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Sommerseele
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Sommerseele

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Helene Böhlau, verh. al Raschid Bey, (* 22. November 1856[1] in Weimar; † 26. März 1940 in Augsburg[2]) war eine deutsche Schriftstellerin. Helene Böhlau war die Tochter des Weimarer Verlagsbuchhändlers Hermann Böhlau und dessen Frau Therese geb. Thon. Sie genoss eine sorgfältige Privaterziehung. Um ihren geistigen Horizont zu erweitern, schickte man sie auf Reisen ins Ausland. Auf einer solchen in den Orient lernte sie den Architekten und Privatgelehrten Friedrich Arnd kennen und lieben. Dieser, um Helene als zweite Frau heiraten zu können, konvertierte vom Judentum zum Islam und nannte sich fortan Omar al Raschid Bey. Ihr Vater verbot ihr daraufhin das Haus. Er begegnete ihr zwar später noch einmal, ihren Ruhm aber hat er nicht mehr erlebt. (Auszug aus Wikipedia)
LanguageDeutsch
Release dateJan 31, 2016
ISBN9783958642003
Sommerseele
Author

Helene Böhlau

Helene Böhlau, verh. al Raschid Bey, (* 22. November 1856[1] in Weimar; † 26. März 1940 in Augsburg[2]) war eine deutsche Schriftstellerin. (Wikipedia)

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    Sommerseele - Helene Böhlau

    Sommerseele.

    Novelle

    von

    Meine Großmutter hatte einen alten Küchenschrank. – »Unter der Linde, aus welcher der alte Schrank gezimmert wurde, hat eine Goethische Liebste gesessen.« Das sagte die Großmutter, als wir Enkel oben in ihrer Küche zuschauten, wie die Ananaserdbeeren aus einem kupfernen Topf, in dem sie in lauter Zucker und Glut ihre duftenden Seelen aushauchten, in Gläser gefüllt werden sollten. Die kleine Küche duftete herzbewegend. Der würzige Geruch drang durchs offene Fenster hinaus in sonnedurchschienene Juniluft. Die Schwalben zogen in kristallener Bläue ihre zarten, schrillen Wonne- und Jagdrufe nach sich. Der Küchenschrank bekam ein Gesicht; ich sah ihn gewissermaßen zum erstenmal. Da stand er – aus weichem, wie sammetweich gescheuertem Holz, trug etliche Kupfergefäße, eine messingene Teemaschine – altes Hausgerät, das nur noch blank gerieben, aber kaum mehr gebraucht wurde.

    Aus seinem Innern drang Brotgeruch; aber ein eigentümlicher Brotgeruch, ein Geruch nach Brotgenerationen, die bis hinab in die Jugendzeit meiner Urgroßmutter reichten.

    Unvergeßlich ist mir dieser Geruch. Er verband uns mit einer fernen, fernen Zeit, mit nie gesehenen, nahverwandten, vergessenen Menschen.

    »Unter der Linde, aus der dieser Schrank gemacht 14 wurde, hat eine Goethische Liebste gesessen.« Der Schrank trieb Blätter und Blüten und ward zu einem Baum voller Geheimnisse. Damals waren die Ananaserdbeeren gerade in Gefahr gekommen, anzubrennen. Es entstand ein Durcheinander, kleine, eifrige Schreie der Großmutter: »Ei – ei – ei – ei – ei der Tausend!« Die alte Köchin brummte, die Ananaserdbeeren dufteten auf höchster Höhe des Duftes. Um den Topf wob sich eine Wolke weißen Dampfes, der Großmutter lief die Brille an. Sie schob sie aus die Stirn. – Sie rührten und schauten.

    Die Beeren waren, gottlob! gerettet. Wir aber wurden hinausgeworfen. Regine, die Köchin, verstand keinen Spaß, denn sie war eine alte, sonderbare Person mit sonderbaren Schicksalen, die ihre erste Jugend im Goethischen Hause verlebt hatte. Mit zwölf Jahren war sie Spielgefährtin und Wärterin von Goethes Enkelin Alma, worauf sie sich gar viel zugute tat, und von uns Kindern wurde sie deshalb wie ein heiliges Wunder angestaunt und verehrt.

    *

    »Großmutter,« sagte ich am Abend, als ich mit der lieben Frau in ihrem blumengeschmückten Zimmer saß, »was für eine Geschichte mag das sein, von der Goethischen Liebe unter dem Lindenbaum, aus dem dein Küchenschrank gemacht wurde?«

    »So,« sagte meine Großmutter, »willst du das wissen? – Ja, das war etwas. – 's ist nie so recht ans Tageslicht gekommen. – Bei uns daheim, in meiner Jugend war auch gar mancherlei davon bekannt. Die Sache ist mit den Leuten, die davon wußten, begraben worden.

    15 »Mein alter Küchenschrank, der von der Urgroßmutter stammt, ist freilich aus dem Holze gemacht, von jenem Lindenbaum, unter dem der alten Bäckermeisterin Bauchen von der wir die Semmeln bekommen, ihre Großtante mit den Schwestern gesessen hat.«

    »Ja, das sagtest du schon einmal,« unterbrach ich sie.

    »Das hab' ich oft gesagt,« wiederholte meine Großmutter, »und oft hat es mir meine Mutter gesagt. Zu deren Aussteuer kaufte dein Urgroßvater bei der Bauchschen Familie, die damals Metzgersleute waren, das Holz zu diesem Schranke, altes, ausgetrocknetes Lindenholz, –« und die Großmutter erzählte mancherlei, was sie wußte.

    Wir gingen an einem schönen Sommertage, gegen Abend, die liebe Frau und ich, auf der leichten Anhöhe, von der aus man in das grüne Ilmtal blickt, oben am Horn spazieren.

    Es war zur Zeit, als die Mohnblumen wie Blutstropfen in den Feldern standen; das Laub der Bäume war von einer ganz erstaunlichen Dichte und Mächtigkeit, denn noch hatte man unbewußt die kahlen Bäume im Sinn. Und die neue Gestalt hatte noch etwas Befremdliches an sich. Sie rauschten so weich und voll, wie sie im Juli, wenn die Blätter härter sind, nicht mehr rauschen. Man spürte im Rauschen dieser Blätter weiche Zartheit, und es löste sich noch ein junger, würziger Duft von ihnen.

    Meine Großmutter und ich, wir trugen beide große Mohnblumensträuße. Um diese Zeit zogen wir gar zu gern miteinander aus. Und ich sah sie noch, wie eifrig sie in die Kornfelder einbrach mit einer jugendlichen Freude am Blumenraub. Ich war die Ängstlichere. »Das geht 16 nicht, Gomelchen, das geht nicht, so tief darfst du nicht hinein!«

    »Geh, laß mich, du siehst doch, wie geschickt ich's mach'.«

    Ich: »Wenn dich wer sieht.«

    Sie: »I gar – laß nur!«

    Und wie sie ging, so leicht und ungebeugt von Zeit und Erfahrungen, ein lieber Trost für die, die auch einmal alt werden müssen. Alter, wo ist dein Stachel, Kummer, wo ist dein Sieg?! – Leid und Kummer waren ihr hoch über die Seele gegangen; aber wie ein buntschillerndes Entlein war ihre Seele immer wieder glatt und schimmernd aus der trüben Flut aufgetaucht und war im Sonnenlichte weitergeschwommen.

    »Sieh einmal da,« sagte

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