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Klagenfurt - es reicht! Celovec - Dost nam je!: Kärntner Autoreninnen und Autoren schreiben über die Landeshauptstadt
Klagenfurt - es reicht! Celovec - Dost nam je!: Kärntner Autoreninnen und Autoren schreiben über die Landeshauptstadt
Klagenfurt - es reicht! Celovec - Dost nam je!: Kärntner Autoreninnen und Autoren schreiben über die Landeshauptstadt
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Klagenfurt - es reicht! Celovec - Dost nam je!: Kärntner Autoreninnen und Autoren schreiben über die Landeshauptstadt

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Es reicht! – Dost nam je!
Manchen genügt es. So wie Klagenfurt sich zeigt.

Es reicht! – Dost nam je!
Andere haben genug von diesem langsamen Siechtum in gepriesener Schönheit.

Kennt man in Kärnten die Wut? Gibt es so etwas wie enttäuschte Aggression, die sich nicht gegen sich selbst richtet, sondern nach den Ursachen greift und auch bei der Beseitigung derselben Hand anlegt?

In Kärnten wurde das Schweigen zwar nicht erfunden, aber zumindest auf hohem Niveau kultiviert. Schweigen, um niemandem zu schaden, schweigen, um sich selbst nicht zu verunsichern, schweigen, um nicht einen Schlussstrich ziehen zu müssen. Schweigen, um in Ruhe gelassen zu werden.

Schweigen brechen. Autorinnen und Autoren, die in Kärnten geboren sind, verschiedenste Erfahrungen mit Kärnten gemacht haben, vermittels Kärntner gemacht haben, die geblieben sind, die fortgegangen sind, die hierhergekommen und geblieben sind, schreiben über Klagenfurt / Celovec.

Es ist uns die Beschäftigung mit der Landeshauptstadt, die für viele noch immer ihre Landeshauptstadt ist und die ein neues Leitbild sucht, ein Anliegen. Schreibend gestalten Autoren mit, mit Argumenten, kreativen Anregungen, im Zorn oder im Versöhnungsmodus.
LanguageDeutsch
PublisherDrava Verlag
Release dateJun 29, 2016
ISBN9783854358114
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    Klagenfurt - es reicht! Celovec - Dost nam je! - Drava Verlag

    2016

    Mimi Wulfend Superstar

    von Miriam Auer

    Ich bin dann mal weg, sagt die Wulfenia. Und ehe man sich versät … Und ehe man sich versieht, hat Flora uns hier verlassen. Zur Tour um den Globus. Sie weiß nicht, ob sie zurückgeweht werden will. Ich bin dann mal ich, sagt eine menschliche Mimose von hier, aus dem Bundesland mit dem Umlaut, der nicht von einem -österreich im Suffix herrührt. Vielleicht sagt man bei uns deshalb so gerne Äh, auf vielerlei Art und Weise. Äh ja, ich komme aus Kärnten. Das Äh laut und schuldbewusst. Kärnten flüsterleise. Wie in einem erzwungenen Geständnis.

    Wenn man gesehen werden will, kann man eigentlich nur in die Landeshauptstadt gehen, denken viele. Klagenfurt, Gegenstand uninspirierter Wortspiele. Bachmann, Lavant, Musil – und die grandiosen lebendigen Künstlerinnen und Künstler, von denen man zu wenig spricht, sieht und hört. Schlachthofskandal, nicht überraschend für die mit Gefühl. Die namenlosen Geister in der Maschinerie, die man gerne verschweigt. Klagenfurt: erzählt vom Blut und von der Pleite. Aber auch von der Uni, dem See, der Kultur. Von denen, die niemals aufgeben. Die im Stadtgarten ackern und alles beleben, begrünen, in Wirklichkeit und im übertragenen Sinn. Ja, diese Hauptstadt. Der millionste Mensch. Alle kennen seinen Namen. Noch macht es ihm nichts aus. Seltsam vermenschlicht hier also: das Heute, der Schatten. In die Hauptstadt gehen, wo die Million schon wartet. Von Menschen, nicht Moneten.

    Wie es der Zufall will – jemand lacht im Off –, haben wir sie hier in Klagenfurt. Die Madame, die Menschmimose mit Wulfeniaflora vereint: Mimi Wulfend. Schweigen aus dem Off, dem offenen Vollzug. Ihr werdet sie noch kennenlernen! Raunen geht durch das Off. Durch den Off. Kyrill Raunen sitzt schon eine Weile in Klagenfurt im Gefängnis. Mimi Wulfend kennt sich mit Justizanstalten nicht aus, dafür aber mit Kleinanzeigen. Sie sucht einen Lebensmenschen, der idealerweise auch ein Gutmensch ist. Negative Besetzungen von Wörtern kümmern sie wenig. Mimi schreibt: Menschen- und Tierrechtsaktivistin sucht Umweltschützer, der sie zum gewaltlosen Kampf gegen grausame Zustände in Österreichs Schlachthöfen begleitet und dann mit ihr gegen Großkonzerne angeht, die Menschen in Entwicklungsländern alles nehmen. Sucht Idealisten. Sucht Liebe, einfach nur Liebe. Die große, die kleine, ganz egal.

    Wenige antworten, weil sie nicht als Gutmenschen exponiert werden wollen. Mimi versteht die Welt nicht mehr so ganz. Was ist aus den guten Ideen geworden, aus den

    mutigen Veränderern? Trotzdem muss es weitergehen. Als sie nach einem Tag, an dem sie auf zwei Demonstrationen im strömenden Regen gewesen ist, mit dem aufgeweichten Pappschild Leben und leben lassen! in ihre Einzimmerwohnung in Bahnhofsnähe zurückkommt und versucht, das Theaterblut abzuwaschen, mit dem sie in einer schlecht besuchten Performance vor dem Klagenfurter Schlachthof auf Tierschicksale aufmerksam hat machen wollen, findet sie dann doch einen Brief vor der Tür. Aktionskunst und Kärnten: kein Paar mit Zukunft. Aber vielleicht Mimi und Kyrill, Wulfend und Raunen. Das klingt super, denkt sich Mimi.

    Mimi Wulfends Brieffreundschaft mit Kyrill Raunen geht in die vollen, in die vollen krakeligen Handschriftseiten, aber nicht in die Knie. Doch mitten ins Herz. Sie besucht ihn, sie verlieben sich. Sie fragt nicht danach, was er getan hat. Mimi findet die Frau, die an ihr die Sicherheitskontrolle beim ersten Besuch durchgeführt hat, wunderschön. Sie findet das Leben wunderschön. Und Mimi findet Kyrill wunderschön. Er hat ja nur irgendwelche Landesgelder jongliert, sagt man. Mimi mag das Jonglieren. Das Werfen von Bällen erinnert sie an Planeten im Universum, daran, wie klein wir sind. Und wie gut das Leben sein kann, wenn man es sich schön macht. Sie ist eine Blauäugige. Die Wulfend liebt die Menschen auf der Welt, liebt die Tiere, auch, wenn ihr alle irgendwann ins Herz latschen. Heute: Der Raunen nennt sie mein Sternchen. Morgen: Der Raunen verlässt sie für eine reiche Erbin mit Wörtherseegrundstück, die seine selbstgestochenen Tattoos anregend findet.

    Mimi Wulfend sitzt im Planetarium. Allein, aber nicht vereinsamt. Irgendjemand wird schon kommen. Sie singt Zeilen von David Bowie: There’s a starman waiting in the sky. He’d like to come and meet us. Während eine Supernova im Kuppelkino wütet, ist Mimi dann doch froh, in Klagenfurt zu sein, auch, wenn sie mittlerweile manche hier zum Mond schießen möchte. Sie macht es aber nicht. Ebenso wenig wie Kyrill Raunen je einen Stern nach ihr benannt hätte. Wås kümmern mi die Sternlan … Doch Mimi wulft einfach weiter wie bisher: Mimi Wulfend Superstar. Bewahrt sich süße Hoffnungsreste. Die sind haltbar wie zuckrige Brötchen der Fastfood-Ketten. Man darf sie nur nicht einfach wegschmeißen. Das ist Hoffnung, die geht noch

    Auch die Wulfenia kann bleiben, wächst gut auf Kompost. Sie wächst gut auf Asche. Sie hat keinen Grund und Boden, um zu gehen. Man kann es sich auch richten. Man kann an und in vielem wachsen. Man kann versuchen, großartig zu werden, aber auch großmütig. Wie Björk schon gesungen hat: All is full of love. Ein Leben in Perfektion, das würden wir wohl kaum bemerken, uns nicht darin spüren. Ein Leben in Kärnten, das fühlt sich sehr nach Menschsein an.

    Problembären, einsame Wölfe und Luchse, gefangene Jongleure und gefallene Sternchen, Freiheit und Blattlaus: Wenn in Kärnten, dann sind sie alle für die meisten zu klein, zu weit weg, um sie leben zu sehen. Bär, Wolf und Luchs werden in die Hauptstadt gehen müssen. Sich neben den Lindwurm stellen. Darauf warten, Sagengestalten zu werden. Es wird dauern. Aber vielleicht gar nicht allzu lange. Derweil versteinern sie. Wer sich als Schlächter neben sie gesellt, neben ihnen sedimentiert, das kann man noch nicht sagen. Doch wenn man nicht die liebste Mimi Wulfend ist, hat man Ahnungen.

    Wir müssen etwas gegen die Versteinerung tun. Zuhause ist, wo das Herz ist, nicht aus Stein ist. Alter Platz. Neue Liebe. Und ålles is voll Gfühl …

    tango tanzt

    von Delphine Blumenfeld

    (… frei flottierende angst und räume…)

    eine frei schwimmende flotte

    widersprüchlichster gefühle

    schiffte sich aufgewühlt

    durch das flottengesichtige lachen

    von frau kapitänswitwe,

    die langsam auf grund sank

    und allmählich am grund ihrer schapsflasche ersoff.

    wenigstens für diese nacht.

    und die folgende und …

    schnapsflasche schüttelte sich ab

    und trieb als flaschenpost davon –

    mit kapitänswitwe als altem segelschiff

    (und ihren 6 oder 18 vergrundelten masten).

    madame pompadour bäcker-mistlacke

    und sonst noch sachen,

    wärmten sich an blechtonne mit feuer,

    am straßenrand,

    mit zerlumptem gesicht.

    hugo flottenschneider ist auch da,

    und schneidet sich ein stück speck

    aus der rippe

    und reicht es weiter.

    madame pompadour bäcker-mistlacke

    wischt sich die fettigen finger

    ins kreuz,

    in das am rücken,

    und in jenes, welches an schwerer blechkette

    zwischen ihren ausgemergelten brüsten baumelt.

    sie lächelt.

    kleines lächeln verläßt wie eine

    motte ihr gesicht

    und läßt sich an hugo flottenschneiders

    zerbeulter schulter nieder,

    flattert ihm ein stück dankbarkeit

    mit zärtlichen flügelschlägen ins ohr.

    irgendwo summt eine fliege

    (die eine träne ist,

    aus hugos vermotteter herzkammer).

    fliege verbrennt im heißen gesicht

    von lampe.

    lampe ist fiebergesicht

    von frau kapitänswitwes

    gestrandeten hoffnungen –

    die hoffnungsvoll

    in einem eimer randvoll

    mit schnaps ersoffen.

    beinahe hundert jahre nach kapitäns

    großer seenot

    an einer bunten küste,

    vor der er mit frachtschiff ersoff.

    nichts kann ihm mehr etwas anhaben.

    nichts kann geschehen.

    kapitänswitwe schläft blubbernd

    und eingerollt hinter der tonne.

    II

    akkordeonklänge.

    bordermaus kommt um die ecke

    des zerfallenden gebäudes geschlurft

    und spielt in pantoffeln ihr lied.

    ein lied aus dem tangvögel fliegen.

    es schneit federn,

    rote flamingos, kormorane,

    sturmvögel, wildenten, mantelrochen

    und nachtvögel.

    bordermaus lehnt am hauseck und spielt.

    vogelschwärme ziehen über die dächer,

    tauchen in den verlotterten straßen

    und wirbeln papiermüll auf.

    sie spielt immer dasselbe.

    anderes kennt sie nicht.

    kapitänswitwe ist am grund

    ihrer schnapsflasche angekommen,

    schnarcht schnapswolken

    und einen besoffenen wolkenhund.

    bordermaus spielt,

    eingehüllt in einen fliegermantel

    aus dem letzten, oder zukünftigen Weltkrieg.

    im flattern erwacht tango.

    klettert aus ihrem lied.

    er zerrt madame pompadour bäcker-mistlacke

    und hugo flottenschneider

    aus ihrem hocken und kauern,

    in dem sie fast erstarrt wären, vor kälte.

    blechtonnes feuer

    ist in sich zusammengesunken,

    unter ganz warmer asche.

    bordermaus’s lied ist fast zu ende.

    sie spielt es von neuem

    und von hinten nach vorn,

    dass sich ihre vogelschwärme

    darin überschlagen,

    spiegeln,

    und draußen von den wänden purzeln,

    die häuser entlang.

    durch stahlbetonbauten

    und kaputte fenster.

    III

    dahinter höfe mit katzenpisse

    und glumpert,

    und leergeschleckten ranzigen töpfen,

    in denen streunende ratte

    welken flieder, schuhsohle,

    knochen mit glasmurmeln und warzenkraut kocht,

    für ihre kinder,

    die hungrig im bett liegen und heulen.

    ratte kocht.

    kocht steine und steinsuppe.

    derweil wärmt straßenköter die kleinen

    in seinem löchrigen fell.

    mit trockener zunge

    bellt er ihnen raue geschichten,

    vom mond und zelt

    und hühnerhöfen

    und …

    jetzt träumt der alte knochen ihnen

    straßenköterträume,

    die nach menschenbeinen, -fleisch

    und trauben riechen.

    bordermaus spielt:

    ratte, berg, spinne, straßenköter,

    mond,

    ein zelt mit sternen.

    eine gelbe leiter mit graffitis:

    bin tot – auferstehung vielleicht morgen!

    spielt einen müdgelaufenen

    zerrauften alten tango.

    tango tanzt,

    dass papierfetzen und wollratten

    neben und aus den tonnen und Containern

    schneien, fliegen, steigen,

    in sturmböe,

    die ein buch daraus entblättert.

    sturmböe liest

    seite für seite:

    papierflügel

    und riesenwollmäuse

    in tangos schultern.

    bis er aussieht, wie ein zerfledderter engel.

    an tangos schmutzigen pfoten,

    tanzen madame pompadour bäcker-mistlacke

    und hugo flottenschneider,

    strudeln und wirbeln

    leicht mit den mausefüßchen,

    randvoll mit wilder Zärtlichkeit –

    in ihren lumpen,

    mit den milchbärten,

    im kalten tabak,

    der flockig

    vor ihren gesichtern hängt.

    kapitänswitwes schnarchen rüsselt

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