Oblaten, Waffeln und Lebkuchen: Alte und neue Rezepte
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Book preview
Oblaten, Waffeln und Lebkuchen - Alexander Glück
Herstellerverzeichnis
VORWORT
(Foto: Miguel Dieterich)
Der Ausgangspunkt für dieses Buch ist die Oblatenbäckerei, ein verborgener und weitgehend unsichtbarer Bereich der Küchengeschichte. Oblaten und einige ihrer Verwandten sind unauffällig, doch sie begegnen uns überall – als weißer Boden der Kokosmakronen ebenso wie als Baumaterial für bestimmte Torten, als geweihte Hostien wie auch als Hohlhippen zum Kaffee, als Eiswaffeln und als Frittaten (Flädle) in der Suppe. Sie haben eine sehr lange Geschichte und gehören aufgrund der zuweilen in sie eingeprägten Abbildungen zu den besonders schönen Küchenerzeugnissen. Sie sind sogar mit den Klebebildchen früherer Zeiten und mit den Siegelmarken der Notare verwandt. Oblaten sind einerseits ein Gebäck für sich, andererseits eine Zutat für andere Köstlichkeiten. Sie können ganz unspektakulär sein, etwa als Backoblate, sie können aber auch im Mittelpunkt der christlichen Messe oder volkstümlicher Freiluftfeste stehen.
Demgegenüber sind Waffeln erheblich populärer, dabei unterscheiden sie sich sowohl in der Zusammensetzung als auch in der Herstellungsweise nur unwesentlich von ihren flacheren Verwandten. Größere Unterschiede bemerkt man erst, wenn weiteres Gebäck mit eingeprägten Bildern auf den Tisch kommt. So hat Lebkuchen eine ganz andere Geschichte, und wieder anders verhält es sich mit den Springerle, die ursprünglich ein Marzipanersatz waren. Diese beiden Gruppen bekommen das aufgeprägte Bild jedoch nicht während des Backens, sondern schon vorher. Durch einen Trick verhindert man ein Verformen des schönen Reliefs beim Aufgehen des Teigs. Ansonsten aber kann man all diese Gebäcke durch ihre Verzierung mit teilweise sehr detailverliebten Motiven zusammenfassen.
Die dazu nötigen Formen aus alter Zeit sind noch zahlreich vorhanden. Kunstvoll geschnitzte Holzmodel kann man sich als preiswerte Abgüsse besorgen, wodurch die museumsreifen Originale geschützt werden. Was einst als wertvolles Einzelstück entstanden ist, steht auf diese Weise nun mehreren zur Verfügung und hygienischer ist es im Vergleich zu den wurmstichigen Veteranen auch.
Mit denen kann man gleichwohl ebenfalls noch backen. Im Gebrauchtwarenhandel werden laufend Backformen aus Holz angeboten, seltener auch aus Schwefelguß. Bei richtiger Behandlung lassen sich diese Exemplare fast ohne Einschränkungen verwenden.
Was mich persönlich am meisten an diesem Bildgebäck fasziniert, ist die Möglichkeit, es heute genau so zu backen wie vor 250 Jahren – mit dem gleichen Teig, in völlig gleicher Form und mit genau dem Ergebnis, das vor acht Generationen große und kleine Leute erfreut hat. Stellen Sie sich vor, Sie können etwas backen, das nicht nur genauso aussieht, sondern auch genauso riecht und schmeckt wie zu einer Zeit, die man nur noch aus Geschichtsbüchern kennt. Das „Engelsbrot", wie die Oblaten früher auch genannt wurden, kommt selbst heute noch immer gut an.
Seit einigen Jahrzehnten ist die Oblatenbäckerei nahezu in Vergessenheit geraten und mit ihr ein Gerät, in dem Oblaten vor einigen Jahrhunderten nicht nur hergestellt sondern vor allem weiterverarbeitet wurden. Die Rede ist von der sogenannten Tortenpfanne, einem geschlossenen flachen Eisentopf, den man übers Herdfeuer stellte und in dem unter Verwendung von Oblaten die köstlichsten Süßspeisen entstanden. Heute erfreut sich die alte Tortenpfanne unter der Bezeichnung „Dutch Oven wieder großer Beliebtheit. Der „Dutch Oven
war das Kochgerät der amerikanischen Siedlertrecks und ein flaches Modell (heutzutage ohne Griff) ist perfekt geeignet, um darin die alten Rezepte für die Tortenpfanne nachzubacken.
Waffel- und Oblateneisen sind nicht nur faszinierende Backgeräte, sondern auch ein lohnendes Sammelgebiet. (Foto: Alexander Glück)
In vielen Gegenden Europas wurden und werden ganz typische Varianten der Oblaten und Waffeln gebacken. Manchmal heißen sie Klemmkuchen, Piepkuchen oder Pizzelle, aber gemeint ist immer die Brauchtumsbäckerei zu Neujahr oder Ostern. Stets sind es dünne, trockene Waffeln, die aus regional verschiedenen Teigen gebacken und dann entweder gerollt oder als Platte gegessen werden. Auch die anderen Arten von Bildgebäck unterscheiden sich regional und kulturell. Die darin verwendeten Gewürze sind verschieden. Mit Zimt und Nelken bekommt man allemal feine Ergebnisse, aber auch Zitronenöl, Mandelaroma oder Vanille eignen sich hervorragend. Pikanter wird es mit Pfeffer, exotischer mit einer ausgesuchten indischen Gewürzmischung. Der Zucker kann durch Honig, Ahorn- oder Rübensirup, Stevia und alle anderen süßen Lebensmittel ersetzt werden. Wir können mit Bier experimentieren und selbstverständlich auch salziges Gebäck herstellen.
Die kulturelle Tradition einer Region steht immer auch im engen Zusammenhang mit der regionalen Küche. Ein Klemmkuchen aus dem Fläming schmeckt halt erst recht gut, wenn er dort in den alten traditionellen Klemmeisen gebacken und gemeinsam mit Freunden verzehrt wird. Da nun nicht jeder (Hobby-) Bäcker gleich alle verschiedenen Formen und Model zur Hand haben kann, wird in allen Rezepten in diesem Buch auf Gemeinsamkeiten über die regionalen Grenzen hinaus hingewiesen und der Einsatz weniger Werkzeuge für viele Rezepte in den Vordergrund gestellt.
In der durch eingedrückte Reliefbilder verzierten Bäckerei verbindet sich eine enorm starke kulturelle und geschichtliche Aufladung mit extrem vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten. Verzierte Hippen, hübsche Waffeln und symbolreich geschmückte Lebkuchen und Springerle zeigen den Geschmack ihrer Zeit, tradieren eine uralte Bildsprache und eignen sich als anspruchsvolle Dekoration bis zum Aufessen. Als Festtagsgebäck, Geschenk oder „Knabberzeug" machen sie Kulturgeschichte anschaulich und sinnlich erfahrbar. Dieses Buch erklärt die Geschichte und die Hintergründe, es liefert eine ganze Menge traditioneller Rezepte und gibt eine umfassende technische Anleitung für alte und neue Geräte. Es verrät aber auch, wie sich die schönen Sachen weiterverarbeiten und wie sich die Rezepte kreativ abwandeln lassen. Die vorgestellten Rezepte sind sicher nur ein kleiner Teil derer, die es noch gibt. Sie sind herzlich eingeladen, diese auszuprobieren und wenn Sie selbst alte oder neue, klassische oder kreative Rezepte beisteuern oder die hier bereits vorgestellten Rezepte verbessern können, freue ich mich jederzeit über Ihre Nachricht. Suchen Sie oder möchten Sie historische Geräte abgeben? Dann können Sie sich ebenso gern mit mir in Verbindung setzen.
Viel Freude beim Backen und Genießen
Ihr Alexander Glück
TRADITION UND MODERNE
(Foto: Miguel Dieterich)
Die Gebäcksorten, mit denen wir es hier zu tun bekommen, sind von Gestalt und Zusammensetzung her eng verwandt, ihre Unterschiede beruhen auf einer Weiterentwicklung der Rezepte und Veränderungen in der Herstellung. Um eine Orientierung über diese Gebäcke und ihre Verwandtschaft zu bekommen, lohnt sich ein Blick auf Zutaten und Herstellung.
Oblaten wurden ursprünglich aus Wasser, Mehl und Stärke in zweiteiligen Eisenformen gebacken. Genauso machte man Hostien, nur wurden diese ausschließlich zur Verwendung innerhalb christlicher Riten gefertigt, die nach katholischem Verständnis zu einer Wandlung zum „Leib Christi" führen. Hostien sind also die durch Anrufung des Heiligen Geistes verwandelten Oblaten, sie gehen auf das urtümliche Brot zurück, das uns auch im jüdischen Kontext begegnet – als Mazze. Ihre Bestandteile sind Wasser und Getreidemehl, für ihre Herstellung sind genaue Regeln und Zeitspannen einzuhalten. Während die kultischen Gebäcke weiterhin möglichst schlicht gehalten werden, haben sich die Rezepte für säkulares Gebäck um allerhand Beigaben und Raffinessen erweitert – gerade die Klöster spielten dabei eine wichtige Rolle. Vor allem kamen Eier hinzu, aber auch Sahne, Butter und Zucker; typische Gewürze wie Zimt trugen zu einer regionalen Differenzierung bei.
Ähnliches und noch anderes Beiwerk finden wir auch in den Waffeln, deren wesentliche Zutat jedoch in einem Triebmittel besteht. Früher wurde dafür häufig Hefe eingesetzt, die zum Beispiel bei den Brüsseler Waffeln nach wie vor zum Rezept gehört. Besser eignet sich jedoch Backpulver, weil es nicht so viel Zeit zum Gehen braucht und beim Ausbacken unproblematisch ist.
Ein Triebmittel im Waffelteig sorgt für sein Aufgehen – erst jetzt füllt er die Backform gleichmäßig aus. Ein Oblatenteig dehnt sich beim Backen zwar ebenfalls etwas aus, aber nicht genug, um das größere Volumen einer Waffelform genügend auszufüllen.
Waffel- und Oblateneisen werden in Schweden noch immer so hergestellt wie früher: in Sandformen gegossen. (Foto: Miguel Dieterich)
In der Zubereitung mit den Waffeln vergleichbar sind