Südseetraum Samoa: Eine Reise zwischen Tradition und Moderne
By Harald Arens
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About this ebook
Er berichtet von seinen Erlebnissen und den liebenswerten Menschen, die er allenthalben antraf.
Noch weckt der Inselstaat in der Südsee traumhafte Bilder, aber die Verwüstungen durch heftige Wirbelstürme und der Anstieg des Meeresspiegels bedrohen das Paradies.
Meisterhaft versteht er die deutsche Kolonioalgeschichte lebendig werden zu lassen, denn vom Frühjahr 1900 bis Kriegsausbruch 1914 führte das Kaiserreich - milde - Regie.
Die deutsche Gemeinde fühlte sich kommunikationstechnisch ein wenig unterversorgt und verlieh z.B. 1905 ihrem Wusch Ausdruck, man möge doch eine Brieftaubenpost zwischen den Inseln einrichten, als der Postschoner "Elfriede" sich mal wieder verspätete.
Er führt in Sitten und Gebräuche ein, zeigte, dass eine Kokusnuss auch gut als Volleyball taugt, die Frau Premierminister als Inhaberin eines Tante Emma-Ladens eine gute Figur abgibt, beschreibt die ewigen Gastgeschenke, die zu erbringen sind, den Glauben an „Dämonenbefall“, das Vertrauen in die Ehrlichkeit des Fahrgastes, denn der Busfahrer zählt nicht nach.
Wie in vielen Kulturen, wo die Alten das Sagen haben, gibt es auch hier Probleme und wachsenden Konfliktstoff für die Jüngeren, denn von ihnen wird erwartet, dass sie ihren Verdienst aus dem Ausland brav nach Hause expedieren.
Kurzum: Ein herrliches Buch, interessant, kurzweilig, ein richtiges Lesevergnügen für jeden Reisenden und Samoa-Liebhaber.
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Book preview
Südseetraum Samoa - Harald Arens
Buchhandel
Südsee-Traum Samoa
Eine Reise zwischen Tradition und Moderne
Harald Arens
interconnections
Impressum
Südsee-Traum Samoa, Bd 14 Reisetops
Eine Reise zwischen Tradition und Moderne
Harald Arens
Fotos: Fotolia
Buchumsschlag, signs, Sonja Münkner, Freiburg
copyright interconnections Freiburg
ISBN 978-3-86040-214-6, E-Book
2014
interconnections, Schillerstr. 44, 79102 Freiburg
Tel. +49 761 700 650, Fax +49 761 700 688
info@interconnections.de
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Vorwort
Ursprung des Namens Samoa
Um den Ursprung des Namens Samoa ranken sich mehrere Legenden.
Eine, wohl die schönste, erzählt von Tagaloa, dem Gott im zehnten Himmel, dem höchsten und mächtigstem Herrscher über Himmel und Erde – der eines Tages eines seiner Kinder, den Sohn Lu, wegen Aufsässigkeit und schlechten Benehmens auf die Erde verbannte.
Lu war auf die Insel Upolu geflüchtet, lebte in der Nähe von Uafato und hielt dort auch seine „heiligen Hühner, die er auf der Flucht mitgenommen hatte, sorgfältig unter Verschluss. Niemand, selbst seine treuen Gefolgsleute durfte sich diesen „heiligen Hühnern
nähern.
Tagaloa, ein leidenschaftlicher Fischesser, schickte Tag für Tag einige seiner Männer zum Fischfang auf die Erde.
Als eines Tages die Männer kein Fangglück hatten, aber auch nicht mit leeren Händen heimkehren wollten – sie fürchteten sehr den Zorn und die Strafe ihres Herrn – suchten sie verzweifelt nach einem Ausweg aus ihrer Misere.
Als sie in der Nähe von Uafato das Gegacker von Lus heiligen Hühnern hörten, beschlossen sie daher, einige Hühner zu stehlen – was auch gelang.
Doch als Lu den Diebstahl bemerkt hatte, folgte er den Dieben bis hinauf in den neunten Himmel, stellte sie dort, um sie zu erschlagen.
Tagaloa, durch den Lärm und das Getöse aufgeschreckt erfuhr so, was geschehen war. Er bat seinen Sohn für die Untat seiner Männer um Verzeihung und schenkte seinem Sohn als Entschädigung seine schönste Tochter Masinatatailago zur Frau.
Und er befahl: Lu und Masinatatailago werden für alle Ewigkeit aus seinem Reich im Himmel vertrieben. Die Erde trägt von nun an den Namen
SAMOA
Sa – heilige – Moa – Hühner
___________________________________
Auslandsaufenthalt, Bildung, Jobben
Tausende von Möglichkeiten, kostengünstig oder gar umsonst die Welt anzusehen. Ratgeber zu den Themen Aupair, Freiwilligendienste, Jobs, Praktika, Working Holiday
interconnections-verlag.de > Katalog
Talofa Samoa, hallo Samoa
Geografisch gesehen bist du ein Zwerg. Blickt man aber in deine Vergangenheit – in Kultur und Geschichte – steht dort ein Riese.
Zahllose aufregende und geheimnisvolle Legenden erzählen vom Ruhm und Glanz deines Volkes, das vor mehr als zweitausend Jahren auf den Inseln des Archipels eine neue Heimat fand. Sie berichten von der Verteidigung dieser Heimat gegen Feinde von außen aber auch von schmachvollen Bruderkämpfen, und sie erinnern an das kulturelle Erbe, das mit seinen Sitten und Bräuchen noch heute im fa'a samoa lebendig ist.
Namhafte Anthropologen, Ethnologen und Soziologen haben sich bisher mit Samoa beschäftigt und in eindrucksvoller Weise über das Land berichtet.
Dem schönen Land mit einem kaum vorhandenen touristischen Unterbau jedoch so viel wie möglich an Ereignissen des täglichen Lebens – mehr als eben durch eine spaltbreit geöffnete Gardine zu sehen oder beim Smalltalk am Swimmingpool zu hören ist – zu entlocken, schien mir eine interessante und reizvolle Aufgabe.
Das bedurfte in erster Linie der Begegnung mit den Menschen, deren Heimat noch immer das Bild eines Paradieses anhaftet. Aber auch Gespräche mit jenen, die wie ich nur besuchsweise gekommen waren oder für die das Land inzwischen zu einer Art Endstation geworden war.
Werden sollten daraus Impressionen, wenn möglich umrankt von Geschichtchen aus dem samoanischen Anekdotenschatz, mit bereits vorhandenen Erkenntnissen der Wissenschaft, umrandet von Faksimilis alter Fotos und Zeitungen und vielen eigenen Fotos – zum besseren Verständnis und zur gelegentlichen Erheiterung.
In der schönsten Jahreszeit nämlich von Juni bis September waren es nicht nur die weitabgelegenen und hinreißend schönen Dörfer und Strände auf Upolu und Savaii, die es mir angetan hatten. Auch in der Hauptstadt Apia fühlte ich mich, immer wenn meine Neugierde mich mal wieder aufgestachelt hatte, meine Nase in irgendwelche Dinge zu stecken, sehr wohl.
Wieder daheim, machte ich mich an die Arbeit, um das gesammelte Material auszuwerten, stellte einige Lücken fest, und fand so ein Alibi für eine erneute Reise.
Über den Jahreswechsel dann erlebte ich dann Samoa von einer etwas anderen Seite – klimatisch gesehen. Der Sommer hatte nämlich mit hoher Luftfeuchtigkeit, tagelangen Regenfällen, Taifunen und Überschwemmungen Einzug gehalten, was hin und wieder klamme, ja sogar im Koffer verschimmelte Kleidungsstücke bedeutete. Doch sobald die Sonne wieder schien, waren diese kleinen wetterbedingten Misslichkeiten schnell vergessen.
Heute, Jahre später, wird dieses Vorwort die letzte Manuskriptseite sein.
Den Herren
Hayo Breckwoldt, Konsul von West-Samoa in Hamburg,
Dr. Karl Marschall in Apia,
Jack Netzler, Minister für Post und Verkehr in Apia
und Wolfgang Nelke vom Museum für Völkerkunde in Berlin-Dahlem sowie vielen Samoanern
danke ich herzlich für ihre Hilfe beim Zustandekommen dieses Buches.
Die Namen offizieller Personen beziehungsweise von Personen aus dem „öffentlich-gesellschaftlichen" Leben blieben im Gegensatz zu denen zahlreicher anderer Personen in Dörfern und sonstwo im Lande unverändert.
Harald W. Arens
Samoa
Einführung
Dazu einiges über Land und Leute vom Tag der sogenannten „Entdeckung" bis heute.
„Die alte Welt, von unseren polynesischen Vorfahren geschaffen, ist verschwunden, und eine neue Welt ist dabei, sich zu formen.
Die Steintempel sind zerstört und die Tempeltrommeln und Muscheltrompeten sind seit langem stumm.
Tane, Tu, Rongo, Tagaloa und die anderen Mitglieder der göttlichen Familie des Himmelsvaters und der Erdenmutter haben uns verlassen. Die großen Reisekanus sind zu Staub zerfallen und die Hochseekapitäne und erfahrenen Handwerker sind in das Geisterland eingegangen.
Die Schmuckzeichen und Symbole der alten geistlichen und weltlichen Gewalten sind unter den Museen anderer Völker verteilt. Der Glanz des Steinzeitalters hat Polynesien verlassen."
(aus „The Vikings of the Sunrise" von Peter Buck).
Sie scheinen fast endlos zu sein, die Wasserflächen des Südpazifiks, der in diesem Teil zu Polynesien gehört.
Hin und wieder auftauchende Atolle wirken aus der Vogelschau oft wie auf dem Wasser schwimmende kostbare grüne Halsketten, die sich vom Meer treiben lassen. Ihr Anblick, und der der türkisfarbenen Lagunen, hat schon so manchen ins Land sensibelster Träume versetzt und nicht wieder losgelassen.
Tagaloa, höchste Gottheit im zehnfältigen Himmel, soll der Schöpfer gewesen sein, und sein Meisterwerk vollbrachte er, als er das Archipel Samoa schuf.
Das geschah so:
Als er eines Tages wieder einmal auf die öde Weite des Meeres blickte, verlangte es ihn nach einem Ort der Stille. Da zerschmetterte er einen riesigen Felsen zu kleinen Brocken und warf diese wie eine Kette in den Ozean.
So entstand die Inselgruppe Samoa mit hohen Bergen und üppiger Vegetation, bestehend aus mehreren Inseln, von denen die großen, Upolu und Savai mit einigen vorgelagerten Inselchen zum heutigen Staatsgebiet West-Samoa gehören. Einem Land, das zweifellos zu den schönsten im Südpazifik zählt, und dessen Bewohner ihre Heimat als die Wiege Polynesiens bezeichnen.
Ein Paradies?
„Come to the paradise of the Southsea".
Mit diesem und ähnlichen Werbesprüchen wurde in den dreißiger Jahren vornehmlich in den USA geworben.
Erzählungen und Berichte über gefährliche Entdeckungsreisen, Romane und Filme, nicht zuletzt das 1928 erschienene, zum Bestseller avancierte, Buch der Anthropologin Margaret Mead „Coming of Age in Samoa" über angebliche Promiskuität und freie Liebe, waren für geschäftstüchtige Reiseveranstalter Wasser auf ihre Mühlen.
Was Gauguin, von großer Liebe zu Polynesien erfüllt, so farbenprächtig auf die Leinwand gebracht hatte - ... nun war es zum Greifen nah!
Südsee!
Inbegriff für märchenhafte Schönheit, traumhaftes Glück und Wildromantik, für milchkaffeebraune blumenbekränzte Mädchen mit wippenden Grasröckchen, für sich im silbernen Mondlicht wiegende Palmen, für blaues Meer und weißen Strand, für Sonne, für Freiheit und Liebe im Überfluss!
Journalistische Auseinandersetzungen mit reißerischen Kolportagen über die Südsee machten den Leser eher neugierig als ihn abzuschrecken, wie folgender, Anfang der zwanziger Jahre erschienende, Artikel vermuten lässt.
„Von den Orgien des bereits als sagenhaft geltenden Volkes auf Tahiti erzählt man sich märchenhafte Geschichten, von Orgien, bei denen Cäsarenräusche durch Blumen und harmlose Kindlichkeit veredelt und verklärt wurden."
Die durch Unschuld gemilderte Orgie, möchte man in Vertiefung des bekannten Wortes sagen.
Jede Schilderung ist individuell, die des alten Seefahrers war überhaupt nichts anderes – sechs Monate und länger Seefahrt, nichts als Himmel und Salzwasser – mit dem Trank im Leibe sah er bald Helena in jedem Weibe.
Die Weißen in ihren fantastischen Anzügen erschienen den Insulanerinnen als Götter, und diese Götter durften alles verlangen, auch die seltsamsten Liebesriten.
Später mischte sich das Geschehene – Ursprüngliches und selbst erst Mitgebrachtes – zu einem Bild, das je nach der individuellen Erfahrung in liebevollem oder gehässigen Sinne zu gegebener Zeit literarisch verwertet wurde.
Und inzwischen war man wieder zu Hause im Kreise der Familie, an der Seite der züchtigen Gattin, und man schämte sich ein klein wenig, man hatte einen „Moralischen", wogegen es ja bekanntlich kein besseres Mittel gibt, als die Spender der Lust, an denen man sich berauschte, zu verunglimpfen – mehr oder weniger, je nach Temperament.
„Der Wein war gepantscht, die Zigarren miserabel, und die Weiber Dirnen, das ist so oft die Dankbarkeit des „lendemain
.
Tahiti ist nicht mehr – jetzt heißt es Samoa.
Jetzt klingen von dort so merkwürdige schwüle Lieder herüber. Jetzt werden die samoanischen Dorfjungfrauen so gerne begeistert geschildert und abgebildet, wie einst die Mädchen von Tahiti, nur dass es damals noch keine Fotografien und keine Reklameplakate gab."
Dass Samoa – gemeint ist das heutige West-Samoa – damals nicht das gleiche Schicksal wie Tahiti ereilte, dass es bis auf den heutigen Tag Überlieferung und Kultur nahezu bewahren und sich fast ungeschädigt der westlichen Plastik-Kultur erwehren konnte, erscheint wie ein Wunder und ist doch keines. Denn hierfür gibt es Gründe, die sich durch den Ablauf der Geschichte selbst erklären.
Die „Entdeckung durch den Admiral Roggeveen am 14. Juni 1722 und die sich anschließende Christianisierung brachten in der Tat gewisse Veränderungen mit sich – aber lediglich eine Humanisierung des Lebens der „Wilden
, wie die Kirche es auszudrücken pflegte.
25 Jahre nach der „Entdeckung" lassen ein paar Zeilen in einem deutschen geografischen Lehrbuch über das Land nur ahnen, was sich in diesem so fernen Teil der Erde abspielte. Es wird von der außerordentlichen Fruchtbarkeit der Inseln und dem Kunstfleiß seiner Bewohner berichtet, und
„... doch zeigen die Einwohner, die von der oceanischen Rasse sind, wenigstens in ihrem Benehmen gegen die Europäer, viel Wildheit und Rohheit; indeß befinden sich gegenwärtig auf einigen dieser Inseln Missionäre, um das Christenthum zu verbreiten."
In der Tat, Wildheit und Rohheit hatten seit der Ankunft des Weißen Mannes um sich gegriffen.
Die Besuche weiterer Entdeckungsfahrer und später der Walfänger weckten immer mehr die Begehrlichkeit der Eingeborenen nach den brillianten technischen Produkten, dem Handwerkzeug, den Waffen und anderen Dingen und verleitete sie zum Stehlen. Es wurde berichtet, dass Häuptlinge ihre Frauen oder Töchter gegen Rum und Gebrauchsartikel fortgaben, und beispielsweise der kupferne Schiffsnagel eine Rolle spielte.
Entstand so der Mythus von freier Liebe, weil nur von Fall zu Fall habgierige Angehörige Frauen und Mädchen zur Liebe zwangen?
Oder hatten die Chronisten vielleicht vergessen, dass es damals wie auch noch heute bei einigen Naturvölkern zur Etikette gehört, dem Gast die schönste Tochter als Geschenk anzubieten?
Die von den Fremden mitgebrachten Krankheiten und deren erschreckende Folgen und Ausmaße, die Ausbeutung der Bevölkerung durch skrupellose Befriedigung eigener Bedürfnisse – Gewinnsucht und vieles mehr – waren für die Eingeborenen Grund genug, mit Wildheit und Rohheit zu antworten.
Vom Pioniergeist beseelte Missionare machten sich alsbald an die Arbeit, um im Namen Gottes die heidnischen Wilden zu bekehren und zu guten gottgläubigen Menschen zu erziehen.
Und nichts war einfacher als das! Konnte man doch auf reiche Erfahrungen der Christianisierung in vielen anderen Ländern zurückblicken.
Man wusste, sollten die Bemühungen schnell, erfolgreich und möglichst reibungslos ablaufen, mussten zuallererst die Häuptlinge bekehrt werden. Die Kirche ging bei ihrer Taktik davon aus, dass nach polynesischer Mythologie die Häuptlinge unmittelbare weltliche Nachfahren ihrer Gottheiten waren, und die Kirche ihnen daher mit der Taufe einen gleichwertigen Stand anbieten müsse.
Der Trick, sie zu direkten Nachfahren Jehovas zu machen, musste daher schon auf Grund der bei den Eingeborenen vertretenen Auffassung, die Weißen kämen als Abgesandte der obersten polynesischen Gottheit, dem Tagaloa, verfangen – und so war es denn auch. Dass Tagaloa den Namen wechseln und fortan Jehova heißen würde, schien ihnen belanglos, solange ihr Status erhalten blieb.
Ein Beweis für die von den Weißen ausgehende Faszination dokumentiert sich bei der Entstehung des Wortes Papalangi (heute verkürzt Palagi) die Bezeichnung für die Weißen.
Papalagi heißt: Der aus dem Himmel Kommende.
Das bereits ziemlich lädierte Paradies zu reparieren, waren die Missionare allerdings nicht in der Lage.
Alkohol, Krankheiten, wie Masern, Grippe und Keuchhusten hatten schon unzählige Opfer gefordert, und Hautkrankheiten verbreiteten sich in erschreckendem Maße.
Den Missionaren schien es viel wichtiger, die Eingeborenen zum Tragen von Mieder und Beinkleid anzuhalten – anstelle von Lendenschurz und Bastrock, welche nach ihrer Auffassung die christliche Moral verletzten – als beispielsweise auf mehr Hygiene hinzuwirken. Die durch missionarische Prüderie entstandene Anordnung, von Frauen und Mädchen die Bekleidung des Oberkörpers zu verlangen, war nur ein Beispiel ihrer absolut weltfremden Denkweise. Der Schweiß, der bisher für einen natürlichen Temperaturausgleich gesorgt hatte, setzte sich fortan in der Oberbekleidung der Frauen fest und führte so zur Ausbreitung von Erkältungen und Lungenerkrankungen.
Man schätzt heute, dass die Bevölkerung durch Krankheiten und andere Einflüsse von außen in den Jahren von 1840 bis 1880 um ein Drittel sank.
Auf der politischen Bühne hatte Samoa Ende des vergangenen Jahrhunderts seinen ersten internationalen Auftritt.
Andauernde Stammesfehden hatten die damaligen Großmächte USA, Großbritannien und Deutschland auf den Plan gerufen, und die Machtkämpfe zwischen den zwei rivalisierenden samoanischen Königshäusern, bei denen sich mal das eine dann wieder das andere Königshaus unter den Schutz einer der Großmächte zu stellen wünschte, führten zu Misstrauen und Intrigenspielen zwischen den Großmächten. Samoa war für sie koloniales Interessengebiet, und als Zeichen der Stärke hatte sich im Frühjahr in der Bucht vor der Hauptstadt Apia eine furchterregende Armada versammelt.
Die USA und das deutsche Kaiserreich mit je drei Kriegsschiffen, Großbritannien mit einem Kreuzer.
Doch ein nicht vorauszusehender gewaltiger Taifun sollte über Nacht für alle Beteiligten die große Ernüchterung in das Säbelrasseln bringen. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden fegte das Unwetter die gesamte Kriegsmaschinerie der Großmächte von der Bildfläche und gab kein Pardon, bevor nicht alle Schiffe – mit Ausnahme der englischen „Calliope" – gesunken waren oder zerborsten auf dem Korallenriff lagen.
Zutiefst betroffen von dieser Katastrophe, bei der hunderte von Matrosen ertranken, setzten sich die beteiligten Mächte schon kurz darauf im April 1889 in Berlin zur „Berliner Konferenz" an den Verhandlungstisch.
In der deutschen Presse wurde das Ereignis damals u.a. wie folgt kommentiert:
„Nachdem es in der letzten Zeit erneut zu Unruhen und Interressenstreitigkeiten auf den Samoa-Inseln (die Vereinigten Staaten, England und Deutschland sind dort durch Konsuln vertreten) gekommen ist, lädt Deutschland die beiden Länder zur Regelung der Samoafrage zu einer Konferenz nach Berlin ein."
Die „Konservative Korrespondenz" weist die gehässigen Vorwürfe freisinniger Blätter, die behaupten, die ertrunkenen deutschen Seeleute seien die Opfer einer falschen deutschen Politik geworden zurück und schreibt:
„Furchtbares Unheil ist über Deutschlands junge Kriegsmarine hereingebrochen. Drei stolze Fahrzeuge ihrer Kriegsflotte, welche im australischen Weltmeere die Ehre und Rechte der deutschen Flotte energisch vertreten, sind Opfer der Fluthen des Oceans geworden."
Durch den Berliner Vertrag wurde West-Samoa deutsches Schutzgebiet, während Ostsamoa – das heutige „American-Samoa" – den USA zugesprochen wurde.
Neuseeland, 1920 vom Völkerbund beauftragt, regierte und verwaltete das Land bis zu seiner Selbständigkeit im Jahre 1962. Die letzten damals noch im Lande lebenden Deutschen wurden ausgewiesen.
Hatte die Bevölkerung den Deutschen während der vierzehnjährigen Kolonialzeit noch Achtung, ja teilweise sogar Bewunderung, entgegengebracht, folgte nun eine Zeit des hasserfüllten Auflehnens gegen die unnachgiebige Bevormundung der Besatzungsmacht Neuseeland. Eine sich damals zur deutschen Zeit schon formierte Widerstandsgruppe, die Mau, erstarkte, und zwischen ihr – an ihrer Spitze mit hochgestellten samoanischen Persönlichkeiten besetzt – und den Neuseeländern kam es zu vielen blutigen Auseinandersetzungen, zu Verhaftungen, Strafaktionen und Deportationen.
Das Land, nun wieder dauernd in Unruhe, belegten die Besatzer nun mit Prohibition.
Im Januar 1932 beschloss der Administrator General Hart den offiziellen Import von Spirituosen in kleinen Mengen für verantwortungsbewusste (responsible) Europäer zu gestatten – von „responsible Samoans" war nicht die Rede – verschwand sehr bald aus den Schlagzeilen der Weltpresse und geriet in Vergessenheit.
Heute, nun schon seit fast drei Jahrzehnten unabhängig, wird West-Samoa durch ein Zweikammersystem ähnlich dem englischen mit einem Head of State an der Spitze regiert.
Die Bevölkerung lebt wie eh und jeh in Dorfgemeinschaften (Communities). Diese bestehen jeweils aus einer oder mehreren Familien, deren Oberhaupt immer ein Matai ist. Er hat seinen Titel ererbt und kann ihn oft durch Stammbäume weit zurückverfolgen. Matais haben in der Häuptlingsversammlung, dem dörflichen Fono einen festen Platz. Die Menschen leben und arbeiten unter ihrer Authorität – so wie's immer war.
Diesem durch Tradition verbrieften Machtanspruch der Häuptlinge hat der Staat bei der Ausarbeitung der Verfassung angemessen Rechnung tragen müssen. Müssen! – da anzunehmen ist, dass die Häuptlinge selbst die Väter der Verfassung waren.
So bestimmt diese Verfassung unter anderem auch, dass nur Häuptlinge das aktive und passive Wahlrecht ausüben dürfen. Ein göttliches Vorrecht aufgrund ihrer Geburt! Daher wird es auch im Parlament, so das Häuptlingssystem besteht, kaum Frauen geben. Bis auf eine nicht belegte Ausnahme konnte sich bisher keine Frau als Häuptling qualifizieren.
(Anm.: Am 30. Juni 1988 waren von 31055 Parlamentariern in hundertdreißig Ländern nur 3739 Frauen.)
Was den Fremdenverkehr und seinen Einfluss auf Kultur und Traditionen betrifft, so stellt sich – auch im Parlament – immer erneut die Frage, ob seine Förderung mit Augenmaß wirklich Gefahr in sich verbergen kann.
Mit dem Bau weiterer Hotels und der nach wie vor bestehenden Planung eines großen internationalen Hotels, dem „Royal Samoa", mit dessen Bau schon 1989 begonnen werden sollte, bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese touristischen Initiativen nach sich ziehen werden.
Bisher kommen Besucher aus aller Herren Länder nach wie vor nur in kleinen Gruppen oder als Individualreisende ins Land.
Man steigt in einem der beiden großen Hotels in der Hauptstadt Apia ab, dem 1990 erweiterten und modernisierten „Aggie Grey's, bekannt wegen seines Südseeflairs, oder dem „Tanoa Tusitala
(vor dem Brand: „Kitano Tusital"), weil's dort etwas lockerer zugeht.
Das nur für zwei oder drei Tage und meist im Rahmen einer organisierten Südseetour. Man nutzt die touristischen Angebote des Hotels, setzt sich in den Hotel-Minibus und lässt ein Standardprogramm für sich ablaufen.
Paradise-Beach
Ein Muss?
Schließlich wurde dort in den fünfziger Jahren die Hollywood-Südsee-Schnulze „Return to Paradise" mit Gary Cooper gedreht. Seine Fans sollen sich heute noch gern im damals vom Star bewohnten Bungalow bei Aggie Grey's, der jetzt seinen Namen trägt, einmieten.
Sliding Rocks
Im Strom des Wasserfalls rutscht man mit einem Mordsgaudi über den glatten runden Felsen hinein in das glasklare Wasser des Felsenpools.
Residenz des Head of State, seiner Hohheit Tanumafili II
Sie lohnt eine Besichtigung schon deshalb, weil sie ehemals Wohnsitz Robert Louis Stevensons war. Falls der „Malietoa" zufälligerweise noch zu einem Schwätzchen bereit sein sollte, wird der Besuch durch seinen Charme bestimmt zu einem Erlebnis werden.
Ist dieses oder ein ähnliches Programm aber geschafft, meint man, alles gesehen zu haben. Die Zeit ist ohnehin knapp, denn schon drängt die Weiterreise nach Tonga, auf die Cooks oder sonstwohin – je nach Plan.
Keine Zeit mehr für die schöne, unberührte Natur? Für rauschende Flüsse, Wasserfälle, Seen, Lagunen, schneeweiße Strände, blaues Meer und endlose Palmenhaine?
Keine Zeit für die unendliche Vielfalt von Farben, für Blumen vor den Häusern und überall wo man hinsieht – duftende Blumen und Früchte als Körperschmuck der Menschen? ... und
Keine Zeit für die Menschen?
Sasmoanische Busse sind das ideale Verkehrsmittel zum Kennenlernen des Landes. Sie sind alles andere als Luxusfahrzeuge und befördern nicht nur Menschen. Oft stapeln sich in den Gängen meterhohe Ladungen – von Kokosnüssen bis zum Fertighaus. Die Holzbänke sind hart, die Straßen mies, und die Fahrt kann zum Abenteuer werden. Mit Bus erreicht man auch das entlegenste Dorf.
Eine Reise zum östlichen Teil der Insel Upolu nach Aleipata zählte zu einem der Höhepunkte meiner Unternehmungen per Bus.
Eingepfercht zwischen Menschen und Ladung ging es drei Stunden über durch Regen ausgewaschene Straßen mit tiefen Schlaglöchern, durch Regenwald mit monströsen baumhohen Farnen – durch eine Urlandschaft, in der ein plötzlich auftauchender Saurier nicht überrascht hätte.
Am Ziel dann die Belohnung für die kleine Strapaze.
Kilometerlange Strände, die dem Cape Tapaga vorgelagerte Insel Nuutele – auf ihr sollen nur Geister und Dämonen wohnen – und verträumte Dörfer, die vieles vergessen machen, was einem sonst oft so wichtig zu sein scheint.
Auf diese Weise, kombiniert mit der Autofähre von Mulifanua nach Salelologa gelangte ich auch zur äußersten Westspitze der Insel Savaii, verlebte dort einige erholsame Tage im kleinen, zauberhaften Vaisala Hotel, begegnete im benachbarten Dorf als Gast des Häuptlings Malufau der bestrickenden Gastfreundschaft der Samoaner und traf dort auch auf Pastor Filipo. Seine freundlichen aber sehr bestimmenden Worte über den verderblichen Einfluss von Fremdenverkehr und Fernsehen klangen mir immer wieder in den Ohren, wenn mir irgendwo auf meinen Reisen ein anderer Filipo begegnete – denn es gibt im Land eine stattliche Anzahl von ihnen.
Denn es ist die Kirche, die sich in diesen für das Land so wichtigen Fragen engagiert und sich heute schützend vor die samoanischen Traditionen stellt, die sie in Gefahr sieht.
Man muss schon eine der zahlreichen Debatten über den Fremdenverkehr im Parlament beobachtet habe, bei denen sich die Herren Abgeordneten zwar immer sehr engagiert zeigen, um zu erkennen, dass man sich immer wieder im Kreise dreht, wenn es um Beschlüsse geht. Einerseits blickt man natürlich sehr neidisch nach Tahiti, wo der Touristendollar nur so rollt. Man ist zwar arm