Zensur 4.0
By Martin Orack
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Früher war Zensur eine klare Aussage. Der Staat hat seinen Bürgern Informationen vorenthalten, Medien durften nicht alles verwenden, Bücher oder Zeitschriften wurden verboten oder durften nicht dargeboten werden. Es gab eine klare Grenze zwischen „erlaubt“ und verboten.
Das hat sich mit der Digitalisierung dramatisch geändert. Es gibt zwar nach wie vor klassische Zensur in autoritären Staaten, wo das alte Gehabe oft erfolglos auch auf die neuen Medien anzuwenden versucht wird.
Wesentlicher ist die indirekte und meistens unbemerkte Zensur oder Bevormundung, die dann auch noch als technischer Fortschritt gepriesen wird, um als Vorteil angenommen zu werden oder Gegnern ein schlechtes Gewissen zu machen, die sich davon nicht beglücken lassen wollen.
Wir sollten aber nicht in Angst verfallen, sondern selbstbewusst dagegen handeln.
Wir sollten auf keinen Fall zwanghaft durch Verhaltensänderungen vermeiden und verbergen, sondern andere Wege zum Ziel probieren, indem wir gewohnte Wege im Netz verlassen, soziale Medien wechseln, am besten Dienste ohne Finanzierung durch Werbung.
Martin Orack
Der Autor ist Naturwissenschaftler, in Hamburg geboren und aufgewachsen, und lebt in Süddeutschland. Er war Jahrzehnte in der industriellen Forschung tätig und befasst sich schon immer viel mit Ökobilanzen und nachhaltigem Umgang mit der Umwelt.
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Book preview
Zensur 4.0 - Martin Orack
Gliederung
Einleitung
Vorratsdatenspeicherung
Personenprofile
Transparenz und Freiheit
Verhalten
Bewegungsfreiheit
Verbote, Gebote, Rechte
Politik
Datenschutz
Algorithmen
Verbraucherschutz
Überwachung
IT und Netz
Medien
Sicherheit
Einleitung
Früher war Zensur eine klare Aussage. Der Staat hat seinen Bürgern Informationen vorenthalten, Medien durften nicht alles verwenden, Bücher oder Zeitschriften wurden verboten oder durften nicht dargeboten, sondern nur „unter dem Ladentisch" verkauft werden, bei Filmen gibt es die Freiwillige Selbstkontrolle (FSK).
Daneben gab es auch über die Erziehung durch Eltern und die Schule erlernte Verhaltensregeln, was man tut und was nicht. Man konnte sich an all diesen Dingen reiben, eine Öffnung diskutieren, aber alles blieb überschaubar, es gab eine klare Grenze zwischen „erlaubt" und verboten, die sich nur langsam durch gesellschaftliches Verhalten änderte oder schwankte.
Das hat sich mit der Digitalisierung dramatisch geändert. Wesentlich ist insgesamt nicht mehr die nach wie vor vorhandene klassische Zensur in autoritären Staaten, wo das alte Gehabe auch auf die neuen Medien anzuwenden versucht wird, also Zugriffsverbote, -sperren oder Löschungen.
Zum Teil gibt es auch bei uns solche Versuche bei Pornoseiten oder anderen Netzinhalten, meistens in Form „freiwilliger" Selbstkontrolle, teilweise aber auch durch Strafandrohung.
Wesentlicher ist die indirekte und meistens unbemerkte Zensur oder Bevormundung, die dann auch noch als technischer Fortschritt gepriesen wird, um als Vorteil angenommen zu werden oder Gegnern ein schlechtes Gewissen zu machen, die sich davon nicht beglücken lassen wollen.
Ich möchte im Folgenden an einigen Beispielen beschreiben, wie gravierend diese Zensur 4.0 in unser Leben eingreift, uns viele Freiheiten nimmt und wir nicht darüber aufgeklärt werden. Letzteres wäre ja wohl das mindeste, was ein freier Mensch erwarten kann.
Sicher sind mein Beispiele nicht vollständig, allein schon wegen der rasenden technischen Weiterentwicklung. Aber auf jeden Fall ist es schon beklemmend, was da mit uns geschieht.
Das Abhören oder Speichern persönlicher Daten verführt viele zu der unglaublichen Antwort „wenn ich das nicht will, kann ich ja die Anwendungen vermeiden".
Ich finde es unerträglich, wenn auch gerade die Bundeskanzlerin so etwas äußert und zum Abhören ihres Handys meinte „wichtige Informationen übermittle ich anders". Das finde ich ungeheuerlich. Ich will nicht gezwungen sein, mein Verhalten zu ändern, ganz abgesehen davon, dass auch daraus wieder bewertende Schlüsse über eine Person gezogen werden können. Das wäre so, als würde man von mir erwarten, dass ich meine Briefe in einer gesicherten Stahlkassette verschicke, wenn ich das Briefgeheimnis bewahren will. Das darf von niemandem erwartet werden müssen.
Stattdessen müssen die behördlichen und gesellschaftlichen Abläufe und Beziehungen so gestaltet werden, dass eine Verletzung von Regeln auffällt und geahndet wird.
Wir sollten uns nicht nur gegen alle Versuche einer Zensur 4.0 wehren, sondern endlich auch jede bisherige Form von Zensur aus unserer Welt verbannen. Jeder muss selbst verantworten, was er tut, wenn es keinem anderen schadet. Die Erziehung von Kindern und Jugendlichen darf nicht durch Verbote und Zugriffssperren erfolgen, sondern muss eine Begleitung ins Leben sein, in dem alle Erwachsenen in der Lage sind, sich ohne Bevormundung so zu verhalten, dass es anderen nicht schadet.
Niemand hat ihnen umgekehrt aber auch vorzuschreiben, wie sie sich verhalten sollen, wenn es nur sie selbst oder eine einvernehmliche Gruppe, wie die Familie, betrifft, solange alle Persönlichkeitsrechte auch für Minderjährige beachtet werden.
Im Grunde übt jeder von uns schon immer Zensur aus, denn jeder hat sein eigenen Bild von den anderen, von den Meldungen und den Zusammenhängen von Ereignissen. Diese persönliche Sicht beeinflusst, wie wir etwas weiter erzählen oder bewerten. Dabei geht es gar nicht um bewusste, dann vielleicht vermeidbare Beeinflussung anderer, sondern auch um unbewusste Wahrnehmungen oder Bewertungen.
Schöne Beispiele sind Zeugenbefragungen, die oft nur zu deutlich zeigen, dass es die Wahrheit
nicht gibt, sondern nur ein Puzzle schlecht zueinander passender Teile. Dessen sollte man sich immer bewusst sein, um sich einen klaren Blick zu bewahren.
Die Menschen und ihr Verhalten waren schon immer so, aber mit den modernen digitalen Anwendungen, Verfahren und Möglichkeiten ergibt sich eine ganz neue Qualität. Es werden in immer kürzerer Zeit immer mehr Menschen von Aussagen und Behauptungen erreicht.
Die globale Vernetzung bringt auch eine unvergleichbare Quantität von Daten und Inhalten.
Auch alle Medien üben durch die dort arbeitenden Menschen im Sinne unbewusster, subjektiver Bewertung und Auswahl schon immer Zensur aus. Aber heutzutage gewinnt die bewusste Ausgrenzung oder Betonung von Meldungen immer mehr Umfang und Gewicht.
Medien, die der freien Wirtschaft unterliegen, sich also abhängig machen über ihre Finanzierung, üben auch gezielte, bewusste Zensur aus, sowohl in dem, was sie veröffentlichen in Form von Vorurteilen, Verschwörungen, Falschmeldungen und halben Wahrheiten, als auch in dem, was sie nicht veröffentlichen.
Hier haben total intransparent die Redaktionen und Eigentümer die Entscheidung. Hier kann bestenfalls durch Boykott Einfluss genommen werden.
Es gibt leider TV-Sender, die man eher im US-amerikanischen Hinterland als bei uns angesiedelt sehen möchte.
Ihr Einfluss beim Dummhalten der Bevölkerung oder der Verwässerung unserer Werte ist leider sehr groß.
Aber auch die angeblich öffentlichen
Medien sind mit ihren Aufsichtsgremien nicht wirklich transparent und unabhängig, werden über diese Gremien zensiert. Wirklich unerträglich werden allerdings die neuen Formen der Zensur in den sozialen Medien und bei den Geheimdiensten.
Ich habe versucht, meine Ausführungen einigen Oberbegriffen zuzuordnen.
Das ließ sich aber nicht wirklich strikt durchführen, denn jedes Gebiet der Betrachtung hängt mit vielen anderen Gebieten zusammen.
Dadurch kommen etliche Gedanken mehrfach vor, das lässt sich einfach nicht vermeiden.
Die versuchte Struktur soll auf jeden Fall den Einstieg über Teilthemen erleichtern.
Bei der