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Drei Freunde: Roman
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Drei Freunde: Roman

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About this ebook

„Der Weg ist das Ziel“ fand Konfuzius, und das kann auch als Motto über dieser Geschichte von drei Freunden stehen. Sie waren 17, als sie Freunde wurden, und ihre Freundschaft hat ein Leben lang gehalten. Der Weg, den jeder für sich finden musste, war spannend, vor allem durch die Zeitereignisse.
Es ist die Geschichte der letzten Kriegsgeneration, der „skeptischen Generation“, wie sie Schelsky genannt hat, die hier an uns vorüberzieht. Und so wie sich die persönlichen Schicksale auf dem Hintergrund der Zeitereignisse abspielen, entsteht zugleich eine Chronik der Bundesrepublik aus persönlicher Sicht, die mehr als sechs Jahrzehnte, von 1944 bis 2011, vom Kriegsende bis zur Gegenwart, umspannt.
Drei junge Soldaten, Lutz, Hartmut und Friedemar, schließen während ihrer Ausbildung 1944 einen Freundschaftsbund. Doch schon bei ihrem Fronteinsatz trennen sich ihre Wege, aber nach dem Krieg treffen sie sich wieder. Als enttäuschte Idealisten sind sie aus dem Krieg heimgekehrt. Den „Ohne-mich“-Standpunkt lassen sie dennoch bald hinter sich. Als engagierte Demokraten erleben sie das Wirtschaftswunder und die Zeit danach, die verschiedenen Machtwechsel in der Bundesrepublik, die Wiedervereinigung und Europa.
Die drei Freunde ziehen am Ende Bilanz. Haben sie es richtig gemacht? Und wie wird die Zukunft aussehen? Auch hier gilt Odo Marquards Wort: Zukunft braucht Herkunft. Wer die Gegenwart verstehen und den rechten Weg in die Zukunft finden will, muss die Vergangenheit kennen. Die Geschichte von den drei Freunden führt sie uns vor Augen.
LanguageDeutsch
PublisherTWENTYSIX
Release dateApr 7, 2016
ISBN9783740718183
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    Book preview

    Drei Freunde - Heinrich Selber

    Inhalt

    Lutz 1944 – 1948

    Hartmut 1945 – 1951

    Lisa 1951 – 1963

    Kerstin 1961 – 1970

    Paschke 1970 – 1975

    Reisen 1976 – 1980

    Mauerfall 1980 – 1990

    Europa 1990 – 2005

    Ausklang 2005 – 2011

    I

    LUTZ

    (1944 – 1948)

    1

    Eigentlich war es eine Idylle – das Häuschen im Branitzer Park. Es stand zwischen hohen Bäumen und von der Veranda aus blickte man auf eine schattige Waldwiese. Ein richtiges hübsches Wochenend-Häuschen, dunkelgrün gestrichen, mit blitzenden Fenstern, und ganz aus Holz.

    Genau genommen aber war es eine Baracke, wenn auch in erfreulich neuem Zustand. Sie trug die Nummer 27 und war Teil des „OB-Dorfes", das aus hundert solchen Baracken bestand, die im Wald verstreut lagen und auf diese Weise gut getarnt waren.

    Die Bewohner der Baracke 27 waren zwar nicht unempfindlich für die idyllische Lage ihres Domizils, aber dennoch weit entfernt vom Wochenend-Gefühl. Die drei jungen Männer, die Haus Nr. 27 bewohnten, hatten anderes zu tun, als die Natur zu bewundern. Alle drei waren „OB’s", Offiziersbewerber, und Teilnehmer des OB-Lehrgangs, dem das Barackendorf als Unterkunft diente. Tagsüber hielt sie der strenge Dienst in Trab, und abends waren sie meist zu müde, um vor dem Zapfenstreich noch viel zu unternehmen.

    Aber an diesem milden Sommerabend im Juni 1944 war es anders. Die untergehende Sonne tauchte die Baumkronen in rötliches Licht, es war noch ungewohnt hell für die Tageszeit und irgendwie lag ein Prickeln in der Luft. Die drei waren aufgekratzt wie selten am Abend und kamen nicht zur Ruhe. Sie hockten bei offenem Fenster noch um den Tisch und redeten.

    Fast ein halbes Jahr mussten sie hier noch ausharren, bei Unterricht, Gefechtsübungen und Panzer-Exerzieren, ehe sie dann endlich zur Frontbewährung kommen und wirklich dabei sein würden. Dabei war der Krieg doch jetzt offenbar in seine entscheidende Phase getreten. Am Tag vorher war durchgesickert, dass die Landung der Alliierten in der Normandie begonnen hatte, von der man seit längerem munkelte. Aber Rommel würde die Sache schon hinkriegen und Ihnen sicher einen blutigen Empfang bereiten.

    „Vielleicht landen wir auch im Westen, wenn wir zur Frontbewährung kommen," meinte Lutz Meinburg.

    „Aber die Division steht doch an der Ostfront!" warf Paschke ein.

    „Ja, aber bekanntlich muss GD immer wieder Feuerwehr spielen und da wird man sehen, wo es am meisten brennt," meinte Harti.

    Lutz Meinburg stammte aus Bayern und nach dem Urteil ihres Ausbilders, Oberfeldwebel Schneider, würde er nie ein richtiger Soldat werden, obwohl er durch gute Leistungen glänzte, aber er sei einfach der geborene Zivilist. Anders hingegen Hartmut von Tolk, genannt Harti, dem die Zackigkeit offenbar in die Wiege gelegt worden war. Zwischen den beiden, etwas gegensätzlichen Temperamenten stand Friedemar Paschke, den alle nur Paschke riefen, den Friedemar wollten sie ihm lieber ersparen. Er war ein etwas redseliger und gemütlicher Schlesier, mit leichtem Hang zur Angabe.

    „Mir wäre der Westen jedenfalls lieber, Paschke grinste. „Denk mal, Frankreich, duftes Essen, dufte Miezen!

    „Bei dir muss alles ‚dufte’ sein, kommentierte Lutz Meinburg. „Und so was stammt aus einem Pfarrhaus!

    „Als Panzermann hast Du im Osten viel eher die Chance, etwas zu erreichen. Denk nur mal an Oberleutnant Beck von der zweiten Abteilung. Der hat im Mittelabschnitt mit seinem Zug 12 T34 hintereinander erledigt. Und das hat ihm das Ritterkreuz eingebracht!" argumentierte Harti mit glänzenden Augen.

    „Harti träumt jeden Tag vom Ritterkreuz!" spöttelte Lutz.

    „Du vielleicht nicht? Jedenfalls wenn ich erst mal draußen bin, werde ich richtig loslegen."

    „Das kann aber auch schnell ins Auge gehen."

    „Na wenn schon, wer nichts riskiert gewinnt nichts. Ich möchte jedenfalls nicht als 08/15 Offizier herumhängen", bekräftigte Hartmut von Tolk seinen Standpunkt.

    „Bei GD liegst Du da jedenfalls richtig. Wie bist Du eigentlich zu GD gekommen? So viel blaues Blut gibt es da doch gar nicht. Lutz Meinburg frotzelte sich gerne mit Hartmut von Tolk, den er anfangs für arrogant gehalten hatte, bis ihm beim näheren Umgang klar wurde, dass Harti im Grunde ein prima Kerl war. GD war die Abkürzung für die Panzergrenadierdivision „Großdeutschland, die als Elitedivision des Heeres galt und in Berlin das Wachbatallion stellte.

    „Na ja, das stimmt schon. Das, was im Kaiserreich die Garde du Corps waren, war dann später ein Potsdamer Regiment, ich glaube Nr. 9. Aber heute ist im Heer GD die Nummer Eins."

    „Ja, aber das was früher die Garde war, ist heute eigentlich die Leibstandarte," warf Paschke ein.

    „Nee, bloß das nicht! Waffen-SS kam für mich nicht in Frage. Schon wegen der Tradition nicht."

    „Eigentlich merkwürdig, meinte Lutz. „Die Waffen-SS und vor allem die Leibstandarte ist doch sicherlich bestens ausgerüstet. Aber ich habe darüber eigentlich auch nie nachgedacht. Für mich kam immer nur das Heer in Frage. Ich will aktiver Offizier werden, aber eben richtiger Offizier. Bei der Waffen-SS hat man immer das Gefühl, dass sie eigentlich eine Organisation der Partei ist.

    „Bei uns war das auch so, ergänzte Paschke. „Da hat die Waffen-SS einen richtigen Werbefeldzug veranstaltet, aber keiner wollte hin. Aus meiner Klasse haben sich ein paar schnellstens freiwillig als OB gemeldet, nur damit sie ja nicht bei der Waffen-SS landen.

    „Abgesehen davon, ich wollte zu den Panzern, nahm Harti den Faden wieder auf. „Auch deshalb kam für mich nur GD in Frage.

    „Und dann hast du einfach gesagt, ich möchte zu GD, bitteschön? Also mich hat niemand gefragt, wo ich hin will," warf Paschke ein.

    „Und wie hast Du es wirklich hingekriegt?" wollte Lutz wissen.

    „Geheime Kommandosache!"

    „Komm, gib nicht so an, da steckt doch sicher Dein alter Herr dahinter."

    Hartmut von Tolks Vater war General. Er versuchte zwar immer, das unter der Decke zu halten und es war ihm gar nicht recht, wenn er darauf angesprochen wurde. Aber seine Stubengenossen wussten es natürlich.

    „Na ja, räumte Harti ein. „Mein alter Herr kennt den Manteuffel gut. Das hat vielleicht eine Rolle gespielt.

    Der Divisionskommandeur von GD, Generalleutnant Hasso von Manteuffel, war für die OB’s eine fast legendäre Figur. Lutz hatte ihn nur einmal zufällig bei einer Inspektion gesehen, eine drahtige kleine Gestalt, die Autorität ausstrahlte und was Lutz besonders beeindruckt hatte, waren die strahlenden blauen Augen, deren Blick einem durch und durch ging.

    „Ich wollte eigentlich nicht zu den Panzern, murmelte Lutz versonnen vor sich hin. „Ich wollte zur Kavallerie, als passionierter Reiter. Aber seit der letzten Attacke, die die Polen 1939 gegen unsere Panzer geritten haben, ist das wohl endgültig vorbei. Jedenfalls bin ich dann bei den Aufklärern gelandet, und schließlich irgendwie bei den Panzern.

    „Aber wie bist du ausgerechnet zu GD gekommen?" wollte Paschke wissen.

    „Das weiß ich auch nicht genau, entgegnete Lutz. „Ich nehme an, ich habe bei der OB-Eignungsprüfung nicht schlecht abgeschnitten. Jedenfalls habe ich mit der Grätsche als Abgang vom Hochreck offenbar Eindruck geschunden.

    „Vom Hochreck zu GD, frotzelte Paschke. „Nee, nee, das war’s wohl kaum. Warst Du HJ-Führer?

    „Ja, Stammführer."

    „Siehst Du, das ist wahrscheinlich der Hintergrund, dass sie Dich zu GD gesteckt haben. Jedenfalls hat es mir mal einer so erklärt. Seit Baldur von Schirach bei GD war, landen wohl HJ-Führer vorzugsweise bei GD."

    „Also wäre das jetzt auch geklärt, beschied Harti. „Aber jetzt mal was anderes. Wie schaffen wir es, an die zwei duften Bienen heranzukommen? Ich weiß inzwischen, wie sie heißen. Die Blonde heißt Eva und die Dunkle heißt Esta. Harti berichtete, wie er Evas kleinen Bruder ausgequetscht hatte. Der Junge kam immer mal an den Zaun vom OB-Dorf, der gleich hinter Haus 27 verlief, und wollte Zigaretten gegen Schulterstücke und Rangabzeichen tauschen. So war Harti mit ihm ins Gespräch gekommen.

    Eva und Esta waren zwei hübsche Mädchen, die Harti und Lutz bei ihrem letzten Ausgang sehr beeindruckt hatten, allerdings notgedrungen nur aus der Ferne. Nun ging es darum, eine Strategie zu entwickeln, wie man einen gemeinsamen Theaterbesuch zustande bringen könnte. Darüber brüteten sie nun, bis es höchste Zeit war, Schlafen zu gehen.

    2

    Der Abend im Juni, an dem die Drei in Haus 27 sich zum ersten Mal etwas mehr über Persönliches ausgetauscht hatten, lag nun schon wieder 4 Wochen zurück. Harti und Lutz war es tatsächlich gelungen, mit Eva und Esta in Kontakt zu kommen und für die nächste Woche war ein gemeinsamer Theaterbesuch verabredet. Die beiden waren voll beschäftigt mit Plänen und Vorbereitungen. Harti hatte sogar bereits mit Vogler verhandelt, der ein Lackkoppel besaß und es ihm für den Theaterabend ausleihen sollte.

    Dann plötzlich an einem Nachmittag, es war der 20. Juli 1944 und sie waren gerade todmüde von einer Gefechtsübung am Schwarzen Berg zurückgekehrt, hieß es, es sei eine Ausgangssperre verhängt worden. Kurze Zeit später, sie waren eben zurück auf den Stuben und wollten sich waschen, wurde Alarm gegeben. Und dann kamen auch schon die Pfiffe und der Spieß brüllte „Heraustreten und „In 10 Minuten steht der ganze Haufen feldmarschmäßig angetreten!

    Das war wohl wieder so eine verrückte Überraschungsübung, dachte Lutz Meinburg, und schloss sich der Schlange vor der Materialausgabe an. Er war als Ladeschütze eingeteilt und nahm die MG-Gurte in Empfang. Er merkte sofort, dass es nicht die üblichen Platzpatronen waren, sondern dass es scharfe Munition war, die man ihm da in die Hand drückte. Da wurde ihm doch etwas mulmig.

    Die wenigen Panzer IV, die ihnen zur Ausbildung dienten, waren inzwischen gefechtsbereit gemacht und aufgetankt worden. Und dann setzte sich die Kolonne auch schon in Marsch, aber keiner wusste genau wohin. Es ging nach Norden, Richtung Berlin.

    Nach zwei Stunden gab es einen kurzen Halt, Zeit genug, um die verrücktesten Gerüchte auszutauschen. Es hieß, irgendwo seien feindliche Fallschirmjäger gelandet. Andere wieder wollten genau wissen, dass ein Aufstand von Fremdarbeitern im Gang sei. Roland Mahlke, der Funker im Panzer des Kompaniechefs, wollte gehört haben, das Ziel sei Königswusterhausen. Den Namen kannte jeder aus dem Radio, dort stand der stärkste deutsche Sender, der Deutschlandsender. Aber warum sollten sie dorthin? Der Sender war doch sicher gut bewacht, soweit man wusste, von Waffen-SS.

    Die Kolonne setzte sich wieder in Marsch und fuhr in die Dämmerung hinein. Dann kam plötzlich ein Kradmelder angeflitzt und die Kolonne wurde gestoppt. Keiner wusste genau was vorging, aber man hatte das dunkle Gefühl, dass irgendetwas Unheimliches im Gang war und die Nerven der jungen Soldaten waren zum Zerreißen gespannt. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen, die Besatzungen verließen ihre Panzer und lagerten sich am Straßenrand und warteten, übermüdet und angespannt. Dann kam plötzlich der Befehl zur Umkehr und gegen Mitternacht landete die Abteilung wieder im OB-Dorf.

    Im Gemeinschaftsraum gab es ein Radio und die meisten gingen noch dorthin. Und dann kam tatsächlich plötzlich die Meldung, dass in Kürze der Führer spricht. Aus dem Radio hörten sie Hitlers Stimme: „ Eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer, dummer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen und zugleich mit mir den Stab praktisch der deutschen Wehrmachtsführung auszurotten. Sein Überleben fasse er als ein Zeichen der Vorsehung auf, sein Lebensziel weiter zu verfolgen. Der ganz kleine Klüngel verbrecherischer Elemente aber werde unbarmherzig ausgerottet. „Diesmal wird nun so abgerechnet, wie wir das als Nationalsozialisten gewohnt sind. Mit diesen Worten schloss der Führer seine Ansprache.

    Im Gemeinschaftsraum war es still, keiner sagte etwas, keiner wusste was er sagen sollte. Das musste erst verdaut werden. Einer nach dem anderen gingen sie still in ihre Häuser. Sie waren ohnehin zum Umfallen müde.

    Im Haus 27 wurde am nächsten Abend die Lage besprochen. Paschke wusste natürlich wieder am besten Bescheid. „Das mit dem Königswusterhausen stimmt. Wir hätten dort den Sender besetzen und die SS festsetzen sollen, berichtete er. „Und in Berlin hat der Major Remer vom Wachbataillon GD die Lage gerettet und die Verschwörer festgesetzt.

    „Aber das passt doch nicht zusammen, meinte Lutz. „Einmal soll GD den Sender besetzen und die SS kaltstellen, und dann wieder hat das Wachbataillon GD den Putsch vereitelt.

    „Ich weiß auch nicht, was man davon halten soll, meinte Paschke. „Man weiß nichts Genaues, jeder erzählt etwas anderes. Und wer diese Irrsinnigen waren, weiß man auch nicht genau.

    „Aber es ist wirklich wie ein Zeichen der Vorsehung, dass dem Führer nichts passiert ist, sagte Lutz Meinburg mit Ernst und Überzeugung. „Gar nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn der Führer tot wäre.

    „Wahrscheinlich hätte es erst einmal ein Gemetzel zwischen SS und Wehrmacht gegeben, vermutete Harti im Ton des kühlen Strategen. „Aber ich zweifle, ob die Wehrmacht den Putschisten gefolgt wäre. Wahrscheinlich hätte sie sie in der Luft zerrissen.

    „Wenn Hitler tot wäre, wäre es jedenfalls mit dem Endsieg auch vorbei. Keine Chance mehr," meinte Paschke.

    „Es soll ja Leute geben, die am Endsieg zweifeln, auch wenn Hitler lebt, murmelte Hartmut von Tolk vor sich hin. „Vielleicht ist der Gröfaz gar nicht der geniale Feldherr, für den wir ihn halten.

    „Aber solches Gerede geht doch völlig daneben, fuhr Lutz Meinburg auf. „Es bleibt uns doch gar nichts anderes übrig, als mit aller Macht zu kämpfen, damit vor allem die Sowjets nicht weiter vordringen und Deutschland zum Kriegsschauplatz wird.

    „Ist es doch schon längst, warf Paschke dazwischen, „denk nur an die Bombenangriffe."

    „Jedenfalls, fuhr Lutz fort, „haben wir noch eine echte Chance. Immer wieder wird von einer Geheimwaffe geredet, aber vor allem, der Führer hat noch immer einen Ausweg aus schwierigen Situationen gefunden. Und man kann sich einfach nicht vorstellen, dass diese ungeheuren Anstrengungen alle umsonst gewesen sein sollten. Nachdem Großdeutschland endlich zustande gekommen ist, muss es auch bestehen bleiben. Und außerdem haben wir alle einen Fahneneid geschworen.

    Keiner wollte mehr weiter diskutieren und so legten sie sich schlafen. Am nächsten Tag hatte sie dann der Dienst schon wieder fest im Griff. Sie zählten die Tage bis zum Lehrgangsende, dann käme der ersehnte Einsatz-Urlaub und anschließend der Fronteinsatz.

    3

    Dass die rätselhaften Ereignisse vom 20. Juli bald wieder verdrängt wurden, lag nicht nur am harten Dienst, der die jungen Soldaten im OB-Dorf wieder voll im Griff hatte. Im Haus 27 war inzwischen die Episode mit Eva und Esta in den Vordergrund gerückt. Der lang geplante Theaterbesuch hatte endlich stattgefunden und nun, am Tag darauf, saßen die Drei am Abend noch beisammen und ließen die Ereignisse Revue passieren.

    Paschke, der nicht mit dabei gewesen war, wollte alles ganz genau wissen, er hatte schließlich auch ein Anrecht darauf, denn er hatte die Theaterkarten besorgt. Das war gar nicht so einfach, dazu brauchte man gute Beziehungen. Aber Paschke hatte sie, irgendwie war seine Familie mit der Familie des Intendanten bekannt.

    „Habt Ihr gute Plätze gehabt?", wollte Paschke wissen.

    „Ja, einwandfrei, so ziemlich in der Mitte".

    „Und alle nebeneinander?"

    „Nein, immer nur zwei. Harti saß mit Eva ein paar Reihen weiter hinten", gab Lutz Auskunft.

    „Und wie war’s? Lasst Euch doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!", schimpfte Paschke.

    „Also diese Esta ist ein feines Mädchen, berichtete Lutz. „Sehr dezent und gescheit, hat sehr vernünftige Ansichten.

    „Und die Blonde?", wollte Paschke von Harti wissen.

    „Ein sonniges Gemüt, wirklich, scheint immer fröhlich zu sein."

    „Und nach der Vorstellung, seid Ihr noch eingekehrt?", bohrte Paschke weiter.

    „Nein, wir haben die beiden zu Fuß nachhause gebracht. Es war doch ein so schöner Abend, ein richtiger schöner Sommerabend!"

    „Aha, Gelegenheit zum Nahkampf", grinste Paschke.

    „Du mit deiner verdorbenen Phantasie, protestierte Lutz. „Das sind doch keine Nutten. Das sind zwei sehr dezente Mädchen!

    „Na ja, einen Kuss hast Du deiner Esta doch wenigstens verpassen können?"

    „Wo denkst Du hin, das ist nicht so einfach, das braucht seine Zeit, man muss doch erst ein bisschen warm werden miteinander."

    „Und Du, wandte sich Paschke an Harti, „bist Du wenigstens weiter gekommen?

    „Ach was, Lutz hat völlig recht, da ist Geduld und Taktgefühl gefragt."

    „Aber so viel Zeit habt Ihr doch gar nicht mehr", meinte Paschke.

    „Es muss doch nicht immer gleich so wild zugehen, wie du es dir in deiner Phantasie ausmalst. Es war einfach schön, mit den Mädchen zusammen zu sein. Und hoffentlich schaffen wir das noch ein paar Mal, bevor wir hier weg müssen", argumentierte Lutz. Aber im Stillen dachte er, einen Kuss sollte man nächstes Mal schon zustande bringen.

    4

    Und dann kam der Abend im November, von dem sie wussten, dass es der letzte war, jedenfalls ihr letzter gemeinsamer Abend im Haus 27. Fast 6 Monate lang hatten sie nun zusammen gehaust und trotz der Unterschiede in Herkunft, Temperament und Landsmannschaft fühlten sie sich inzwischen so zusammengehörig, als wären sie gemeinsam aufgewachsen. Dabei hatte sie der reine Zufall hier zusammengewürfelt.

    Lutz Meinburg, der als „Stubenältester eingesetzt worden war, konnte unabhängig davon sicher sein, dass ihm seine Kameraden Respekt und Vertrauen entgegenbrachten. Er war tatsächlich ein Typ, den man zurecht als „Vertrauen erweckend bezeichnen konnte. Besonnen aber nicht tranig, kräftig und zäh aber nicht besonders sportlich, sympathisch aber nicht ausgesprochen schön.

    Ein „schöner Mann war dann schon eher Hartmut von Tolk, der Lutz um einen halben Kopf überragte, blond mit blauen Augen, straffe Gestalt, „Bauch rein - Brust raus hatte noch nie ein Ausbilder zu ihm sagen müssen. Harti, wie sie ihn nannten, war selbstbewusst und wirkte arrogant, wenn man ihn nicht näher kannte. Für Lutz war Harti der typische Preuße. In Berlin geboren, Vater Offizier, aufgewachsen in einem Internat, einem berühmten natürlich. Und dann eben „von Adel", was Lutz beeindruckte, wenn er es sich auch nicht eingestehen wollte.

    Lutz Meinburg hingegen stammte aus einer „gut bürgerlichen", bayerischen Familie. Sein Vater war das älteste von 8 Kindern einer kleinbäuerlichen Familie gewesen und musste nach der Volksschule eine Lehrstelle antreten, um möglichst rasch Geld zu verdienen. Als kaufmännischer Angestellter arbeitete er sich über die Jahre hin bis zum Fabrikdirektor hoch. Vater Meinburg war bildungsbeflissen und Lutz hatte den Bildungshunger geerbt. Die Büchermengen, die er während seiner Schulzeit vor dem Einrücken verschlungen hatte, waren beachtlich.

    Trotz aller Unterschiede hatten sich Harti und Lutz von Anfang an gut verstanden. Inzwischen waren sie wirkliche Freunde geworden, ohne dass man es ausgesprochen hätte.

    Friedemar Paschke, der dritte Stubengenosse, wirkte neben den beiden eher anspruchslos. Er war etwas untersetzt und von eher rundlicher Gestalt, sein „Vollmondgesicht, wie es Harti nannte, wirkte sympathisch, nur dass er so viel „babbelte, ging seinen Kameraden manchmal etwas auf die Nerven. Aber offenbar hatten die Schlesier das so an sich. So anspruchslos, wie es schien, war Friedemar aber keineswegs. Schließlich stammte er aus einem Pfarrhaus mit entsprechendem Bildungshintergrund und moralischen Grundsätzen. Seine Kameraden wussten, dass er pfiffig und gescheit war und ein enormes Gedächtnis hatte. Sie schätzten ihn durchaus.

    Die Stimmung an diesem Abschiedsabend war etwas gedrückt. Sie wollten das zwar nicht wahrhaben und gaben sich betont munter, aber in die Freude, dass sie den Lehrgang gut überstanden hatten, mischte sich natürlich die Ungewissheit über die Zukunft. Vor kurzem waren sie zu Fahnenjunker-Unteroffizieren befördert worden und kamen sich ziemlich wichtig vor. Wenn sie dann aber einem alten Obergefreiten begegneten, der sie grüßen musste, kamen sie sich eher komisch vor. Schließlich waren sie gerade mal 18 Jahre alt und der Gedanke, dass der alte Landser vielleicht Familienvater war, machte sie eher verlegen.

    „Glaubt Ihr nicht, dass wir zur gleichen Einheit kommen?", fragte Paschke.

    „Das vielleicht schon, meinte Lutz. „Aber auf jeden Fall kommt jeder zu einer anderen Panzerbesatzung.

    „Und außerdem sind im Einsatz die Einheiten weit auseinander gezogen", ergänzte Harti.

    „Ganz abgesehen davon, was sonst noch passieren kann. Lutz dachte im Stillen, dass sie ja auch verwundet werden konnten, oder den „Heldentod für Führer und Vaterland sterben könnten, wie es so schön hieß. Die anderen dachten es auch, aber keiner sprach es aus. Lutz dachte daran, mit welcher Ungeduld er den Fronteinsatz herbeigewünscht hatte, aber jetzt, wo es so weit war, kam bei dem Gedanken doch auch immer ein mulmiges Gefühl auf. So etwas wie Angst, aber das wollte er sich nicht eingestehen.

    „Jedenfalls geht’s jetzt erst einmal in den Urlaub!", rief er aus und verscheuchte die düsteren Gedanken.

    „Da hast du Recht, pflichtete Paschke bei, „und ich hab mir auch schon einiges vorgenommen. Wer weiß, ob es nicht das letzte Mal vor dem Endsieg ist, dass wir zuhause sein können.

    „Jedenfalls sollten wir uns nicht aus den Augen verlieren. Ich geb Dir mal meine Heimatadresse." Lutz schob Harti einen Zettel über den Tisch.

    „Bei mir ist das schon schwieriger, meinte Harti. Bei meinem alten Herrn wechselt immer wieder einmal die Adresse.

    „Aber ein Pfarrhaus steht immer am selben Ort! rief Paschke dazwischen und warf sich in die Brust. „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte! deklamierte er mit Pathos.

    „’Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn, so nehmet auch mich zum Genossen an’ Es geht doch nichts über eine klassische Bildung, dein Pfarrhaus steht wohl in der Schillerstraße", mokierte sich Lutz.

    „Könnt Ihr’s nicht auch billiger machen? ‚Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste was es gibt auf der Welt!’" trällerte Harti und versuchte Heinz Rühmann nachzumachen.

    „Wie schon Aristoteles über die Freundschaft…", meldete sich Paschke wieder zu Wort.

    „Lass es gut sein, beschied ihn Lutz. „Hiermit wäre also der Freundschafts-Dreierbund konstituiert.

    Aber zu großen Flachsereien waren sie an diesem Abend nicht mehr aufgelegt. Sie saßen noch eine Weile beieinander, so langsam machte sich auch schon das Reisefieber bemerkbar. Morgen in aller Frühe ging es in den Urlaub.

    5

    Der Zug, der am 12. Dezember 1944 nach Osten rollte, war vollgestopft mit Soldaten der verschiedensten Wehrmachtsteile. Lutz Meinburg, Hartmut von Tolk und Friedemar Paschke hatten es geschafft, zusammen in das gleiche Abteil zu kommen. Nun saßen sie, eingezwängt zwischen Matrosen und Flaksoldaten, und dösten vor sich hin. Die Landschaft, die am Fenster vorbeizog, war eintönig und eher grau als weiß. Immerhin war schon alles schneebedeckt. Es hieß, es gäbe einen harten Winter in diesem Jahr.

    Lutz Meinburg war in Gedanken noch einmal im Heimaturlaub, der nun hinter ihnen lag. Für seine Mutter war der Abschied schwer gewesen. Sie ging noch immer am Stock, nachdem sie sich im Frühjahr das Bein gebrochen hatte. Sein Vater war im Frühjahr gestorben und sein älterer Bruder, der im Südabschnitt der Ostfront stand, hatte seit 8 Wochen nichts mehr von sich hören lassen. Und nun ging auch er an die Front. Seine Mutter war sehr niedergeschlagen und konnte beim Abschied die Tränen nicht zurückhalten.

    Aber nicht alles war so traurig wie der Abschied gewesen, in diesen 14 Urlaubstagen. Von den alten Schulkameraden waren zwar die meisten eingerückt, ein paar Jüngere waren aber immerhin noch da, ebenso wie die Mädchen. Bei ihnen konnte man mit der schicken schwarzen Uniform der Panzersoldaten und natürlich mit den silbernen Unteroffiziers-Litzen und dem Ärmelstreifen „Großdeutschland" Eindruck schinden. Die Tage vergingen viel zu schnell.

    Lutz verbrachte die meiste Zeit zuhause bei seinen Büchern, er wollte seine Mutter nicht allein lassen. Außerdem widmete er sich seiner „romantischen Ader, wie er es nannte. Er schrieb seine Gedichte ins Reine und ordnete sie. Dass er heimlich Verse schmiedete, durfte natürlich niemand wissen. Aber jetzt hatte er Zeit, alles noch einmal kritisch durchzusehen. Manches kam ihm im Ton etwas hoch gegriffen vor. Aber seine Vorbilder, Hölderlin zum Beispiel, hatten auch nicht mit Pathos gespart. Vielleicht konnte er später einen kleinen Gedichtband herausgeben, so wie Schirachs’s „Lied der Getreuen.

    Lutz hatte schon eine ganz schöne Sammlung beisammen. Da gab es ein Gedicht „an die ferne Geliebte ( „Wenn in stillen Stunden / mich die Einsamkeit beschleicht, / und des Tages Hastgetriebe/ stillem Frieden weicht, / denk ich Dein! ), Es gab ein „Panzerlied ( „Deutsche Panzermänner fürchten / nicht Gefahr und nicht den Tod. / Frischer Mut und kühnes Wagen / zwingt am Ende jede Not! ), es gab eine Hymne „Der Sieg („ Wenn je die Göttin des Sieges mit Lorbeer / dem tapfersten Kämpfer die Stirne umwand, / wenn je das Schicksal, Gerechtigkeit übend, / Recht, Treue, Glauben und Ehre belohnt, / wenn je die Geschichte die eigenen B ahnen / in der Zeiten Wandel sinnvoll verfolgt, / dann muss, o mein Deutschland, der Sieg Dir gehören! ), und noch einiges mehr. Sicher würde ihm später auch noch einiges einfallen.

    Im Übrigen trieb ihn ein Problem um, das er unbedingt noch lösen wollte. Wer weiß, wie es ihm erging, wenn er jetzt an die Front kam, ob er mit heilen Knochen davon kam, oder ob er vielleicht gar ins Gras beißen würde? Dann wäre das Leben vorbei, ohne dass er die Liebe richtig kennen gelernt hätte. Verliebt war er schon oft gewesen. Und der erste Kuss, den er damals bei seiner Tanzstundendame gewagt hatte, war auch eine wunderbare Sache gewesen. Aber das waren alles gewissermaßen nur Vorspiele. Das richtige „faire l’amour" hatte er noch nicht geschafft. Die Chancen, dass ihm das in diesen kurzen Tagen gelingen würde, waren gering.

    In Gedanken war er alle Möglichkeiten durchgegangen, und schließlich bei seiner Klavierlehrerin gelandet. Margarete Müller-Brandini war zwar mindestens doppelt so alt wie Lutz, aber sie war eine attraktive Frau und außerdem eine Künstlerin, unkonventionell, temperamentvoll mit einem Hauch des Südländischen, wie man schon am italienischen Teil ihres Namen erkennen konnte. Woher der Name Brandini stammte, wusste Lutz nicht. Die Dame lebte allein im Erdgeschoß eines alten Bürgerhauses. Das Klavier-Üben war für Lutz zwar immer eine Quälerei gewesen, aber die Klavierstunden waren umso interessanter. Da war der große Wohnraum, in dem der Flügel stand, der dunkelrote Perserteppich auf dem Parkettboden und die Sitzecke mit den vornehmen Sesseln und dem Ledersofa.

    Lutz konnte sich an alles genau erinnern und beschloss, Frau Müller-Brandini einen Besuch abzustatten. So ganz wohl war ihm dabei nicht. Als er vor ihrer Tür stand und auf die Klingel drückte, hatte er doch etwas Herzklopfen. Aber dann war alles ganz einfach. Frau Müller-Brandini öffnete selbst und stutzte. „Aber das ist doch der Lutz Meinburg!, rief sie dann aus. „Ein richtiger strammer Soldat! Komm herein!

    Aus dem Salon klangen Klaviertöne, die sich nach einer Cerny-Etüde anhörten. „Aber ich störe doch sicher, ich wollte Ihnen nur noch einmal Guten Tag sagen, bevor ich wieder weg muss", sagte Lutz.

    „Das ist lieb von dir, du musst mir erzählen, wie es Dir ergangen ist. Nur, jetzt habe ich gerade Unterricht. Komm doch noch einmal vorbei!"

    „Aber gerne, wenn ich darf. Aber ich will ihnen keine Umstände machen."

    „Wie lang bist Du denn noch hier?"

    „Der halbe Urlaub ist schon vorbei, nur noch acht Tage."

    „Na, du musst einmal kommen, wenn ich keinen Unterricht habe - am besten gegen Abend. wann hast Du denn Zeit?"

    „Ich kann mich ganz nach Ihnen richten."

    „Also dann sagen wir, wie wäre es morgen Abend?"

    „Gerne. Wann ist es Ihnen recht?"

    „Sagen wir, so gegen sieben. Geht das?"

    „Jawoll! Lutz, in heller Begeisterung, schlug gewohnheitsmäßig die Hacken zusammen und hätte beinahe „Heil Hitler! gebrüllt, schluckte es aber noch rechtzeitig hinunter. „Bis morgen. Auf Wiedersehen!"

    Am nächsten Tag konnte Lutz es kaum erwarten, bis es Abend war und er wieder vor Frau Müllers Tür stand. Die Fenster waren nach Vorschrift verdunkelt, aber am Rand war doch ein schmaler Lichtsaum zu sehen. Also musste sie da sein. Er suchte in der Dunkelheit nach dem Klingelknopf und drückte zaghaft. Innen ging eine Tür und dann öffnete sich auch schon die Wohnungstür. Margarete, wie er sie im Stillen bei sich nannte, trug ein langes rotes Kleid, das bis an die Knöchel reichte, ein „Hauskleid", wie man es damals nannte. Ihr Haar war nicht so streng zurückgekämmt wie sonst, sondern fiel auf die Schultern. Sie komplimentierte Lutz in den Salon. In der Sitzecke verströmte eine Stehlampe gedämpftes Licht und Lutz versank in einem der vornehmen Sessel.

    „Magst Du einen Cognac?, fragte Frau Müller. „Ich habe noch einen Rest für besondere Gelegenheiten.

    „Gern, entgegnete Lutz. „Und es ehrt mich, dass ich eine besondere Gelegenheit bin. Lutz war froh, dass er einen lockeren Ton gefunden hatte, aber er stand immer noch unter Spannung.

    „Nun erzähl’ mal!" sagte Frau Müller und setzte sich ihm gegenüber.

    Lutz berichtete von der Ausbildung, von der Garnisonsstadt und vom OB-Dorf. Schließlich ging ihm der Stoff aus und es entstand eine Pause.

    „Und jetzt ziehst Du in den Krieg. Schon schlimm, was sie mit euch Jungen alles machen. Wie fühlst Du Dich?"

    „Na ja, einesteils…..", sagte Lutz, und stockte.

    „Und andererseits? - Was bedrückt dich denn?"

    „Na ja, man weiß ja nicht, ob man wiederkommt."

    „Ja, das ist furchtbar."

    „Aber das muss wohl so sein. Nur, fuhr Lutz fort, „wenn es einen wirklich erwischt, dann war das Leben doch ziemlich kurz. Und das Wichtigste hat man versäumt.

    „Das Wichtigste?"

    „Na ja, die Liebe zum Beispiel"

    Margarete sah ihm lange in die Augen dann nahm sie ihre Brille ab, beugte sich vor und strich ihm über die Haare. „Armer Bub", murmelte sie.

    Lutz ergriff ihre Hand und drückte einen Kuss darauf. Er spürte, dass sie seine Wünsche verstanden hatte.

    „Nebenan ist auch noch ein Zimmer", sagte Margarete, fasste ihn bei der Hand und zog ihn hoch.

    Diesen Satz und diesen Augenblick sah Lutz Meinburg noch genau vor sich, er würde ihn nie vergessen. So hatte er doch noch die Liebe kennen gelernt.

    Lutz fuhr hoch aus seiner Träumerei, als der Zug langsamer wurde und schließlich die Bremsen kreischten. Alles rappelte sich auf, es entstand ein ungeheures Durcheinander, bis jeder seine Klamotten beisammen hatte und alle zum Ausgang drängten. Auf dem Bahnsteig war es bitter kalt und sie waren ziemlich durchgefroren, bis sie sich schließlich zur Frontleitstelle durchgefragt hatten.

    6

    Der Befehlsstand der III. schweren Tiger-Abteilung des Panzerregiments GD war in einem großen Schlossgut untergebracht. In der Schreibstube wurden sie vom Spieß empfangen.

    „Aha, die Herren Fahnenjunker! Na, wir werden schon noch Soldaten aus euch machen!", begrüßte er sie verheißungsvoll.

    Was der Herr Hauptfeldwebel darunter verstand, sollten sie bald merken. Für ihn und die altgedienten Unteroffiziere waren die „jungen Hupfer eine willkommene Beute, um sich die Langeweile zu vertreiben. Manchen von ihnen sah man die Lust am Schikanieren richtig an. Harti regte sich darüber auf, aber Lutz beschwichtigte ihn: „Wart nur, wenn wir erst wirklich im Einsatz sind, dann ist das bald vergessen. Ich kann die alten Kommissköpfe ja eigentlich sogar verstehen. In einem halben Jahr, wenn wir von der Kriegsschule kommen und Leutnant sind, müssen sie vor uns stramm stehen. Das wissen sie genau und darüber ärgern sie sich jetzt schon.

    Aber abgesehen von solchen kleinen Ärgernissen waren die drei Fahnenjunker voll Eifer dabei. Sie waren auf verschiedene Panzerbesatzungen aufgeteilt worden und wurden nun in ihre Funktionen eingewiesen. Da hieß es üben,

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