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2048
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Ebook442 pages9 hours

2048

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About this ebook

Noch nie in der Geschichte der Menschheit sind so massenhaft persönliche Daten jedes einzelnen Bürgers gesammelt und gespeichert worden. Auch wenn einem großen Teil der Bevölkerung nicht jede Möglichkeit bekannt ist, wie private Firmen und staatliche Stellen offen oder aber auch versteckt an Informationen über sie gelangen, so weiß doch jeder Einwohner eines Industriestaates, dass das massenhafte Sammeln von Daten gängige Praxis ist. Auch wenn nicht jeder Bürger genaue Kenntnisse darüber besitzt, wie die über ihn gesammelten Informationen ausgewertet werden, so geht doch jeder davon aus, dass genau das geschieht.
Warum lehnt sich dann niemand dagegen auf?
So gut wie jeder in unserer Gesellschaft assoziiert mit einem Überwachungsstaat ein totalitäres, faschistoides System, wie George Orwell es in seinem Roman 1984 beschrieben hat. Fast alle gehen davon aus, dass wir in einer funktionierenden Demokratie leben, und selbst Kritiker setzen im Großen und Ganzen voraus, dass die in ihr installierten Kontrollmechanismen im Wesentlichen greifen.
Dabei wird übersehen, dass die großen Mengen an persönlichen Daten von privaten Firmen oder Geheimdiensten gesammelt werden. In beiden Fällen handelt es sich um Stellen, an denen demokratische Kontrolle gar nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße ausgeübt wird.

Im Jahre 2048 recherchieren die beiden Agenten Mia Koberg und Ben Schrader des (fiktiven) Europäischen Geheimdienstes EUSA gemeinsam mit der Hochschuldozentin Finja Wolter im Fall des mysteriösen Unfalltods eines Journalisten. Schon nach kurzer Zeit müssen sie feststellen, dass sie selbst auf die Liste staatsbedrohender Terroristen gesetzt wurden und gnadenlos verfolgt werden.

LanguageEnglish
PublisherFred Kruse
Release dateJun 2, 2016
ISBN9781311636966
2048
Author

Fred Kruse

Fred Kruse schreibt seit einigen Jahren Romane, die er im Selbstverlag herausgibt und auf jeder größeren Plattform als eBook oder auch als Taschenbuch erhältlich sind. Insbesondere die 7 Romane und 2 Erzählungen, die im Rahmen der Serie »Lucy – ein Weltraumabenteuer nicht nur für Jugendliche« erschienen sind, erfreuen sich einer für von Verlagen unabhängige Publikationen erfreulich großen Leserschaft.Alle Informationen zu Inhalten und Vertrieb der Werke erhalten Sie Sie auf der Homepage des Autors:fred-kruse.lucy-sf.de.HINTERGRUND:Der Autor lebt in Norddeutschland, ist verheiratet und Vater von drei Töchtern und einem Sohn. Während des Physikstudiums beschäftigte er sich besonders mit Elementarteilchen- und Astrophysik. Seit Jahren arbeitet er jetzt allerdings im IT-Management. Im Laufe seiner beruflichen Laufbahn hat er eine Reihe wissenschaftlicher Texte sowie Publikationen im IT-Umfeld veröffentlicht.VERÖFFENTLICHUNGEN:Lucy – Ein Weltraumabenteuer nicht nur für Jugendliche»Lucy – Ein Weltraumabenteuer nicht nur für Jugendliche« ist eine Science-Fiction Serie (Space Opera), die als Jugendbuch konzipiert wurde, aber auch gerne von Erwachsenen gelesen wird. Mittlerweile hat sich eine wachsende Fan-Gemeinde um die Geschichte gebildet.INHALT: Zusammen mit ihren irdischen Begleitern bricht das 16-jährige Mädchen Lucy zu einem Weltraumabenteuer auf. Anfangs glauben die vier unfreiwilligen Schicksalsgenossen noch, dass sie nur ihren Planeten Terra, die Erde, retten müssen. Im weiteren Verlauf der Odyssee, die sich über die insgesamt sieben Bände erstreckt, müssen sie aber erfahren, dass es sich um weitaus größere Ziele handelt. Es geht um nicht weniger, als das Überleben des ganzen bekannten Teils der Galaxie.Lucy, das mutige Mädchen mit dem etwas herben Charme, der etwas verschrobene aber geniale Christoph, der gut aussehende und mutige Lars mit dem gut versteckten, großen Herzen und die hübsche, auf den ersten Blick etwas naiv wirkende Kim, die aber ganz unvorhergesehene Fähigkeiten entwickelt, haben gemeinsam gefährlichste Abenteuer zu bestehen. Von exotischen Umgebungen auf fremden Planeten bis hin zu wilden Weltraumschlachten müssen sie bedrohlichste Situationen meistern.Dabei lernen sie nicht nur die weiterentwickelte Technik des Biologiezeitalters kennen, die Lucy noch nicht einmal aus Science-Fiction-Filmen oder -Romanen kennt, die vier müssen auch mit dem fremdartigen Verhalten ihrer neuen außerirdischen Freunde zurechtkommen.Folgende Bände sind bisher in der Reihe erschienen:Band 1: Besuch aus fernen WeltenBand 2: Im Herzen des FeindesBand 3: Der Bund der DreiBand 4: GorgozBand 5: Der SchlüsselBand 6: Die Rückkehr der SchattenBand 7: Die EntscheidungGeisterschiff (Erzählung)Gemeingefährlich (Erzählung)Final Shutdown:Der Roman »Final Shutdown« ist ein Cyber-Thriller. Zu dem Buch Final Shutdown regte den Autor die Sorge um die zunehmende Abhängigkeit unserer Gesellschaft von der Informationstechnologie an. Für besonders besorgniserregend hält er den Verlust der Kontrolle über entscheidende Komponenten unserer Infrastruktur. Der Großteil der Menschen in unserem Land sowie in ganz Europa verlässt sich darauf, dass die Technik funktioniert, ohne dass die für sie verantwortlichen Unternehmen kontrolliert werden können. Genauso wenig kann ausgeschlossen werden, dass insbesondere amerikanische Geheimdienste tief in die Struktur der Software und damit in lebenswichtige Teile unserer Infrastruktur eingreifen können.INHALT: Der erfolgreiche Kriminalautor Marko Geiger lässt sich von seinem alten Freund und IT-Spezialisten Oliver Vogt überreden, den mysteriösen Unfalltod zweier Kollegen zu recherchieren. Marko wittert einen interessanten Romanstoff und engagiert die couragierte Privatdetektivin Jana Brand, ihn bei der Recherche zu unterstützen. Was als spleenige Idee beginnt, entwickelt sich für die drei ungleichen Gefährten schnell zu einem Kampf ums nackte Überleben.

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    Book preview

    2048 - Fred Kruse

    Fred Kruse

    2048

    Cyber-Thriller

    Science-Fiction

    Copyright 2016 by Fred Kruse

    URL: www.fred-kruse.lucy-sf.de

    Smashwords Edition

    1. Auflage

    Umschlaggestaltung, Illustration: Fred Kruse

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

    This ebook is licensed for your personal enjoyment only. This ebook may not be re-soldor given away to other people. If you would like to share this book with another person, please purchase an additional copy for each recipient. If you’re reading this book and did not purchase it, or it was not purchased for your use only, then please return to Smashwords.com and purchase your own copy. Thank you for respecting the hard work of this author.

    Danksagung

    Ich danke meiner Frau Annemarie für ihre Unterstützung.

    Fred Kruse

    Inhalt

    Abwärts

    Einsatz

    Feierabend

    Verdacht

    Suche

    Vorbereitung

    Rechenzentrum

    Überrascht

    Verräter

    Auswertung

    Überläufer

    Ferienhütte

    Datenzentrale

    Entdeckt

    Gäste

    Machtfragen

    Angebot

    Gefangen

    Flucht

    Zuflucht

    Zugriff

    Epilog

    Bisher erschienene Titel des Autors

    In eigener Sache

    Abwärts

    Finja erreichte gerade die Tür, als sie eine zweite Explosion hörte. Was war geschehen? Das entsprach nicht dem Plan. Gegen alle Vorsicht riss sie die Bürotür auf und sah nach rechts. Von dort meinte sie, den Knall gehört zu haben. Und richtig, eine Staubwolke breitete sich vom Ende des Flurs aus.

    Unbewusst presste sie die Faust fester um das kleine Gerät zusammen, das sie in ihrer Hand hielt. Schweiß bildete sich in der Handfläche. Einen Moment kämpfte sie mit der anschwellenden Panik. Endlich steckte sie das Speichermedium in die Tasche ihrer Retrojeans, die der derzeitigen Mode entsprach und damit von der Mehrzahl der weiblichen Mittdreißiger getragen wurde.

    Der Lärm der Explosion verklang. Im Hintergrund schälten sich aufgeregte Rufe heraus. Finja bog nach links in den Gang ein und marschierte los. Die Stimmen hinter ihrem Rücken schienen lauter zu werden. Jetzt konnte sie die Panik nicht mehr unterdrücken. Sie begann zu laufen.

    Schon bevor sie Ben kennengelernt hatte, war sie gut in Form gewesen, aber die Vorbereitungen der letzten Wochen hatten ihre Fitness noch einmal gesteigert. Gehetzt sah sie sich um. Ihr kam es vor, als sähe sie Schatten von Menschen in der Wolke von dunklem Rauch und Staub hinter sich. Jetzt konnte sie auch einzelne Stimmen unterscheiden. Es mussten in der Mehrzahl Männer sein, die hinter ihr schrien und Befehle brüllten.

    Ihr blieb keine Zeit sich noch einmal umzusehen. Sie setzte zu einem Sprint an. Als sie fast den ersten Quergang erreicht hatte, konnte sie das erste Mal Worte verstehen.

    »Stehen bleiben oder wir schießen!«, rief eine dunkle, raue Stimme.

    Statt dem Befehl zu folgen, beschleunigte Finja ihren Lauf noch. Sie bog in den Quergang ein. Ein Schuss krachte. Ein Querschläger pfiff durch den Flur. Einen kurzen Moment fragte sich die Flüchtende, ob es nicht doch besser wäre, stehen zu bleiben und sich zu ergeben.

    Diese Überlegung war aber allein aus der Panik geboren. Sie wusste mit Sicherheit, dass man keine Rücksicht auf sie nehmen würde. Ihre einzige Chance zu überleben, bestand darin, aus diesem verfluchten Gebäude herauszukommen.

    Der Sprint hielt schon zu lange an, sie spürte die ersten Schmerzen in der Lunge. Sie war zwar fit, aber für einen derart schnellen Lauf über so eine Strecke dann doch nicht genug trainiert. Ihr Körper weigerte sich und sie wurde langsamer. Da krachte es erneut und eine Kugel pfiff an ihrem Kopf vorbei.

    Der Körper schüttete ein weiteres Mal Adrenalin aus, sie beschleunigte erneut und bog in den nächsten Gang. Wieder ein Schuss, aber sie befand sich schon nicht mehr im gleichen Flur wie ihre Verfolger.

    Sie sprintete jetzt durch das Herz des Gebäudes. Der Flur verzweigte verwirrend in anscheinend unendlich vielen Querverbindungen. Finja rannte im Zickzack zwischen den Gängen entlang. Hinter ihr hörte sie Männer fluchen.

    Sie teilten sich offensichtlich auf, um sie zu suchen, aber es konnten nicht so viele sein, wie sie geglaubt hatte, sonst hätten sie sämtliche Flure dieser Etage abgedeckt.

    Grübeln nutzte allerdings in dieser Situation nichts. Finja war schon immer ein pragmatischer Mensch gewesen. Es gab nur eine Chance und genau die würde sie nutzen. Schaffte sie es nicht, wäre es ohnehin zu spät.

    Die Lunge schmerzte, die Beine protestierten. Einen kurzen Moment schwoll die Panik wieder an. Bis vor wenigen Sekunden hatte sie noch geglaubt, den Plan des Gebäudes im Kopf zu haben. Jetzt verließ sie die Selbstsicherheit.

    Lief sie noch in die richtige Richtung? Führte ihr Zickzackkurs sie zu ihrem Ziel oder bewegte sie sich weg von ihm? Wenn sie den Ausgang nicht vor den Verfolgern erreichte, würden sie ihr den Weg abschneiden.

    Sie hatte mittlerweile so oft die Richtung gewechselt, dass sie sich nicht mehr sicher war. Aber auch in dieser Hinsicht gab es keine Alternativen, sie musste weiter. Sie durfte auf keinen Fall stehen bleiben.

    Endlich erreichte sie einen Flur mit Fenstern nach draußen. Finja hatte schon immer eine gute Orientierung besessen. Auch jetzt erkannte sie an der Silhouette der Stadt, an welcher Seite des Gebäudes sie sich befand. Sie war ihrem Ziel näher, als sie geglaubt hatte.

    Die Stimmen der Verfolger klangen leiser. Der gewonnene Vorsprung gab ihr neue Kraft. Die entkräfteten Beine beschleunigten noch einmal. Sie erreichte den Eingang zum Treppenhaus und riss die Feuerschutztür auf. Von unten hörte sie polternde Schritte, Keuchen, gebrüllte Anweisungen. Da konnte sie nicht hinunter.

    »Auf keinen Fall den Fahrstuhl nehmen«, hatte Ben gesagt. Verdammt, was war da nur schiefgelaufen.

    Finja riss sich zusammen. Jetzt nicht schwach werden. Zur Not kämpfen bis zum Ende. Das war sie der Sache schuldig.

    Sie rannte zum Aufzugschacht neben dem Treppenhaus. Verzweifelt drückte sie immer wieder die Taste, die eine Kabine nach unten rief. Langsam schwoll das Trampeln im Treppenhaus an. Sie kamen! Auch vom anderen Ende des Flurs wurden die Stimmen lauter.

    Finja zog ihre Pistole aus der Seitentasche ihrer dünnen Sommerjacke. Hektisch ließ sie ihren Blick zwischen dem Flur und der Feuerschutztür wandern. Sie wusste nicht, was sie mit der kleinen Handfeuerwaffe gegen die Männer mit ihren Gewehren ausrichten konnte. Sie dachte nicht darüber nach. Es war einfach keine Zeit.

    Endlich öffnete sich die Fahrstuhltür. Finja schlüpfte schnell in die Kabine. Nervös drückte sie den Knopf zum Erdgeschoss. Die Tür schloss sich. Noch hatte sich keiner der Verfolger gezeigt. Der Aufzug setzte sich in Bewegung. Finja atmete kurz auf.

    Schon im nächsten Moment spannte sich ihr Körper wieder an. Sie startete im neunten Stock. Acht Etagen, in denen man sie abfangen konnte. Ihr Herz raste. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie entsicherte die Waffe und zielte auf die Tür.

    Der achte Stock zog vorüber, ohne dass sie aufgehalten wurde. Auch in der siebten Etage öffnete sich die Tür nicht. Sie würden unten auf sie warten, schoss es ihr durch den Kopf.

    Sie hob ihren Blick und sah in die Kamera. Hatte wenigstens das funktioniert oder saß jetzt irgendwo einer von ihnen an einem Bildschirm, beobachtete sie und dirigierte seine Leute an die richtige Stelle.

    Oh, verdammt Ben, was hast du nur gemacht! Der Gedanke an ihn trieb ihr die Tränen in die Augen. Ärgerlich blinzelte sie diese weg. Heulen würde jetzt am Allerwenigsten helfen.

    Sie umklammerte den Griff der Pistole fester. Ihre Hand war feucht vor Aufregung. Sie hatte nie mit so einem Ding schießen wollen. Sie hatte auch keine Ausbildung an einer Waffe außer den Übungen in den letzten Wochen.

    Das musste reichen. Damit musste sie durchkommen. Das war sie den beiden schuldig, selbst wenn … Finja zwang sich, den Gedanken nicht zu Ende zu denken. Sie musste sich konzentrieren.

    Der erste Stock rauschte vorbei. Der Fahrstuhl bremste ab. Finja hielt die Waffe auf die Tür gerichtet. Hinter ihr würden sie stehen. Sie musste schießen, bevor einer von ihnen reagieren konnte. Verdammt, verdammt, sie hatte nie töten wollen und nun war es die einzige Option.

    Mit einem leichten Ruck kam der Fahrstuhl zum Stehen. Sie fragte sich, wie ein Gong so banal klingen konnte, der den letzten Schritt in eine Katastrophe ankündigte.

    Finja war bereit. Sie würde ohne zu zögern abdrücken, sobald sie jemanden vor sich sah. Ihr Herz klopfte wild, aber die Waffe zitterte nur leicht in ihrer Hand.

    Unendlich langsam öffnete sich die Tür.

    Einsatz

    An welchem Punkt beginnt eine Geschichte? Man kann mit der Geburt der Hauptperson beginnen oder besser noch mit dem entscheidenden Ereignis, das die Handlung auslöste.

    In diesem Fall ist der Zeitpunkt nicht eindeutig zu bestimmen. Eine Möglichkeit wäre, ihn als die Erfindung der ersten mechanischen Rechenmaschine im siebzehnten Jahrhundert oder des ersten elektromechanischen, programmierbaren Computers 1941 von Konrad Zuse zu definieren.

    Man könnte den Beginn der sich verselbstständigenden Ereignisse auch auf 1976, das Jahr der ersten Serienproduktion eines Personal Computers, dem Apple 1, datieren, oder auf 1969, als begonnen wurde, die Grundlagen für das heutige Internet zu entwickeln.

    Es gäbe auch gute Gründe, diesen Zeitpunkt erst auf den Beginn der massenhaften privaten Nutzung digitaler Kommunikation zu legen. Den Anfang also auf 1990, das Geburtsjahr des World Wide Web, 1998, das von Google oder 2004, das von Facebook, zu datieren.

    Verfehlt wäre es dagegen, die Gründung des technischen europäischen Geheimdienstes, der EUSA, der European Union Security Agency, in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts als Gegenstück zur amerikanischen NSA als Auslöser der Geschichte zu begreifen. Noch weniger sollte die kurz darauf gestartete EUNIX-Initiative als Ursache erachtet werden. Sie wurde nur als eine längst überfällige Reaktion ins Leben gerufen, um der bis dahin gängigen Kontrolle der gesamten europäischen IT-Infrastruktur durch amerikanische Behörden entgegen zu wirken.

    Wo immer man den Anfang von außen definiert, für Ben Schrader begann die Geschichte am 27. Mai 2048, auch wenn er morgens noch nichts von der Besonderheit dieses Tages ahnte.

    ***

    »Na, wieder mal spät gestern Abend geworden?« Mia lächelte ihn unverschämt munter an, als Ben kurz vor Beginn der Kernzeit das gemeinsame Büro betrat.

    »Spät schon, aber nicht, was du denkst«, antwortete er, während er seinen altmodisch wirkenden Rucksack schwungvoll neben seinem Schreibtisch auf dem Boden abstellte.

    »Was denke ich denn Falsches?«

    Durch ihr breites Grinsen wirkte ihr Mund noch etwas größer, als er ohnehin war. Wenn man es richtig nahm, war dieser Mund der einziger Makel in dem ansonsten außerordentlich attraktiven Gesicht.

    »Was weiß ich! Auf jeden Fall bin ich nicht deshalb zu spät ins Bett gekommen.«

    Ben quälte sich aus seiner Outdoor-Jacke. Er war froh, dass er sich abwenden konnte. So viel überschäumende Aktivität konnte er am frühen Morgen noch nicht vertragen. Missmutig schaltete er seinen Rechner an.

    »Ich setz mal einen Kaffee auf, willst du auch einen?«, fragte er.

    Mia schüttelte den Kopf. Sie hielt ihm ihre Tasse entgegen.

    »Ne, ich hab schon einen Tee. Neun Kräuter, schmeckt gut, solltest du auch mal versuchen, ist gesünder als immer dieses Koffein.«

    Auf diesen Spruch schüttelte Ben noch nicht mal den Kopf. Er wusste selbst, dass er zu viel Kaffee trank, trotzdem konnte sich seine Kollegin die Belehrungen schenken.

    Allerdings kannte sie ihn schon lang und gut genug, um seine Reaktionen oder besser seine Nicht-Reaktionen zu ignorieren. Das spöttische Lächeln umspielte noch immer ihren Mund, als er sich ihr gegenüber an seinen Schreibtisch setzte.

    »Also, was ist jetzt? Erzähl schon, welche aufregenden Erlebnisse gestern in deinem Single-Leben passiert sind!«, forderte sie ihn auf.

    »Na, nichts! Das sagte ich doch schon. Ich bin einfach gestern spät ins Bett gekommen.«

    »Klingt das jetzt etwa gereizt oder habe ich mich da verhört?«

    Anstatt zu antworten, klickte Ben auf seiner Tastatur herum.

    »Also war das Date gestern Abend nicht erfolgreich. Du bist abgeblitzt?«

    »Das hört sich ja fast so an, als würdest du dich darüber freuen. Hab ich da irgendwas verpasst?« Ben starrte Mia forschend ins Gesicht.

    Jetzt war es an ihr, zu schweigen. Noch immer breit grinsend wandte sie sich ihrem Rechner zu. Ben kam das ganz gelegen. Er war an diesem Morgen nicht zum Witzeln aufgelegt, auch wenn es nicht an dem lag, was Mia denken mochte.

    Tatsächlich hatte die Frau, mit der er sich am vorherigen Abend getroffen hatte, weniger Interesse an ihm gezeigt, als er gehofft hatte, aber das galt auch umgekehrt. Plötzlich hatte ihn während des Treffens seine Eroberungslust verlassen. Eine unbekannte Leere hatte ihn dann später in seinem Bett am Einschlafen gehindert.

    Verstohlen wanderte sein Blick zu seiner Kollegin, seine Verabredung am gestrigen Abend gehörte dem gleichen Typ Frau an wie Mia. Eine, mit der man Spaß haben konnte, aber auch nicht mehr.

    Entschlossen wandte er sich seinem Rechner zu. Seine Finger hämmerten auf die Tasten. Auf dem Bildschirm bauten sich die Ergebnisse des Programms auf, das er am Tag vorher noch gestartet hatte.

    »Das war ja einfacher, als ich dachte«, murmelte er.

    »Gibt es neue Erkenntnisse?« Mia schlenderte um ihren Schreibtisch herum und stellte sich hinter ihn.

    »Wäre ich gestern noch eine halbe Stunde im Büro geblieben, hätte ich die Ergebnisse schon gehabt.«

    »Und wie sieht es aus?« Mia begann sanft, seinen Nacken zu massieren.

    »Das ging viel zu schnell. Der Rechner ist verdammt schlecht gesichert. Wenn du mich fragst, ist das wiedermal eine dieser toten Spuren.«

    »Hör auf darüber nachzudenken, das ist Schönfelds Aufgabe. Schicke ihm die Sachen rüber. Damit ist unser Job erledigt.«

    Natürlich hatte Mia recht. Ihre Aufgabe bestand darin, die Rechner eines potenziellen Terroristen oder sonstigen Staatsfeindes zu knacken. Die Daten, die dabei erbeutet wurden, wertete die parallele Unterabteilung ihres Lieblingsfeindes Schönfeld aus.

    Wenn er nur daran dachte, dass dieser unfähige Versager seine Ergebnisse benutzen würde, um sich wiedermal gewaltig aufzublasen, stieg in ihm die Wut hoch. Die Kiste, die Ben gehackt hatte, gehörte mit Sicherheit einem Anfänger, wahrscheinlich irgendeinem Schüler, der sich aus unerfindlichen Gründen in den Maschen des Überwachungsnetzes verfangen hatte.

    Wütend sandte er die Ergebnisse an Schönfeld ab. Mias Finger in seinem Nacken taten gut. Vielleicht sollte er einfach wieder einmal mit ihr ein wenig Spaß haben, statt seinen trübsinnigen Gedanken nachzuhängen. Sie schien seine Gedanken erraten zu haben.

    »Hast du Lust heute Abend etwas zu unternehmen, ein Bier trinken oder so?«, fragte sie.

    Dabei ließen ihre Hände von ihm ab. Mia stellte sich so vor ihn, dass sie ihn provozierend anlächeln konnte.

    »Ich bin mit Finja verabredet. Wenn du möchtest, kannst du mitkommen«, redete sie weiter.

    »Finja, wer ist das?«

    »Eine alte Freundin aus meiner Studentenzeit. Ich habe dir sicher schon von ihr erzählt.«

    »Ach die geheimnisvolle beste Freundin, die keiner kennt. Hübsch?«

    »Von der lässt du schön die Finger. Das ist eine ›wirklich‹ gute Freundin, die ist zu schade für einen wie dich.«

    »Was soll das denn heißen? Was hältst du eigentlich von mir?«

    »Gar nichts! Ich kenne dich schließlich.« Breiter als Mia in diesem Moment grinste, ging es nun wirklich nicht.

    Ben setzte gerade zu einer gut gezielten Breitseite an, wurde aber durch eine plötzliche Unruhe auf dem Flur abgelenkt. Eine ganze Reihe von Kollegen hasteten an der offenen Bürotür vorbei.

    »Was ist, braucht ihr eine Extraeinladung?« Bens Chefin, Helen Karpen, steckte ihren Kopf durch die Tür. »Beeilung, Beeilung, Sondereinsatz, Gefahr in Verzug!«

    Wenn sich Helen nicht einmal die Zeit nahm, wenigstens zu grüßen, musste es wohl ein Notfall sein oder jedenfalls etwas, das irgendjemand dafür hielt.

    »Was ist denn eigentlich los?«, fragte er Detlef, auf den er traf, als er aus der Tür trat.

    »Schönfeld hat wieder ein Terrornest entdeckt.«

    »Hoffentlich ist es nicht wieder so ein Fehlalarm, wie beim letzten Mal«, kommentierte Mia, die zu den beiden Männern aufgeschlossen hatte und an ihrem Waffengurt hantierte.

    Ben fragte sich, warum seine Kollegin immer automatisch bei einem Sondereinsatz ihre Pistole umschnallte. Auch wenn sie in einer Gefahrensituation zum Einsatzteam gehörten, so blieben sie auch in diesen Fällen im Gebäude und saßen am Bildschirm.

    »Nicht, dass wir wieder so ein paar picklige Schüler aufschrecken, die nur die falschen Begriffe im Netz eingegeben haben.« Mia warf einen spöttischen Blick in die Runde.

    »Also ich wette darauf, dass das Ganze wiedermal ein Fehlalarm ist«, keuchte Detlef.

    Im Gegensatz zu Mia und Ben hatte er einige Pfunde zu viel auf den Rippen und war körperlich wesentlich weniger trainiert. Detlef Weisser saß zwar mit in ihrer Abteilung, arbeitete aber in einem Bereich, der nur am Rande mit ihren Hauptaufgaben zu tun hatte. Er überwachte gefährdete Personen.

    Sein Auftreten, aber mehr noch seine Einstellung zu seiner Tätigkeit, wirkte auf Ben eher schmierig. Vor allem aus diesem Grund hätte er sich nicht vorstellen können, diesen Kollegen zu seinem engeren Freundeskreis zu zählen. Um über Schönfeld zu lästern, reichte das kollegiale Verhältnis aber aus.

    Der Besprechungsraum besaß zweiundzwanzig Sitzplätze und die waren innerhalb von drei Minuten besetzt, wenn man von den zwei Stühlen an der Frontseite absah. Helen Karpen und Timon Schönfeld standen vor einem Whiteboard, das einen Innenstadtplan zeigte.

    »Wir haben Informationen, dass für heute in München ein Bombenattentat geplant ist«, begann Schönfeld, noch bevor das letzte Gemurmel im Raum erstorben war.

    Detlef atmete hörbar aus. »Wieder so eine Schülerbande, die mit einem Knallkörper im Wald zündeln will?«

    Etwa die Hälfte der Kollegen lachten auf. Allerdings kehrte sofort wieder Ruhe ein, als die Abteilungschefin jeden Einzelnen von ihnen mit einem bohrenden Blick bedachte. Helen wirkte derart ernst, dass es sich wohl doch um etwas Dramatischeres handeln musste.

    »Jeder von uns kennt die Informationspanne, die unseren letzten Einsatz ausgelöst hat«, sagte sie dann auch ohne ihr typisches Lächeln bei diesem Thema. »Diesmal gibt es keinen Zweifel. Ich möchte Sie daher bitten, den Erläuterungen des Kollegen mit dem nötigen Ernst zu folgen.«

    Schönfeld wartete schon ungeduldig, dass die gemeinsame Chefin zu Ende geredet hatte. Er räusperte sich, bevor er seinen Faden wieder aufnahm:

    »Es handelt sich um eine Gruppe von mindestens drei Personen. Sie haben genug Zutaten für Sprengstoff gekauft, um den halben Bahnhof in Schutt und Asche zu legen.«

    Weisser rollte mit den Augen. Er wusste wie jeder andere im Raum, dass das eine typische Schönfeld'sche Übertreibung war.

    »Um was für Typen handelt es sich denn?«, fragte Olaf Jaster. Er koordinierte die Einsatzmannschaft vor Ort.

    »Die Gruppe nennt sich ›Ritter des strahlenden Kreuzes‹«, antwortete Schönfeld.

    Die im Raum Anwesenden sahen sich gegenseitig fragend an.

    »Das ist eine bisher unbekannte, militante, christliche Terrorvereinigung«, erläuterte Helen.

    Ben stöhnte auf. Musste dieser Wahnsinn immer weiter zunehmen? Soweit er die Geschichte kannte, hatte es etwa in den Jahren um seine Geburt begonnen. Damals traten in Europa ausschließlich islamistische Gruppen auf und verbreiteten Terror.

    Wenige Jahre später fühlten sich auch christliche Fanatiker durch die Anschläge motiviert, ihre Vorstellungen mit Gewalt durchzusetzen. Spinner gab es auf allen Seiten. Gut, dass es wenigstens keine größere Gruppe von Hindus in Europa gab – die bombten ausschließlich in Asien.

    »Ist die Truppe vorher schon mal aufgefallen?«, fragte Jaster nach.

    »Es hat einen Brandanschlag gegeben, der der Gruppe zugeordnet wird«, erklärte Schönfeld.

    »Welche Größenordnung?«

    »Na ja.« auf Schönfelds feistem Gesicht bildete sich ein Schweißfilm. »Es war der Versuch einen Presseverlag abzufackeln.«

    »Der Versuch?« Jaster starrte den Kollegen an wie ein Wolf seine Beute. Auf Schönfelds Stirn bildeten sich erste Tropfen.

    »Dass das Attentat misslang, bedeutet nicht, dass die Gruppe als ungefährlich einzustufen ist«, kam ihm Helen zur Hilfe. »Der Brandsatz wurde nur durch einen glücklichen Zufall rechtzeitig entdeckt.«

    »Sonst ist die Bande noch nicht aufgefallen?«, sah sich nun auch Ben genötigt nachzufragen.

    »Wir gehen davon aus, dass es sich um eine relativ neue Vereinigung handelt.« Schönfeld gewann sein Selbstvertrauen zurück. »Die Planungen, soweit wir sie aufgedeckt haben, lassen auf mindestens ein groß angelegtes Attentat schließen.«

    »Wer führt den Einsatz durch?«, fragte Mia.

    »Die MAT, wer sonst?«, erwiderte Jaster unwirsch.

    »Wissen die bayrischen Kollegen das auch?« Mia sah ihn provozierend an, der Schalk stand ihr in den Augen.

    Mit MAT wurde die Mobile Antiterror-Truppe abgekürzt. Sie war nach mehreren teilweise verheerenden Bombenattentaten in den 20er Jahren gegründet worden und hatte die Aufgabe, schnell und effizient im Gebiet der Europäischen Union zuzuschlagen. In jedem größeren EU-Staat war eine Einheit dieser Truppe stationiert. Die MAT besaß weitreichende Befugnisse und Sondervollmachten, sodass sie nicht nur bei Bombenattentaten und Geiselnahmen, sondern praktisch bei jedem größeren bewaffneten Überfall eingriff.

    »Natürlich, der Einsatz ist mit allen zuständigen Stellen abgestimmt«, schaltete sich Helen ein.

    Praktisch hieß das, dass man die Landesstellen üblicherweise grob informiert und aufgefordert hatte, sich zurückzuhalten. Nach der geltenden Rechtslage konnten diese sich gegen ein solches Vorgehen auch nicht wehren.

    »Die Einsatztruppe ist bereits unterwegs und wird in spätestens einer Stunde am Zielort eintreffen. Bis dahin müssen wir alle Vorbereitungen abgeschlossen haben!« Die Chefin klang fest, trotzdem verkniff sich der größere Teil der Anwesenden das Stöhnen nicht.

    »Eine Stunde?«, fragte Ben ungläubig. »Das ist unmöglich zu schaffen!«

    »Deshalb sollten wir jetzt auch nicht weiter um die Sache herum reden und an die Arbeit gehen.«

    Helen gab Schönfeld ein Zeichen, der informierte die Anwesenden noch über die technischen Details. Keine fünf Minuten später hatte sich die Versammlung aufgelöst.

    »Na, prima! Eine Stunde! Bin ich Supermann oder was?«, schimpfte Ben. Alle direkt am Einsatz Beteiligten waren mittlerweile in den zentralen Krisenraum umgezogen.

    »Du solltest nicht so viel schimpfen, sondern sehen, dass du den Rechner der Terroristen knackst.« Mias Lippen umspielte ein ironisches Lächeln. Ihre beiden Schreibtische standen sich wie in ihrem eigenen Büro gegenüber. Ben war viel zu sehr beschäftigt, um zu antworten.

    Der Krisenraum sah aus wie ein Großraumbüro. Etwa zwanzig Leute saßen an ihren Schreibtischen und verrichteten die speziellen Aufgaben, für die sie in solch einem Fall zuständig waren.

    Schönfeld, Jaster und Helen standen vor der Längswand, an der drei riesige Bildschirme hingen. Aus einem sah der Kopf des Einsatzleiters der MAT auf die beiden herab. Über diesem Monitor war eine Kamera integriert, die das Bild der davor stehenden Personen zur Gegenstelle sandte, in diesem Falle also zum Einsatzleiter Vorort. Gemeinsam diskutierten sie darüber, wie der Zugriff erfolgen sollte und welche Schritte dazu als Nächstes notwendig waren.

    »Statt große Sprüche zu klopfen, könnte Schönfeld seine Arbeit mal richtig machen«, flüsterte Ben Mia über den Schreibtisch hinweg zu. »Die IP-Nummer, die er angeblich recherchiert hat, ist nicht vergeben, verdammt!«

    Einige Kollegen, an den Nebentischen grinsten ihm verschwörerisch zu, auch wenn Ben sie in diesem Moment nicht beachtete.

    »Wenn die Kerle am normalen Heimnetz hängen, wird die IP nachts immer automatisch geändert«, kommentierte Mia leise.

    »Das weiß ich auch!«, stieß Ben zwischen den Zähnen hervor. »Meinst du, Schönfeld hatte die Informationen schon gestern? Dem reiße ich den Kopf ab!«

    »Nun reg dich mal ab! Vielleicht ist der Bande aber auch der Router abgeschmiert und sie haben ihn neu gestartet.«

    »Das glaubst du doch selbst nicht.«

    »Also, wenn ich Schönfeld wäre, hätte ich nach dem Reinfall letztes Mal, diese Sache auch nicht an die große Glocke gehängt, ohne sie zwanzig Mal zu überprüfen.«

    »So viel Selbstkritik traue ich ihm nicht zu!«

    Weder Ben noch Mia schauten während des geflüsterten Dialogs von ihren Schirmen auf. Ihre Finger hackten auf die virtuellen Tastaturen ein, die vor ihnen auf den in den Schreibtisch eingelassenen sensitiven Bildschirmen dargestellt wurden. Sie unterbrachen das Tippen nur, um die grafischen Oberflächen zu bedienen.

    Sie arbeiteten jetzt schon jahrelang eng zusammen. In dieser Zeit waren spezielle Umgangsformen zwischen ihnen entstanden. Das Lästern gehörte dazu. Dabei ging es nicht unbedingt um die Person, die im Mittelpunkt ihrer Schimpfkanonaden stand, sondern in erster Linie um den Stressabbau. Dennoch spielte Schönfeld in diesem Zusammenhang häufig eine zentrale Rolle.

    Auch wenn beide leise sprachen, bekamen die an den Nebentischen sitzenden Kollegen den Dialog mit. Das war in diesem Moment auch gleichgültig, da sich fast die ganze Abteilung in ihrer Meinung über Schönfeld einig war.

    »Ben, hast du die Bande lokalisiert? Unsere Truppe muss los!«, fragte Helen in Richtung des manisch auf die Tastatur einhackenden Systemspezialisten.

    Er durchforstete gerade die Datenbank des zweiten der zentralen Internet-Anbieter. Für kabelgebundene Netze gab es drei. Die Datenbanken deckten auch die Mobilfunksparte dieser Provider ab. Es existierte ein weiteres Funknetz, aber Ben ging davon aus, dass die Bande wie die meisten Nutzer, die zuverlässigeren und leistungsstärkeren Kabelnetze bevorzugten.

    »Wir haben noch nicht die korrekte IP«, erklärte Mia, als Ben nicht antwortete.

    »Beeilt euch, die Zeit läuft ab«, antwortete Helen.

    Auf dem Wandschirm erkannte man, dass der Einsatzleiter schon mit den Füßen scharrte.

    »Da haben wir sie«, rief Ben endlich aus.

    »Hast du die IP? Schnell, gib sie mir rüber!«, forderte Mia ihn auf.

    Mit zwei Klicks hatte er die Nummer auf den Rechner seiner Kollegin geschickt. ›Klicks‹ nannte man in Anlehnung an vergangene Zeiten der IT-Entwicklung auch heute noch das Auslösen von Funktionen mithilfe des Tippens mit dem Finger auf den entsprechenden Bereich des sensitiven Bildschirms.

    Die beiden Spezialisten teilten sich die Arbeit. Mia begann auf der Grundlage der Netzwerkadresse, den Standort der Terroristen zu ermitteln. Danach würde sie die letzten Aktivitäten der Gruppe recherchieren. Währenddessen versuchte Ben mit einer Reihe von Spezialprogrammen, den Zielrechner unter Kontrolle zu bringen.

    »Wir haben die Adresse«, rief Mia in den Raum.

    Sekundenbruchteile später erschienen Straße und Hausnummer rechts unten auf dem Wandschirm. Natürlich bekam auch der Einsatzleiter vor Ort diese Informationen auf sein Gerät gespielt. Die Wohnung befand sich in einem der ärmeren Viertel in einer Hochhaussiedlung am Rande der Stadt.

    Sofort startete das MAT-Kommando und machte sich auf den Weg zur Zieladresse. Die Kunst bestand nicht darin, schnell zu dem angegebenen Ort zu gelangen, sondern dabei möglichst kein Aufsehen zu erregen.

    »Die verwenden einen handelsüblichen Router«, murmelte Ben unterdessen wohl wissend, dass ihm niemand zuhörte.

    Diese Router besaßen eine der EUSA bekannte Hintertür, über die die Behörde in das Betriebssystem der Geräte eindringen konnte. Die wenigsten Einwohnern der EU wussten, dass praktisch alle IT-Geräte über solche geheimen Schnittstellen verfügten. Im Namen der Sicherheit sollte das auch so bleiben. Die Öffentlichkeitsabteilung der Agentur verfügte schließlich über eine Untergruppe, die nur dafür zuständig war, Leute als Verschwörungstheoretiker zu diffamieren, die öffentlich darüber nachdachten, dass es etwas Derartiges geben könnte.

    Ben durchstöberte den Router. Nur drei Geräte hingen über ihn am Netz. Ein Laptop und zwei Smartphones. Ihm schwante Böses. Er öffnete eine spezielle Software, von der auch niemand außerhalb des inneren Kreises wusste, dass sie existierte, und fragte die geheime Schnittstelle der Geräte an. Sie gab eine Reihe von Daten zurück.

    In dieser Phase bestand der wichtigste Punkt darin, Informationen über das Betriebssystem zu erhalten. Grundsätzlich spielte es keine Rolle, auf welcher Grundlage das Gerät arbeitete. Ben konnte mit jedem System umgehen. Es ging nur darum, zu wissen, mit welcher Software er ansetzen musste.

    »Wir sind da. Wir gehen jetzt hoch«, verkündete der Einsatzleiter des MAT.

    »In Ordnung!«, erwiderte Olaf Jaster.

    »Einen Moment! Wo steht ihr denn? Was ist das für ein Haus?«, rief Schönfeld aufgeregt.

    »Mehrfamilienhaus, drei Aufgänge, sieben Stockwerke. Die Wohnung befindet sich im sechsten Stock«, brummte der Einsatzleiter.

    »Nichts überstürzen!« Schönfelds Stimme überschlug sich fast. »Wenn die alles zusammengemischt haben, was sie gekauft haben, reicht das, um den ganzen Block in Schutt und Asche zu legen.«

    Ben wählte währenddessen die Software aus. Ein Klick und der Datenstrom floss über Tausende von Kilometern hinweg durch zumeist unterirdische Kabel, bis die Bits und Bytes über die geheime Schnittstelle in das mobile Gerät eindrangen und sich dort festsetzten. Sekunden später arbeitete das Programm, von dem der Besitzer des Smartphones nichts ahnte, geräuschlos im Hintergrund. Von außen war es durch nichts zu erkennen.

    Auf Bens Bildschirm hingegen öffnete sich ein Fenster und zeigte den Erfolg der heimlichen Installation.

    »Die Kamera arbeitet, aber man sieht nur die Zimmerdecke«, informierte Ben seine Kollegen.

    Helen wies den Einsatzleiter an, sich zur Zielwohnung vorzuarbeiten.

    »Aber vorsichtig. Die Bande darf absolut keinen Verdacht schöpfen, solange wir nicht wissen, was da vor sich geht«, ermahnte sie ihn.

    Der Mann nickte leicht gereizt. Natürlich wusste auch er, um was es ging. Schließlich riskierten er und seine Leute ihr Leben, nicht die Klugscheißer in der Zentrale.

    »Gib mir mal die Daten des Handys rüber«, forderte Mia Ben auf.

    Wenige Klicks und alle wichtigen Informationen über das Gerät erschienen in einem anderen Fenster. Ben schickte sie Mia herüber. Jetzt kannte die Spezialistin die Telefonnummer und konnte weitere Recherchen durchführen. Ben wusste, dass sie in wenigen Minuten ein Netz aller Beziehungen des Besitzers des Mobiltelefons mit anderen Personen erzeugt haben würde. Diese würden wiederum durch sämtliche Filter laufen, über die die EUSA verfügte.

    »Das Gerät haben die irgendwo abgelegt. Man kann nichts sehen und es liegt zu weit weg, als dass man verstehen könnte, was die Typen sagen«, schimpfte Ben.

    »Ist das schon die volle Lautstärke? Mach mal lauter!« Helen kam zu ihm herüber, sah auf seinen Bildschirm und spitzte die Ohren.

    »Leg den Schirm auf die Wand«,

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