Geschichten vom Herrn B.: Gesammelte Brecht-Anekdoten
()
About this ebook
Herr B antwortete grosszügig: "Jede Farbe ist mir recht, Hauptsache sie ist grau."
Bertolt Brecht war einer der bedeutendsten Dramatiker des 20. Jahrhunderts. Er erfand das Epische Theater und verfasste Stücke, deren Faszination bis heute ungebrochen ist. Dass er auch eine beeindruckende, streitbare Persönlichkeit war, zeigen diese Anekdoten, von den Autoren vielfach noch aus erster Hand gewonnen – von Freunden und Feinden, Mitarbeitern, Schülern und Geliebten. Zum 60. Todestag erscheint die längst zum Klassiker der Brecht-Literatur avancierte Sammlung in neuer Gestaltung.
Related to Geschichten vom Herrn B.
Related ebooks
Erich Kästners große 20er Jahre. Gebrauchslyrik und Gebrauchsroman Rating: 0 out of 5 stars0 ratings»Heldenplatz« von Thomas Bernhard - Rezension Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKünstlerkreise: Expressionismus 01/2015 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Rebellion: Historischer Roman: Zwischenkriegszeit Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBlues: Geschichte und Geschichten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Tante Jolesch und ihre Zeit: Eine Recherche Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsStudien zur Backsteinarchitektur / Backsteintechnologien in Mittelalter und Neuzeit Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLachen Sie sich gesund! Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsJedem das Seine: Ein sizilianischer Kriminalroman Rating: 4 out of 5 stars4/5Expressionismus (Essay) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsOnkel Peppi und andere Geschichten: Ein Klassiker der bayerischen Literatur gewürzt mit Humor und Satire Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsVom Schnee der vergangenen Jahre: Winter- und Adventgeschichten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDantons Tod Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHanns Dieter Hüsch: Ein Lesebuch Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAntiromantisches Manifest: Eine poetische Lösung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDeutsches Leben der Gegenwart Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLesbisch. Eine Liebe mit Geschichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDeutschland. Ein Wintermärchen Rating: 4 out of 5 stars4/5Kauderwelsch: Die Sprache der Politiker Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLukas Resetarits - Krowod: Erinnerungen an meine Jugend Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Arbeiter des Meeres Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie schweren Jahre ab dreiunddreißig Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFeuer: Roman Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKönig Ödipus: Der zweite Teil der Thebanischen Trilogie Rating: 4 out of 5 stars4/5Glück ist was für Augenblicke: Erinnerungen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Malavoglia Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsVon Wilhelm II. zu Wilhelm dem Letzten: Streiflichter zur Wilheminischen Zeit Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGeorg Lukács: Texte zum Theater Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Anthologies For You
Lost in Gentrification: Großstadtgeschichten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsJohann Wolfgang von Goethe: Sämtliche Werke (Golden Deer Classics) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Glück beginnt in dir: Gute Gedanken für jeden Tag Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWiener Wortgeschichten: Von Pflasterhirschen und Winterschwalben Rating: 4 out of 5 stars4/5Walter Benjamin: Gesammelte Schriften (Golden Deer Classics) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Zitatenbuch: Über 2.500 scharfzüngige und starke Sprüche in einem Lexikon der Pointen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Dekameron Rating: 4 out of 5 stars4/5Der Fürst: Neu übsetzt und mit einleitendem Vorwort von Raphael Arnold Rating: 4 out of 5 stars4/5Über Arbeiten und Fertigsein: Real existierender Humor Rating: 0 out of 5 stars0 ratings10.000 Gründe glücklich zu sein Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEs war einmal zur Weihnachtszeit: Die schönsten Weihnachtsgeschichten, Märchen & Sagen: Über 100 Titel in einem Buch: Das Geschenk der Weisen, Die Heilige Nacht, Der Schneider von Gloucester, Der Tannenbaum, Der Schneemann, Der Weihnachtsabend, Knecht Nikolaus und viel mehr Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGrimms Märchen: Mit vielen, klassischen Illustrationen und in heutiger Rechtschreibung Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIch liebe das Meer wie meine Seele: Berühmte Schriftsteller und ihre Seereisen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsZEN: Geschichten alter Meister Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEinfach Leben. 365 Tagesimpulse von Anselm Grün Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHoffnung bricht durch: 24 Weihnachtsgeschichten – mal besinnlich, mal heiter Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGrimms Märchen (Komplette Sammlung - 200+ Märchen): Rapunzel, Hänsel und Gretel, Aschenputtel, Dornröschen, Schneewittchen, Rating: 0 out of 5 stars0 ratings111 Katzen, die man kennen muss Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsCoco Chanel: Paris der 1920er und das bewegte Leben einer Modeikone Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWeihnachtsgeschichten, Sagen und Märchen (Über 100 Titel in einem Buch) - Illustrierte Ausgabe: Das Geschenk der Weisen, Die Heilige Nacht, Nussknacker und Mäusekönig, Die Frau Holle, Pariser Weihnachten, Der Tannenbaum, Der Schneemann, Der Weihnachtsabend, Knecht Nikolaus und viel mehr Rating: 0 out of 5 stars0 ratings50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2 (Golden Deer Classics) Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDies Meer hat keine Ufer: Klassische Sufi-Mystik Rating: 5 out of 5 stars5/5Dean Koontz - Jane Hawk ermittelt (3in1) Rating: 5 out of 5 stars5/5Mitten ins Herz. Drei lesbische Liebesgeschichten Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Reviews for Geschichten vom Herrn B.
0 ratings0 reviews
Book preview
Geschichten vom Herrn B. - André Müller sen.
ISBN eBook 978-3-359-50060-5
ISBN Print 978-3-359-01714-1
© 2016 Eulenspiegel Verlag, Berlin
Umschlaggestaltung: Verlag
Die Bücher des Eulenspiegel Verlags erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
www.eulenspiegel.com
Vorwort des Verlages
Erstmals im Jahr 1967 legten die Autoren André Müller sen. und Gerd Semmer eine Sammlung von 99 Brecht-Anekdoten im Insel-Verlag vor. Die Arbeiten daran waren spätestens 1964 in vollem Gange, wie der Korrespondenz zwischen Müller und dem Dramatiker Peter Hacks zu entnehmen ist, bei dem er Auskünfte aus erster Hand einholte. Müller konstatierte damals, dass auch Banales wie die Anekdote »Plebejische Tradition« nicht fehlen dürfe. »Diese und ähnliche Geschichten sind wichtig. Der Kerl kriegt sonst nur weise Züge, und man kanonisiert, wo man ein Sakrileg begehen möchte«, schreibt er im Dezember 1964.
Der Gestus der Anekdoten lehnt sich an Brechts »Geschichten vom Herrn K.« an, in denen sich der Protagonist Keuner nur durch eine wesentliche Eigenschaft auszeichnet: Er denkt. Dies sei, so schrieb Die Zeit 1979, »sein einziger Beruf und seine einzige Wollust«. Infolgedessen sind die Akteure der Anekdoten stets nur in Abkürzung benannt – ein Verzeichnis »Wer ist wer?« am Ende dieses Buches gibt Aufschluss über die Identitäten.
Gerd Semmer verstarb 1967, dennoch sollte es einen zweiten Brecht-Band geben. Doch der Verleger Siegfried Unseld sagte die Veröffentlichung ab. Brecht-Witwe Helene Weigel, mit der er für die Brecht-Werkausgabe eng zusammenarbeitete, hatte ihr Missfallen geäußert. Müller wechselte daraufhin zum Münchner Kindler-Verlag, wo 1968 schließlich 100 weitere Anekdoten erschienen. Dem Erfolg tat der Konflikt keinen Abbruch. 1977 folgte die »Gesamtausgabe« parallel in BRD (bei Röderberg) und DDR (bei Reclam), die zahlreiche Neuauflagen erfuhr.
2006 erschien die vollständige Sammlung erstmals im Eulenspiegel Verlag. Bis heute, sechzig Jahre nach Bertolt Brechts Tod, haben diese kleinen Lehrstücke nichts an Unterhaltungswert und Relevanz verloren. Sie sind ein Klassiker des Genres wie auch der Brecht-Literatur.
Dialektik
Als Herr B. ein Knabe war, hing seine Versetzung aus der Tertia von einer Klassenarbeit in Französisch ab. Die Arbeit ging daneben. Einem Mitschüler geschah dasselbe in Latein. Dieser radierte einige Fehler aus, ging zum Professor und verlangte eine bessere Note. Er bekam eine schlechtere, die radierten Seiten waren dünn geworden. Herr B. erkannte die Nachteile dieses Verfahrens. Er nahm rote Tinte, strich sich in seiner Arbeit mehrere Stellen als Fehler an, die keine waren, und ging auch zum Professor: Was hier falsch sei? Der Lehrer war bestürzt: Die Stellen seien richtig. – Wenn der Herr Professor sich so in der Zahl der Fehler geirrt habe, meinte Herr B., müsse er ihm doch eine bessere Note geben. Der Lehrer beugte sich dieser Logik, und Herr B. wurde versetzt.
Tauschwert
Der Vater von Herrn B. war Direktor einer kleinen Papierfabrik in der Stadt A. Herr B. besuchte also ein Gymnasium. Den Schulweg hatte er gemeinsam mit Arbeiterjungen aus der Nachbarschaft, mit denen er unterwegs die Frühstücksbrote tauschte. Herr B. erzählte später, beide Parteien seien dabei auf ihre Kosten gekommen: die Arbeiterjungen, weil es ihnen Genugtuung bereitete, die Frühstücksbrote eines Direktorensohns zu essen, er, weil er die Brote der Arbeiterjungen besser belegt fand.
Wettbetrug
In einem Theater seiner Heimatstadt sah Herr B. ein Stück über einen einsamen Dichter, der an seiner Umwelt tragisch zugrunde geht. Es stammte vom späteren Präsidenten der Reichsschrifttumskammer Hanns J., und Herr B. fand es abscheulich. Er erklärte verächtlich: »In drei Tagen schreibe ich ein besseres.«
Seine Freunde lachten darüber. Herr B. wettete mit ihnen und gewann. Es entstand ein Stück über einen stadtbekannten Wüstling, der zugrunde geht, obwohl er gleichzeitig mit zwei Schwestern schläft.
Als das Stück nach vier Jahren uraufgeführt wurde, erinnerten die Freunde Herrn B. voller Stolz an die Wette. »Ja«, erwiderte er ebenso stolz, »das Stück habe ich in drei Tagen geschrieben. Aber für die Änderungen habe ich acht Monate gebraucht.«
Deutsche Bildung
Herr B. war ein guter Schüler. Er liebte es, seine Aufsätze mit Goethe-Zitaten zu belegen, um seinen Ansichten größeren Nachdruck zu verleihen. Die Zitate erfand er selber. Trotzdem fiel er nie auf, weil kein Lehrer zugeben wollte, dass ihm ein Goethe-Werk unbekannt sei.
Schrecken des Krieges
Oft wurde Herr B. gefragt, was ihn so sehr gegen den Krieg einnehme. Herr B. antwortete dann, er habe die Schrecken des Krieges als Sanitätsgehilfe am Ende des Ersten Weltkrieges in einem Lazarett seiner Vaterstadt A. kennengelernt. Die Leute stellten sich dann vor, wie Herr B. als junger Mensch Arme und Beine absägte, Schädel aufmeißelte, blutige Verbände ablöste und eitrige Wunden wusch. Herr B. widersprach nie. Nur wenige Freunde wussten, wo er gearbeitet hatte: in der Abteilung für Geschlechtskranke.
Courtoisie
Herr B. vertrat die Ansicht, man müsse sich den verschiedenen Lebenslagen anzupassen wissen, vor allem dürfe man nichts tun, was unbequem sei. So habe er einmal in seiner Vaterstadt A. mit einem Mädchen plaudern wollen, das sehr schön gewesen sei, aber im zweiten Stock gewohnt habe. Er habe zu dieser Zeit an einem steifen Hals gelitten, und es sei sehr unbequem gewesen, zu ihrem Fenster aufzuschauen. Da er auf die Unterhaltung aber nicht habe verzichten wollen, habe er sich auf das Straßenpflaster gelegt und