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Südtiroler Sagen
Südtiroler Sagen
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Südtiroler Sagen

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About this ebook

Dieses Buch bietet eine gute Auswahl aus den „Klassikern“ die von den Sagensammlern Ignaz Vinzenz Zingerle und Johann Adolf Heyl im 19. Jahrhundert zusammentragen wurden und aus den unüberschaubar vielen Sagen, die auch noch von anderen Sammlern vom 16. Jahrhundert bis herauf in die neueste Zeit zusammengetragen worden sind. Der Verfasser hat 525 davon ausgewählt und behutsam in die heutige Sprache übertragen. Einige Sagen wurden auch ganz neu bearbeitet, ohne freilich den Kern zu verändern. Das Buch ist nach Gebieten eingeteilt. Es gibt darin Sagen aus Bozen und seiner Umgebung, aus dem Unterland und dem Überetsch, aus Meran und Umgebung sowie aus dem Vinschgau, aus dem mittleren Eisacktal, dem südlichen Wipptal, dem Pustertal, aus Gröden und dem Gadertal. Innerhalb der einzelnen Gebiete sind die Sagen nach Sachgebieten geordnet: von Legenden, Kirchenbau- und Glockensagen über Geistergeschichten hin zu Schlangen-, Teufels- und Hexensagen, Drachen-, Riesen-, Zwergen- und Saligensagen, Bergwerkssagen, Schatzsagen, Schlossgeschichten und Sagen um Gewässer, Pestsagen, historischen und noch anderen Sagen.
LanguageDeutsch
PublisherAthesia
Release dateMar 1, 2016
ISBN9788868391836
Südtiroler Sagen
Author

Bruno Mahlknecht

Bruno Mahlknecht ist 1940 in Bozen geboren und wurde Lehrer. Später gab er seinen Beruf auf und wurde Schriftleiter einer Monatszeitschrift und eines Jahreskalenders. Schon früh begann er sich geschichtlichen Themen zu widmen. Er veröffentlichte in Zeitungen und Zeitschriften und verfasste auch mehrere historische Werke.

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    Südtiroler Sagen - Bruno Mahlknecht

    fließend.

    Bozner Sagenkreis

    Bozen: Stadt und Umgebung

    Terlan und östlicher Tschögglberg

    Sarntal · Ritten · Schlerngebiet

    Rosengarten, Eggental und Reggelberg

    Unterland · Überetsch

    BOZEN: STADT UND UMGEBUNG

    Maria im Moos

    Ein Fuhrmann fuhr einst von der Stadt Bozen durch das »Moos«, wie man die Örtlichkeit nannte, wo heute die Bozner Pfarrkirche steht, auf der Landstraße hinab zur Eisackbrücke, um von dort dann weiter nach Trient zu gelangen. Wie er so durch das »Moos« fuhr, da hörte er plötzlich eine feine Stimme rufen: »Heb mich auf!«

    Doch der Fuhrmann sah keinen Menschen weit und breit und wollte schon wieder weiterfahren, als er abermals die zarte Stimme hörte: »Heb mich auf, heb mich auf!«

    Da schaute er genauer nach und sah auf einmal in dem Sumpf neben der Landstraße eine kleine Muttergottesstatue liegen, die hell leuchtete. Er hob sie voller Freude auf und brachte sie in die Stadt.

    Bald strömten die Menschen herbei, um dieses auf so wundersame Weise zutage gekommene Bild der Muttergottes, die da den Jesusknaben stillte, zu sehen und zu verehren. Und weil man keinen eigenen Namen für dieses Gnadenbild hatte, so nannte man es einfach »Maria aus dem Moos« und schließlich »Maria im Moos«.

    Man beschloss, an gerade der Stelle, wo die kleine Marienstatue im Sumpf gefunden worden war, eine kleine Kapelle zu erbauen und es dort hineinzustellen. Später aber ging man daran, über dieser bescheidenen Marienkapelle eine neue Kirche zu bauen und diese zu Ehren der Muttergottes zu weihen – eben die heutige Bozner Pfarr- oder Domkirche. Und man baute die neue Kirche so, dass die Marienkapelle gerade hinter dem Hochaltar zu stehen kam. 1745 dann vergrößerte man diese alte Gnadenkapelle und baute sie in die heutige Form um. Das uralte Gnadenbild »Maria im Moos« aber befindet sich heute noch in dieser Gnadenkapelle hinter dem Hochaltar und wird dort immer noch von vielen Menschen aufgesucht und verehrt.

    Maria Keller

    Als man einmal in den tiefsten Keller der alten landesfürstlichen Burg in Gries hinabstieg, da fand man dort eine schöne Muttergottesstatue, die eine brennende Kerze in den Händen hielt.

    Weil das Bild unter so merkwürdigen Umständen zutage gekommen und überdies auch sehr schön gearbeitet war, so übertrug man es in die Pfarrkirche und später – nachdem die neue Stiftskirche zur Pfarrkirche erhoben worden war – in die Grieser Stiftskirche, wo Unsere Liebe Frau vom Keller oder »Maria Keller«, wie das Gnadenbild im Volk einfach genannt wurde, seither auf einem Nebenaltar in einem Glaskasten verwahrt wird. Die Statue ist kaum halbmetergroß und stellt eine geschnitzte sitzende Madonna mit dem Kinde dar.

    Vom heiligen Quirinus

    Als die bayerischen Grafen Adalbert und otkar, die 765 ein Kloster am Tegernsee gestiftet hatten, dann eine Pilgerfahrt nach Rom unternahmen und dabei auch bei Papst Paul I. (757–767) vorsprachen, um von ihm einen »heiligen Leib« für ihr neu gegründetes Kloster zu erbitten, da übergab ihnen dieser den Leib des heiligen Quirinus, der ein römischer Soldat gewesen und 269 wegen seines christlichen Glaubens zuerst gemartert und dann hingerichtet worden ist. Der Papst ermahnte die beiden edlen Stifter, den heiligen Leib [die Gebeine des heiligen Quirinus] in Ehren zu halten und auch während der ganzen Dauer der Rückreise von Rom bis zum Tegernsee die Truhe mit den heiligen Gebeinen nie zu öffnen.

    Das versprachen die beiden Grafen hoch und heilig. Als sie dann mit ihrem Gefolge auf der Rückreise nach Bozen gekommen waren, das damals die erste Stadt in Bayern und also in Deutschland war, da beschlossen sie, eine Rastpause einzulegen. Die Truhe mit den heiligen Gebeinen aber ließen sie inzwischen in eine kleine Kapelle am Talferufer legen und dort bewachen.

    Doch die Begleiter der beiden Grafen packte nun die Neugierde, was es denn mit diesen heiligen Gebeinen auf sich haben müsse, dass man sie gar nicht ansehen dürfe. Und als sie ausgiebig getrunken hatten und am dritten Tag ganz bezecht waren, da nahmen sie in frevelhafter Vermessenheit [Frechheit] die kostbaren Tücher von der Truhe und öffneten schließlich auch diese selbst, um die heiligen Gebeine anzuschauen.

    Da aber schlug mit einem Mal ein gewaltiges Feuer aus der Truhe und verzehrte die frechen Frevler, sodass sie hinfielen und tot waren. Die frommen Bozner aber beschlossen, an der Stelle der kleinen Kapelle, wo sich diese Freveltat ereignet hatte, zu Ehren des heiligen Quirinus eine kleine Kirche zu erbauen, und verehrten fortan hier den heiligen Märtyrer Quirinus als Helfer gegen Viehkrankheiten. Später, als durch die häufigen Überschwemmungen der Talfer die alte Quirinuskapelle mitten im Flussbett zu stehen gekommen war und man dort das Hochgericht für das Stadt- und Landgericht Gries und Bozen errichtete, diente die Kapelle auch manchem zum Tode Verurteilten für ein letztes Gebet. 1786 aber wurde die alte Rundkirche auf staatliche Anordnung hin geschlossen und in ein Wohnhaus verbaut. Die Gebeine des heiligen Quirinus liegen heute noch in dem Kloster am Tegernsee und werden dort verehrt.

    Die brüllenden Löwen

    Am Hauptportal der Pfarrkirche von Bozen sind zwei steinerne Löwen aufgestellt. In der Christnacht, zur Zeit der Mette, brüllen diese Löwen. Aber nicht jeder kann dieses Brüllen hören.

    Hans Lutz von Schussenried

    Als die mit so großem Kostenaufwand erbaute Pfarrkirche in Bozen endlich fertig war und als Abschluss noch einen schönen, schlanken Turm aus edlem Steinwerk [kunstvoll gemeißelten Steinen] erhalten sollte, da freuten sich die Steinmetzen von Bozen darauf, dass sie diese Arbeit übertragen bekämen und so ein schönes Geld verdienen könnten.

    Doch daraus wurde nichts. Denn zu ihrer großen Enttäuschung mussten sie erfahren, dass diese große und einträgliche Arbeit nicht ihnen übertragen wurde, sondern dass man dafür einen jungen Steinmetzmeister und Parlier aus dem Schwabenland ausersehen hatte.

    Sie begaben sich in das Rathaus und trugen dem Herrn Bürgermeister ihre Enttäuschung vor. Doch der zuckte nur die Achseln und sagte, es sei einmal beschlossen, dass Hans Lutz aus der Stadt Schussenried in Schwaben die Bauleitung bekäme, er sei dem Rat als ein sehr tüchtiger und guter Mann beschrieben worden, und so hätten sie ihn eben mit dieser verantwortungsvollen Arbeit betraut. Aber sie könnten sich ihm ja als Gesellen anbieten.

    Das wurmte nun die Steinmetzen von Bozen sehr, aber da sie sahen, dass an der Bestellung des jungen Schwaben nicht mehr zu rütteln war, mussten sie nur gute Miene zum bösen Spiel und die Faust im Sack machen und sich also bei diesem verdingen. Bald wurde mit der Arbeit begonnen und der Turm wuchs langsam in die Höhe. Hans Lutz war ein guter Bauleiter oder Parlier, das mussten auch die Bozner Steinmetzen zugeben, aber trotzdem kamen sie nicht darüber hinweg, dass ihnen dieser Auswärtige vorgezogen worden war.

    Vor allem war es der Steinmetz Wilhelm Großmund, den diese Bestellung ärgerte. Gerade er hatte sich nämlich Hoffnungen darauf gemacht, die Bauleitung übertragen zu bekommen, war aber dann übergangen worden und musste jetzt als einfacher Geselle am Turm arbeiten. Immer wieder schimpfte er hinter dem Rücken des Bauleiters über diesen und benützte jede kleine Nachlässigkeit von ihm in abfälliger Weise dazu, seinen Mitgesellen einzuflüstern, dass er doch der weit bessere Parlier wäre als dieser Lutz da. Aber an der Bestellung des jungen Schwaben konnte das nichts ändern.

    Allmählich entstanden dann ganz schwarze Gedanken im Gehirn dieses Mannes, und er beschloss, den Bauleiter zu töten. Aber es sollte wie ein Unfall aussehen, sodass niemand auf den Gedanken kommen würde, dass er ihn getötet hatte.

    Lange überlegte er, wie er das anstellen sollte. Dann kam ihm die böse Erleuchtung: Der Bauleiter stieg jeden Tag in der Früh, noch vor den andren, auf den Turm, um sich vom genauen Stand der Arbeiten zu überzeugen, und das sollte ihm zum Verhängnis werden. Wilhelm Großmund beschloss, am Abend, nach Arbeitsschluss, heimlich nochmals auf den Turm zu steigen und eines der Bretter dort oben anzusägen, sodass es, wenn jemand darauftrat, durchbrechen und der Darauftretende in die Tiefe stürzen sollte.

    Gedacht, getan. Am nächsten Abend, als es schon dunkel geworden war, stieg er heimlich auf den Turm hinauf, suchte eines der Gerüstbretter aus und sägte es vorsichtig auf der unteren Seite an, sodass es unfehlbar zusammenbrechen musste, wenn jemand darauf trat. Vorsichtig legte er das Brett, so gut das bei der inzwischen eingetretenen Dunkelheit möglich war, dann wieder auf seine Stelle und schlich heimlich und leise vom Turm herab, damit ihn ja niemand sehen sollte und man dann, wenn am nächsten Morgen der Parlier zu Tode stürzte, nicht auf ihn als Täter kommen konnte.

    Unbemerkt konnte er den Boden erreichen und nach Hause gelangen. In der Nacht aber kamen ihm Zweifel, ob er wohl seine Handsäge, mit der er das Gerüstbrett angesägt hatte, auch wirklich mitgenommen und nicht etwa an ort und Stelle liegen gelassen hatte, sodass man dann doch auf ihn als Mörder kommen konnte.

    So beschloss er, gleich bei Tagesanbruch, noch vor dem Parlier, auf den Turm zu steigen und seine Säge zu holen, damit ihn diese nicht verraten könne. Und so eilte er also mit erstem Tagesanbruch, als es noch halbdunkel war und noch alle schliefen, hinauf auf den Turm, um seine Säge zu holen, doch weil er nicht mehr genau wusste, wo das angesägte Gerüstbrett war, trat er in der Eile unversehens selbst darauf, stürzte herab und brach sich den Hals.

    Als dann am Morgen die Steinmetzen zur Arbeit kamen und erfuhren, dass der Großmund tot am Fuß des Turms gefunden wurde, machten sie sich wohl einen Reim darauf, aber sie sagten nichts und behielten ihre Vermutungen bei sich. Da war also einer selbst in die Grube gefallen, die er einem andern gegraben hatte. Hans Lutz aber konnte den Bozner Pfarrturm gut zu Ende führen.

    Das Glöcklein des heiligen Franziskus

    Der heilige Franziskus war der Sohn eines reichen Kaufmannes aus Assisi in Umbrien und kam mit seinem Vater bereits als Knabe nach Bozen zu den hier abgehaltenen großen Märkten oder Handelsmessen. Für die welschen Kaufleute wurde am Sonntag in der kleinen Sankt-Ingenuins-Kirche draußen vor der Stadtmauer die heilige Messe gelesen, und dabei ministrierte der kleine Giovanni Bernardone – wie der heilige Franziskus als Knabe hieß – oft.

    Später kamen dann die Franziskaner nach Bozen und erbauten sich eben hier bei dieser kleinen Ingenuinskirche vor dem Wangener Tor ein Kloster. Sie hielten das Glöcklein im kleinen Turm der Sankt-Erhards-Kapelle, wie die Ingenuinskirche jetzt hieß, sehr in Ehren, da es ja einst vom heiligmäßigen Gründer ihres ordens geläutet worden war, und auch die Bozner, die diesen großen Heiligen verehrten, freuten sich jedesmal, wenn sie das Glöcklein des heiligen Franziskus im Franziskanerkloster läuten hörten.

    Vom Ursprung des Kapuzinerklosters in Bozen

    Wenige Schritte unterhalb der Bozner Pfarrkirche stand einst ein großes Anwesen, das dem Hochstift Sankt Afra in Augsburg gehörte. Gerade an dieser Stelle nun wollte der edle Herr Marx Sittich von Wolkenstein um 1600 ein Kapuzinerkloster erbauen. Er ertauschte das alte Anwesen vom Bischof von Augsburg gegen den Ansitz Schrofenstein in der Vintlerstraße und erhielt 1598 vom Bischof von Trient die Genehmigung zum Bau des Klosters.

    Aber bald schon trat sein älterer Bruder, Engelhard Dietrich von Wolkenstein zu Trostburg, an ihn heran und bat ihn, den Bau des Klosters doch ihm zu überlassen. Denn, muss man wissen, dieser hatte eine kinderlose Ehe geführt, was ihn aber so verdross, dass er das Gelöbnis machte: Wenn Gott ihm ein Kind schenke, so wolle er ihm zu Ehren irgendwo ein Kloster stiften. Und als nun sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung gegangen war und Gott ihm nicht nur ein Kind, sondern in der Folge sogar viele Kinder schenkte, führte er den von seinem Bruder begonnenen Bau in Bozen zu Ende.

    Bereits 1603 konnten Kirche und Kloster eingeweiht werden, und später traten dann nicht weniger als drei Söhne des edlen Stifters in den Kapuzinerorden ein. Herr Engelhard Dietrich wünschte auch, in diesem Kloster bestattet zu werden, was dann auch geschah, als er im Alter von achtzig Jahren, unter Beistand seiner geistlichen Söhne, starb. Er wurde in einer Seitenkapelle der Kirche begraben, und eine Tafel aus Erz verewigte das Andenken des edlen Stifters. 1680 wurde die Kirche umgebaut und vergrößert.

    Der Glockenschatz auf der Haselburg

    Auf dem Schloss Haselburg bei Bozen lebte einst ein reicher Ritter, der dann mit den Kreuzfahrern ins Heilige Land zog. Vorher aber ließ er sein ganzes Silber heimlich in zwei hohle Kugeln aus Kupfer gießen, die er dann rechts und links vom Schlosstor als Zierde hinstellte. So, glaubte er, wird bestimmt niemand auf den Gedanken kommen, dass gerade in diesen beiden unansehnlichen Kupferkugeln sein ganzes Silber eingeschmolzen sei, und wird dieses also sicher sein.

    In der Zeit seiner Abwesenheit kamen zwei Männer zur Burgfrau, die im Rufe großer Frömmigkeit und Milde stand, und baten sie um einen Beitrag zur neuen großen Glocke für die Pfarrkirche in Bozen. Die gute Frau hatte aber keinen Überfluss und sagte, ihr Gemahl habe das ganze Silber beiseite geschafft, sie wisse nicht wohin, und sie könne ihnen deshalb nichts geben. Wenn sie halt die zwei kupfernen Kugeln am Schlosstor nehmen möchten, die wolle sie ihnen gern schenken, wenn sie auch leider fast wertlos seien.

    Die Männer nahmen die Kugeln dankbar an und ließen sie, da sie überraschend schwer waren, mit einem ochsenfuhrwerk, das ihnen die edle Burgfrau leihweise zur Verfügung stellte, hinab zur Pfarrkirche bringen. Dort wurden die beiden Kugeln zu dem andern Metall gelegt, das für den Guss der neuen Glocke bisher gesammelt worden war, und als dann genügend Metall und Geld für den Glockenguss beisammen waren, übergab man das ganze zusammengesammelte Kupfer dem Glockengießer, und der schmolz es ein und goss daraus die neue große Glocke.

    Als einige Zeit später der Ritter heimkehrte und die Kugeln am Tor nicht mehr sah, stellte er seine Gemahlin darüber zur Rede. Diese sagte, dass sie die Kugeln den Sammlern für die neue Glocke der Pfarrkirche geschenkt hätte; sie hätten ja keinen besonderen Wert gehabt, und die Männer hätten sie für den Glockenguss mitgenommen, und sie seien dann auch wirklich mit dem andern Kupfer eingeschmolzen worden.

    Als das der Ritter hörte, wurde er über die Maßen zornig, und er wollte schon seine Gemahlin zum Fenster hinaus- und in den Abgrund werfen. Doch gerade in diesem Augenblick begann die neue Glocke unten im Pfarrturm zu läuten, und ihr Klang war so schön, so silberhell klar, dass das Herz des Ritters tief ergriffen wurde und er seine Gattin um Verzeihung bat. Sein ganzes Silber war mit in die Glocke gegossen worden, und sooft er die herrliche Glocke läuten hörte, war es ihm wohl ums Herz und er lobte seine Gemahlin, dass sie einen so reichen Beitrag zum Glockenguss gegeben hatte.

    Die Beterin

    Wenn jemand eine Wallfahrt gelobt hat, sie aber dann nicht ausführt, so muss er sie nach seinem Tod nachholen. Das erfuhr auch eine Bindermeisterin in Bozen.

    Diese machte einmal eine Wallfahrt nach Weißenstein, und weil es untertags zu heiß gewesen war, begann sie erst am späten Abend mit dem Aufstieg von Leifers. Sie war allein, aber bald, schon hinter den ersten Stationen, hörte sie ein Stück hinter sich eine Stimme. Sie schaute um und erblickte ihre Nachbarin, die ebenfalls betend den Wallfahrtsweg emporstieg. Ah, dachte sie, hat die Nachbarin heute also endlich Zeit gefunden, die Wallfahrt zu machen, die sie schon lange versprochen, aber bisher immer wieder verschoben hat.

    Dann nahm sie ihr Gebet wieder auf und kümmerte sich nicht weiter um die Nachbarin hinter sich. Sie bemerkte aber, dass die Stimme der betenden Nachbarin allmählich immer näher herankam. Als sie dann die letzte Station erreicht hatte und mit dem Beten aufhörte, drehte sie sich zu der Nachbarin, die der Stimme nach schon fast ganz herangekommen war, um und wollte sie begrüßen. Doch sie konnte niemanden sehen, die Beterin hinter ihr war verschwunden und auch das Beten hatte aufgehört. Sie rief sie beim Namen, aber es kam keine Antwort. Die Bindermeisterin konnte sich das nicht erklären, aber als sie am nächsten Tag in die Stadt zurückkam, hieß es: »Gestern Abend ist die Nachbarin gestorben.«

    Als Kröte nach Weißenstein

    Eine Frau in Bozen hatte eine Wallfahrt nach Weißenstein versprochen, kam jedoch nie zur Ausführung dieses Gelübdes. Nach ihrem Tod musste sie darum so lang eine Kröte sein, bis sie ihr Versprechen eingelöst haben würde. Als scheußliche Kröte watschelte sie gegen den Wallfahrtsort empor, den sie erst in sieben Jahren erreichen konnte. Dann aber, als sie das Ziel erreicht hatte und das gnadenvolle Muttergottesbild sah, war sie erlöst und flog in Gestalt einer schneeweißen Taube zum Himmel.

    Alt-Rentsch

    Wo jetzt Rentsch liegt, war einst eine schöne und reiche Stadt. Rebe an Rebe wuchs bis weit hinauf zum Rittner Berg, und alles war voll Überfluss. Doch wegen ihres Reichtums wurden die Einwohner übermütig und schreckten bald vor keinem Frevel mehr zurück.

    Und so kamen sie einmal gar auf den Gedanken, einem Stier bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen und ihn zu braten. Gedacht, getan. Beim Mair zu Vals war es (andere sagen: beim Bauer auf’m Hof). Das gepeinigte Tier brüllte vor Schmerz, dass es ein Jammer war und steinerne Herzen hätte rühren können. Nicht aber die alten Rentschner, denn die hatten die größte Freude daran und hüpften vergnügt um das Feuer herum, wo der Stier gebraten werden sollte.

    Doch da wurde der Himmel plötzlich gelb und schwarz, und ein so furchtbares Ungewitter brach herein, dass Stein und Erde vom nahen Berg losbrachen und die ganze Stadt samt ihren sündhaften Bewohnern überschütteten. An ihrer Stelle entstand später ein christliches Dorf, und man baute dem heiligen Laurentius zu Ehren eine Kirche. Tief unten im Ziehbrunnen kann man noch immer den Turmknopf von der untergegangenen Stadt Alt-Rentsch sehen.

    Der Schuss auf das Kruzifix

    In Rentsch steht am alten Weg empor auf den Ritten ein Kruzifix, an dem eine große Narbe zu sehen ist. Davon erzählt man sich Folgendes: Vor langer Zeit war einmal in Kampill, das jenseits des Eisacks liegt, ein großes Festschießen, an dem sich auch ein bekannter Schütze beteiligte. Doch an diesem Tag hatte und hatte er einfach kein Glück und traf nicht ins Schwarze.

    Da schimpfte und fluchte er gotteslästerlich, dass es den Leuten kalt über den Rücken lief, und als auch dieses Fluchen nichts helfen wollte, rief er zornig: »Wenn ich heute auch die Scheibe nicht treffe, so will ich doch sehen, ob ich dieses Kruzifix da drüben auf der anderen Seite des Eisacks auch fehle.« Er legte an und schoss auf das Kreuz und traf es wirklich am linken Fuß. Aber die Kugel prallte ab, flog über den Eisack zurück und traf den Frevler mitten ins Herz. Die von der Kugel herrührende Narbe am Kruzifix ist auch heute noch zu sehen.

    Geisterspuk beim Reiterhof

    Als der alte Reiterbauer von Sankt Georgen starb, vermachte er jedem Dienstboten 100 Gulden. Seine Frau aber fand, dass dies des Guten denn doch ein wenig zu viel sei und zahlte darum… nichts aus. Sie heiratete dann wieder und hatte noch Kinder, starb aber noch vor dem zweiten Mann.

    Nach ihrem Tod geisterte es häufig in der Küche des Reiterhofes: Die Pfannen und Häfen wackelten und klapperten in der Nacht, sodass es einen gewaltigen Lärm gab und die Kinder ganz furchtsam wurden.

    Der Bauer wusste sich nicht zu helfen, ließ Seelenmessen für seine verstorbene Frau lesen und rief endlich die Patres von Gries zu Hilfe. Aber auch das half nichts. Da wurde ihm geraten, sich an die »Bartigen« – die Kapuziner – zu wenden, und ein solcher »Bartiger« sagte ihm dann, er müsse den Geist befragen, was er wolle.

    Als es dann wieder einmal in der Küche wild arbeitete und klapperte, trat der Reiterbauer kurz entschlossen in die Küche, um den Geist nach seinem Begehr zu fragen – und fand dort seine verstorbene Frau, die ihm alles sagte und ihn flehentlich bat, doch den Knechten und Mägden von damals den seinerzeit unterschlagenen Geldbetrag auszuzahlen.

    Der Bauer versprach dies, und wirklich konnte er die ehemals auf dem Reiterhof tätig gewesenen Dienstboten ausfindig machen und ihnen die vermachten 100 Gulden ausbezahlen. Nur einer der Knechte war bereits verstorben; so beschloss man denn, die ihm zustehenden 100 Gulden für Seelenmessen zu verwenden. Sobald alles ausgezahlt war, war die Frau offenbar erlöst, jedenfalls regte sich beim Reiterhof nie wieder irgendwelcher Spuk.

    Das Teufelsloch am Kuntersweg

    Am Kuntersweg, ein gutes Stück außerhalb von Kardaun, erblickte man früher dort, wo die Berge am engsten zusammenstehen, hoch oben im Felsen ein großes Loch. Es wurde das Teufelsloch genannt, und über seine Entstehung gab die Volkssage folgende Aufklärung:

    Einst ist hier ein Fuhrmann bei schlechtem Weg und Wetter in große Verlegenheit geraten. Die Wagenräder steckten unbeweglich im scheinbar grundlosen Morast. Ein Peitschenhieb um den andern flog auf die schweißtriefenden Pferde nieder. Vergebens suchte sich der Fuhrmann mit Winden und Hebeln zu helfen.

    In dieser verzweifelten Lage rief er unter furchtbaren Flüchen den Teufel an, und siehe da, plötzlich stand ein schmucker Herr in nobler Kleidung von grüner Farbe neben ihm und bot ihm seine Hilfe an. Der Fuhrmann erschrak zwar gehörig, als er den besagten »noblen Herrn« auf einmal neben sich stehen sah, aber weil er keinen Ausweg sah, nahm er die angebotene Hilfe dann an.

    »Doch nicht umsonst«, erinnerte der unheimliche Fremde, »ich will dafür ein Stück von dir bekommen.«

    »Schon gut, schon gut«, nickte der Fuhrmann, »wenn ich hier nur endlich herauskomme.« Der unheimliche Mann im grünen Anzug murmelte sodann einige unverständliche Worte – und siehe da, kaum war das geschehen, da rollte das schwere Fuhrwerk so leicht und schnell dahin, als ginge es über eine Tenne.

    Nun forderte der Teufel vom Fuhrmann den vereinbarten Lohn. Er erwartete sich natürlich die Seele des Fuhrmannes, doch der schnitt flugs ein Stück von seinem Fingernagel ab und reichte es dem Satan hin. Als sich dieser so überlistet sah, wechselte er voll Ingrimm seine Gestalt, und ein scheußliches Ungetüm schoss mit wildem Gezische durch die blanke Felsenwand. So entstand dieses Loch oben im Felsen und wird insgemein das Teufelsloch genannt.

    Das Fräulein von Maretsch

    Kunigunde, die einzige Tochter des Ritters von Maretsch, liebte den jungen Ritter Theobald von Treuenstein. Dieser aber zog, zusammen mit anderen Rittern aus Tirol, in das Heilige Land, um dort gegen die Ungläubigen zu kämpfen. Der Aufenthalt im Heiligen Land, so war man sich schon klar, würde wohl lange dauern, aber, so wurde beim Abschied vereinbart, sobald Theobald wieder zurück sei, solle Hochzeit gefeiert werden.

    Schon waren zwei Jahre vergangen, dass der junge Treuensteiner in das Heilige Land gezogen war. Da kam ein Pilger aus Palästina in das Schloss Maretsch und erzählte vielerlei von den blutigen Kämpfen der Ritter gegen die Sarazenen. Und nach einiger Zeit kam er auch auf den Ritter Theobald zu sprechen und erzählte, dass dieser eine reiche Paschatochter geheiratet und so sein irdisches Glück gemacht habe.

    Als Kunigunde das vernahm, wurde sie blass und begann stark zu zittern. Ihre Zofen führten sie in ihr Gemach und legten sie dort auf das Bett. Sobald Kunigunde aber aus dem Zimmer war, sprang der Pilger freudig auf, drückte den Ritter von Maretsch ans Herz, warf Mantel und Kragen weg – und in blanker Rüstung stand der Ritter von Treuenstein vor ihm, der sich so vermummt und in solche Kleidung geworfen hatte, um die Treue seiner Braut zu prüfen.

    »Lasst uns nun schnell zu meiner lieben Kunigunde gehen«, sprach er zum Vater, »um den Schmerz gutzumachen, den ich ihr mit meinem ’Bericht’ bereitet habe.« Und mit pochendem Herzen eilten sie ins Zimmer Kunigundes.

    Aber dieses war leer, das Fenster offen, und als sie überrascht hinabsahen in den Schlossgraben, lag Kunigunde tot in der Tiefe. Der Schmerz über die Treulosigkeit ihres Verlobten hatte sie der Sinne beraubt, und in diesem unseligen Zustand sprang sie in den Tod.

    Der bis eben so glückliche und strahlende Bräutigam wurde mit einem Schlag aschfahl und sprach kein Wort mehr, und schon am nächsten Tag verließ er stumm seine Heimatstadt und zog wieder zurück in das Heilige Land. Niemand hat mehr etwas von ihm gehört. Der alte Maretscher aber starb bald darauf aus Gram über den Verlust seines geliebten Kindes.

    Das Wappen der Vintler

    In uralten Zeiten, als das Sarntal noch ein dunkler Wald war und Männer aus Bozen hineinzogen, um dort wilde Tiere zu jagen, trieb sich hier drinnen ein riesenhafter weißer Bär um, der alle Jäger in Schrecken versetzte. Denn sie hatten einen Bären dieser Art noch nie gesehen.

    Da fasste ein Bozner Bürger namens Vintler, der ein sehr tapferer Mann war, den Entschluss, das weiße Untier zu erlegen. Er ritt in die Waldschlucht hinein, und es gelang ihm tatsächlich, den Bären aufzuspüren und zu töten. Um seinen Mitbürgern zu beweisen, dass er wirklich den weißen Bären erlegt hatte, hieb er dem toten Tier beide Vorderpranken ab und nahm sie mit. Und weiter beschloss er auch, zum ewigen Gedächtnis an seine unerschrockene Tat, in seinem Wappen fortan zwei weiße Bärenpranken zu führen. Mit diesem Bärentatzen-Wappen siegelte er dann auch.

    Die Vintler wurden später sehr reiche Herren, sie besaßen in Bozen die ganze Wangergasse, weiter auch die Schlösser Runkel- und Rendelstein und die Gerichte Stein am Ritten und Gries. Doch wegen ihres großen Reichtums wurden sie übermütig und kamen auch mit dem Landesfürsten Friedrich in große Zwietracht. Herzog Friedrich sagte, die Vintler geben keine Ruhe, ehe sie nicht von drei schweren Krankheiten – nämlich von »Stein, Gries und Ritten« – geheilt würden, und deshalb nahm er ihnen diese Gerichte, die sie pfandweise von der Herrschaft zu Tirol innehatten, dann ab und schmälerte auch sonst ihre Besitzungen.

    Der goldene Pfennig

    Im Dominikanerkloster zu Bozen lebte einst ein frommer Prior. Eines Tages fuhr er auf einem Schiff die Etsch hinunter. Als dann der Schiffsmann durch die Reihen ging und von den Leuten seinen Lohn einforderte, kam er auch zum Prior. Der aber hatte in seinem Sack kein bisschen Geld, und so sprach er zum Schiffsmann: »Ich habe leider kein Geld, aber ich will gern Gott bitten, dass er dir die himmlische Krone gebe.« Darauf wurde der Schiffsmeister wütend, packte den Prior bei der Kappe und schrie: »Diese Krone ist so weit fort, dass ich sie gar nicht sehe. Ihr werdet also mein Schiff verlassen, und zwar jetzt gleich und schnurstracks hinab in die Etsch, es sei denn, Ihr zahlt mir doch meinen Lohn.« Der Prior hatte gar keine Lust, mit einem Fußtritt in die Etsch befördert zu werden, und rief deshalb in seiner Not Gott im Himmel um dringende Hilfe an. Und siehe da, schon nach kurzem Beten spürte der Prior unter seinem rechten Schuh etwas Hartes, und als er vorsichtig hinabblickte und den Fuß langsam wegtat, da sah er auf dem Boden des Schiffes einen goldenen Pfennig liegen, den er vorher nicht gesehen hatte. Er hob ihn auf, bezahlte damit dem kopfschüttelnden Schiffsmann seinen Lohn und konnte nun die Fahrt ganz unbedrängt fortsetzen.

    »Alter ego«

    Als ein junger Priester einmal spät abends in sein Zimmer trat, um schlafen zu gehen, da fuhr er erschrocken zurück. In seinem Bett lag nämlich schon jemand, und als er den Mann genauer anblickte, da sah er, dass ihm dieser so genau glich, als wäre er es selber. Nur waren das Gesicht und die Wangen des Mannes im Bett aschfahl und totenblass, während er selbst noch frischrot und völlig gesund war.

    Eilends rannte er aus dem Zimmer und rief einige Leute, aber als sie herbeikamen, sahen sie nichts und das Bett war leer und ganz unberührt. Der junge Geistliche war nicht abergläubisch, aber das hier Erlebte veranlasste ihn doch, zu denken, dass das wohl seinen nahen Tod bedeute. Er hatte da ohne Zweifel sein »alter ego« gesehen, sich selbst nämlich, wie er tot im Bett lag.

    Gleich am andern Tag schrieb er deshalb einem andren Priester, mit dem er sich besonders gut verstand, teilte ihm kurz das Erlebte mit und was das seiner Mutmaßung nach bedeuten könnte, und bat ihn, unverzüglich zu ihm zu kommen. Der Freund kam und suchte ihm die Todesahnung auszureden; als er aber nichts ausrichtete und seinen Freund auch nicht mit seinen üblichen guten und auch weniger guten Witzen aufzuheitern vermochte, da musste er wohl einsehen, dass diesem nicht mehr zu helfen war. Er half ihm deshalb, sein Testament zu machen, das Zeitliche zu ordnen und sich auf den Tod vorzubereiten. Drei Tage später war er eine Leiche.

    Die Pest kündigt sich an

    Am 28. Juli 1566 hat die Sonne den ganzen Tag über in Bozen rot geschienen, und als sie dann gegen sechs Uhr abends über Gries stand, ist auf einmal durch die blutrote Sonne ein grauer Strich gegangen. Alsbald darauf hat man gesehen, wie große rötliche, auch graue und schwarze Kugeln, kleinere und größere, von der Sonne herabgefallen sind, etliche flogen auch gegen Norden, osten und Süden und bildeten eine lange Zeile. Alsdann ist die Sonne feuerrot untergegangen.

    Dies sah man für ein schlimmes Vorzeichen an, und wirklich brach noch im gleichen Jahr im Land die Pest aus, im Vinschgau und an Etsch und Eisack, und kam auch im folgenden Jahr wieder.

    Der Bozner Ratsherr

    Nicht weit vom Gescheibten Turm, irgendwo im steilen Gelände des Fagenbachtales, ist eine Höhle, deren Eingang aber fast unmöglich zu finden ist. Diese Höhle zieht sich weit in den Berg hinein, und hier drinnen hatte vor alten Zeiten ein Ratsherr von Bozen sein geheimes Versteck. Dieser Mann war bei Tag und bis gegen den Abend hin ein wohlehrsamer Bürger, dann aber verwandelte er sich in einen Verbrecher. Er war ein Raubmörder, vor dem sich alles weit und breit fürchtete, den man aber nie zu fassen bekam.

    Freilich, wer ihn im Rathaus sitzen sah in seiner vornehmen Ratsherrentracht und da seine kluge und gemessene Rede vernahm, der hätte eher alles andere geglaubt als dass dieser angesehene Mann ein Räuber wäre, der von seinem Versteck aus die Wanderer überfiel und ausraubte und die ganze Gegend in Schrecken versetzte. Er war stark wie ein Riese und flinkbeinig wie ein Reh, sodass er beinahe ein Ross in vollem Lauf einholte.

    Der Räuber kam lange nicht auf; er war schlau und ist immer aus einem unterirdischen Gang, weit von der Höhle entfernt, herausgekommen, wenn er in die Stadt und zu den Ratssitzungen gehen musste. Ging er aber auf Raub und Mord aus, dann trug er falsches Haar und falschen Bart, war verkleidet und hatte das Gesicht geschwärzt.

    Aber jeder Krug geht halt, wie man weiß, nur so lange zum Brunnen, bis er bricht, und so war es auch bei diesem merkwürdigen Verbrecher. Auf einmal kamen ihm nämlich die anderen Herren vom Rat durch Zufall auf die Spur. Sie ließen sich aber nichts anmerken und tagten ein paar Tage später wieder im Rate. Während der Sitzung wurde das Haus heimlich mit reisigen Knechten [bewaffneten Männern zu Pferd] umstellt. Dann erhob sich der Bürgermeister, fasste den Räuber, der auch anwesend war, scharf ins Auge und hielt Umfrage, was für eine Strafe wohl der verdiene, der als Heuchler die ganze Stadt hinters Licht führe und in Wirklichkeit ein Räuber und Verbrecher sei.

    Er verdiene, sprach der Ratsherr, der keine Ahnung von seiner Entlarvung hatte, mit glühenden Zangen gezwickt und danach aufs Rad geflochten zu werden. Auf ein verabredetes Zeichen traten die Bewaffneten in den Saal, und der Bürgermeister zeigte auf den Raubmörder und sprach: »Du bist es selbst, es geschehe nach deinem eigenen Urteil.« Die bewaffneten Knechte stürzten sich auf ihn und wollten ihn binden. Er wehrte sich zwar mit Riesenkraft, endlich aber erlag er doch der Übermacht. Ein paar Tage nachher wurde er dann, so wie er es selbst im Rat vorgeschlagen hatte, im Talferbett zwischen Bozen und Gries, nicht weit von der Quirinuskapelle, wo das Hochgericht stand, zuerst mit glühenden Zangen gezwickt und dann gerädert.

    TERLAN UND ÖSTLICHER TSCHÖGGLBERG

    Der Terlaner Turm

    Als der kunstvolle Turm in Niederlana gebaut wurde, arbeitete ein junger Steinmetz dabei, der wegen seiner Geschicklichkeit vom Baumeister sehr geschätzt wurde. Der schöne Bursche kam oft in die Wohnung des Meisters und lernte dort seine bildschöne Tochter kennen, zu der er bald eine große Zuneigung fasste. Das Mädchen war ihm auch hold und wünschte sich keinen andern zum Mann als nur ihn.

    Ermutigt durch das Vertrauen, das ihm der Meister geschenkt hatte, bat er um die Hand der Tochter. Da aber sah ihn dieser nur stolz an und sagte: »Wenn du einmal einen solchen Turm gebaut hast, wie ich da zu Lana, kannst du um meine Tochter kommen. Einstweilen aber schlag dir solche Gedanken aus dem Kopf.«

    Den jungen Steinmetz kränkte diese Ablehnung und er sann auf Mittel, die schöne Tochter des Meisters doch noch zu bekommen. Aber nichts wollte ihm in den Sinn kommen. Dann aber hörte er, dass auch die Terlaner einen schönen, hohen Kirchturm aufführen wollten, er bewarb sich um die Bauleitung und erhielt diese auch. Er baute den Turm so kunstvoll, dass dieser sich auffallend gegen die Straße hin neigte. Da war der alte Meister endlich mit ihm zufrieden und der junge Meister konnte mit der schönen Steinmetztochter Hochzeit halten. [Der Terlaner Kirchturm wurde vor mehr als hundert Jahren wegen seiner starken Neigung abgetragen und dann, nach Errichtung eines neuen, starken Fundamentes, wieder aufgebaut, diesmal aber gerade.]

    Das heilige Öl beim Kosmaskirchlein in Siebeneich

    Unterhalb vom Kirchlein Sankt Kosmas und Damian bei Siebeneich ist ein großer Stein, der oben eine Vertiefung hat. In dieser fand sich früher wundersames Öl vor, das sehr heilsam war. Aber niemand wusste, wie dieses Öl da hineinkam. Viele Pilger, die zum einsamen Kirchlein emporstiegen und dort beteten, gingen dann auch zu dem Stein hin und nahmen ein wenig von dem Öl mit.

    Das ging so viele Jahre fort. Dann aber kam die Kapelle samt Zubehör in den Besitz eines geizigen Mannes, und dieser wollte mit dem wundersamen Öl Handel treiben. Er ließ deshalb den Stein mit einem schweren Schloss verschließen, sodass niemand dort Öl nehmen, sondern solches nur in seiner Anwesenheit kaufen konnte. Als die Pilger nun zum Stein kamen, um Öl zu holen, und der Besitzer ihnen solches nur gegen Bezahlung geben wollte, da murrten die armen Pilger, und nicht wenige wünschten ihm auch alle Übel auf den Buckel – und siehe da, da war das Öl plötzlich bis auf den letzten Tropfen vertrocknet und blieb es dann auch für immer. Wütend riss der geizige Mann das Schloss heraus und warf es weit in den Berg hinab, aber das nützte nichts, denn seither findet man in der Vertiefung auf dem sogenannten Ölknott nur noch faules Regenwasser.

    Vögel bestimmen den Bauplatz

    Nicht weit oberhalb der Kirche in Jenesien steht der Turnerhof, und dort steht auch ein alter Turm. Hier oben wollte man zuerst die Pfarrkirche von Jenesien bauen. Doch die Maurer und Zimmerleute verletzten sich ständig bei der Arbeit, und die Vögel kamen und trugen kleine Steine und Hobelspäne, die mit Blut bespritzt waren, auf den Hügel hinab, wo jetzt die Pfarrkirche steht.

    Dies war den Leuten ein Fingerzeig Gottes, dass die Kirche nicht dort oben, sondern auf dem von den Vöglein angezeigten Platz unten im Dorf gebaut werden sollte, und sie kamen dieser Mahnung nach. Der bereits angefangene Kirchturm oben auf der Höhe aber blieb stehen und wurde später der Wohnsitz eines vornehmen Geschlechtes.

    Die Falschschwörer

    Die Nobler Gemein, eine schöne Weide, war vor vielen Jahren der Zankapfel zwischen Mölten und Jenesien. Jahrelang stritten die beiden Gemeinden um den Besitz. Wenn zwei von Mölten und zwei von Jenesien zusammenkamen, da gab es bestimmt schon bald Streit wegen dieser Weide, und nicht selten kam es auch gar zum Schlagen und

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