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Die Stunde des Drachen und andere Geschichten
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Die Stunde des Drachen und andere Geschichten
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Die Stunde des Drachen und andere Geschichten

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About this ebook

Conan, ein Barbar aus dem rauen Cimmerien, durchstreift viele tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung die Hyborische Welt. Als Kundschafter, Abenteurer und Monarch führt ihn sein Weg von den urtümlichen Wäldern der Piktischen Wildnis bis in die schlangenverseuchten Tempel Stygiens.

Mit der Figur Conans schuf der Texaner Robert E. Howard eine Ikone der Populärkultur vom Rang eines Tarzan oder Sherlock Holmes.

Die Geschichten dieses Bandes schildern die Abenteuer Conans als Waldläufer im Grenzkrieg gegen die Pikten, als Glücksritter in den vergessenen Städten Xuchotl und Alkmeenon und schließlich auf dem Thron des Königreichs Aquilonien.

Inhalt:
Jenseits des Schwarzen Flusses (Beyond the Black River)
Der schwarze Fremde (The Black Stranger)
Rote Nägel (Red Nails)
Die Juwelen von Gwahlur (The Jewels of Gwahlur)
Der Phönix auf dem Schwert (The Phoenix on the Sword)
Die scharlachrote Zitadelle (The Scarlet Citadel)
Die Stunde des Drachen (The Hour of the Dragon)
Das Hyborische Zeitalter Teil 2 (The Hyborian Age Part 2)
Brief Robert E. Howards an P. Schuyler Miller
LanguageDeutsch
PublisherXinXii
Release dateMar 5, 2015
ISBN9783945353059
Die Stunde des Drachen und andere Geschichten

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    Die Stunde des Drachen und andere Geschichten - Robert E. Howard

    DIE STUNDE DES DRACHEN

    und andere Geschichten

    Robert E. Howard

    Aus dem Amerikanischen von Klaus Schmitz

    Umschlaggestaltung, Foto und Satz: Carsten Hoppen

    Titel: Thomas Scheu

    Copyright der deutschen Übersetzung © 2015

    Verlag Die Tintenschmiede Klaus Schmitz, Neuwied

    www.die-tintenschmiede.de

    ISBN 978-3-945353-05-9

    E-Book Distribution: XinXii

    http://www.xinxii.com

    Der Autor

    Robert E. Howard wurde am 22.1.1906 in Peaster, Texas geboren und wurde im Laufe seines kurzen Lebens zu einem der produktivsten Pulp Fiction-Autoren der 30er-Jahre. Er verfasste um die 500 Prosawerke in unterschiedlichster Länge, vom Roman bis hin zum einseitigen Entwurf, sowie mehrere hundert Gedichte. Er schrieb in den unterschiedlichsten Genres: Fantasy, Western, Detektivgeschichten, historische Abenteuer. Als er am 11.6.1936 erfuhr, dass seine Mutter nach langer Krankheit nicht mehr aus dem Koma erwachen würde, erschoss er sich auf dem Parkplatz des Krankenhauses mit einem Revolver. Viele seiner Werke wurden erst nach seinem Tod veröffentlicht.

    Die Geschichten

    Mit der Figur des barbarischen Cimmeriers Conan hat Robert E. Howard eine der einflussreichsten Ikonen des 20. Jahrhunderts geschaffen, die man durchaus in einem Atemzug mit Tarzan, Sherlock Holmes oder James Bond nennen kann. Die erste Conan-Geschichte, The Phoenix on the Sword, wurde im Jahr 1932 in dem Pulp-Magazin Weird Tales veröffentlicht, wie auch in den darauf folgenden Jahren die meisten anderen Conan-Geschichten. Ab 1950 erschienen die Conan-Geschichten erstmals in gesammelter Form bei Gnome Press, darunter auch Geschichten, die von dem amerikanischen Autoren L. Sprague de Camp bearbeitet und vervollständigt wurden. In den folgenden Jahrzehnten trugen neben de Camp unter anderem die Autoren Lin Carter, Björn Nyberg, Andrew Offutt, Poul Anderson, Karl Edward Wagner, Robert Jordan, John Maddox Roberts, Steve Perry, Harry Turtledove, Sean Moore und Leonard Carpenter mehr als fünfzig neue Romane und Dutzende von Kurzgeschichten zum Conan-Zyklus bei, einige Werke Howards jedoch erschienen erst in den 80er-Jahren in ihrer ursprünglichen Form. Schließlich dehnte sich die Popularität Conans auch auf andere Medien aus: seit 1970 gab es mehrere langlebige Comic-Serien (zuerst bei Marvel, später bei Dark Horse), 1982 der Kinofilm mit Arnold Schwarzenegger. Es folgten zwei weitere Kinofilme, eine Fernsehserie, zwei Zeichentrickserien, mehrere Computerspiele, ein Brettspiel sowie mehrere Rollenspiele.

    Inhalt

    Jenseits des Schwarzen Flusses

    Der Schwarze Fremde

    Rote Nägel

    Die Juwelen von Gwahlur

    Der Phönix auf dem Schwert

    Die scharlachrote Zitadelle

    Die Stunde des Drachen

    Das Hyborische Zeitalter (Teil 2)

    Brief Robert E. Howards an P. Schuyler Miller

    Nachwort

    Bibliographie

    Am Ende des ersten Bandes, „Der Turm des Elefanten und andere Geschichten", hatte Conan das Kommando über die Taugenichts, eine Karacke der zingaranischen Freibeuter übernommen. Doch schließlich läuft die Taugenichts auf ein Riff und beendet damit Conans Laufbahn als Freibeuter. Möglicherweise lässt er sich die nächsten Monate etwas treiben, erweitert seine Sprachkenntnisse und kehrt in seine cimmerische Heimat zurück. Sicherlich kann ihm das Leben dort keine Reize mehr bieten, und so begibt er sich wieder nach Süden. In einigen Ländern – Stygien, Turan, Argos und Zingara – ist ein Preis auf seinen Kopf ausgesetzt, und so führt ihn sein Weg diesmal nach Aquilonien. Dort droht im äußersten Westen ein Konflikt mit den wilden Pikten. Conan ist jetzt 34 Jahre alt.

    Jenseits des Schwarzen Flusses

    Kapitel 1: Conan verliert seine Axt

    Auf dem Trampelpfad im Wald herrschte eine so urzeitliche Stille, dass der Schritt eines weichen Stiefels überraschend laut wirkte. Zumindest kam es den Ohren des Wanderers so vor, obwohl er sich auf dem Pfad mit einer Vorsicht bewegte, die jeder Mann walten lassen musste, wenn er sich über den Donnerfluss wagte. Er war ein junger Mann von mittlerer Größe, offenen Gesichtszügen und struppigem gelbbraunem Haar, das nicht von Kappe oder Helm gebändigt wurde. Seine Kleidung war für diese Gegend üblich – eine grobe Tunika mit einem Gürtel um die Taille, eine lederne Kniehose darunter und weiche Stiefel aus Hirschleder, die fast bis zum Knie reichten. Der Griff eines Messers ragte aus einer Stiefelstulpe. An dem breiten Ledergürtel hingen ein kurzes, schweres Schwert und ein Beutel, ebenfalls aus Hirschleder. Es lag keine Besorgnis in den großen Augen, die das undurchdringliche Grün zu beiden Seiten des Pfades absuchten. Obwohl er nicht groß war, war er kräftig gebaut und auf den Armen, die von den kurzen weiten Ärmeln der Tunika nicht bedeckt wurden, waren dicke Muskelstränge sichtbar.

    Er marschierte unerschütterlich weiter, obwohl die letzte Siedlerhütte schon meilenweit zurück lag, und jeder Schritt brachte ihn näher an die unerbittliche Gefahr, die wie ein brütender Schatten über dem urzeitlichen Wald hing.

    Seine Schritte waren nicht wirklich so laut wie sie ihm vorkamen, doch er wusste genau, dass sie für die scharfen Ohren, die hinter der trügerischen grünen Wand lauschen mochten, wie Alarmglocken klängen. Seine sorglose Miene war nur aufgesetzt; seine Augen und Ohren waren wach und aufmerksam, besonders seine Ohren, denn kein Blick konnte das Blätterdickicht weiter als ein paar Fuß durchdringen.

    Doch es war eher seinem Instinkt als einer Warnung seiner Sinne geschuldet, als er mit der Hand auf dem Schwertgriff plötzlich innehielt. Er stand stocksteif in der Mitte des Pfades, hielt unwillkürlich den Atem an und überlegte was er gehört hatte, oder ob er überhaupt irgendetwas gehört hatte. Die Stille war vollkommen. Kein Eichhörnchen keckerte und kein Vogel zwitscherte. Dann wurde sein Blick von einem Gebüsch neben dem Pfad einige Schritte vor ihm angezogen. Es ging kein Lüftchen, und doch hatte sich ein Ast bewegt. Er verspürte ein Kribbeln an der Kopfhaut als er einen Augenblick unentschlossen dastand und sicher war, dass eine Bewegung in welche Richtung auch immer tödliche Folgen für ihn hätte.

    Ein schweres hackendes Geräusch erklang hinter den Blättern. Die Büsche erbebten heftig und gleichzeitig mit dem Geräusch sauste ein Pfeil aus ihnen heraus und verschwand in den Bäumen neben dem Pfad. Der Wanderer verfolgte seine Flugbahn, als er hektisch in Deckung sprang.

    Er kauerte sich hinter einen dicken Baumstamm, während er das Schwert in seiner zitternden Hand hielt, als sich die Büsche teilten und eine groß gewachsene Gestalt gemächlich auf den Pfad trat. Der Reisende starrte den Hünen überrascht an. Der Fremde trug wie er selbst Stiefel und Kniehose, auch wenn letztere aus Seide statt Leder war. Aber er trug ein ärmelloses Kettenhemd aus dunklen Metallringen anstatt einer Tunika, und ein Helm thronte auf seiner schwarzen Mähne. Dieser Helm fesselte seinen Blick; er hatte keinen Federkamm, sondern war mit den kurzen Hörnern eines Stiers geschmückt. Keine zivilisierten Hände hatten diesen Helm geschmiedet. Genauso wenig gehörte das Gesicht darunter einem zivilisierten Mann: finster, vernarbt, mit glühenden blauen Augen war dieses Gesicht ebenso ungezähmt wie der urzeitliche Wald dahinter. Der Mann hielt ein Breitschwert in der Rechten und die Schneide war rot vor Blut.

    „Komm schon raus, rief er mit einem Akzent, der dem Wanderer fremd war. „Es ist jetzt sicher. Komm raus.

    Der andere kam vorsichtig heraus und besah sich den Fremden. Er fühlte sich seltsam hilflos und unbedeutend, als er die Proportionen des Waldläufers bestaunte – die massive, eisengerüstete Brust, und der Arm, der das blutrote Schwert trug, von der Sonne tief gebräunt und mit Muskeln wie Tauwerk versehen. Er bewegte sich mit der gefährlichen Leichtigkeit eines Panthers; er besaß eine solch natürliche Geschmeidigkeit, dass er unmöglich das Produkt einer Zivilisation sein konnte, selbst ein so ferner Ausläufer der Zivilisation wie dieses äußere Grenzgebiet.

    Er wandte sich um, ging zurück zu dem Gebüsch und schob die Äste auseinander. Der Wanderer aus dem Osten, der sich immer noch nicht ganz sicher war, was hier gerade geschehen war, trat zu ihm und starrte in das Gebüsch hinein. Ein Mann lag dort, dunkel, kurz gewachsen, aber sehr muskulös, nackt bis auf ein Lendentuch, eine Halskette aus Menschenzähnen und einen Kupferarmreif. Ein Kurzschwert steckte im Gürtel des Lendentuchs und eine Hand umklammerte immer noch einen schweren schwarzen Bogen. Der Mann hatte langes schwarzes Haar; mehr konnte der Reisende in seinem Gesicht nicht mehr erkennen, denn seine Züge waren eine Maske aus Blut und Hirnmasse. Sein Schädel war bis zu den Zähnen gespalten.

    „Ein Pikte, bei den Göttern!", rief der Wanderer aus.

    Die brennenden blauen Augen wandten sich ihm zu.

    „Überrascht dich das?"

    „Nun, man sagte mir in Velitrium, und auch in den Hütten der Siedler auf dem Weg, dass diese Teufel manchmal über die Grenze kämen, aber ich erwartete nicht, einen so weit im Landesinnern anzutreffen."

    „Du bist nur vier Meilen östlich des Schwarzen Flusses, informierte ihn der Fremde. „Man hat sie auch schon innerhalb einer Meile um Velitrium erwischt. Kein Siedler zwischen dem Donnerfluss und Fort Tuscelan ist wirklich sicher. Ich habe die Fährte dieses Hundes heute Morgen drei Meilen südlich des Forts aufgenommen, und folgte ihm seitdem. Ich schlich mich gerade an ihn an, als er einen Pfeil auf dich anlegte. Einen Augenblick später und es hätte einen Neuzugang mehr in der Hölle gegeben. Aber ich habe seinen Schuss abgelenkt.

    Der Wanderer starrte den größeren Mann mit weit aufgerissenen Augen an, sprachlos angesichts der Tatsache, dass der Mann tatsächlich einen dieser Waldteufel aufgespürt und ahnungslos erschlagen hatte. Das bewies unglaubliche Waldläuferqualitäten, sogar für die Verhältnisse hier in Conajohara.

    „Gehörst du zur Garnison des Forts?", fragte er.

    „Ich bin kein Soldat. Ich bekomme zwar den Sold und die Verpflegung eines Frontoffiziers, aber ich verrichte meine Arbeit im Wald. Valannus weiß, dass ich nützlicher bin, wenn ich am Fluss umherstreife, als wenn ich im Fort Wache schiebe."

    Beiläufig schob er die Leiche des Mannes mit dem Fuß tiefer ins Dickicht, zog das Gebüsch etwas zurecht und machte sich auf den Weg den Pfad hinab. Der andere folgte ihm.

    „Mein Name ist Balthus, erklärte er. „Letzte Nacht bin ich von Velitrium gekommen. Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich mir ein Stück Land zuteilen lasse oder im Fort eine Anstellung suche.

    „Das beste Land am Donnerfluss ist bereits vergeben, knurrte der Kundschafter. „Es gibt jede Menge gutes Land zwischen dem Skalpfluss – du hast ihn vor ein paar Meilen überquert – und dem Fort, aber das liegt verteufelt nahe am Schwarzen Fluss. Die Pikten stehlen sich herüber zum Morden und Brandschatzen – so wie jener dort hinten. Sie kommen nicht immer alleine. Eines Tages werden sie versuchen, alle Siedler aus Conajohara zu verjagen. Und sie könnten Erfolg haben – es ist sogar wahrscheinlich. Diese Kolonisierung ist sowieso Wahnsinn. Es gibt genügend gutes Land östlich der Bossonischen Marschen. Wenn die Aquilonier einige der riesigen Ländereien ihrer Barone aufteilen würden, und dort Weizen anbauten, wo sie jetzt nur Hirsche jagen, dann müssten sie nicht über die Grenze kommen und den Pikten ihr Land wegnehmen.

    „Das sind eigenartige Ansichten für einen Mann im Dienste des Statthalters von Conajohara", warf Balthus ein.

    „Das bedeutet mir nichts, gab der andere zurück. „Ich bin ein Söldner. Ich verkaufe mein Schwert an den höchsten Bieter. Ich habe nie Weizen angebaut und werde es auch nie, solange es andere Ernten mit dem Schwert einzufahren gibt. Aber ihr Hyborier habt euch jetzt soweit ausgebreitet, wie man euch nur lässt. Ihr habt die Marschen überquert, ein paar Dörfer niedergebrannt, einige Clans ausgelöscht und die Grenze bis zum Schwarzen Fluss zurückgedrängt; aber ich bezweifle, dass ihr das, was ihr erobert habt, auch halten könnt, und noch weiter nach Westen werdet ihr die Grenze keinesfalls ausdehnen können. Euer idiotischer König versteht die Zustände hier nicht. Er schickt nicht ausreichende Verstärkungen und die Siedler allein werden einem konzentrierten Angriff vom anderen Ufer aus nicht widerstehen können.

    „Aber die Pikten bestehen doch nur aus kleinen Clans, beharrte Balthus. „Sie werden sich nie vereinen. Und mit jedem einzelnen Clan werden wir fertig.

    „Oder auch mit drei oder vier Clans, gab der Krieger zu. „Aber eines Tages wird sich unter ihnen ein Mann erheben, der dreißig oder vierzig Clans vereint, so wie es bei den Cimmeriern war, als die Gundermänner vor Jahren versuchten, die Grenze nach Norden zu erweitern. Sie versuchten die südlichen Marschen Cimmeriens zu kolonisieren; vernichteten einige kleinere Clans, bauten eine befestigte Stadt, Venarium – du kennst die Geschichte sicher.

    „Das stimmt allerdings, antwortete Balthus mit einem schmerzhaften Zucken. Die Erinnerung an dieses blutrote Desaster war ein schwarzer Fleck in den Chroniken eines stolzen und kriegerischen Volkes. „Mein Onkel war in Venarium als die Cimmerier über die Mauern kamen. Er war einer der wenigen, die das Massaker überlebten. Ich hörte ihn die Geschichte viele Male erzählen. Die Barbaren fegten als blutrünstige Horde aus den Hügeln heran, ohne Warnung, und erstürmten Venarium mit solcher Wut, dass ihnen nichts und niemand widerstehen konnte. Männer, Frauen und Kinder wurden niedergemetzelt. Venarium wurde in eine verkohlte Ruine verwandelt, und das ist sie bis zum heutigen Tag geblieben. Die Aquilonier wurden aus den Marschen vertrieben, und haben seitdem nie mehr versucht cimmerisches Gebiet zu besiedeln. Aber du sprichst, als wäre dir Venarium allzu bekannt. Warst du vielleicht dort?

    „Das war ich, knurrte der andere. „Ich gehörte zu der Horde, die die Mauern erklomm. Ich hatte noch keine fünfzehn Winter gesehen, aber mein Name wurde bereits an den Ratsfeuern genannt.

    Balthus zuckte unfreiwillig zurück und starrte ihn an. Es schien unglaublich, dass der Mann, der ruhig an seiner Seite dahin schritt, einer dieser brüllenden blutberauschten Teufel gewesen sein sollte, die an jenem längst vergangenen Tag Venarium erstürmten und die Strassen in Blut tränkten.

    „Dann bist du auch ein Barbar!", rief er unfreiwillig aus.

    Der andere nickte, ohne das als Beleidigung aufzufassen.

    „Ich bin Conan, ein Cimmerier."

    „Ich habe von dir gehört." Erneutes Interesse strahlte in Balthus’ Augen. Kein Wunder, dass der Pikte mit seinen eigenen Waffen geschlagen worden war! Die Cimmerier waren ebenso wilde Barbaren wie die Pikten, aber dabei wesentlich intelligenter. Anscheinend lebte Conan schon lange in der Zivilisation, doch offensichtlich hatte ihn dieser Kontakt weder verweichlicht, noch seine primitiven Instinkte beeinträchtigt. Balthus’ Zurückhaltung wurde zu Bewunderung, als er den gemächlichen katzengleichen Schritt, die mühelose Geräuschlosigkeit bemerkte, mit der der Cimmerier sich auf dem Pfad bewegte. Die geölten Ringe seiner Rüstung klirrten nicht und Balthus wusste, dass Conan sich genauso gut durch das tiefste Dickicht oder einen verschlungenen Hain schleichen konnte wie jeder beliebige nackte Pikte.

    „Du bist kein Gundermann?" Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

    Balthus schüttelte den Kopf. „Ich bin aus Tauran."

    „Ich habe viele gute Waldläufer aus Tauran kennen gelernt. Aber die Bossonier haben euch Aquilonier zu viele Jahrhunderte vor der äußeren Wildnis abgeschirmt. Euch fehlt die Härte."

    Das stimmte; die Bossonischen Marschen, mit ihren befestigten Siedlungen voller entschlossener Bogenschützen hatten lange Aquilonien als Pufferzone gegen die Barbaren außerhalb ihres Reiches gedient. Jetzt wuchs unter den Siedlern jenseits des Donnerflusses eine Generation von Waldläufern heran, die die Barbaren mit ihren eigenen Waffen schlagen konnte, aber ihre Zahlen waren noch zu gering. Die meisten Menschen hier an der Grenze waren wie Balthus – eher Siedler als Waldläufer.

    Die Sonne war noch nicht untergegangen, sie war jedoch nicht mehr hinter der dichten Mauer des Waldes sichtbar. Die Schatten streckten sich und wurden tiefer im Wald, als die Weggefährten den Pfad entlang gingen.

    „Es wird dunkel sein, bevor wir das Fort erreichen, bemerkte Conan beiläufig, und dann: „Hör doch!

    Er blieb abrupt stehen, halb kauernd, das Schwert bereit, verwandelt in eine misstrauische und bedrohliche wilde Gestalt, bereit loszuspringen und zu kämpfen. Balthus hatte es auch gehört – ein gellender Schrei, der brach, als er die höchste Tonlage erreichte. Es war der Schrei eines Mannes in höchster Angst oder Qual.

    Conan lief augenblicklich los, rannte den Pfad hinab, jeder Schritt vergrößerte den Abstand zu seinem Gefährten, der sich heftig bemühte. Balthus keuchte einen Fluch. In den Siedlungen Taurans galt er als guter Läufer, aber Conan lief ihm mit verblüffender Leichtigkeit davon. Dann vergaß Balthus seine Erschöpfung, als seine Ohren den grausigsten Schrei ertragen mussten, den er je gehört hatte. Dieser Schrei war nicht menschlich; es war das dämonische Gejaule eines furchtbaren Triumphes, ein Spottlied über die gefallene Menschheit, ein Echo aus den schwarzen Abgründen jenseits des Horizonts der Sterblichen.

    Balthus stockte der Schritt und feuchter Schweiß tränkte sein Fleisch. Aber Conan zögerte nicht; er sprintete um eine Biegung des Pfades und verschwand, und Balthus legte bei dem panischen Gedanken, zurückzubleiben, während der grässliche Schrei immer noch in seinen Ohren schallte, noch einen Schritt zu und stürzte hinter Conan her.

    Der Aquilonier kam rutschend zum Stehen, und stieß beinahe mit dem Cimmerier zusammen, der sich auf dem Pfad über einen zusammengesackten Körper beugte. Aber Conan sah nicht auf die Leiche hinab, die dort im rot getränkten Staub lag. Er sah grimmig in das tiefe Dickicht zu beiden Seiten des Weges.

    Balthus murmelte einen entsetzten Fluch. Es war die Leiche eines Mannes dort auf dem Pfad, ein kurz gewachsener, dicker Mann, bekleidet in mit Goldfäden verzierte Stiefel und (trotz der Hitze) der hermelinbesetzten Tunika eines wohlhabenden Händlers. Sein fettes, bleiches Gesicht war in einem Ausdruck des Grauens erstarrt; sein dicker Hals war von Ohr zu Ohr wie mit einer rasiermesserscharfen Klinge aufgeschlitzt worden. Das Kurzschwert steckte immer noch in seiner Scheide, was darauf hindeutete, dass er niedergestreckt wurde ohne eine Chance sich zu verteidigen.

    „Ein Pikte?", flüsterte Balthus, und versuchte die einbrechende Dunkelheit des Waldes zu durchdringen.

    Conan schüttelte den Kopf, streckte sich und blickte auf den Toten hinab.

    „Ein Waldteufel. Das hier ist der Fünfte, bei Crom!"

    „Was meinst du?"

    „Hast du schon einmal von einem piktischen Hexer namens Zogar Sag gehört?"

    Balthus schüttelte nervös den Kopf.

    „Er haust in Gwawela, dem nächsten Dorf hinter dem Fluss. Vor drei Monaten legte er sich hier an der Straße auf die Lauer und stahl eine Kolonne Packesel von einer Handelskarawane zum Fort – er hatte irgendwie ihre Begleiter betäubt. Die Mulis gehörten diesem Mann", Conan deutete beiläufig mit der Fußspitze auf die Leiche, „Tiberias, einem Händler aus Velitrium. Sie waren mit Fässern voller Ale beladen, und der alte Zogar begann schon davon zu kosten, bevor er über den Fluss zurückgekehrt war. Ein Waldläufer namens Soractus folgte seiner Fährte und führte Valannus mit drei Soldaten zu der Stelle, an der Zogar sternhagelvoll im Dickicht lag. Auf das Drängen von Tiberias hin warf Valannus Zogar in eine Zelle, welches die schlimmste Beleidigung darstellt, die einem Pikten zuteil werden kann. Er konnte seine Wächter töten und fliehen, dann sandte er eine Nachricht, dass er Tiberias und die fünf Männer, die ihn gefangennahmen, auf eine Art und Weise töten würde, die die Aquilonier noch in Jahrhunderten erschauern ließe.

    Nun, Soractus und die Soldaten sind tot. Soractus wurde am Fluss getötet, die Soldaten noch im Schatten des Forts. Und jetzt ist Tiberias tot. Keiner von ihnen wurde von einem Pikten umgebracht. Jedem Opfer – außer Tiberias, wie du sehen kannst – fehlte der Kopf; sie werden wohl allesamt den Altar des Gottes schmücken, den Zogar Sag anbetet."

    „Woher weißt du, dass sie nicht von Pikten getötet wurden?", wollte Balthus wissen.

    Conan deutete auf die Leiche des Händlers.

    „Glaubst du, das wurde mit einem Messer oder Schwert getan? Sie genau hin und du wirst feststellen, dass nur eine Klaue eine solche Verletzung hervorrufen kann. Die Kehle wurde nicht durchgeschnitten, sondern aufgerissen."

    „Vielleicht ein Panther...", begann Balthus ohne rechte Überzeugung.

    Conan schüttelte ungeduldig den Kopf.

    „Ein Mann aus Tauran weiß doch, wie eine Wunde von einer Pantherklaue aussieht. Nein. Es ist ein Walddämon, den Zogar Sag als Werkzeug seiner Rache herbei beschworen hat. Tiberias war ein Narr, alleine nach Velitrium aufzubrechen, noch dazu so kurz vor Sonnenuntergang. Aber jedes der Opfer schien von einer Art Irrsinn befallen zu sein, bevor sie ihr Verhängnis fanden. Sieh her, die Spuren sind eindeutig. Tiberias kam auf seinem Muli auf dem Pfad entlang geritten, vielleicht hatte er sogar noch ein paar Otterpelze hinter dem Sattel, die er in Velitrium verkaufen wollte, und dieses Ding sprang ihn von hinter diesem Busch aus an. Schau, die Äste dort sind abgeknickt.

    Tiberias konnte nur noch einen Schrei von sich geben, dann wurde seine Kehle aufgerissen, und jetzt verkauft er seine Otterpelze in der Hölle. Das Maultier lief in den Wald davon. Hör doch! Man kann es immer noch hinten im Unterholz hören. Der Dämon hatte keine Zeit, Tiberias den Kopf abzutrennen; er floh, als wir uns näherten."

    „Als du dich nähertest, berichtigte ihn Balthus. „Es kann ja keine allzu furchtbare Kreatur sein, wenn sie schon vor einem bewaffneten Mann flieht. Aber woher weißt du, dass es kein Pikte mit einer Art Haken war, der Wunden reißt, anstatt zu schneiden? Hast du es gesehen?

    „Tiberias war bewaffnet, knurrte Conan. „Wenn Zogar Sag Dämonen beschwören kann, dann kann er ihnen auch befehlen, welche Männer sie töten sollen und welche nicht. Nein, ich habe ihn nicht gesehen. Ich sah nur die Büsche erzittern, als es vom Weg herunter huschte. Aber wenn du weitere Beweise möchtest, bitte, sieh her!

    Der Mörder hatte offensichtlich in die Blutlache getreten, die sich unter dem Toten ausbreitete. Unter den Büschen am Wegesrand war ein Fußabdruck aus Blut auf dem harten Lehmboden.

    „Stammt das von einem Mann?", fragte ihn Conan.

    Balthus fühlte ein Prickeln in seinem Haaransatz. Weder Mensch noch Tier konnte diesen seltsamen, monströsen Abdruck mit drei Zehen hinterlassen haben, eine absonderliche Kombination aus Vogel und Reptil, doch eindeutig keins von beiden. Balthus breitete die Finger über dem Abdruck aus, darauf bedacht, ihn nicht zu berühren, dann schnaubte er ungläubig. Der Abdruck war größer als seine Handspanne.

    „Was ist das?, flüsterte er. „So eine Fährte habe ich noch nie gesehen?

    „Du nicht und auch kein anderer Mensch, der noch bei Sinnen ist, antwortete Conan grimmig. „Es ist ein Sumpfdämon – sie treiben sich in Scharen in den Sümpfen jenseits des Schwarzen Flusses herum. Sie heulen wie verdammte Seelen; man kann es hören, wenn in heißen Nächten ein starker Wind aus dem Süden weht.

    „Was sollen wir tun?", fragte der Aquilonier, der nervös in die tiefblauen Schatten blickte. Das furchterstarrte Gesicht des Toten ging ihm nicht aus dem Sinn. Was für ein entsetzlicher Anblick hatte sich dem armen Teufel dort zwischen den Blättern geboten, dass ihm vor Grauen das Blut gefror?

    „Es bringt nichts, einem Dämon zu folgen, knurrte Conan und zog eine kurze Waldläuferaxt aus seinem Gürtel. „Ich habe versucht, ihm zu folgen, nachdem er Soractus getötet hatte. Ich verlor die Fährte nach einem Dutzend Schritten. Es war, als hätte er Flügel bekommen oder wäre durch die Erde hinab in die Hölle gesunken. Ich weiß es nicht. Das Maultier werde ich auch nicht einfangen. Es wird entweder alleine zum Fort zurückfinden oder zur Hütte eines Siedlers laufen.

    Noch während er sprach, hatte er schon begonnen mit der Axt am Wegesrand zu arbeiten. Mit wenigen Hieben hatte er einige neun bis zehn Fuß lange Schösslinge gefällt und diese entastet. Danach trennte er ein Stück von einer lianengleichen Ranke im nahen Gebüsch ab, knotete es zunächst in einigen Fuß Höhe an eine der Stangen, dann warf er es über den anderen Schössling und schlang es ein paar Mal hin und her. Nach wenigen Augenblicken hatte er eine primitive, aber stabile Bahre gebaut.

    „Wenn es nach mit geht, wird der Dämon Tiberias’ Kopf nicht bekommen, knurrte er. „Wir werden die Leiche mit ins Fort nehmen. Es sind keine drei Meilen mehr bis dorthin. Ich konnte den dicken Narren nie leiden, aber wir können nicht zulassen, dass die Piktenteufel sich solche verfluchten Freiheiten mit den Köpfen der Weißen rausnehmen.

    Die Pikten gehörten trotz ihres dunklen Teints eigentlich auch zu den weißhäutigen Völkern, doch die Grenzbewohner sprachen nie von ihnen als solche.

    Balthus ergriff das hintere Ende der Bahre, auf die Conan den unglücklichen Händler ohne viel Federlesens abgeladen hatte, und sie eilten den Pfad entlang, so schnell es nur ging. Conan verursachte nicht mehr Lärm mit dieser grimmigen Last beladen als zuvor unbehindert. Er hatte aus dem Gürtel des Händlers an seinem Ende eine Trageschlinge gemacht, damit er nur eine Hand benötigte, während er in der anderen das blanke Breitschwert trug, und sein Blick schweifte unablässig über die bedrohlichen, grünen Wälle. Die Schatten wurden dichter. Ein sich rapide verdunkelnder blauer Dunst ließ die Umrisse des Laubwerks verschwimmen. Die Tiefe des Waldes schien im Zwielicht zuzunehmen, ein blaues Rätselreich, welches namenlose Dinge beherbergen mochte.

    Sie hatten über eine Meile zurückgelegt, und die Muskeln in Balthus’ Armen begannen allmählich zu schmerzen, als ein schriller Schrei aus dem Wald erklang, dessen blaue Schatten langsam zu einem dunklen Purpur wurden.

    Conan fuhr überrascht zusammen und Balthus ließ beinahe die Tragestangen los.

    „Eine Frau!, rief der Jüngere. „Großer Mitra, das war der Schrei einer Frau!

    „Eine Siedlerfrau, die sich im Wald verirrt hat, knurrte Conan, der sein Ende der Bahre absetzte. „Wahrscheinlich auf der Suche nach einer Kuh – bleib hier!

    Er tauchte wie ein jagender Wolf in das Grün der Blätterwand ein. Balthus’ Haare standen zu Berge.

    „Hier bleiben, allein mit dieser Leiche und einem Dämon, der sich im Wald versteckt?, rief er entsetzt. „Ich komme mit!

    Sofort setzte er seine Worte in die Tat um und stürzte hinter dem Cimmerier her. Conan blickte zu ihm zurück, aber machte keine Einwände; allerdings passte er seinen Schritt auch nicht den kürzeren Beinen seines Gefährten an. Balthus vergeudete seinen Atem mit Flüchen, als ihm der Cimmerier abermals wie ein Phantom zwischen den Bäumen davonrannte. Kurz darauf gelangte Conan krachend aus dem Wald auf eine düstere Lichtung und hielt geduckt inne, die Zähne gefletscht, das Schwert erhoben.

    „Weshalb halten wir an?", keuchte Balthus, der sich den Schweiß aus den Augen wischte und sein Kurzschwert fester packte.

    „Der Schrei kam von dieser Lichtung, oder aus der Nähe, antwortete Conan. „Selbst im Wald habe ich kein Problem, die Quelle eines Geräuschs zu finden. Aber wo...

    Plötzlich erklang das Geräusch wieder – hinter ihnen; aus der Richtung des Pfades den sie gerade verlassen hatten. Durchdringend und klagend stieg der Ton an – und dann wurden sie bis ins Mark erschüttert, als er sich in ein spöttisches, johlendes Gelächter verwandelte, das von den Lippen eines Dämons aus der untersten Hölle hätte stammen können.

    „Was in Mitras Namen..." Balthus’ Gesicht war ein bleicher Schimmer in der Düsternis.

    Mit einem deftigen Fluch wirbelte Conan herum und raste den Weg zurück, den er gekommen war, den verblüfft hinterher stolpernden Aquilonier im Schlepptau. Er stieß gegen den Cimmerier, als dieser abrupt stehen blieb, und prallte von dessen massigen Schultern ab wie von einer eisernen Statue. Während ihm von dem Stoß die Luft wegblieb, hörte er Conan zischend den Atem durch die Zähne stoßen. Der Cimmerier schien auf der Stelle erstarrt zu sein.

    Als er über dessen Schultern sah, fühlte Balthus wie sich sein Haar aufrichtete. Etwas bewegte sich durch das dichte Buschwerk neben dem Pfad – etwas, das sich weder gehend noch fliegend fortbewegte, sondern wie eine Schlange zu gleiten schien. Aber es war keine Schlange. Die Umrisse waren verschwommen, aber es war größer als ein Mann, und nicht besonders dick. Es leuchtete mit einem glimmenden seltsamen Licht, wie eine schwache blaue Flamme. Dieses unheimliche Glühen schien sogar das einzige Stoffliche an ihm zu sein. Es hätte genauso gut eine lebende Flamme sein können, die sich vernunftbegabt und zielstrebig durch den schwarzen Wald bewegte.

    Conan knurrte einen wilden Fluch und schleuderte seine Axt mit grimmiger Entschlossenheit. Doch das Ding kroch weiter ohne seinen Kurs zu ändern. Eigentlich hatten sie nur einen flüchtigen Blick darauf werfen können – ein großes verschwommenes Ding, das aus einer dunstigen Flamme bestand und durch das Dickicht glitt. Dann war es weg, und der Wald lag in atemloser Stille.

    Zähnefletschend arbeitete sich Conan durch das Gebüsch auf den Weg. Balthus, der sich hinter ihm her mühte, konnte ihn derb und leidenschaftlich fluchen hören. Der Cimmerier stand über der Bahre, auf der der Körper von Tiberias lag. Und dieser Körper besaß nicht länger einen Kopf.

    „Er hat uns mit seinem verdammten Jammergeschrei überlistet!, tobte Conan, der zornig sein großes Schwert über dem Kopf schwang. „Ich hätte es wissen müssen! Ich hätte eine List vermuten sollen! Jetzt werden fünf Köpfe Zogars Altar verzieren.

    „Aber was war das für ein Ding, das schreit wie eine Frau und lacht wie ein Teufel, und wie Hexenfeuer leuchtet, wenn es durch den Wald gleitet?", keuchte Balthus, der den Schweiß von seinem bleichen Gesicht wischte.

    „Ein Sumpfdämon, antwortete Conan verdrießlich. „Nimm die Stangen. Wir bringen die Leiche trotzdem ins Fort. Zumindest ist sie jetzt etwas leichter.

    Mit dieser Kostprobe seiner grimmigen Philosophie ergriff er die Lederschlaufe und führte sie weiter den Pfad entlang.

    Kapitel 2: Der Hexer von Gwawela

    Fort Tuscelan stand am östlichen Ufer des Schwarzen Flusses, dessen Fluten den Fuß der Palisade umspülten. Diese bestand aus behauenen Holzstämmen, so wie alle Gebäude im Inneren des Forts, sogar der Hauptturm (für den dies eine schmeichelhafte Bezeichnung war), in dem die Quartiere des Statthalters lagen, und der Aussicht auf die Palisaden und den Fluss bot. Jenseits des Flusses lag ein ausgedehntes Waldgebiet, das am schwammigen Ufer des Flusses eine dschungelgleiche Dichte aufwies. Tag und Nacht patrouillierten Männer auf den Wehrgängen rund um die Palisade und behielten die dichte grüne Mauer im Blick. Selten zeigte sich dort eine Bedrohung, doch die Männer wussten, dass sie ebenfalls beobachtet wurden, von wilden, hungrigen Augen, in denen ein gnadenloser, uralter Hass brannte. Der Wald jenseits des Flusses mochte für den unwissenden Betrachter verlassen und ohne Leben wirken, aber es gab dort Leben in Hülle und Fülle, nicht nur Vögel, Säugetiere und Reptilien, sondern auch Menschen, das gefährlichste aller Raubtiere.

    Hier, in diesem Fort, endete die Zivilisation. Fort Tuscelan war der letzte Vorposten der zivilisierten Welt; es stellte den westlichsten Vorstoß der hyborischen Völker dar. Jenseits des Flusses herrschte immer noch die Barbarei, in den schattigen Wäldern, in den Hütten aus geflochtenen Ästen, in denen grinsende menschliche Totenschädel hingen, und hinter den Erdwällen, dort wo die Lagerfeuer brannten und Trommeln dröhnten, und wo Speere von den Händen dunkler, schweigender Männer mit verfilztem schwarzen Haar und den Augen von Schlangen geschärft wurden. Diese Augen blickten oft hasserfüllt aus dem Unterholz auf das Fort auf der anderen Seite des Flusses. Früher hatten dunkelhäutige Männer dort ihre Hütten errichtet, wo jetzt das Fort stand, ja, und ihre Hütten hatten auch dort gestanden, wo sich jetzt die Felder und Blockhütten der hellhaarigen Siedler befanden, bis weit hinter Velitrium, die ungeschliffene, lebhafte Grenzstadt am Ufer des Donnerflusses, sogar bis zu jenem anderen Fluss, der die Grenze der Bossonischen Marschen bildet. Die Händler waren zuerst gekommen, und die Priester Mitras, die mit bloßen Füssen und leeren Händen durch das Land zogen, und die meisten von ihnen waren auf schreckliche Weise umgekommen; aber ihnen waren Soldaten gefolgt, Männer mit Äxten in den Händen, und Frauen und Kinder in Ochsenkarren. Zurück zum Donnerfluss und noch weiter zurück bis über den Schwarzen Fluss waren die Eingeborenen nach vielen Gemetzeln und Massakern gedrängt worden. Aber das dunkelhäutige Volk hatte nicht vergessen, dass Conajohara einst ihnen gehörte.

    Die Wache hinter dem Osttor rief sie ordnungsgemäß an. Durch eine vergitterte Öffnung konnte man einen stählernen Helm im Fackellicht glitzern sehen, und ein misstrauisches Augenpaar darunter.

    „Macht das Tor auf, schnaubte Conan. „Du siehst doch, dass ich es bin, oder?

    Überflüssige militärische Disziplin trieb ihn immer zur Weißglut.

    Das Tor schwang nach innen auf, und Conan trat mit seinem Begleiter ein. Balthus fiel auf, dass zu beiden Seiten des Tores Wachttürme standen, deren Spitzen über die Palisade ragten. Er sah auch die Schussöffnungen für die Bogenschützen.

    Die Wächter brummten, als sie die Last der beiden Männer bemerkten. Ihre Piken verhedderten sich ineinander, als sie das Tor wieder verschlossen und dabei nervös über die Schulter blickten, und Conan fragte gereizt: „Was ist los, habt ihr noch nie eine kopflose Leiche gesehen?"

    Im Fackelschein waren die Gesichter der Soldaten totenbleich.

    „Das ist Tiberias, brachte der eine hervor. „Ich erkenne die pelzbesetzte Tunika. Valerius hier schuldet mir fünf Lunas. Ich sagte ihm, Tiberias hätte den Lockruf gehört, als er mit glasigem Blick auf seinem Maultier durch das Tor ritt. Ich habe gewettet, dass er ohne seinen Kopf zurückkommt.

    Conan brummte rätselhaft, bedeutete Balthus, die Trage zu Boden zu lassen, dann machte er sich auf den Weg zum Quartier des Statthalters, immer noch mit dem Aquilonier im Schlepptau. Der strubbelköpfige Junge sah sich neugierig um und nahm alles auf, die Reihe der Truppenunterkünfte an den Palisaden, die Ställe, die kleinen Verkaufsstände der Händler, das gewaltige Blockhaus des Statthalters, die übrigen Gebäude und den offenen Exerzierplatz in der Mitte des Forts, auf dem die Soldaten gedrillt wurden und auf dem jetzt Wachfeuer brannten, um die sich die dienstfreien Männer versammelt hatten. Diese gesellten sich nun eilig zu der Menge, die sich um die Trage am Tor geschart hatte. Die hoch gewachsenen Gestalten der aquilonischen Pikenträger und Waldläufer mischten sich unter die kürzeren, untersetzten bossonischen Bogenschützen.

    Balthus war nicht allzu überrascht, dass sie vom Statthalter persönlich empfangen wurden. Die autokratische Gesellschaft mit ihren starren Standesregeln war östlich der Marschen zurückgeblieben. Valannus war noch recht jung, kräftig gebaut, seine feinen Gesichtszüge waren schon aufgrund seiner Arbeit und der Last der Verantwortung von Ernsthaftigkeit gezeichnet.

    „Ihr habt das Fort vor Tagesanbruch verlassen, wie ich gehört habe, sagte er zu Conan. „Ich begann schon zu fürchten, dass Ihr schließlich doch von den Pikten erwischt worden seid.

    „Wenn sie meinen Kopf räuchern, wird es der ganze Fluss wissen, brummte Conan. „Man wird bis Velitrium die Totenklagen der piktischen Witwen hören. Ich habe allein einen Streifzug unternommen. Ich konnte nicht schlafen. Ich hörte die ganze Zeit die Trommeln über dem Fluss.

    „Sie trommeln jede Nacht", erinnerte ihn der Statthalter und blickte Conan fest mit zusammengekniffenen Augen an. Er hatte gelernt, wie unklug es war, die Instinkte eines Wilden zu missachten.

    „Letzte Nacht gab es einen Unterschied, knurrte Conan. „Den gibt es, seit Zogar Sag über den Fluss zurückgekehrt ist.

    „Wir hätten ihn entweder mit Geschenken nach Hause schicken oder aufhängen sollen, seufzte der Statthalter. „Ihr habt das vorgeschlagen, aber...

    „Aber es ist schwer für euch Hyborier die Gebräuche der Wildnis zu verstehen, sagte Conan. „Nun, daran kann man jetzt nichts mehr ändern. Es wird jedenfalls keinen Frieden geben, solange Zogar lebt und sich an die Zelle erinnert, in der er eingelocht war. Ich bin heute einem Krieger gefolgt, der herüberkam, um sich ein paar weiße Kerben für seinen Bogen zu verdienen. Nachdem ich ihm den Schädel gespalten habe, war ich mit diesem Burschen unterwegs. Er heißt Balthus und kommt aus Tauran, um uns zu helfen, die Grenze zu verteidigen.

    Valannus betrachtete zustimmend die offenen Züge und den kräftigen Körperbau des jungen Mannes.

    „Ich freue mich, Euch willkommen zu heißen, junger Herr. Ich wünschte, es kämen mehr Menschen aus eurer Heimat. Wir brauchen Menschen, die das Leben im Wald gewohnt sind. Viele unserer Soldaten und einige unserer Siedler kommen aus den östlichen Provinzen und wissen nichts vom Leben in freier Natur, oder gar von der Landwirtschaft."

    „Diesseits von Velitrium gibt es von dieser Sorte nicht viele, brummte Conan. „Aber die Stadt ist voll von ihnen. Aber hört zu, Valannus, wir haben Tiberias tot auf dem Weg gefunden. Und mit wenigen Worten legte er die grausige Angelegenheit dar.

    Valannus erbleichte. „Ich wusste nicht, dass er das Fort verlassen hatte. Er muss verrückt geworden sein."

    „Das war er, antwortete Conan. „Wie die anderen vier; jeder von ihnen verlor den Verstand, als er an der Reihe war und machte sich auf den Weg in den Wald, wie ein Hase, der in den Rachen einer Python läuft. Etwas rief sie aus der Tiefe des Waldes, etwas, das die Männer nur den Lockruf nennen mangels eines passenderen Namens, aber nur die Betroffenen können es hören. Zogar Sag hat eine Magie gesponnen, mit der die aquilonische Zivilisation nicht fertig wird.

    Darauf gab ihm Valannus keine Antwort; er wischte sich die Stirn mit einer zittrigen Hand.

    „Wissen die Soldaten davon?"

    „Wir haben seinen Leichnam am Osttor gelassen."

    „Ihr hättet es verheimlichen sollen, die Leiche irgendwo im Wald verstecken können. Die Soldaten sind schon nervös genug."

    „Sie hätten es irgendwie herausbekommen. Hätte ich den Leichnam versteckt, wäre er wie die Leiche von Soractus vor dem Fort aufgetaucht – vor den Toren an einen Pfahl gebunden, damit ihn die Männer am Morgen finden."

    Valannus erschauerte. Er drehte sich um, schritt zu einem Fenster und blickte schweigend auf den Fluss hinaus, der im Funkeln der Sterne schwarz schimmernd dalag. Jenseits des Flusses erhob sich der Urwald wie eine ebenhölzerne Palisade. Das entfernte Fauchen eines Panthers durchbrach die Stille. Die Nacht war hereingebrochen, dämpfte die Stimmen der Soldaten vor dem Blockhaus und ließ die Feuer schwächer erscheinen. Eine Brise flüsterte im schwarzen Geäst und kräuselte das dunkle Wasser. Sie trug auf ihren Schwingen ein leises rhythmisches Pulsieren heran, so unheilsschwanger wie der Schritt einer Leopardenpfote.

    „Was wissen wir überhaupt", sagte Valannus, als ob er seine Gedanken laut ausspräche, „was weiß irgendjemand von den Dingen, die dieser Urwald verbirgt? Es gibt Gerüchte von großen Sümpfen und Flüssen, und einem Wald, der sich weiter und weiter über endlose Ebenen und Hügel erstreckt, bis er schließlich an den Gestaden des westlichen Ozeans endet. Aber von den Dingen, die zwischen diesem Fluss und dem westlichen Ozean liegen, haben wir nicht die geringste Ahnung. Kein weißer Mann ist jemals tiefer in diesen Dschungel vorgestoßen und lebend zurückgekehrt, um davon zu berichten. Wir besitzen ein hohes zivilisiertes Wissen, aber das reicht auch nur bis zu einem gewissen Punkt – dem Westufer dieses alten Stromes! Wer weiß, welche irdischen und unirdischen Dinge jenseits des schwachen Lichtkreises lauern, den der Fackelschein unseres Wissens wirft?

    Wer weiß schon, welche Götter in den Schatten jenes heidnischen Waldes verehrt werden, oder welche Teufel aus dem schwarzen Morast der Sümpfe kriechen? Wer kann sich sicher sein, dass alle Bewohner dieses schwarzen Landstriches natürlich sind? Zogar Sag – ein Weiser aus dem Osten würde über seine primitive Magie ebenso die Nase rümpfen wie über den Mummenschanz eines Fakirs; und doch hat er fünf Männer in den Wahnsinn getrieben und getötet, auf eine Weise, die niemand erklären kann. Ich frage mich, ob er selbst völlig menschlich ist."

    „Wenn ich auf die Entfernung eines Axtwurfs an ihn herankomme, werde ich diese Frage klären", knurrte Conan, der sich am Wein des Statthalters bediente und Balthus ein Glas herüber schob, der es zögernd mit einem unsicheren Blick auf Valannus annahm.

    Der Statthalter wandte sich Conan zu und blickte ihn nachdenklich an.

    „Die Soldaten, die nicht an Geister oder Teufel glauben, sagte er, „befinden sich am Rande der Panik vor Furcht. Ihr, der an Geister, Kobolde und alle möglichen unwahrscheinlichen Dinge glaubt, scheint keines der Dinge, an die Ihr glaubt zu fürchten.

    „Es gibt nichts auf der Welt, das von kaltem Stahl nicht verletzt wird, antwortete Conan. „Ich warf meine Axt auf den Dämon, und er schien nicht verletzt, aber ich mag ihn im Zwielicht auch verfehlt haben, oder ein Ast lenkte den Wurf ab. Ich suche den Kampf mit solchen Teufeln nicht, aber ich werde ihnen auch nicht aus dem Weg gehen.

    Valannus hob den Kopf und sah Conan offen in die Augen.

    „Conan, von Euch hängt mehr ab, als ihr ahnt. Ihr kennt die heikle Lage dieser Provinz – ein schmaler Keil in dieser ungezähmten Wildnis. Ihr wisst, dass das Leben aller Menschen westlich der Marschen von diesem Fort abhängt. Fällt es, würden blutige Äxte bereits die Tore Velitriums zertrümmern, bevor ein Reiter die Marschen durchqueren könnte. Ihre Majestät, oder die Ratgeber Ihrer Majestät, haben meine Bitte nach mehr Truppen, um die Grenze zu halten, ignoriert. Sie wissen nichts von den Zuständen an der Grenze, und sind abgeneigt, noch mehr Gelder hierhin fließen zu lassen. Das Schicksal der Grenze hängt jetzt von den Männern ab, die sie halten.

    Ihr wisst, dass der größte Teil der Armee, die Conajohara erobert hat, wieder abgezogen wurde. Ihr wisst auch, dass die verbliebenen Streitkräfte nicht ausreichen, besonders seit der Teufel Zogar Sag unser Trinkwasser vergiftet hat und vierzig Mann an einem Tag starben. Viele der verbliebenen Männer sind krank, oder wurden von Schlangen gebissen oder wilden Tieren angegriffen, die sich in erhöhter Zahl in der Nachbarschaft des Forts herumtreiben. Die Soldaten glauben mittlerweile Zogars Prahlerei, dass er wilde Bestien herbeirufen könne um seine Feinde zu töten.

    Ich habe dreihundert Pikenkämpfer, vierhundert bossonische Bogenschützen und vielleicht fünfzig Männer, die wie Ihr als Waldläufer taugen. Sie sind ihre zehnfache Zahl an Soldaten wert, aber es sind zu wenige. Ehrlich gesagt, Conan, ist meine Lage prekär. Die Soldaten tuscheln schon von Fahnenflucht; sie sind in gedrückter Stimmung, denn sie glauben tatsächlich, dass Zogar Sag uns Dämonen auf den Leib gejagt hat. Sie fürchten die schwarze Pest, mit der er uns bedrohte – der furchtbare Schwarze Tod der Sumpfgebiete. Wenn ich einen kranken Soldaten sehe, bricht mir vor Angst, dass er sich vor meinen Augen schwarz verfärbt, austrocknet und stirbt, der kalte Schweiß aus.

    Conan, wenn wirklich die Pest bei uns ausbricht, werden die Truppen geschlossen desertieren! Die Grenze wird unbewacht sein und nichts wird die schwarzen Teufel daran hindern, bis zu den Toren Velitriums zu stürmen – vielleicht sogar noch weiter! Wenn wir das Fort nicht halten können, wie sollen sie denn die Stadt halten?

    Zogar Sag muss sterben, Conan, wenn wir Conajohara halten wollen. Ihr seid tiefer ins Unbekannte vorgestoßen als jeder andere Mann hier im Fort; Ihr wisst, wo Gwawela liegt, und kennt auch die Pfade auf der anderen Seite des Flusses. Wollt Ihr Euch heute noch einen Trupp zusammenstellen und versuchen, ihn zu fangen oder zu töten? Oh, ich weiß, es ist der blanke Irrsinn. Die Chance, dass auch nur einer lebend zurückkehrt, dürfte nicht besser als Eins zu Tausend stehen. Aber wenn wir ihn nicht ausschalten, bedeutet es den Tod für uns alle. Ihr könnt so viele Männer nehmen, wie ihr braucht."

    „Ein Dutzend Männer sind für solch eine Aufgabe besser geeignet als ein ganzes Regiment, antwortete Conan. „Fünfhundert Mann könnten sich nicht ihren Weg nach Gwawela und zurück freikämpfen, aber ein Dutzend könnte sich hereinschleichen und wieder heraus. Lasst mich die Männer aussuchen. Ich brauche keine Soldaten.

    „Ich möchte mitkommen!, rief Balthus eifrig. „Ich habe mein ganzes Leben in Tauran Hirsche gejagt.

    „In Ordnung. Valannus, wir werden in der Hütte der Kundschafter essen, und ich wähle dort die Männer aus. Wir werden binnen einer Stunde aufbrechen, mit dem Boot flussabwärts fahren, bis wir unterhalb des Dorfes sind, und uns dann durch den Wald anpirschen. Wenn wir es überleben, sollten wir bei Tagesanbruch zurück sein."

    Kapitel 3: Jäger in der Dunkelheit

    Der Fluss war nur eine dünne Naht zwischen den nachtschwarzen Mauern des Waldes zu beiden Seiten. Die Paddel, die das lange Boot im dichten Schatten des Ostufers voranbewegten, tauchten vorsichtig ins Wasser und machten dabei nicht mehr Lärm als der Schnabel eines Reihers. Die breiten Schultern des Mannes vor Balthus waren tiefblau in der Dunkelheit. Er wusste, dass nicht einmal die scharfen Augen des Mannes im Bug weiter als ein paar Fuß weit sehen konnten. Conan suchte sich seinen Weg mit Instinkt und genauer Kenntnis des Flusses.

    Niemand sprach. Balthus hatte sich seine Gefährten im Fort genau ansehen können, bevor sie durch eine Tür in der Palisade geschlüpft waren und das bereitstehende Kanu unten am Ufer bemannten. Sie gehörten einer neuen Generation an, die hier an der rauen Grenze heranwuchs – Männer, die sich ihre Kenntnisse aus reiner Notwendigkeit zu überleben angeeignet hatten. Allesamt Aquilonier aus den westlichen Provinzen, hatten sie vieles gemeinsam. Sie trugen ähnliche Kleidung – Stiefel aus Antilopenleder, lederne Kniehosen und Hemden aus Hirschleder, mit breiten Gürteln von denen Äxte und Kurzschwerter hingen; und sie alle waren hager, von Narben gekennzeichnet und besaßen harte Augen, waren sehnig und schweigsam.

    Es waren auf ihre eigene Art ebenfalls Wilde, und doch gab es zwischen ihnen und dem Cimmerier immer noch eine weite Kluft. Sie waren die Söhne der Zivilisation, die zu einer Art Halbbarbarei zurückgekehrt waren. Er war ein Barbar, der aus tausend Generationen von Barbaren hervorgegangen war. Sie hatten sich Schliche und Fertigkeiten angeeignet, ihm waren sie angeboren, ja er brachte sie sogar mit dem allergeringsten Aufwand zur Perfektion. Sie waren Wölfe, aber er war ein Tiger.

    Balthus bewunderte sie und ihren Anführer und fühlte einen Anflug von Stolz, dass sie ihn in ihre Gemeinschaft aufgenommen hatten. Es erfüllte ihn mit Selbstvertrauen, dass sein Paddel nicht mehr Geräusche verursachte als ihre. Zumindest in dieser Hinsicht war er ihnen ebenbürtig, auch wenn Fertigkeiten, die er sich beim Jagen in Tauran erworben hatte, niemals denen gleichkommen konnten, die sich an dieser wilden Grenze in die Seelen dieser Männer eingebrannt hatten.

    Unterhalb des Forts machte der Fluss eine weite Biegung. Die Lichter des Vorpostens verschwanden schnell, doch das Kanu behielt seinen Kurs noch beinahe eine ganze Meile bei und wich dabei Hindernissen und treibenden Baumstämmen mit unheimlicher Gewandtheit aus.

    Dann, nach einem leisen Brummen ihres Anführers, schwang der Bug herum und sie hielten auf das gegenüberliegende Ufer zu. Der Wechsel aus den tiefen Schatten der Vegetation am Ufer ins offene Wasser der Flussmitte ließ sie scheinbar vollkommen sichtbar und ungeschützt erscheinen. Doch die Sterne gaben nur wenig Licht und Balthus wusste, wenn nicht jemand wirklich danach Ausschau hielt, es selbst für das schärfste Auge unmöglich war, das Kanu auf dem Fluss auszumachen.

    Sie glitten unter die überhängenden Büsche des Westufers und Balthus fand nach kurzem Tasten eine freiliegende Wurzel, die er ergriff. Kein Wort wurde gesprochen. Alle Anweisungen waren bereits erteilt worden, bevor der Spähtrupp das Fort verlassen hatte. So geräuschlos wie ein großer Panther huschte Conan aus dem Boot und verschwand in den Büschen. Ebenso lautlos folgten ihm neun Männer. Für Balthus, der die Wurzel mit dem Paddel auf den Knien festhielt, schien es unglaublich, dass zehn Männer so geräuschlos ins dichte Unterholz eindringen konnten.

    Er gab sich damit zufrieden, zu warten. Er wechselte kein Wort mit dem anderen Mann, der bei ihm zurückgeblieben war. Irgendwo etwa eine Meile nordwestlich befand sich Zogar Sags Dorf, umgeben von dichtem Wald. Balthus hatte seine Befehle verstanden; er und sein Gefährte sollten auf die Rückkehr des Spähtrupps warten. Wenn Conan und seine Männer nicht bis zum ersten Tageslicht zurück wären, sollten sie den Fluss aufwärts zum Fort eilen und die Nachricht überbringen, dass der Wald einmal mehr seinen Tribut von den Eindringlingen gefordert hätte. Die Stille war bedrückend. Kein Geräusch drang aus den schwarzen Wäldern, eine undurchdringliche Wand, die sich an das überhängende Gebüsch des Ufers anschloss. Balthus hörte nicht länger die Trommeln. Sie schwiegen bereits seit Stunden. Er musste häufig blinzeln, versuchte unbewusst etwas in der tiefen Finsternis zu erkennen. Die feuchtkalten Gerüche des Flusses und des Waldes bedrängten seine Sinne. Ganz in der Nähe gab es ein Geräusch, als wäre ein großer Fisch gesprungen. Balthus dachte, er wäre so nahe am Kanu gesprungen, dass er die Seite berührt hatte, denn das Boot erbebte leicht. Das Heck des Kanus bewegte sich langsam vom Ufer weg. Der Mann hinter ihm musste seinen Halt am Ufer verloren haben. Balthus verdrehte den Kopf, um ihm eine Warnung zuzuzischen, und konnte gerade noch seinen Umriss erkennen, ein etwas schwärzerer Fleck in der Dunkelheit.

    Der Mann antwortete nicht. Balthus fragte sich, ob er wohl eingeschlafen wäre und ergriff seine Schulter. Zu seinem Erstaunen sackte der Mann bei der Berührung zusammen und fiel auf den Kanuboden. Balthus drehte seinen Körper halb um und tastete mit klopfendem Herzen nach seinem Gefährten. Seine suchenden Finger bewegten sich über die Kehle des Mannes – nur ein krampfhaftes Zusammenpressen seiner Kiefer hielt den jungen Mann davon ab, laut aufzuschreien. Seine Finger hatten eine klaffende, bluttriefende Wunde berührt – die Kehle seines Gefährten war von Ohr zu Ohr aufgeschlitzt worden.

    In diesem Moment des Grauens und der Panik schrak Balthus auf - und dann schloss sich ein muskulöser Arm aus der Dunkelheit um seinen Hals und würgte seinen Schrei ab. Das Kanu wackelte heftig. Plötzlich hatte Balthus sein Messer in der Hand, obwohl er sich nicht erinnern konnte, es aus dem Stiefel gerissen zu haben, und stach erbittert blind zu. Er spürte das Messer tief in Fleisch dringen, und ein schauderhafter Schrei erschallte in seinen Ohren, ein Schrei, der furchtbar beantwortet wurde. Die Dunkelheit um ihn schien zu Leben zu erwachen. Ein bestialisches Gebrüll erhob sich von allen Seiten und andere Arme griffen nach ihm. Unter der Masse der anstürmenden Leiber kenterte das Kanu, doch bevor er mit ihm unterging, krachte etwas gegen Balthus’ Schädel und die Nacht wurde kurz von einem blendenden Lichtblitz erhellt, bevor sie einer Schwärze wich, in der nicht einmal Sterne schienen.

    Kapitel 4: Die Bestien von Zogar Sag

    Feuer blendeten Balthus abermals, als er allmählich wieder zu Sinnen kam. Er blinzelte, schüttelte den Kopf. Das Licht schmerzte seine Augen. Ein wirres Durcheinander aus Geräuschen erhob sich um ihn, wurde erst differenzierter, als seine Sinne etwas klarer wurden. Er hob den Kopf und blickte sich verständnislos um. Schwarze Gestalten standen um ihn, nur als Umrisse vor den roten Flammenzungen sichtbar.

    Wie eine Welle überfluteten ihn Erinnerung und Verstehen. Er war im Freien an einen Pfahl gebunden, umringt von wilden und furchtbaren Gestalten. Jenseits dieses Ringes brannten Feuer, um die sich nackte, dunkelhäutige Frauen kümmerten. Hinter den Feuern sah er Hütten aus Lehm und Flechtwerk, mit Dächern aus geflochtenen Ästen. Noch weiter hinten stand eine Palisade mit einem breiten Tor. Diese Dinge nahm er jedoch nur beiläufig wahr. Selbst die geheimnisvollen dunklen Frauen mit ihren seltsamen Frisuren nahm er gedankenverloren zur Kenntnis. Er widmete seine volle Aufmerksamkeit in grausiger Faszination den Männern, die ihn von allen Seiten anstarrten.

    Kurzgewachsene Männer waren es, breitschultrig, mit mächtigen Brustkörben und schmalen Hüften, nackt bis auf knappe Lendenschurze. Das Feuer brachte das Spiel ihrer mächtigen Muskeln mit seinem Widerschein zur Geltung. Ihre dunklen Gesichter waren ausdruckslos, doch in ihren schmalen Augen glitzerte dasselbe Feuer wie in den Augen eines Tigers auf der Pirsch. Ihre verfilzten Haarmähnen wurden von kupfernen Stirnreifen gebändigt. Sie hielten Äxte und Schwerter in den Händen. Einige trugen primitive Verbände an ihren Gliedmaßen, und Blutflecken waren auf ihrer dunklen Haut getrocknet. Es musste einen Kampf gegeben haben, vor kurzem erst, mit tödlichem Ausgang.

    Als seine Augen von dem unablässigen Starren seiner Feinde weg wanderten, musste er einen entsetzten Aufschrei unterdrücken. Wenige Fuß entfernt erhob sich eine niedrige, grausame Pyramide: sie bestand aus blutverschmierten menschlichen Köpfen. Tote Augen starrten glasig gen Himmel. Betäubt erkannte er die Züge derer, die ihm zugewandt waren. Es waren die Männer, die Conan in den Wald gefolgt waren. Er konnte nicht erkennen, ob sich der Kopf des Cimmeriers gleichfalls bei ihnen befand. Nur wenige Gesichter waren deutlich sichtbar. Es mussten seiner Meinung nach aber mindestens zehn oder elf Köpfe sein. Eine entsetzliche Übelkeit überkam ihn. Er kämpfte gegen das Verlangen sich zu übergeben an. Hinter den Köpfen lagen die Leichen eines halben Dutzend Pikten, und er ertappte sich dabei, dass er wilde Freude darüber empfand. Die Waldläufer hatten zumindest einen Blutzoll gefordert.

    Er wandte den Kopf von dem widerlichen Spektakel ab und bemerkte in seiner Nähe einen weiteren Pfahl – ebenso schwarz angemalt wie der, an den er gefesselt war. Ein Mann, den Balthus als einen von Conans Waldläufern erkannte, hing dort schlaff in seinen Fesseln, nackt bis auf die ledernen Kniehosen. Blut tröpfelte von seinen Lippen, und noch mehr Blut quoll träge aus einem Schnitt an seiner Seite. Er hob den Kopf, als er sich die blutleeren Lippen leckte, dann murmelte er, kaum verständlich über dem barbarischen Lärm der Pikten: „Dich haben sie also auch erwischt!"

    „Haben sich im Wasser angeschlichen und die Kehle des anderen durchgeschnitten, krächzte Balthus. „Wir hörten sie nicht, bis sie über uns kamen. Mitra, wie kann sich irgendetwas so leise bewegen?

    „Es sind Teufel, nuschelte der Grenzbewohner. „Sie müssen uns beobachtet haben, seit wir den Fluss überquerten. Wir sind in eine Falle gelaufen. Von allen Seiten wurden Pfeile auf uns geschossen, bevor wir etwas bemerkten. Die meisten fielen schon bei der ersten Salve. Drei oder vier stürzten sich in die Büsche und fingen ein Handgemenge an. Aber es waren zu viele. Conan könnte entkommen sein. Ich habe seinen Kopf nicht gesehen. Es wäre besser für uns beide gewesen, wenn sie uns auf der Stelle getötet hätten. Conan kann man keine Schuld geben. Normalerweise hätten wir unentdeckt bis zum Dorf kommen müssen. So weit flussabwärts haben sie sonst keine Späher. Wir müssen einem großen Trupp über den Weg gelaufen sein, der aus dem Süden kam. Hier ist irgendeine Teufelei im Gange. Zu viele Pikten hier. Das sind nicht alles Gwaweli hier; auch Männer von westlichen Stämmen und flussauf- und abwärts.

    Balthus blickte auf die wilden Umrisse. So wenig er auch von den Pikten wusste, war ihm doch bewusst, dass die Anzahl der um sie versammelten Männer nicht zu einem Dorf dieser Größe passte. Es gab nicht genügend Hütten für sie alle. Dann bemerkte er die Unterschiede zwischen den barbarischen Stammeszeichen, die auf ihre Gesichter und Oberkörper gemalt waren.

    „Irgendeine Teufelei, murmelte der Waldläufer. „Vielleicht haben sie sich hier versammelt, um Zogars Hexerei zu sehen. Er wird eine feine Magie mit unseren Kadavern wirken. Nun ja, ein Grenzer rechnet nicht damit, im Bett zu sterben. Aber ich wünschte mir, sie hätten uns zusammen mit den übrigen erledigt.

    Das wölfische Geheul der Pikten nahm an Lautstärke und Überschwang zu, und aus dem eifrigen Zusammenströmen der Menge schloss Balthus, dass sich jemand Wichtiges näherte. Er verdrehte seinen Kopf bis über die Schulter und konnte so sehen, dass die beiden Pfähle vor einer langen Hütte standen, die größer als alle übrigen war, mit menschlichen Schädeln dekoriert, die vom Dachüberhang baumelten. Aus der Tür dieses Gebäudes kam jetzt tanzend eine fantastische Gestalt heraus.

    „Zogar!", murmelte der Waldläufer, das blutige Gesicht wölfisch verzogen, während er sich unbewusst gegen seine Fesseln stemmte. Balthus sah eine hagere Gestalt von mittlerer Größe, die fast ganz hinter den Straußenfedern verschwand, die auf einem Harnisch aus Leder und Kupfer befestigt waren. Aus dem Federschmuck blickte ein hässliches, bösartig verzerrtes Gesicht hervor. Die Federbüsche verwirrten Balthus. Er wusste, dass ihr Ursprung eine halbe Welt entfernt tief im Süden lag. Sie raschelten und wogten bedrohlich bei den hüpfenden Tanzbewegungen des Schamanen.

    Mit fantastischen Sprüngen und Getänzel betrat er den Ring und wirbelte vor seinen gebundenen und schweigsamen Gefangenen umher. Bei einem anderen Mann hätte es lächerlich gewirkt – ein närrischer Wilder, der bedeutungslos in einem Wirbel aus Federn umherstolzierte. Aber das grausige Antlitz, das aus der wogenden Masse finster herausstarrte, verlieh der Szenerie eine unheilsschwangere Bedeutung. Kein Mann mit einem solchen Gesicht konnte lächerlich oder wie etwas anderes aussehen als der Teufel, der er tatsächlich war.

    Plötzlich erstarrte er statuengleich; die Federn wogten noch einmal und sanken dann an ihm herab. Das Gebrüll der Krieger verstummte. Zogar Sag stand aufrecht und bewegungslos da und schien dabei an Größe zuzunehmen – zu wachsen und sich auszudehnen. Balthus war der Illusion unterworfen, dass der Pikte über ihm aufragte, verächtlich aus großer Höhe auf ihn herab starrte, obwohl er ganz genau wusste, dass der Schamane noch nicht einmal so groß wie er selbst war. Nur mit Mühe konnte er die Illusion abschütteln.

    Der Schamane sprach jetzt; eine barsche und gutturale Beschwörung, in der das Zischen einer Kobra mitschwang. Er stieß seinen Kopf auf seinem langen Hals in die Richtung des verwundeten Mannes am Pfahl vor; seine Augen glänzten im Feuerschein rot wie Blut. Der Grenzer spuckte ihm aus nächster Nähe ins Gesicht.

    Mit einem teuflischen Heulen sprang Zogar wie von der Tarantel gestochen in die Luft, und die Krieger fielen mit einem Gebrüll ein, das den Nachthimmel erbeben ließ. Sie stürzten auf den Mann am Pfahl zu, doch der Schamane scheuchte sie rabiat zurück. Ein gefauchter Befehl, und einige Männer liefen zum Tor. Sie rissen es auf, drehten sich um und liefen zurück zum Feuerkreis. Der Ring aus Menschen teilte sich mit hektischer Eile nach rechts und links. Balthus sah Frauen und nackte Kinder hastig in den Hütten verschwinden. Sie äugten vorsichtig aus Türen und Fenstern. Eine breite Gasse hatte sich zum offenen Tor hin gebildet, hinter dem der nachtschwarze Wald lauerte, der sich finster um die Lichtung drängte, ohne von den Feuern erhellt zu werden.

    Eine angespannte Stille herrschte, als sich Zogar Sag dem Wald zuwandte, auf die Zehenspitzen stellte und einen seltsamen unmenschlichen Ruf bebend in die Nacht entsandte. Irgendwo weit draußen im Wald antwortete ein tieferes Brüllen. Balthus erschauerte. Dem Klang der zweiten Stimme nach konnte sie niemals einer menschlichen Kehle entsprungen sein. Er erinnerte sich an das, was Valannus gesagt hatte – dass Zogar geprahlt hatte, er könne den wilden Bestien Befehle erteilen. Der Waldläufer war totenbleich unter seiner Maske aus Blut. Er leckte sich krampfhaft die Lippen.

    Das Dorf hielt den Atem an. Zogar Sag stand still wie eine Statue. Die Federn zitterten leicht an seinem Leib. Doch plötzlich war das Tor nicht länger leer.

    Ein schauderndes Aufkeuchen durchlief das ganze Dorf und die Männer drängten hastig zwischen die Hütten zurück. Balthus spürte wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Die Kreatur, die da im Tor stand, war die Verkörperung einer Gestalt aus alptraumhaften Legenden. Ihre Farbe besaß einen seltsamen bleichen Schimmer, der sie im schwachen Licht geisterhaft und unwirklich erschienen ließ. Aber an dem wilden, tiefhängenden Kopf und den gewaltigen gekrümmten Hauern, die im Feuerschein glitzerten, war nichts Unwirkliches. Auf geräuschlosen Pfoten schlich sie heran wie ein Phantom aus der Vergangenheit. Sie war ein Überlebender aus einem älteren, grimmigeren Zeitalter, die menschenfressende Bestie aus vielen uralten Legenden – ein Säbelzahntiger. Kein hyborischer Jäger hatte seit Jahrhunderten einen Blick auf eines dieser urzeitlichen Ungeheuer werfen können. Die Mythen aus grauer Vorzeit verliehen diesen Kreaturen fast schon übernatürliche Eigenschaften, die von ihrer gespenstischen Pelzfarbe und ihrer teuflischen Wildheit herrührten.

    Die Bestie, die auf die Männer an den Pfählen zu glitt, war länger und schwerer als der gewöhnliche gestreifte Tiger, fast so massig wie ein Bär. Ihre Schultern und Vorderläufe waren so kräftig und muskelbepackt, dass sie seltsam kopflastig wirkte, obwohl ihre Hinterläufe mächtiger als die eines Löwen waren. Ihre Kiefer waren gewaltig, doch ihr Kopf wirkte stupide. Ihr Gehirn war offensichtlich klein, es bot keinen Platz für irgendeinen anderen Instinkt außer der Mordgier. Sie stellte eine kolossale Aberration in der Entwicklung der Fleischfresser dar, ein Amoklauf der Evolution, der ein pures Grauen aus Fängen und Klauen hervorgebracht hatte.

    Das war die Monstrosität, die Zogar Sag aus den Tiefen des Waldes beschworen hatte. Balthus bezweifelte nicht länger die magischen Kräfte des Schamanen. Nur die schwarzen Künste konnten ihm Kontrolle über dieses Ungeheuer mit seinem winzigen Hirn und seinen mächtigen Muskeln verleihen. Wie ein Flüstern am Rande seines Bewusstseins drängte sich ihm die Erinnerung an den Namen eines uralten Gottes der Dunkelheit und der urzeitlichen Furcht auf, vor dem sich einst Mensch und Tier verbeugt hatten und dessen Kinder, so flüsterte man, immer noch in den finstersten Winkeln der Welt lauerten. Erneutes Grauen lag in dem Blick, mit dem er Zogar Sag fixierte.

    Das Ungeheuer bewegte sich an den Leichen der Krieger und der Pyramide aus blutigen Schädeln vorbei, scheinbar ohne Notiz von ihnen zu nehmen. Es war kein Aasfresser. Es jagte nur lebende Beute, in einem Leben, das nur dem Töten gewidmet war. Ein furchtbarer Hunger brannte wie grünes Feuer in den großen Augen, die nicht blinzelten; ein Hunger, der nicht nur einem leeren Magen entsprang, sondern der Lust, den Tod zu bringen. Geifer rann aus ihren klaffenden Kiefern. Der Schamane trat zurück, seine Hand deutete auf den Waldläufer.

    Die große Katze kauerte sich zusammen, und Balthus entsann sich verschwommen der Geschichten über ihre entsetzliche Wildheit: wie sie einen Elefanten angesprungen hatte und ihre schwertähnlichen Fänge so tief in seinen titanischen Schädel gerammt hatte, dass sie sie unmöglich wieder herausziehen konnte, und daher wie festgenagelt an ihrem Opfer hängen blieb, um des Hungers zu sterben. Der Schamane stieß einen schrillen Schrei aus, und mit einem ohrenbetäubenden Gebrüll sprang das Ungeheuer los.

    Balthus hätte sich nie träumen lassen, dass ein Wesen so springen könnte, solch eine Entfesselung fleischgewordener Zerstörungskraft, verkörpert in einem gewaltigen Leib aus eisernen Muskeln und zerfetzenden Klauen. Sie traf den Waldläufer an der Brust, und der Pfahl zersplitterte und brach am Boden ab, stürzte unter dem Aufprall zu Boden. Dann glitt der Säbelzahntiger zurück zum Tor, die grässlich zugerichtete rote Masse, die nur noch schwach einem Mann ähnelte, halb zerrend, halb tragend. Balthus starrte ihm wie gebannt nach, sein Verstand weigerte sich, das Gesehene zu akzeptieren.

    Bei ihrem Sprung hatte die gewaltige Bestie nicht nur den Pfahl abgebrochen, sie hatte auch ihr verstümmeltes Opfer von dort weggerissen. Die mächtigen Krallen hatten den Mann im Augenblick des Aufpralls aufgeschlitzt und teilweise ausgeweidet, und die riesigen Fänge hatten seine ganze Schädeldecke abgerissen, waren so leicht durch die Schädelknochen gedrungen als wäre es zartes Fleisch. Stabile Lederfesseln hatten nachgegeben wie Papier; dort wo sie gehalten hatten, hatten es Fleisch und Knochen nicht getan. Balthus musste sich unvermittelt übergeben. Er hatte Bären und Panther gejagt, hätte sich aber

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