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Western Sammelband U.S. Marshal Bill Logan Band 1-8
Western Sammelband U.S. Marshal Bill Logan Band 1-8
Western Sammelband U.S. Marshal Bill Logan Band 1-8
Ebook896 pages12 hours

Western Sammelband U.S. Marshal Bill Logan Band 1-8

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Sammelband U.S. Marshal Bill Logan #1-8: 1000 Seiten Spannung

von Pete Hackett

U.S. Marshal Bill Logan – die neue Western-Romanserie von Bestseller-Autor Pete Hackett! Abgeschlossene Romane aus einer erbarmungslosen Zeit über einen einsamen Kämpfer für das Recht.

INHALT:

Band 1 Die Spur führt zum Red River

Band 2 Der Rächer vom Canadian River

Band 3 Unschuldig und geächtet

Band 4 Die Todesfalle von Puente

Band 5 Die Lyncher vom Washita River

Band 6 Verdammt in Perico

Band 7 Zur Hölle mit dem Blechstern

Band 8 Kämpfen für Kelly

Cover: Steve Mayer

Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

LanguageDeutsch
Release dateJul 10, 2019
ISBN9781533731470
Western Sammelband U.S. Marshal Bill Logan Band 1-8

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    Western Sammelband U.S. Marshal Bill Logan Band 1-8 - Pete Hackett

    Sammelband U.S. Marshal Bill Logan #1-8

    von Pete Hackett

    U.S. Marshal Bill Logan – die neue Western-Romanserie von Bestseller-Autor Pete Hackett! Abgeschlossene Romane aus einer erbarmungslosen Zeit über einen einsamen Kämpfer für das Recht.

    INHALT:

    Band 1  Die Spur führt zum Red River

    Band 2  Der Rächer vom Canadian River

    Band 3  Unschuldig und geächtet

    Band 4  Die Todesfalle von Puente

    Band 5  Die Lyncher vom Washita River

    Band 6  Verdammt in Perico

    Band 7  Zur Hölle mit dem Blechstern

    Band 8  Kämpfen für Kelly

    Cover: Steve Mayer

    Über den Autor

    Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

    Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie Texas-Marshal und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung.

    Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie Der Kopfgeldjäger. Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

    ––––––––

    Ein CassiopeiaPress E-Book

    © by Author

    © 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    www.AlfredBekker.de

    Band 1

    Die Spur führt zum Red River

    Ich verhielt auf einem Hügelkamm. Vor meinem Blick lag eine Ortschaft. Von hier oben aus konnte ich die breite Main Street einsehen. Zwei Reiter trieben ihre Pferde wild hin und her und feuerten mit ihren Colts mal hierhin, mal dorthin. Die Mündungsfeuer verschmolzen mit dem grellen Sonnenlicht. Ein dritter Reiter, der drei Sattelpferde hielt, schoss ebenfalls, aber er bannte sein Pferd auf der Stelle.

    Schlagartig begriff ich. Da unten fand ein hold up statt. Mit ihren blindwütigen Schüssen wollten die Banditen die Bewohner in ihren Behausungen festnageln. Einem jähen Impuls folgend jagte ich im gestreckten Galopp die Hügelflanke hinunter. Ich führte die Zügel mit der Linken. Mit der Rechten zog ich das Gewehr aus dem Scabbard...

    Drei Kerle verließen jetzt ein ziemlich ausladendes Gebäude. Es war die Bank dieser Stadt. Einer der Hombres bewegte sich rückwärtsgehend und feuerte Schuss um Schuss in Richtung Tür. Der zweite trug ein Satteltaschenpaar am Verbindungsriemen. Er lief zu einem der ledigen Sattelpferde, das sein Kumpan hielt, warf die Satteltaschen über den Widerrist des Braunen und zog sich in den Sattel. Der dritte schoss ebenfalls blindlings um sich und erreichte sein Pferd.

    Ich stob zwischen die ersten Häuser. Die Banditen vernahmen das Hufgetrappel und wandten sich mir zu. Nur einer von ihnen war noch nicht im Sattel. Ich zerrte mein Pferd zurück und nahm es halb um die linke Hand. Als die Schüsse krachten, waren wir schon in einer Passage zwischen zwei Häusern in Sicherheit. Noch ehe das Tier stand, sprang ich ab. Ich repetierte und rannte zurück zur Straße. Jetzt saß auch der letzte der Banditen auf seinem Vierbeiner. Ich zielte von der Gebäudeecke aus auf einen der Kerle.

    Er starrte zu mir her.

    Ich sah sein Gesicht. Seine Augen lagen im Schatten der Stetsonkrempe. Den unteren Teil, also Nase, Mund und Kinn, konnte ich klar erkennen. Unter dem breitrandigen Hut mit dem Band aus Klapperschlangenhaut lugten blonde Haare hervor.

    Es traf mich wie ein eisiger Guss. Der Mann hatte frappierende Ähnlichkeit mit - mir.

    Im nächsten Moment aber wurde ich abgelenkt. Ihre Colts stimmten ein höllisches Crescendo an. Heißes Blei sengte heran und harkte in die hölzerne Wand des Hauses, an dessen Giebelseite ich Schutz gesucht hatte. Späne flogen. Es klirrte und knirschte. Ich hatte den Kopf zurückgezogen.

    Ebenso plötzlich, wie sie auf mich das Feuer eröffneten, stellten sie es wieder ein. Sie zerrten an den Zügeln. Raues Geschrei, mit dem sie ihre Pferde anfeuerten, erklang.

    Ich zuckte hinter meiner Deckung hervor, zielte kurz und drückte ab. Einer der Kerle warf beide Arme in die Höhe. Sein Eisen flog in hohem Bogen davon. Sein Oberkörper pendelte nach hinten. Als das Tier unter ihm ansprang, verlor er den Halt. Er stürzte aus dem Sattel. Staub wallte unter seinem aufschlagenden Körper auseinander. Im Pulk seiner Kumpane schleifte ihn sein Pferd noch ein Stück mit, denn sein Fuß war im Steigbügel hängen geblieben.

    Das Tier hielt nach einigen Yards an. Die anderen Banditen donnerten in wilder Karriere weiter. Weiter unten rannten zwei Männer mit Gewehren aus einer Gasse in die Main Street. An der Weste des einen funkelte ein Stern. Wieder spuckten die Banditencolts Feuer, Rauch und Blei. Die beiden mutigen Hombres fielen und lagen regungslos auf der Straße.

    Der prasselnde Hufschlag entfernte sich mit Windeseile. Die Banditen passierten die letzten Häuser der Town und stoben zwischen die Hügel. Das Hufgetrappel verklang...

    *

    Die Main Street füllte sich schnell mit Menschen.

    Ich führte Blacky - so nannte ich mein Pferd -, am Zügel und ging zu dem Banditen hin, den meine Kugel aus dem Sattel gerissen hatte. Er lag auf dem Rücken. Die Winchester lag in meiner Armbeuge. Den Kolben hatte ich unter die Achsel geklemmt. In meiner Nähe brüllte jemand mit kippender Stimme: Wo bleibt der Doc, verdammt? Der Sheriff lebt noch...

    Ich schaute auf den Outlaw hinunter. In seinen unterlaufenen Augen wütete der Schmerz, aber da war auch die Angst. Seine rechte Brustseite war voll Blut.

    Schnell bildete sich um uns ein Kreis von Menschen. Männer und Frauen, Junge und Alte. Drohendes Geraune erhob sich. Die Augen des verwundeten Banditen flackerten. Jemand hinter mir sagte mit belegter Stimme: Heiliger Rauch, Bannister ist tot. Die Schufte haben ihn kaltblütig niedergeknallt. Man sollte diesem Hundesohn dafür den Hals lang ziehen.

    Ich spürte den Anprall einer unguten, vielleicht sogar bösen Strömung. Solche Äußerungen waren oft wie ein Funke, der in ein Fass voll Pulver fällt.

    Ein Keuchton, den ihm das Grauen abnötigte, entrang sich dem Banditen.

    Ich drehte den Kopf und sagte über die Schulter: Ich nehme an, Bannister ist der Mann, der zusammen mit dem Sheriff auf die Straße lief. Als er starb, saß dieser Mann schon nicht mehr im Sattel. Er hat nicht geschossen. Es gibt also zunächst keinen Grund, ihn aufzuknüpfen.

    Der Bursche, der vom Lynchen gesprochen hatte, starrte mich fast feindselig an. Vielleicht hatte ich einen Ton zu scharf gesprochen.

    Ich wandte mich wieder dem Banditen zu und kniete bei ihm ab. Seine Augen glänzten fiebrig. Sein Gesicht hatte sich verkrampft. Schweiß perlte auf seiner Stirn und rann über seine Wangen. Der Tod griff bereits mit kalter, gebieterischer Hand nach ihm.

    Sag mir die Namen deiner Kumpane, Amigo, forderte ich eindringlich.

    Hast - du mich vom Pferd geschossen?, röchelte er.

    Ich nickte. Viel konnte ich nicht für ihn empfinden. Er wusste, worauf er sich einließ, als er den Pfad der Gesetzlosigkeit beschritt. Dennoch spürte ich Trockenheit in meiner Mundhöhle. Es löste weder Triumph noch Genugtuung in mir aus, ihn niedergeschossen zu haben.

    Dann - dann - geh zum Teufel, keuchte er. Seine Brust hob und senkte sich unter schweren, pfeifenden Atemzügen.

    Ich kniff die Lippen zusammen. Bei dieser Sorte reichte der Hass bis über den Tod hinaus. Wie heißt der Mann mit dem Hutband aus Schlangenleder, hakte ich unbeirrt nach. Sag es mir. Heißt er Robin?

    Seine rotgeränderten Lider flatterten. Seine Lippen zuckten. Sein Körper bäumte sich auf. Ein Blutfaden sickerte aus seinem Mundwinkel. Woher - weißt - du - seinen Namen? Die Stimme des Banditen kam nur noch schwach und zerrinnend wie ein Windhauch. Speichel vermischte sich mit dem Blut. Kennst - du – Robin? - Wer bist...

    Sein Kopf fiel zur Seite. Seine Augen brachen. Die Gestalt erschlaffte.

    Ich richtete mich auf. Meine Gedanken wirbelten. Es gelang mir nicht, eine klare Linie in mein Denken zu zwingen. Ein Jungengesicht schälte sich aus den Nebeln der Vergangenheit. Robins Gesicht. Hass prägte seine Züge.

    Du kannst ja aufgeben, Bruder!, hatte Robin damals hervorgestoßen. Ich werde Big Jim Howard nachweisen, dass er den Ruin der Logan-Ranch und den Tod unseres Vaters auf dem Gewissen hat. Wir stehen vor dem Nichts, Bill, wir sind arm wie Kirchenmäuse, wir sind Bettler. Aber ich werde mir holen, was man uns genommen hat.

    Robin war am nächsten Morgen verschwunden gewesen. Er war vierzehn...

    Das war 13 Jahre her.

    Seitdem habe ich nie wieder etwas von ihm gehört oder gesehen.

    Eine grausig kalte Hand aus längst vergangenen Zeiten griff nach mir und hielt mich fest. Die Erinnerung drohte mich zu erdrücken.

    Der verworrene Lärm, der in der Main Street wogte und den die Gebäude zu beiden Seiten der Main Street festzuhalten schienen, erreichte lediglich den Rand meines Bewusstseins. Mein Blick schien sich in weiter Ferne zu verlieren. Geschäftige Hektik machte sich breit. Ein Mann sprach mich an:

    Heh, Stranger, wir bilden ein Aufgebot, um den Banditen zu folgen. Sie haben über 10000 Dollar in der Bank erbeutet. Aber was noch viel schlimmer ist - sie haben einen Mann ermordet und den Sheriff schlimm verwundet. Haben Sie Lust, mitzukommen?

    Nein, erwiderte ich geistesabwesend. Dann noch einmal: Nein...

    Sollte ich meinen kleinen Bruder jagen wie einen tollwütigen Hund? Das konnte keiner von mir verlangen.

    Der Mann schaute mich mit einer Mischung aus Betroffenheit, Unglauben und Grimm an. Wortlos wollte er sich abwenden. Ich hielt ihn an der Schulter zurück. Wie heißt diese Town?.

    Alpine. Er riss sich los und stapfte davon. Er war böse auf mich, weil ich sie nicht führte. Der Sheriff war übel verwundet. Jetzt fehlte den Burschen, die sich auf die Fährte der Bande heften wollten, der Leitwolf. Wahrscheinlich hatte der Mann erwartet, dass ich diese Rolle übernahm.

    Nun, er wusste ja nicht, wie es in mir aussah.

    Ich schwenkte meinen Blick die Fahrbahn hinauf und hinunter. Einige Männer und Frauen starrten mich an. Ich glaubte einen stummen Vorwurf in ihren Blicken zu erkennen. Wo waren sie alle, als vor der Bank die Colts krachten?, fragte ich mich bitter. Nur ein einziger Mann hatte genug Herz, um sich an der Seite des Sheriffs den Banditen in den Weg zu stellen. Lausige Town!

    So etwas wie Verachtung kroch in mir in die Höhe.

    Ich stieß das Gewehr in den Sattelschuh und führte Blacky quer über die Straße zu einem Saloon. Lose warf ich die Leine über den Haltebalken. Steifbeinig stieg ich die vier Stufen zum Vorbau empor. Ich stieß die Batwings der Tür auf. Sie knarrten in den Scharnieren.

    Im Schankraum war kein Mensch. Auch der Keeper war auf die Straße gelaufen, auf der sich inzwischen alles, was in Alpine zwei Beine hatte, zusammenrottete.

    Ich kehrte um, fragte einen Halbwüchsigen nach dem Mietstall, und führte wenig später mein Pferd in die bezeichnete Richtung.

    Ich hatte Robin gefunden! Wie ein Blitz fuhr es mir ins Gemüt. Es war kein böser Traum. Der Zufall hatte Schicksal gespielt, als er mich nach Alpine lenkte.

    Mir erschien es dennoch wie ein Alptraum. Robin ritt mit einer Horde Outlaws, mit einem Rudel Gesetzloser. Er war Bandit geworden. Das Begreifen war für mich von schmerzhafter Schärfe, die Erkenntnis legte sich tonnenschwer auf mich.

    Stickige Luft, vermischt mit dem Geruch von Stroh und Pferdeschweiß, empfing mich im Mietstall. Fliegen summten. Ich sah mich um. In den Ecken woben verstaubte Spinnennetze. Das rückwärtige Tor stand offen. Grelles Sonnenlicht fiel herein. Winzige Staubpartikel tanzten in der schrägen Bahn.

    Es war der Ausgang zum Corral. Einige Pferde tummelten sich zwischen der Einzäunung. Ich beschloss, Blacky in eine der Boxen zu stellen. Vom Stallmann war nichts zu sehen. Er hatte sich mit dem Rest der Stadt vor der Bank auf der Main Street zusammengerottet.

    Während ich Blacky absattelte, ihm das Zaumzeug abnahm, einen Eimer voll Hafer vor ihn hinstellte und Heu in die Futterraufe stopfte, kreisten meine Gedanken unablässig um Robin. Ich fragte mich, wie tief er schon im Sumpf der Gesetzlosigkeit stecken mochte. Gehörte er schon zu den Verlorenen dieses Landes, auf die nur noch eine Kugel oder der Strick warteten?

    Ich war innerlich total zerrissen. Enttäuschung, Verbitterung, Zorn und eine ganze Reihe von Gefühlsregungen mehr wühlten mein Innerstes auf.

    Als ich einen Eimer voll Wasser vom Brunnen im Hof holte, kam der Stallbursche. Es war ein bärtiger Oldtimer, der mich verkniffen anschaute. Er ging neben mir her, als ich den Eimer in den Stall schleppte. Wasser schwappte über die Ränder. Blacky hatte sich schon über den goldenen Hafer hergemacht.

    Der Oldtimer legte den Kopf schief und gab gedehnt zu verstehen: Einige Leute haben die letzten Worte des Halunken aufgeschnappt, ehe er zur Hölle fuhr. Jetzt zerbricht sich die halbe Stadt den Kopf darüber, was es wohl mit diesem Robin auf sich hat, den du zu kennen scheinst, Stranger. Reitest du auf seiner Fährte, weil du eine blutige Rechnung mit ihm zu begleichen hast, oder ist er ein Freund von dir?

    Ich stellte den Eimer voll Wasser in der Box ab. Weder - noch, versetzte ich, und es war nicht die Unwahrheit. Ihm mehr zu erzählen hatte ich nicht im Sinn. Er schien es von meiner Miene abzulesen, denn er gab sich damit zufrieden.

    Soll ich dein Pferd abreiben, Stranger, fragte er achselzuckend. An euch beiden, so scheint es mir, klebt der Staub vieler, vieler Meilen.

    Ich nickte, nahm mein Gewehr und die Satteltaschen und warf sie mir über die Schulter. Ich wollte mich abwenden. Die Stimme des Oldtimers hielt mich zurück.

    Heh, Stranger, hast du einen Namen?, fragte er.

    Nenn mich Logan.

    Ich stakste aus dem Stall.

    Ja, an mir klebte der Staub vieler, vieler Meilen. Ich kam von Mariscal herauf, einer kleinen Stadt in der Big Bend, nur einen Steinwurf von Mexiko entfernt. Plan- und ziellos war ich nach Norden gezogen. Es war wohl tatsächlich eine Fügung des Schicksals, die mich ins Brewster County, Westtexas, verschlagen hatte. Seit Jahren ritt ich einen ruhelosen, oftmals rauchigen Trail. Mit Jobs, in denen ich mal das Lasso, mal den Revolver schwang, schlug ich mich durchs Leben.

    Es schien keinen Platz zu geben auf der Welt, an dem ich mich niederlassen und sesshaft werden konnte. Rastlos zog ich kreuz und quer durchs Land auf der Suche nach Robin, meinem jüngeren Bruder. Der Verstand hämmerte mir ein, aufzugeben. Mein Herz jedoch wollte es nicht akzeptieren. Also trieb es mich immer wieder über die Hügel, trieb es mich von einem Ort zum anderen.

    Ich gab nicht auf.

    Doch Robin blieb verschollen...

    Bis heute. Ich sah ihn kurz. Er verschwand mit einer Horde Banditen. Er war mir sozusagen davongeflattert wie ein Vogel. Doch ich wusste jetzt, dass meine ruhelose Suche in den vergangenen 13 Jahren nicht vergeblich gewesen war. Es befreite mich wie von einer inneren, drückenden Last.

    Als ich auf die Main Street zurückkehrte, sah ich etwa ein Dutzend Reiter in stiebendem Galopp die Stadt verlassen. Es war das Aufgebot. Ich zweifelte am Erfolg der Männer. Insgeheim hoffte ich sogar, dass ihnen der Erfolg verwehrt blieb. Falls ihnen die Bankräuber und Mörder in die Hände fielen, durften sie kaum Verständnis, Entgegenkommen oder Gnade und Barmherzigkeit erwarten. Mit den Banditen aber ritt Robin. Ich hatte ihn nicht 13 Jahre lang gesucht, um ihn am Ende von einem Strick abzuschneiden.

    Jetzt war der Saloon fast voll. Tabakrauch zog unter der Decke dahin. Ein Durcheinander von Stimmen empfing mich. An der Theke drängten sich die Männer. Und weil sie sich dort drängten, waren noch einige Tische frei. Der Lärm versickerte nach und nach, als ich zwischen den Tischreihen hindurchschritt. Ich wurde angestarrt, eingeschätzt, erforscht.

    Am Tresen machte man mir respektvoll Platz. Ich spürte es ganz deutlich: Man begegnete mir mit Zurückhaltung, Misstrauen und Vorsicht. Mir haftete der Geruch von Pulverdampf an. Ich trug den schweren, langläufigen Remington tief am rechten Oberschenkel. Vielleicht hatte ich sonst noch einige Merkmale an mir, die mich in den Augen der Männer zum Revolvermann abstempelten.

    Ich war keiner von ihnen. Sie sahen in mir einen einsamen Wolf, einen ruhelosen Satteltramp, der von seiner Schnelligkeit und Treffsicherheit mit dem Sechsschüsser lebte.

    Sie hatten gar nicht so Unrecht. Eigentlich war ich ein streunender Hund, ein Einzelgängerwolf, einer, der sich selbst ausgeschlossen hatte.

    Ich habe Hunger, wandte ich mich noch immer staubheiser vom Ritt durch die Wildnis an den Keeper. Bringen Sie mir außerdem ein Glas Bier zu dem Tisch dort. Ich wies mit dem Kinn in eine bestimmte Richtung.

    Der Keeper nickte. Ich schwang herum, steuerte den Tisch an, setzte mich und legte die Satteltaschen neben mir auf den Boden. Sie beinhalteten alles, was ich an Habseligkeiten besaß. Die Winchester lehnte ich an den Tisch.

    Die Männer verloren das Interesse an mir. Die Gespräche wurden wieder aufgenommen. Ich begann aufs Neue zu grübeln. Der Keeper brachte das Bier. Ich trank durstig. Dann kam das Essen. Steak und Bratkartoffeln, dazu Bohnen. Heißhungrig schlang ich alles in mich hinein.

    Als der Keeper abräumte, sagte er: Es war die Baxter-Gang, Mister, die den hold up ausführte. Einige Männer der Stadt haben Tom Baxter erkannt. Er macht seit längerer Zeit mit seinen Strolchen Westtexas unsicher. Auf seinen Kopf sind 1000 Dollar ausgesetzt. Tot oder lebendig.

    Ein dreister Hombre, erwiderte ich. Sind die Mitglieder seiner Bande auch bekannt?

    Nur zwei von ihnen. Mel Stratton und Duncan McGuire.

    Der Keeper trug den leeren Teller davon, auf den ich das Besteck gelegt hatte.

    Robin ist also nicht bekannt, sinnierte ich. Vielleicht gehört er noch nicht lange zu dem hart gesottenen Verein und er ist noch zu retten.

    Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass es dem so war. Der Gedanke, dass es so sein könnte, nährte meine Hoffnung und stärkte meine Zuversicht.

    *

    Am Morgen, als die Frühnebel wallten und die Dunkelheit noch zwischen den Gebäuden von Alpine nistete, ritt ich auf der Fährte des Aufgebots. Die Reiter hatten eine Spur wie eine Büffelherde gezogen.

    Einsamkeit umgab mich wieder. Es war kühl. Die Natur erwachte zum Leben. Dann schob sich die Sonne über den zerklüfteten Horizont im Osten und das erste Licht, das das Land überflutete, verlieh den Dingen seine Farben.

    13 Jahre Suche nach Robin hatten mich geprägt. Es waren 13 Jahre der absoluten Ungewissheit, was sein Schicksal anbetraf. Es war, als jagte ich einem Phantom hinterher. Die Lektionen, die mir in all den Jahren erteilt worden waren, hatten mich geformt, hatten mich hart und kompromisslos werden lassen. Ich hatte keine Freunde. Die Zeit, die ich es an einem Ort aushielt, war viel zu kurz, um Freundschaften zu schließen. Eigentlich war ich mir 13 Jahre lang immer nur selbst der Nächste.

    Gestern hatte ich Robin gesehen. Er war kein Phantom mehr, er war leibhaftig. Und das verlieh meiner Suche nach ihm wieder einen Sinn.

    Die Sonne wanderte höher, die Hitze nahm zu. Die Fährte war nicht zu übersehen. In rauchiger Ferne konnte ich die Konturen himmelstürmender Felsbastionen ausmachen. Grauer Dunst hüllte sie ein. Die Wildnis, durch die mich Blacky trug, war absolut menschenfeindlich.

    Die heißesten Stunden des Tages verbrachte ich an einer Quelle, die in einer breiten Schlucht aus dem Felsen sprudelte, nach wenigen Schritten aber schon wieder im Sand versickerte. Die Felswand bot Schatten. Blacky nagte die Triebe einiger Sträucher ab, die hier wuchsen. Ich kaute auf einem Stück Pemmican herum und ergänzte die karge Mahlzeit mit einer Kante trockenen, harten Brotes.

    Ich war – weiß Gott – genügsam geworden in all den Jahren.

    Schließlich war ich wieder auf dem Trail. Gegen Abend des folgenden Tages kam mir eine Reiterschar entgegen. Zuerst war es nur aufgewirbelter Staub in der Ferne, der sie ankündigte. Ich wartete zwischen den Felsen. Ich ahnte zwar, dass das Aufgebot aus Alpine in die Stadt zurückkehrte, es konnte aber auch ein Rudel weniger harmloser Zeitgenossen sein. Ich wollte keinen Ärger.

    Ich konnte den Hufschlag vernehmen. Von einem Hügel aus, aus dessen Kuppe sich eine Gruppe von Felsen erhob, sah ich die Reiter schließlich. Ja, es waren die Männer aus Alpine. Müde zogen ihre Pferde die Hufe über den Boden. Die Tiere gingen mit hängenden Köpfen.

    Als ich mich auf meinem Pferd aus der Gruppe Felsen löste, wurde ich nicht bemerkt. Erst als ich schon die Hälfte des Abhanges zurückgelegt hatte, nahm mich einer wahr. Er machte mit heiser krächzender Stimme die anderen auf mich aufmerksam.

    Die Meute hielt an. Aus müden, geröteten Augen starrten mir die Männer entgegen. Staub und Schweiß verklebte die Gesichter und das Fell der Pferde. Die Reiter wirkten hohlwangig und erschöpft.

    Ich ritt vor sie hin und legte beide Hände auf das Sattelhorn. Herausfordernd schaute ich in die Runde. Einer krächzte: Sie haben uns abgehängt. Die Hundesöhne haben uns zwei Tage lang hinter sich hergelockt, dann haben sie sich getrennt. Die Fährten der einzelnen Banditen verloren sich in den Bergen. Sie haben uns ausgetrickst.

    Insgeheim atmete ich auf. Ich war mir nicht mehr sicher, für wen es schlimmer geworden wäre, wenn das Aufgebot die Bande eingeholt hätte. Diese Hombres vor mir hätten sicher ganz schön Federn gelassen. Es waren biedere Bürger, keiner von ihnen war kampferprobt. Jedem dieser Burschen fehlte es an der nötigen Erfahrung. Trotzdem achtete und respektierte ich sie. Immerhin waren sie zwei Tage lang der Bande gefolgt, hatten tausend Strapazen auf sich genommen, und am Ende hätten sie sicherlich auch gekämpft.

    Reitet nach Hause zu euren Familien und dankt eurem Herrgott, dass die Bankräuber nicht irgendwo in der Wildnis auf euch gelauert haben, sagte ich. Kerle wie diesem Tom Baxter ist nichts heilig. Ein Menschenleben ist ihm gerade den Preis für eine Unze Blei wert. Aber seid versichert: Irgendwann wird auch ihm das Gesetz eine tödliche Rechnung präsentieren. Kerle wie er bleiben früher oder später immer auf der Strecke.

    Bis dahin können diese Kerle aber eine Menge Schaden anrichten, wandte ein grauhaariger Mann ein, der einen besonnenen und ruhigen Eindruck vermittelte. Er hob die Schultern, ließ sie wieder sinken. Ist es Zufall, Stranger, dass Sie auf unserer Spur reiten? Oder folgen Sie auf unserer Fährte den Banditen? 

    Ausweichend antwortete ich: Ihr habt die Fährte verloren, weil sich die Schufte getrennt haben. Die Spur der einzelnen Banditen verliert sich. Einer Spur, die es nicht gibt, kann auch ich nicht folgen.

    In meinem Innern war ich allerdings davon überzeugt, dass die Banditen bald wieder zueinander fanden. Und da sie in den vergangenen zwei Tagen schnurgerade nach Norden gezogen waren, würde der Ort ihres Zusammentreffens eine Stadt an der Nordroute sein. Nur eine Town bot Sicherheit, dass keiner den vereinbarten Treffpunkt verpasste.

    Dieser Tom Baxter war ein Profi. Das war mir zwischenzeitlich klar geworden. Dass Robin mit ihm ritt, verriet viel über dessen Klasse. Ein Tom Baxter nahm sicher keine Männer in seinen Verein auf, die zweite Garnitur waren.

    Wie heißt die nächste Stadt in nördlicher Richtung?, fragte ich daher.

    Seminole, erhielt ich zur Antwort. Dann setzte sich der Pulk wieder in Bewegung. Bald verschwand er zwischen den Felsen. Aufgewirbelter Staub senkte sich auf die Erde zurück.

    Ich trieb Blacky an...

    Zwei Tage danach erreichte ich die Ansammlung von Häusern und Hütten, der man den Namen Seminole gegeben hatte. Schon als ich mich zwischen den ersten Häusern befand, hatte ich das Gefühl, dass diese kleine Town den Atem anhielt, dass die Atmosphäre hier drohend und unheilvoll war. Es streifte mich wie ein böser Hauch.

    Die Straße war ausgestorben, abgesehen von ein paar Hunden, die in den Schatten lagen und dösten. Hinter den verstaubten Fensterscheiben jedoch sah ich die hellen Kleckse von Gesichtern. Ich wurde beobachtet. Wenn ich hinschaute, verschwanden die hellen Flecke. Als fühlten sich die Leute ertappt.

    Die bedrückenden Impulse, die durch den Ort strömten, berührten mich fast körperlich.

    Ich lenkte mein Pferd zum Mietstall. Im Wagen- und Abstellhof saß ich ab und führte Blacky am Kopfgeschirr. Das Stalltor hing etwas schief in den Angeln und stand halb offen. Drin stampften Pferde in den Boxen. Ich führte Blacky hinein. Das Licht, das durch das Tor fiel, endete nach etwa vier Schritten. Dahinter begann Düsternis. Durch die Ritzen in den Bretterwänden fielen Lichtstreifen. Die schmalen Bahnen reichten jedoch nicht bis zum Mittelgang.

    Muffiger, abgestandener Geruch stieg mir in die Nase.

    Hallo, Stall!, rief ich.

    Irgendwo im Hintergrund vernahm ich ein Geräusch. Die Tür eines Verschlages ging auf, eine schmächtige Gestalt schob sich durch den Spalt. Ich bin hier, rief der Bursche. Aus dem Klang seiner Stimme schloss ich, dass er noch sehr jung war.

    Komm her, forderte ich ihn auf.

    Er näherte sich mir zögernd. Dabei ließ er mich nicht aus den Augen. Er fixierte mich von Kopf bis Fuß, unterzog mich einer eingehenden Prüfung.

    Der Bursche war tatsächlich noch keine 20. Der Bart auf seinem Kinn und seinen Wangen war wenig dicht und flaumig. Sein Blick war der eines Straßenköters, der nicht wusste, ob ich ihn treten oder streicheln würde.

    Der Junge war verängstigt, eingeschüchtert und verunsichert.

    Ich reichte ihm die Zügel. Reib das Tier gut ab, mahnte ich. Dann gib ihm Hafer. Was kostet es, wenn ich das Pferd zwei Tage in deiner Obhut belasse?

    Pro Tag einen halben Dollar, erklärte er, nachdem er sich den Hals frei geräuspert hatte.

    Ich griff in die Tasche und warf ihm einen Dollar zu, den er geschickt auffing. Ich wollte mit dieser Geste klarstellen, dass ich keiner von der Sorte war, die sich einfach nahm, was sie brauchte. Auf diese Art wollte ich Vertrauen schaffen.

    Der Boy sah mich auch sofort mit ganz anderen Augen an.

    Sind in den vergangenen 24 Stunden in dieser Town nach und nach einige falkenäugige Hombres eingetrudelt?, erkundigte ich mich. Insgesamt fünf an der Zahl?

    Die Freundlichkeit, mit der der Junge mich für kurze Zeit gemustert hatte, machte wieder dem Misstrauen und der Verunsicherung Platz. Ja, nickte er, die fünf Hombres sind hier. Gehören Sie zu Ihnen, Mister?

    Ich ging auf seine Frage nicht ein. Wie heißt du?

    Jedidiah. Jeder aber nennt mich nur Jed.

    Mein Name ist Logan. Während ich sprach, rückte ich meinen Revolvergurt zurecht, drückte den Revolverknauf etwas nach außen, dann zog ich die Winchester aus dem Scabbard. Wo finde ich das Quintett?

    Im Saloon. Es sind fünf Coltschwinger, Mister – äh, Logan. Die ganze Stadt duckt sich vor ihnen. Sie benehmen sich, als hätten sie die Town erobert.

    Er spürte jetzt wohl, dass ich nicht zu ihnen gehörte. Und darum wollte er mich warnen.

    Ich weiß, knurrte ich. Es sind fünf Höllenhunde. Also, versorg den Rappen gut, Amigo. Ich überlasse ihn dir zu treuen Händen.

    Ich nickte dem Boy zu, dann stakste ich aus dem Stall.

    Ich war von einer kalten Entschlossenheit erfüllt - der kalten, unumstößlichen Entschlossenheit, Robin wieder auf den rechten Weg zurückzuführen.

    *

    Ich stapfte am Fahrbahnrand entlang. Mechanisch setzte ich einen Fuß vor den anderen. Der Saloon war etwa 60 Yards vom Mietstall entfernt errichtet worden, und zwar in Richtung des nördlichen Ortsendes. Da ich von Süden heraufgekommen war, hatte ich ihn nicht passiert.

    Ich war angespannt bis in die letzte Faser meines Körpers. Nur noch wenige Minuten, und ich würde Robin gegenübertreten. Ich wusste nicht, wie er nach all den Jahren zu mir stand. Ich hatte keine Ahnung, ob er in all diesen Jahren überhaupt einen einzigen Gedanken an mich, seinen älteren Bruder, verschwendet hatte.

    Hölle, ich durfte nicht zu viel erwarten.

    Wieder wurde ich beobachtet. Die Leute drückten sich an den Fensterscheiben die Nasen platt.

    Ich stieg auf den Vorbau des Inn. Er hatte keinen Namen. Auf der großen Holztafel auf dem Vorbaudach stand nur 'Saloon'. Das Dröhnen meiner Schritte auf den Bohlen kam mir überlaut vor. Das Gewehr trug ich in der linken Hand. Ich zögerte nicht. Mit meinem Körper drückte ich die Tür auf. Quietschend schwangen die Batwings hinter mir aus.

    Die fünf lehnten nebeneinander an der Theke. Zwischen ihren engen Lidschlitzen glitzerte es unheilvoll. Im Mundwinkel eines der Kerle klemmte eine Zigarette. Der Rauch kräuselte vor seinem Gesicht in die Höhe. Ihre Hände hingen locker neben den tiefgeschnallten Colts.

    Ihre lässige Haltung konnte nicht über die erwartungsvolle, angespannte Atmosphäre hinwegtäuschen, die mit meinem Eintreten entstanden war. Sie belauerten mich wie Wölfe.

    Der Keeper schob sich hinter dem Schanktisch langsam von ihnen weg. Am Ende des Tresens hielt er an, bereit, abzutauchen, sobald die Kugeln flogen.

    Ich schaute Robin an. Er war es. Daran bestand für mich kein Zweifel. Er war so groß wie ich, über sechs Fuß also. Aus dem Jungen von damals war ein reifer Mann geworden. Sein Gesicht war schmal, kantig und sonnengebräunt. Sein Mund war schmal, seine Nase gerade. Das eckige Kinn verriet, dass in ihm viel Energie, Entschlusskraft und Durchsetzungsvermögen steckten. Seine schmalen Hüften verrieten den Reiter. 

    Robin sah mir sehr ähnlich.

    In seinen blauen Augen blitzte es auf. Es mutete an wie ein Signal. Dann blickte er mich verstört an, und schließlich entrang es sich ihm fassungslos: Ich glaub es nicht. Gott verdamm mich! Bist du es wirklich. Bist du es, Bill?

    Er stieß sich vom Tresen ab und starrte mich ungläubig an. In seinem Gesicht arbeitete es. Es schien seinen Verstand zu übersteigen.

    Yeah, Robin, ich bin es – dein Bruder. Ich ging langsam, mit kurzen, abgezirkelten Schritten auf ihn zu. Die anderen vier Kerle beachtete ich nicht. Diese vier hatte ich mit einem Blick eingeschätzt, als ich den Schankraum betrat.

    Es waren verwegene, stahlharte Hombres mit tagealten Bartstoppeln in den scharflinigen Gesichtern, zusammengesetzt aus Mitleidlosigkeit, Brutalität und Skrupellosigkeit und allem, was unmenschlich und grausam macht.

    Die Überraschung versiegelte Robins Lippen. Mein Auftauchen musste ihn wie ein Schlag getroffen haben.

    Ich fuhr fort: Ich habe dich in Alpine gesehen, als du vor der Bank die Gäule deiner Kumpane hieltest, Bruder. Du hast dich also einer Mannschaft Gesetzloser angeschlossen. 13 Jahre habe ich gehofft, dich eines Tages zu finden. Jetzt stehst du vor mir. Und ich sehe nur einen lausigen Banditen.

    Jetzt fand mein Bruder seine Stimme wieder. Sie klang belegt, als er sprach. Freudlos sagte er: Ja, Bruder, ich bin ein Bandit geworden. Ich bin ein Geächteter. Und du bist nicht schuldlos daran. Hättest du damals nicht gekniffen, wären wir zusammengeblieben. Wir beide hätten herausgefunden, dass Big Jim Howard Dads Herde überfallen ließ und sie in alle Winde zerstreute. Wir hätten ihn zur Rechenschaft gezogen und Schadenersatz gefordert. So aber...

    Bitter verstummte Robin.

    Er maß mich kalt. Er hatte zu seiner alten Form zurückgefunden. Von ihm ging keine Gemütsregung aus.

    Mein Herz pochte hart gegen die Rippen. Mein Hals war sekundenlang wie zugeschnürt. Ich hatte es mir immer ausgemalt, wie es sein würde, sollten Robin und ich uns jemals wieder treffen. Enttäuschung wollte sich breit machen. Da war nichts von brüderlicher Herzlichkeit, von Ergriffenheit oder von Glückseligkeit.

    Wir standen uns wie zwei Fremde gegenüber.

    Ich überwand mich. Du warst 14 Jahre, Robin, ich war 16, als Dad die Herde auf dem Trail nach Norden verlor und wir Logans im Elend landeten. Wir waren verrückte Jungs, die ein halbes Jahr lang um die Nueces River Ranch Howards herumschlichen wie Füchse um den Hühnerstall. Was fanden wir denn, um Howard anzuklagen? Heh, was? - Nichts fanden wir. Zumindest nichts, was gereicht hätte, um ihm das Genick zu brechen.

    Ich holte Luft. Robin starrte mich an. Seine Kumpane taxierten mich, hielten sich aber heraus. Plötzlich schnappte Robin wild: Als wir wieder nach Hause zurückkehrten, hatte Dad sich umgebracht. Die Cowboys, die den Überfall auf die Herde überlebt hatten, waren verschwunden. Dad hat sie mit dem letzten Geld, das er besaß, ausgezahlt. Er selbst hatte sich umgebracht. Die Ranch riss sich Howard unter den Nagel. Big Jim Howard hat uns eiskalt und ohne Gewissensbisse fertig gemacht. Du hast Schiss bekommen und feige gekniffen. Da verließ ich dich.

    Du bist bei Nacht und Nebel verschwunden, Robin. An dem Abend, bevor du verschwunden bist, hast du mir ins Gesicht gebrüllt, dass du dir holen würdest, was man uns genommen hat. Nachdem du es scheinbar von Big Jim nicht bekamst, holst du es dir jetzt, indem du mit einer Handvoll übler Figuren Banken überfällst und ausraubst, wie?

    Obwohl ich Robin anschaute, nahm ich wahr, wie seine Kumpane eine herausfordernde Haltung einnahmen.

    Da Robin verbissen schwieg, fuhr ich fort. Ich sprach klar, sachlich, ruhig und betont: Du warst schon immer ein Hitzkopf, Robin. Als 14-jähriger wolltest du schon zu Big Jim Howard reiten und ihn erschießen. Ich...

    Robin schnitt mir das Wort ab indem er zischte: Und du warst der ruhige, besonnene Teil von uns beiden, nicht wahr? Es klang fast gehässig. Er verstellte seine Stimme. Oh ja - Hass führt in die Hölle, Robin! Sie haben uns fertig gemacht, Robin, aber sie haben uns nicht zerbrochen! Jeder Gedanke an Rache ist ein Nagel zu deinem Sarg, Robin! - Das waren doch die Sprüche, die du geklopft hast. Ich habe sie nicht vergessen.

    Ich nickte wiederholt. Ja, so ähnlich mögen meine Mahnungen und Warnungen geklungen haben, Bruder. Ich habe nämlich eingesehen damals, dass wir zwei kleine Pinscher sind, die Big Jim zwischen Daumen und Zeigefinger zerdrückt hätte. Dich haben dein Hass, deine Halsstarrigkeit und deine Hitzköpfigkeit auf einen Weg geführt, der nur in der Hölle enden kann. - Sieh dir die Kerle an, mit denen du reitest. Dieser Tom Baxter ist ein steckbrieflich gesuchter Verbrecher, den jeder, der ihn erkennt, ohne Warnung erschießen darf wie einen tollwütigen Hund. Für die anderen gilt ähnliches. Ihr habt geraubt und getötet. Keiner von euch bringt in diesem Land je wieder ein Bein auf die Erde. Ihr seid Todgeweihte.

    Robin schürzte die Lippen. Er legte den Kopf etwas schief und knirschte: Sag mal, Bill, was ist aus dir geworden? Wanderprediger?

    Es klang höhnisch und sollte mich treffen. Ich verzog keine Miene. Ich war einige Male unten im Zavala County. Aber ich habe nie gehört, dass du Big Jim zur Rechenschaft gezogen hättest. Wahrscheinlich hast du es damals selbst eingesehen, dass du dir an ihm die Zähne ausbeißt, und es war nur deine Sturheit, die dich von mir fortgetrieben hat. - Doch nun habe ich dich gefunden, Bruder. Ich will, dass du deinen Kumpanen den Rücken kehrst und mit mir reitest.

    Robin lachte unecht und blechern auf.

    Unbeirrt sprach ich weiter: Ich habe keine Ahnung, welche Verbrechen du auf dem Kerbholz hast, Robin. Aber du wirst dafür die Konsequenzen zu tragen haben. Hast du gemordet, wird man dich vielleicht hängen. Hast du nur geraubt und gestohlen, wirst du nach einigen Jahren ein freier Mann sein und wir fangen irgendwo von vorne an. Aber du wirst diesen Verein von Sattelstrolchen und Halsabschneidern verlassen.

    Ich stieß es mit Entschiedenheit und Endgültigkeit im Tonfall hervor.

    Und ich glaubte einen nachdenklichen Ausdruck in Robins Augen wahrzunehmen. Sein Blick schien sich nach innen verkehrt zu haben. Versonnen fixierte er mich.

    Doch jetzt trat ein dunkelgesichtiger Bursche neben ihn. Er war Mitte 30 und erinnerte an einen alten, vernarbten Timberwolf. Ein unstetes Leben voller Laster hatte unübersehbare Spuren in seinem hohlwangigen Gesicht hinterlassen. Ein brutaler Ausdruck kerbte seine Mundwinkel nach unten. Lässig hatte er die Daumen in den Patronengurt gehakt. Er war zwei Fingerbreit kleiner als Robin und hager. Alles an ihm schien unberechenbar und gefährlich zu sein. Etwas Raubtierhaftes ging von ihm aus.

    Als er sprach, bewegte er die Lippen kaum. Er sagte: Du nennst uns üble Figuren, Sattelstrolche und Halsabschneider, Diebe und Mörder. Das sind Beleidigungen, die wir nicht hinnehmen werden. Du hättest dich nicht darauf verlassen sollen, dass wir sie dir nachsehen, nur weil du Robins Bruder bist.

    Du bist Tom Baxter, nicht wahr?, fragte ich ihn unbeeindruckt.

    Yeah. Und du bist ein Narr. Andernfalls wärst du nicht in den Saloon gekommen und hättest mit Beleidigungen um dich geworfen. Dass du Robins Bruder bist, interessiert mich nicht. Er hat dich nie erwähnt. Daraus schließe ich, dass du für ihn gestorben warst. Wie willst du es haben, Amigo? Tragen wir es gleich aus, oder...

    Robin legte Baxter die Hand auf die Schulter. Der Bandit brach ab. Robin gab klirrend zu verstehen: Verschwinde, Bill. Du kannst mich nicht mehr retten. Einem wie mir ist der Weg zurück in die ehrenwerte menschliche Gesellschaft verschlossen. Ich bin ein Verlorener. Also gib es auf. Wir haben uns 13 Jahre lang nicht gesehen. Verschwinde, und streiche diese Stunde aus deiner Erinnerung.

    Seine Worte fielen eindringlich, fast beschwörend. Sein zwingender Blick hatte sich in meinem verkrallt.

    Wollte er verhindern, dass mich seine Kumpane niederknallten?

    Spürte er doch noch brüderliche Gefühle?

    Aber da stieß Tom Baxter mit brechendem Klang hervor: Gib dir keine Mühe, Robin. Die Beleidigungen und Schmähungen aus seinem Mund können nur mit Blut abgewaschen werden. Du kannst dich ja raushalten. Wir jedoch...

    Er zog, ohne seinen Satz zu vollenden.

    Seine Kumpane an der Theke glitten auseinander und griffen ebenfalls nach den Sechsschüssern.

    Ich sah noch, dass mein Bruder Tom Baxter einen derben Stoß versetzte und dass auch Robin nach dem Eisen griff.

    Den Sekundenbruchteil zwischen Erkennen und Reagieren benötigte ich nicht. Denn ich war darauf eingestellt, dass es hier zu einem bleihaltigen Reigen kommen würde. Ich ließ die Winchester fallen, denn sie behinderte mich nur. Dann lag ich auf den Knien. Der Remington lag wie hineingewachsen in meiner Faust. Die Mündung stach ins Ziel...

    Der Saloon wurde von den ineinander verschmelzenden Detonationen regelrecht erschüttert. Feurige Lohen stießen aus den Mündungen. Pulverdampf wölkte. Ich hatte mich nach dem ersten Schuss flach nach vorn geworfen. Dreimal - viermal noch brüllte mein Colt auf. Ich sah durch den wogenden Pulverdampf wie die Kerle am Tresen herumgerissen und geschüttelt wurden und zusammenbrachen.

    Baxter rannte zur Hintertür. Er schoss blindlings unter seiner linken Achsel hindurch. Ich drückte ab. Im selben Moment aber schlug er einen Haken. Und dann war er draußen.

    Schlagartig wurde es still. Stöhnen drang an mein Gehör. Ich sicherte mit dem Colt in Richtung Theke. Die Pulverdampfwolken begannen zu zerflattern. Es stank ätzend nach verbranntem Pulver.

    Entsetzt starrte ich auf Robin. Er lag auf dem Rücken. Sein Colt lag neben ihm am Boden. Fahrig wischte seine Rechte über die Dielen. Das Stöhnen, das ich hörte, kam von ihm.

    Wie von Schnüren gezogen erhob ich mich. Die drei Kerle vor der Theke rührten sich nicht mehr. Ich kniete bei Robin ab. Auf seiner Hemdbrust vergrößerte sich schnell ein dunkler Blutfleck. Seine bleichen Lippen zuckten.

    Bruder, röchelte er, ich wollte nicht zulassen, dass sie dich erschießen. Baxter war schneller als ich. Er - er hat mir das Ding verpasst, nachdem ich ihn zur Seite stieß. Du - du hattest recht. Der Weg, den ich eingeschlagen habe, konnte nur in die Hölle führen. - Wir wollten nach... Robins Stimme brach. Sein Atem rasselte. Noch einmal bot er allen Willen auf. ...nach Clarendon, Bruder. Donley County - Red River. Ein Job...

    Mit dem letzten Wort auf den Lippen starb Robin.

    Ich war sekundenlang wie gelähmt, zu nichts fähig. Mein Verstand blockierte. Ein eisiger Hauch streifte mich. Dann drückte ich Robin die Augen zu. Bei Gott, durchfuhr es mich siedend, du hast ihn gefunden und sofort wieder verloren. Diesmal für immer.

    Wie im Trance starrte ich in das bleiche Gesicht. Es wirkte gelöst, als hätte Robin in der letzten Sekunde seines Lebens inneren Frieden gefunden.

    Ich fuhr mir mit der Linken über die Augen. Langsam richtete ich mich auf. Es überstieg mein Begriffsvermögen. Den Remington hielt ich noch immer in der Hand. In einer Art Eigenhass stieß ich ihn ins Holster.

    Wäre ich nicht hier aufgekreuzt, würde Robin noch leben!

    Ich stand vor den Trümmern einer Illusion, die mich bewogen hatte, mehr als ein Dutzend Jahre nach Robin zu suchen.

    Die Stimmung, die mich beherrschte, war die Schrecklichste meines Lebens.

    *

    Ich begrub Robin auf dem Boot Hill von Seminole. Nur ich stand an seinem Grab. Irgendwann in den vergangenen Stunden hatte ich es aufgegeben, mich mit Selbstvorwürfen zu zerfleischen.

    Als ich mit erloschenem Blick auf den Grabhügel starrte, kam ich zu der Erkenntnis, dass Robin hier am besten aufgehoben war. Er war ein Bandit, und an seinen Händen klebte sicher Blut - das Blut Unschuldiger.

    Entweder hätten sie ihm eines Tages einen Strick um den Hals gelegt - oder er wäre im Kugelhagel eines Aufgebots gestorben.

    Ich war sicher, dass es so besser war.

    Wie mit glühenden Zangen brannte sich, als ich auf dem Weg zurück in die Stadt war, ein Name in mein Gehirn.

    Tom Baxter!

    Wenn Robin auch ein Verlorener, ein Verfemter, ein Todgeweihter war: Baxters Kugel war es, die ihn tötete.

    Baxter war ein wildes Tier. Mein Bruder war vorläufig der Letzte auf der Liste der Männer, die er niedergeknallt hatte. Tom Baxter war ein Geschwür im Angesicht der Erde.

    Eine dumpfe Glut aus Hass auf den Banditen begann in meinen Eingeweiden zu wühlen. Hass auf den Outlaw, der tötete um des Tötens Willen.

    Es war nicht die Rache für Robin, die mich leitete. Es war ganz einfach der Drang, Baxter für seine Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Ich wollte den Bastard hängen sehen...

    Am Morgen verließ ich Seminole. Eines Tages wollte ich in die Stadt zurückkehren, um am Grab Robins zu stehen.

    Clarendon! Donley County! Red River!

    Robin hatte mir mit seinen letzten Worten den Trail gewiesen, den ich unter die Hufe Blackys nehmen musste.

    200 Meilen lagen vor mir.

    *

    Seit drei Tagen zog ich nach Nordosten.

    Ich hielt am Rand der staubigen Senke meinen Vierbeiner an. Blacky schnaubte und peitschte mit dem Schweif seine Flanken. Er stampfte auf der Stelle. An uns haftete rötlicher Staub. Er verklebte mir die Poren und scheuerte unter meiner Kleidung auf der Haut.

    Mein Instinkt für die Gefahr meldete sich. Die Senke mutete mich an wie ein Präsentierteller. Irgendwo vor mir in diesem Irrgarten ritt Tom Baxter. Wartete er schon zwischen den Felsen auf mich? Ruhte sein kaltes Auge bereits über Kimme und Korn seiner Winchester auf mir?

    Ich ließ es darauf ankommen. Go on, Blacky, sagte ich und ruckte im Sattel. Das Pferd setzte sich in Bewegung.

    Da stieß der peitschende Knall der Winchester heran...

    Als er über mich hinwegtrieb, war ich schon vom Pferd. Dass ich in dem Moment, als Baxter schoss, das Tier antrieb, hatte mir wohl das Leben gerettet. Blacky hinter mir herzerrend verschwand ich zwischen einigen Felsen.

    Die Detonation verhallte in vielfachen Echos. Lastende Stille folgte. Ich ließ die Leinen zu Boden fallen. Mit einem Ruck zog ich meine Winchester aus dem Scabbard. Ich hängte meinen Stetson an das Sattelhorn, tätschelte meinem treuen Vierbeiner den Hals, dann erklomm ich den Felsen. Der Stein war heiß. Er strahlte Hitze ab. Bald lief mir der Schweiß in Bächen über das Gesicht und vermischte sich mit dem Staub. Das Hemd klebte mir am Leib wie eine zweite Haut.

    Ich war oben. Auf dem Bauch kroch ich vor bis zum steilen Abbruch des Felsens. Es ging 15 Yards fast senkrecht in die Tiefe. Ich starrte in die Richtung, aus der die Kugel geflogen kam. Da war nichts zu erkennen.

    Die Sonne stand links von mir, im Westen also. Die Schatten waren lang. Ich ließ den Blick aus meinen entzündeten Augen in die Runde schweifen. Totes Land umgab mich; Felsen, Staub, Geröllhänge, Dornengestrüpp... Die Hitze füllte beim Atmen die Lungen wie mit Feuer.

    Ich blieb geschlagene zehn Minuten liegen. Dann zog ich mich wieder zurück.

    Jetzt noch durch die Senke zu reiten wäre vermessen gewesen, eine Herausforderung an das Schicksal. Also musste ich den Umweg durch Hügel und Felsen in Kauf nehmen. Ich stülpte mir den Hut auf den Kopf, versenkte das Gewehr im Sattelschuh, nahm die Leinen vom Boden auf und schwang mich in den Sattel.

    Der Weg, den ich nehmen musste, führte zwischen Felswänden und Steilhängen hindurch. Die Hufe klirrten und krachten. Ich verfluchte die Geräusche. Doch ich musste sie akzeptieren. Blacky konnte eine Menge, nur fliegen konnte er nicht. Der Krach jedoch kündigte mich schon an, ehe ich zu sehen war.

    Ich ritt hellwach. Meine Sinne arbeiteten mit doppelter Schärfe. Ich achtete auf die Reaktionen meines Pferdes. Jeder meiner Muskeln war angespannt. Meine Rechte lag auf dem Coltknauf. Du fühlst dich in solchen Situationen von tausend Augen beobachtet.

    Manchmal konnte ich zwischen den Felsen hindurch in die Senke blicken. Feine Kristalle glitzerten im Sonnenlicht. Der sachte Wind wirbelte Staub auf und trieb ihn vor sich her. Hin und wieder hielt ich an, um zu lauschen. Nur das feine Säuseln des Windes, der um die zerklüfteten Felsgebilde strich, war zu vernehmen.

    Schließlich schloss sich der Kreis aus Felsen und Hügeln. Ich befand mich am Nordrand der Senke. Ich griff mir wieder die Winchester und repetierte. Dann saß ich ab.

    Der Platz, an dem Baxter mir aufgelauert hatte, mochte etwa 150 Yards entfernt sein. Ich schlich wie ein Apache. Manchmal knirschte unter meinen Sohlen der Sand. Hart an der Basis einer Felswand pirschte ich entlang.

    Dann lag der Einschnitt zwischen den Felsen, in dem ich auf dem Pferd verharrte, ehe Baxter seine hinterhältige Kugel verfeuerte, mir genau gegenüber. Hier musste Baxter irgendwo gewartet haben.

    Ich glitt um den Felsen herum, an dem ich stand. Das Gewehr hatte ich an der Hüfte im Anschlag. Mein Finger krümmte sich um den Abzug. Einige Felsblöcke türmten sich vor mir. Aus den Fugen und Ritzen dazwischen wucherten Comas und andere Dornengestrüppe. Ich hielt den Atem an.

    Nichts geschah.

    Ich war mir plötzlich sicher, dass Tom Baxter das Weite gesucht hatte. Die verbrauchte Atemluft brach aus meinen Lungen. Ich ging um die übereinander lagernden Felsblöcke herum. Ein Pferd hatte dahinter mit seinen Hufen den Sand aufgewühlt. Da lag auch ein Haufen Dung. Eine Spur führte von dem Platz weg nach Norden.

    Tom Baxter behielt also die Richtung bei.

    Mit grimmiger Genugtuung registrierte ich es.

    Ich steckte zwei Finger zwischen die Zähne und pfiff laut. Schon bald vernahm ich die klappernden Hufe Blackys. Dann hörte ich ihn prusten, und schließlich trabte er um die Felswand herum.

    Ich heftete mich wieder auf die Fährte des Mörders.

    *

    Calem Tyler trat aus der Tür des niedrigen Farmhauses. Die Sonne war hinter dem bizarren Horizont im Westen versunken und färbte mit ihrem Widerschein den Himmel über den Bergen glutrot. Hinter dem Farmer lag ein harter Tag.

    Aus dem Schornstein des Hauses aus Balken und groben Brettern stieg Holzrauch. Kate bereitete das Abendessen. Calem richtete den Blick nach Süden. Aus dieser Richtung erwartete er Fred, seinen Sohn. Fred bestellte dort unten eines der Felder.

    Aus dem Stall erklang das Muhen einer Milchkuh. Zwischen Stall und Scheune tummelten sich einige Schafe in einem Pferch. Hin und wieder blökte eines der Tiere. Hühner badeten im Staub des Farmhofes.

    Calem Tyler hatte sich auf den Anbau von Weizen spezialisiert. Seit drei Jahren lebten er und seine Familie hier am Red River. Seit drei Jahren gab es Probleme mit der Green Belt Ranch.

    In den vergangenen Wochen hatte sich der Terror verstärkt. Die Kaufangebote der Green Belt hatte Tyler ausgeschlagen. Die Quittung waren massive Drohungen. Dann zerschnitt man seinen Zaun und trieb Herefords über seine Weizenfelder...

    Calem schritt zum Brunnen in der Hofmitte. Sein Oberkörper war nackt. Der 56-jährige wirkte sehnig, zäh und hager. Der Widerschein der Sonne legte einen rötlichen Schimmer auf seine grauen Haare. Über Calems Schulter hing ein grünes Handtuch. In der Linken hielt er ein Stück Kernseife. Er hievte einen Eimer voll Wasser aus der Tiefe. Die Winde quietschte und knarrte.

    Calem Tyler wusch sich. Immer wieder richtete er seinen Blick nach Süden. Endlich sah er in der Ferne Fred auftauchen. Fred saß auf dem Bock eines Ranchwagens, den ein Ochse zog. Calem atmete auf. Er lebte seit den zunehmenden Übergriffen in ständiger Sorge.

    Bald waren das Knallen der Peitsche und das Rumpeln des Fuhrwerks zu hören.

    Calem trocknete sich ab.

    Aus dem Haus kam Kate, eine 50-jährige, vorzeitig gealterte und verhärmt wirkende Frau mit herbem Gesichtsausdruck. Sie trug eine Schwinge voll Hühnerfutter. Kate ging damit in den Stall, in dem ein Verschlag für die Hühner abgeteilt war.

    Die Geräusche des Gespanns, das Fred Tyler lenkte, wurden deutlicher. Calem warf sich das Handtuch wieder über die Schulter und strich sich mit den Händen durch die feuchten Haare.

    Von Osten her schob sich grau und diesig die Abenddämmerung heran. Die Schatten waren verblasst. Im Nordwesten wurde das intensive Rot von einem schwefligen Gelb abgelöst. Die Ränder einiger Wolken, die vor dieser Kulisse trieben, schienen zu glühen.

    Plötzlich erklang von Osten her dumpfes Rumoren. Im ersten Augenblick erinnerte es an fernes Donnergrollen. Calem drehte sein Ohr in die Richtung, aus der es heranwehte.

    Sein Gesicht verschloss sich. Seine Stirn legte sich in sorgenvolle Falten.

    Es war kein Gewitter, das sich weit entfernt zusammenbraute.

    Es war brandender Hufschlag, der zwischen die Gebäude sickerte.

    In Calem kam Leben. Er winkte Fred und bedeutete ihm mit Gesten, sich zu beeilen. Dann schrie er: Kate, es nähern sich Reiter. Geh ins Haus. Mit seinem letzten Wort setzte der Farmer sich in Bewegung.

    Kate trat aus dem Stall. Sie hatte die Schwinge zurückgelassen. In ihren Augen flackerte es. Ihr Herz pochte erregt.

    Ich weiß nicht, ob wir bösen Besuch kriegen, Kate, rief Calem. Also lass dich nicht sehen, wenn sie aufkreuzen.

    Es sind die Schufte von der Green Belt, murmelte sie lahm. Ich weiß es. Sie lassen nicht locker, bis sie uns aus dem Land getrieben haben.

    Kate ging ins Haus. Calem folgte ihr und nahm sein Gewehr. Seine Lippen waren zusammengepresst, als er durchlud. Das kalte, metallische Schnappen erfüllte für die Spanne zweier Herzschläge den spartanisch eingerichteten Raum.

    Fred Tyler lenkte das Ochsengespann in den Farmhof. Er fuhr bis vor den Stall und sprang auf den Boden. Er sah seinen Vater unter der Tür erscheinen. Calem hielt das Gewehr schräg vor seiner Brust. Er rief grollend: Wir kriegen Besuch, Fred. Wahrscheinlich die Sattelstrolche von der Green Belt...

    Fred beeilte sich. Er spannte den Ochsen aus und führte ihn in den Stall. Als er zum Farmhaus lief, um sich sein Gewehr zu holen, zeichnete Rastlosigkeit sein Gesicht. Deutlich schlug das Hufgetrappel jetzt heran.

    Calem und sein Sohn postierten sich an zwei der glaslosen Fenster. Um sie zu verschließen waren hölzerne Blendläden angebracht. Anspannung prägte die Mienen der beiden Männer. Unsicherheit und Beklemmung griffen nach ihnen. Der Hufschlag trieb heran wie ein Vorbote und Unheil und Gewalt.

    Grau wob die Abenddämmerung zwischen den Gebäuden. Die Natur hatte ihre Farben verloren. Es war noch immer sehr heiß. Kein Windhauch regte sich. Zu Beklemmung und Unsicherheit gesellte sich die Angst.

    Dann tauchte die Reiterschar auf. Sie jagte über eine Bodenwelle hinweg. Es waren sechs Kerle, die ihre Pferde in die Senke lenkten, in der Calem, seine Frau und Fred die Farm errichtet hatten. Hinter den ärmlichen Gebäuden reckten sich die alten Flusspappeln zum Himmel.

    Es war ein wilder Haufen. Noch waren die Gesichter nicht auszumachen. Der Reitwind bog die Krempen der Stetsons vorne steil in die Höhe.

    Die Leute im Farmhaus gaben sich keinen Illusionen hin. Die Green Belt schickte nur die hart gesottensten, mitleidlosesten Kerle, wenn es einen rauen Job zu erledigen galt – Kerle, denen der Colt höllisch locker saß und deren Sprache die der Revolver und der Fäuste war.

    Die Reiter zerrten an den Zügeln und zwangen die Tiere in eine langsamere Gangart. Eines der Tiere wieherte, weil ihm die Gebissstange hart ins Maul schnitt. Der Pulk kam zwischen zwei Schuppen hindurch in den Farmhof. Die Hufe rissen kleine Staubwolken in die Abendluft. Am Rand des Hofes parierten die Reiter die Pferde. Mit hartem Schenkeldruck bannten sie die Tiere auf den Platz. Das Pochen erstarb. Nur noch das Klirren der Gebissketten und das Knarren von Sattelleder durchbrach die Lautlosigkeit.

    Harte und kalte Blick waren auf das Farmhaus gerichtet.

    Fred Tyler knirschte: Es ist Amos Lawton mit seinen Raureitern. Gütiger Gott. Die Green Belt macht ernst.

    Grimmig nickte Calem. Seine schweißnassen Hände hatten sich regelrecht am Gewehr festgesaugt. In seinem Gemüt wühlte die Furcht. Das Rudel vermittelte einen erschreckenden Eindruck von Wucht und Stärke, von Unerbittlichkeit und kompromissloser Härte. Der Anblick brachte die Nerven zum Schwingen.

    Eine klirrende Stimme erklang: Ich nehme an, dass ihr mit euren Gewehren auf uns zielt, Tyler. Sollte aber auch nur ein einziger Schuss von eurer Seite fallen, nehmen wir das Gerümpel hier auseinander.

    Calem Tyler schluckte hart und trocken. Was wollt ihr? Die drei Worte trieben über den Hof und versanken in den übrigen Geräuschen.

    Du warst Angeboten und Worten nicht zugänglich, Schollenbrecher. Darum sind wir hier, um ein Exempel zu statuieren. Komm in den Hof. Lass aber dein Gewehr im Haus. Auch dein Sohn soll waffenlos herauskommen.

    Euch Colthaien ohne Waffe gegenüberzutreten wäre selbstmörderisch!, ließ Fred wild seine Stimme erklingen. Verschwindet, ihr dreckigen Schufte, oder wir machen euch Beine.

    Dein Sohn ist recht heißblütig, Calem Tyler, schnarrte Amos Lawton, der das hartbeinige Rudel führte. Du solltest ihn zur Ruhe mahnen. Außerdem sind wir nicht hier, um mit euch zu diskutieren. Ihr wisst, was ansteht. Also kommt aus dem Haus.

    Und was dann?, kam es rasselnd von Calem.

    Dann verprügeln wir euch erschallte es kalt. Dann hämmern wir es mit unseren Fäusten in eure dummen Köpfe, dass ihr hier am Fluss nichts verloren habt.

    Fred trat in die Fensteröffnung. Er presste den Gewehrkolben hart unter seine Achsel. Die Linke hatte sich um den Schaft verkrampft. Der Zeigefinger seiner Rechten lag am Drücker. Im Gesicht des Jungen zuckten die Nerven. Seine Lippen sprangen auseinander. Nehmt eure Gäule herum und reitet zurück auf Green Belt-Land, Lawton. Du musst verrückt sein, wenn du denkst, dass wir uns von euch mit den Fäusten zerbrechen lassen. Ich warte genau zehn Sekunden, dann fange ich an zu schießen.

    Du Narr, stieß Amos Lawton, ein indianerhafter Mann mit scharfgeschnittenen Zügen, hervor. Du gottverdammter Narr!

    Dann zog er. Es ging blitzschnell. Das Eisen flirrte aus dem Holster, schwang hoch, im Hochschwingen spannte Lawton den Hahn. Der Schuss brüllte auf. Ein ellenlanger Feuerstrahl stieß in die Dämmerung, Pulverdampf wölkte vor Lawtons Gesicht.

    Fred Tyler bekam die Kugel voll in die Brust. Ohne einen Laut von sich zu geben brach er zusammen. Er hatte nicht den Hauch einer Chance. Lawton hatte ihn total überrumpelt.

    Der Schussdonner rollte auseinander. Die Green Belt-Wölfe trieben die Pferde in Deckung und sprangen ab. Als die Detonation verhallt war, befanden sie sich im Schutz der Schuppen und Scheunen.

    Aber von Calem Tylers Seite fiel kein Schuss.

    Der Farmer sah seinen Sohn zusammenbrechen. Eine Woge des Entsetzens überspülte seinen Verstand. Ein Zittern durchlief seine Gestalt, seine Hände öffneten sich, das Gewehr prallte auf den Boden.

    Kate Tyler war schon bei ihrem Sohn. Fred, entrang es sich ihr brüchig. Sie fiel bei ihm auf die Knie und nahm seinen Kopf in beide Hände.

    Wie im Trance bewegte sich Calem Tyler. Hinter seiner Frau blieb er stehen. Er blickte hinunter in das verzerrte Gesicht Freds. Was er sah, war die absolute Leere des Todes in den blauen Augen seines Sohnes.

    Ein Röcheln kämpfte sich in Calem Tylers Brust hoch und brach aus seiner pulvertrockenen Kehle.

    *

    Eine Gestalt verdunkelte das Fenster, unter dem Fred lag. Ein Gewehrlauf richtete sich auf Calem Tyler. Krachend flog die Tür auf. Amos Lawton betrat die Küche. In seiner Faust lag der schwere, langläufige Colt. Hinter ihm drängte der Rest der Mannschaft in den Raum.

    Mit erloschenem Blick schaute Kate die Kerle an. Tränen rannen über ihre eingefallenen Wangen. Sie schluchzte, ihre Schultern erbebten.

    Gewaltsam riss sich Calem Tyler vom Anblick seines toten Sohnes los. Seine Schultern waren nach vorn gesunken. Seine hohe Gestalt schien sich gekrümmt zu haben. Er blinzelte wie ein Erwachender. Seine Gedanken schienen aus weiter Ferne zurückzukehren.

    Er – ist – tot, kam es abgehackt, stoßweise über seine blutleeren Lippen.

    Er hat es herausgefordert, versetzte Lawton frostig und ohne die Spur einer Gemütsregung. Er war drauf und dran, mit dem Gewehr auf uns das Feuer zu eröffnen. – Okay, Tyler. Es gibt nichts mehr, was dich an dieses Land bindet. Das alles hier hast du aufgebaut, um für Fred eine Existenz zu schaffen. Fred ist tot. Er braucht das Land nicht mehr. Du wirst das begreifen und mit deiner Frau verschwinden. Begrabe deinen Sohn und sei morgen, wenn wir nachsehen kommen, fort.

    Calem Tyler senkte die Lider. Er verarbeitete nur langsam die erschreckend unmissverständlichen und unerbittlichen Worte des skrupellosen Schießers. Sie hallten in ihm nach. Lawton hatte eiskalt seinen Jungen getötet. Ja, das alles hier hatte er für Fred geschaffen, damit der eine Basis hatte, eine Lebensgrundlage.

    Jetzt war Fred tot.

    Erschossen!

    Das alles drang mit Macht auf Calem Tyler ein. Und es überwältigte ihn. Völlig überraschend griff er Amos Lawton an. Es war wie ein Rausch. Er war nicht mehr Herr seiner Sinne. Er wollte diesen kaltschnäuzigen Hombre, der seinen Sohn ermordet hatte, mit den bloßen Händen erwürgen. Er traf den Revolverschwinger zweimal am Kopf, dann legten sich seine verarbeiteten, rauen Hände um den Hals des Mörders. Ehe er aber mit Kraft zudrücken konnte, schlug ihn einer der Begleiter Lawtons mit dem Gewehr nieder.

    Als er am Boden lag, versetzte ihm Lawton einen Tritt gegen die Rippen. Dann grollte Lawtons Organ: Wir kommen morgen wieder, Kate. Wenn ihr dann noch da seid, zünden wir euch das Haus über dem Kopf an, und deinen Mann kannst du neben deinem Sohn begraben. Dann hat er was er will. Er kann auf diesem Land bleiben. Allerdings einige Fuß unter der Erde.

    Ihr – ihr seid Mörder, keuchte Kate Tyler. Man – man wird euch zur Rechenschaft ziehen. Für diesen Mord wirst du hängen, Lawton.

    Der Mörder lachte eisig auf. Wer soll mich dafür zur Rechenschaft ziehen, Kate? Dein Sohn machte Anstalten, auf mich zu schießen. Jeder dieser Männer hier wird es bezeugen. Ich habe ihn in Notwehr getötet. Kein Gericht der Welt könnte mich deswegen verurteilen.

    Lawton sprach es und schritt zur Tür. Seine Raureiter folgten ihm. Sie bedachten Kate mit mitleidlosen Blicken.

    Für die Farmersfrau war eine Welt zusammengestürzt. Ihr Sohn war tot. Alles hatte für sie plötzlich den Sinn verloren. Ihr ganzes Dasein war ein einziger Überlebenskampf gewesen. Etwas in ihr zerbrach...

    *

    Am Abend des nächsten Tages kamen Kate und Calem Tyler in Amarillo an. Amarillo war die Hauptschlagader des Panhandle, wirtschaftlicher Umschlagplatz, kultureller Mittelpunkt, Dreh- und Angelpunkt von Handel und Wandel. Von hier aus gingen die Frachtwege bis in den entlegensten Ansiedlungen des nördlichsten Teils von Texas.

    In der großen Stadt hatte das 'District Court for the Northern District of Texas' seinen Sitz. Als oberster Richter war Jerome Frederick Humphrey eingesetzt.

    Der Judge beschäftigte eine harte, kampferprobte und kompromisslose Mannschaft, um dem Gesetz in Nordtexas Geltung zu verschaffen. Unbeirrt und entschlossen ritten seine Männer für Recht und Ordnung. Sie waren aufrecht, geradlinig, furchtlos und unerschrocken.

    Es waren U.S. Marshals.

    Der Richter hörte sich geduldig an, was ihm Calem Tyler und Kate berichteten. Lediglich seine Miene verschloss sich mehr und mehr. Als Calem Tyler endete, hatten sich seine Brauen über der Nasenwurzel zusammengeschoben, seine Lippen waren nur noch ein dünner, messerrückenscharfer Strich.

    Er glaubte diesen Leuten. Er fühlte mit ihnen. Ihr Sohn war erschossen worden. Ein skrupelloser Schießer hatte ihnen den Lebensinhalt genommen. Man hatte sie mit bösen Drohungen von ihrem Grund und Boden vertrieben. Sie waren eingeschüchtert, voll Angst, und der Schmerz um den Verlust des Sohnes hatte ein um das andere Mal Calem Tylers Stimme brechen lassen. Es berührte Jerome F. Humphrey bis in seinen Kern.

    Aber er war Richter. Er durfte nicht vorverurteilen. Er musste beide Seiten hören, Zeugen einvernehmen, abwägen und nach seiner Überzeugung Recht sprechen, dem Gesetz und seinem Gewissen verantwortlich.

    Humphrey wusste, was zu veranlassen war. Mit ruhigem Tonfall gab er zu verstehen: Es ist tragisch, was Ihnen widerfahren ist. Es tut mir leid um Ihren Sohn. Er schwieg sekundenlang. Was er sprach, kam ihm selbst banal und abgedroschen vor. Ein Blick in die hoffnungslosen Mienen der Eheleute klärte ihn darüber auf, dass seine Worte keinen Trost zu spenden vermochten. Ich schicke einen meiner Männer zum Red River, fuhr er schließlich fort. Er wird die Angelegenheit untersuchen und die nötigen Schritte einleiten. Hat Lawton Ihren Sohn kaltblütig ermordet, wird er vor Gericht gestellt und verurteilt.

    Er hat ihn ermordet, kam es lahm von Kate.

    Als die beiden fort waren, rief Humphrey seinen Sekretär. Schicken Sie mir Joe Hawk, forderte er.

    Der Mann nickte und beeilte sich.

    Joe Hawk war ein großer, dunkelblonder Mann mit offenem Gesicht und stahlblauen Augen. Er wirkte sehnig, biegsam und sehr geschmeidig. Seine Schultern waren breit. Gekleidet war Joe wie ein Cowboy. An seinem rechten Oberschenkel hing der langläufige, schwere 45er. Der Griff war aus dem Holz des Walnussbaumes gefertigt, ohne irgendwelche Schnörkel, und ziemlich abgegriffen. Matt schimmerten die Böden der Patronenhülsen in den Schlaufen des schwarzen Gurts aus Büffelleder.

    Humphrey klärte ihn in der ihm eigenen sachlichen und prägnanten Form auf.

    Joe Hawk hörte aufmerksam zu. Amos Lawton, murmelte er schließlich. Von dem hörte ich schon. Soll ein ziemlich hart gesottener Hombre sein.

    Der Richter setzte sich aufrecht. "Bei ihm waren fünf weitere

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