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Suizid Blues
Suizid Blues
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Ebook70 pages55 minutes

Suizid Blues

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About this ebook

Am Abgrund des Todes steht jeder irgendwann. Die einen stürzen hinab, die anderen nicht, nur um dann zu einem späteren Zeitpunkt zu fallen. Und manche machen diesen Schritt sogar freiwillig. Einige in der absurden Hoffnung auf ein besseres Leben.
Doch es gibt mehr als den physischen Tod.
Mehr als einen zerstörten Körper. Organe, die aufgehört haben zu arbeiten. Blut, das verklumpt und Fleisch, das verrottet.
Manch andere Tode erstrecken sich über ein ganzes Leben. Sie sind langsamer, quälender – schrecklicher!
Ohne Ausweg.
Ohne Gnade.
Ohne Hoffnung.
Einige davon zeigen sich in den Geschichten des vorliegenden Bandes …
LanguageDeutsch
PublisherAmrûn Verlag
Release dateApr 8, 2016
ISBN9783958692299
Suizid Blues

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    Suizid Blues - Markus Kastenholz

    SUIZID BLUES

    MARKUS KASTENHOLZ

    Inhaltsverzeichnis

    Die Farbe des Krieges

    Das Gleichgewicht der Welt

    Suizid Blues

    © 2016 Amrûn Verlag

    Jürgen Eglseer, Traunstein

    Umschlaggestaltung: Christian Günther

    Alle Rechte vorbehalten

    ISBN – 978-3-95869-228-2

    Besuchen Sie unsere Webseite:

    http://amrun-verlag.de

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar

    die farbe des krieges

    Selbst heute, nach so vielen Jahren, erinnere ich mich noch an jene Ereignisse im September 1938, als seien sie erst gestern geschehen. Angesichts dessen, was der Welt bevorstand, erscheinen sie aus jetziger Sicht wie eine Lappalie, eine unbedeutende Fußnote der Geschichte. Dennoch … für uns, die Beteiligten, waren sie substanziell. Und nicht nur für uns.

    Wäre unsere Odyssee durch den Böhmerwald anders verlaufen … wer weiß...? Möglicherweise, nur möglicherweise hätten die Gräuel der kommenden Jahre verhindert werden können. Zwar sträubt sich in mir alles bei dieser Vorstellung, dennoch … ich will es nicht völlig ausschließen.

    Böhmen und Mähren, das sogenannte ‚Sudetenland‘, war nach dem Ende des 1. Weltkriegs von der k.u.k.-Donau­monarchie unter tschechische Herrschaft gekommen. Eine Entscheidung, die am runden Tisch gefallen war, die deutsche Bevölkerung, die dort lebte, war nicht gefragt worden. Und Österreich als Verlierernation hatte ohnehin schlechte Karten, auf ihren Gebietsansprüchen zu pochen. Verlierer hatten es so an sich, dass die Sieger sie nicht nach deren Einverständnis fragten.

    Es war kein rosiges Schicksal, das den etwa dreieinhalb Millionen Sudetendeutschen blühte, deren Vorfahren im 12. und 13. Jahrhundert dort angesiedelt worden waren. Man blieb am liebsten unter sich; Mischehen waren selten. 1918 lebten in diesem Gebiet gerade einmal achtzigtausend Tschechen. Eine weitere Viertelmillion wurde aus den Grenzgebieten von Ungarn und Polen dort angesiedelt. Sie übernahmen sämtliche öffentliche Posten. Und es wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass es sich um Familien mit vielen Kindern handelte, damit es sich auch lohnte, in der Schule Tschechisch zu unterrichten.

    Dies war der furchtbar-fruchtbare Boden, auf dem Nationalismus gedieh. Unter den Sudetendeutschen gab es 1938 vermutlich kaum jemanden, der kein glühender Verehrer von Konrad Henlein war, dem Vorsitzenden und Gründer der Sudetendeutschen Partei. 1933 entstanden, hatte sie sich immerzu nah an Hitlers Thesen gehalten. Nebenbei bemerkt: Viele Menschen hier besaßen lebensgroße Bilder des ‚Führers‘ und hatten sie in ihren Häusern hängen. Im edlen Holzrahmen mit einer Glasscheibe davor, sofern man es sich leisten konnte. Für viele war dieses Bild ihr ganzer Stolz, für viele waren Hitler und Henlein die einzige Hoffnung, nicht länger von der tschechischen Vorherrschaft bevormundet zu werden – und die meisten zerschlugen es noch in den Stunden der Kristallnacht oder verbrannten es hinterm Haus.

    »Wir hätten doch versuchen sollen, über die Grenze zu kommen«, knurrte Peter Wetzel und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sein Haar war völlig durchnässt, sein untersetzter Körper schien für körperliche Anstrengungen nicht geschaffen zu sein. Er war Pferdehändler und stammte aus der Gegend aus der Gegend um Eger.

    »Bist du narrisch?«, herrschte ihn mein Vater an.

    Als Bürgermeister der kleinen Gemeinde Godrusch des Bezirks Pfraumberg, keine 20 Kilometer von der Grenze zum Reich entfernt, hatte er vorgestern, als wir aufgebrochen waren, wie selbstverständlich die Führung übernommen. Wohin wir genau sollten – vermutlich wusste er es selbst nicht. Sicher war nur eines: Der Einmarsch der Wehrmacht ins Sudetenland stand unmittelbar bevor.

    Im Gegenzug hatten die Tschechen alle wehrfähigen Männer einberufen. Mobilmachung. Auch die Deutschen traf es, die doch nichts mehr herbeisehnten, als nicht länger unterdrückt zu werden. Daraufhin waren Zehntausende, wahrscheinlich gar Hunderttausende Männer der deutschen Bevölkerung untergetaucht. Was ihnen, was uns bevorstand, wenn wir von der tschechischen Militärpolizei aufgegriffen wurden … besser, wir zerbrachen uns nicht den Kopf darüber. Wir vermochten es uns ohnehin nicht vorzustellen.

    »An der Grenze«, fuhr mein Vater fort, die zu Fäuste geballten Hände in die Hüften gestemmt, »wimmelt es vor Militär. Da kannst du dir gleich die Pistole in den Mund schieben und abdrücken, Wetzel.«

    »Aber wie lange wollen wir noch ständig davonlaufen?«

    »Solange es eben noch dauert«, eilte Rudolf Heller meinem Vater zur Seite. Früher war er Dorfpolizist gewesen: bevor man ihn entlassen und den Posten mit einem Tschechen besetzt hatte. »Wenn Sie nicht mögen, müssen Sie ja nicht mit uns kommen …«

    Abwehrend hob Wetzel beide Hände. Er war sich darüber im Klaren, alleine hatte er in den Wäldern nicht den Hauch einer Chance. Denn im Gegensatz zu uns Godruschern verfügte er nicht nur über keinerlei Ortskenntniss, er hatte auch keine Familie, die ihn regelmäßig mit Nahrung und Kleidung versorgte. Er lebte von uns, und viele befürchteten sogar, es handele sich bei ihm um einen Spion.

    »Verzeihen Sie bitte«, wurde er kleinlaut, »es war nur

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