du jemanden, der sie kennt oder weiß, wo sie steckt. Mit mir reden die bestimmt nicht, und außerdem muss ich doch tagsüber zur Arbeit…«

    »Normalerweise«, quatschte Kalle dazwischen.

    »Ich zahle auch was! Fünfzig Mark pro Tag kann ich dir geben«, setzte Heinz nach. Die Spanielaugen fixierten mich bittend, sein halboffener Mund atmete Hoffnung. Ich kapitulierte.

    »Ich versuch’s, Heinz. Gib mir Sandras Adresse. Ein Foto wäre auch gut. Mach dir keine großen Hoffnungen. An der Uni laufen tausende Studenten herum, kaum einer kennt den anderen. Aber lass mir deine Telefonnummer da, ich versuch’s.«

    Kalle strahlte. »Siehste, Heinz, ist’n Kumpel, der Quincy! Hat was auf dem Kasten und sogar Ahnung von Fußball. Der macht das schon!«

    Da war ich zwar anderer Ansicht, aber als ich Heinz erleichtertes Gesicht sah, kommentierte ich das nicht weiter. Meine Zusage schien ihn erheblich mehr zu trösten, als die zweifellos zahlreichen Biere, die Kalle ihm zuvor eingeflößt hatte. Er fingerte eifrig eine Fotografie aus seiner Brieftasche, schrieb ungelenk die gewünschten Daten auf einen Zettel und schob mir beides über den Tisch. Dann stand er auf.

    »Kannst mich immer anrufen, auch nachts. Vielen Dank, Quincy! Dir auch, Kalle – kommt, ich geb noch einen aus.«

    Kalle war begeistert. Eine gute Tat und Freibier, was will man mehr? Ich wollte allerdings meine Ruhe und schob die beiden zur Tür hinaus. Die Geschichte musste ich unbedingt liegend überdenken. Aber da ich nun schon stand, konnte ich ja zunächst Kaffee kochen – auf konventionelle Weise.

    Kapitel 2

    Würziges Kaffeearoma überlagerte die Aura aus Schweiß und Bier, die meine Besucher hinterlassen hatten. Auf meinem Bauch balancierte ich einen gefüllten Becher, aus dem eine aufsteigende zweigeteilte Dampfsäule sich auf dem Weg ins Nichts spielerisch mit sich selbst verknotete. Die Doppelhelix als Synonym für den vollendeten Kaffeegenuss – ein Referat von Professor Quinctilius Hermann, anerkannte Kapazität auf dem Gebiet des Nichtstuns.

    Nobelpreisverdächtig.

    Allerdings auch die einzige Fakultät, in der ich zu wissenschaftlichen Ehren gelangen könnte. Für Heinz und Kalle galt ich zwar als Geistesriese, nach normalen Maßstäben jedoch bestenfalls als akademischer Lumpenhund.

    Mit fast 37 Lebensjahren war ich nicht gerade mehr die Idealbesetzung für die Rolle des jugendlichen Studenten, aber diese Tatsache hielt mich nicht davon ab, seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten immer wieder andere Seminare zu belegen, Bis auf Keilschrift und Jazztanz hatte ich wahrscheinlich annähernd alles durch, was die Uni an allgemein zugänglichen Kursen anbot.

    Dabei strebe ich nicht nach Examina oder einer Karriere. Ich habe zwar nichts gegen Luxus, aber ich finde es zu anstrengend, ihn zu finanzieren. Das Leben ist zu kurz, um mehr als nötig zu arbeiten. Ein Eigenheim, ein großer Wagen und eine elegante Ledercouch sind natürlich feine Dinge. Aber weil man dafür so viel arbeiten müsste, dass man kaum darin sitzen könnte, ziehe ich meine Bude, meinen alten Opel und das Sperrmüllsofa vor. Dieser bescheidene Lebensstil lässt sich bequem mit einigen Jobs dann und wann finanzieren. Der Umstand, dass mir meine Eltern neben einem gediegenen Vornamen auch ein gewisses Kapital hinterließen, das mir krisenfeste Zinseinkünfte im Rahmen des Existenzminimums garantiert, lässt mich erst recht keinen finsteren Gedanken bezüglich meiner Zukunft verschwenden. Über meinen Status würde jeder Yuppie die Nase rümpfen, aber im Grunde bin ich ein Snob – lasse niemanden über mich verfügen und benutze meine Bildung lediglich, um Kreuzworträtsel zu lösen.

    Ich trank einen Schluck Kaffee.

    Heinz tat mir leid. Er war nicht sehr helle und gutmütig bis an die Grenze zur Dummheit. Er bot das klassische Exempel eines Menschen, dem immer wieder etwas zustößt, was er sich nicht erklären kann. Die Frau bringt sich um, das Kind verschwindet, das Universum implodiert und die Heinzis der Welt ertragen alles ergeben mit erstaunten Hundeaugen.

    Ich nahm das Foto seiner Tochter vom Tisch und betrachtete es. Ein Strandfoto. Eine junge Frau, mittelgroß, kurzgeschnittene, dunkelblonde Haare. Schwarze Radlerhose, weißes T-Shirt. Die Fußspitze des Spielbeins war verlegen in Richtung Standbein gekehrt (»Huch, man fotografiert mich!«), die linke Hand war energisch in die Hüfte gestemmt (»Was, man fotografiert mich?«), der Kopf neckisch seitwärts geneigt (»Dann fotografier mich

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