Das Wunder einer Weihnachtsnacht: Eine Geschichte in 24 Türchen
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About this ebook
…zum Lachen,
…zum Weinen,
…zum Mitfiebern,
…zum Nachdenken
oder einfach als kleiner Vorgeschmack auf Weihnachten, um die Zeit des Wartens nicht zu lang werden zu lassen.
Eigentlich hasste er diesen Job als Paketbote: Tagaus, tagein in dieser Einöde herumfahren, in der sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen.
Doch Weihnachten steht vor der Tür und er kann ein bisschen Geld gut gebrauchen.
Er ahnt nicht, dass in dieser Nacht alles anders und er Teil eines skurrilen Abenteuers werden soll, in dem es um Leben und Tod geht.
Julia Maria Hellmuth
Julia Maria Hellmuth (geb. 1985) studierte an der Universität Erfurt Bildungstechnologie und Literaturwissenschaft. Im Rahmen ihres Studiums hatte sie die Möglichkeit, zahlreiche Schreibseminare zu besuchen, aus denen verschiedene, bisher unveröffentlichte Manuskripte hervorgehen. Oftmals behandelt sie in ihren Büchern tragische Figuren und Helden, schreibt aber auch gern Abenteuergeschichten, in denen sie versucht, ihre Leser mit sich und in den Bann ihrer Geschichten zu ziehen. Im Jahr 2014 hat Julia Maria Hellmuth an der Universität Erfurt promoviert, arbeitet seitdem als freie Texterin und Autorin.
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Das Wunder einer Weihnachtsnacht - Julia Maria Hellmuth
Türchen
1. TÜRCHEN
Von draußen peitschten dicke Schneeflocken gegen die Windschutzscheibe seines alten, klapprigen Kleintransporters. Das Gelände war unwegsam und mal wieder mehr als schlecht ausgeschildert. Egal. Die wenigen notdürftig beschrifteten Schilder, die windschief am Straßenrand aus den metertiefen Schneebergen stakten, waren unter dem Vorhang aus Schnee ohnehin nicht zu erkennen.
Wie er diesen Job doch hasste!
Er konnte inzwischen selbst nicht mehr begreifen, warum er ihn überhaupt angenommen hatte. Die Bezahlung war mies und die Leute hier draußen wohnten endlose Kilometer weit auseinander. Manchmal fuhr er eine halbe Stunde oder länger, ohne ein menschliches Wesen zu Gesicht bekommen. Links und rechts der Straße, die schneeverhangenen Tannen, die wie weiße Gespenster daran erinnerten, dass das Weihnachtfest vor der Tür stand.
Von den Jungen war hier niemand mehr. Alle weggezogen, dorthin, wo es Arbeit und Perspektive gibt. Und so stand er frierend vor den Türen und wartete jedes Mal eine halbe Ewigkeit, bis einer der Alten kam und ihm öffnete. Dann aber war deren Freude immer überwältigend. Euphorisch griffen dann ihre knittrigen knöchernen Finger nach seiner halb erfrorenen Hand, zogen ihn zu sich hinein ihn ihre warmen Stuben mit den dunklen Möbeln, den riesigen Kaminen und dem Lichterglanz, den sie trotz ihres Alters irgendwie herbeigezaubert hatten und der wohl schon unzählige Sommer in irgendwelchen Kartons gelegen hatte.
Ihm war das alles eigentlich gar nicht so recht, da er dadurch kaum eine Chance hatte, seinen ohnehin straffen Zeitplan einzuhalten. Und so war er dann meist noch die halbe Nacht unterwegs, bis er endlich alle Briefe und Pakete verteilt hatte. Bezahlt wurde diese Sonderschicht natürlich nicht. Aber er wusste auch nur zu gut, dass es wenig Sinn hatte, sich zu beschweren, denn es gab genügend andere, die sich freuen würde, jetzt vor Weihnachten noch ein bisschen Geld zu machen. Wie auch immer.
Oft schon hatte er darüber nachgedacht, lieb lächelnd und nett ausgedrückt abzulehnen, doch letztlich taten sie ihm auch leid, diese alten Menschen in ihren Hütten, die dort saßen. Oft ganz allein. Und wie sie sich wie die kleinen Kinder freuten, dass jemand zu ihnen vorbei kam. Hier in dieser lebensunwürdigen Einöde, wo sich selbst Wolf und Bär aus dem Weg gingen. Und dann brachte dieser jemand auch noch einen Gruß von ihren Liebsten vorbei, die sie meist nur noch aus einer vagen Erinnerung in schemenhafte Verklärung kannten.
Einmal hereingetreten, setzte er sich auf kindlich freudiges Drängen der Alten auf die ausgesessenen Sofas, aus denen zum Teil schon die Federn hervorstachen, notdürftig kaschiert mit einem vergilbten Zeitungsfetzen. Zittrige aderdurchdrungene, fast durchsichtig erscheinende Hände schoben ihm dann großgemusterte goldrandige Tassen zu, nachdem sie sie mit heißem Tee aus dem Samowar gefüllt hatten. Meist gab es dazu selbstgebackene Kekse, Oreschki, Babas oder Zupfkuchen. Hin und wieder wurde auch mit schelmisch grinsendem Gesicht und leuchtenden Augen ein Glas Wodka gereicht. Und wehe, man trank den nicht!
Dass er meist noch zig Kilometer mit dem Auto zurücklegen musste, interessiert hier keinen. Und so ließ er es mal um mal geschehen, aß und trank und hörte sich nebenher die Geschichten langer Leben an. Mal traurig, mal ergreifend, mal berührend, mal ironisch. Manchmal auch unglaublich. Aus einem Glas wurden meist zwei, drei, manchmal auch mehr. Und wagte er sich einmal, nur eine kleine Kostprobe zu essen, straften ihn enttäuschte Blicke. Also blieb er. Mal um Mal. Und jedes Mal musste er sehr große Überredenskünste anstellen, um dann doch irgendwann aufstehen und zum nächsten Kunden aufbrechen zu können.
Er selbst machte sich herzlich wenig aus diesem Fest. Der heutige Tag jedoch sollte alles ändern. Noch ahnte er nicht, dass ihm heute die wohl verrückteste Nacht seines Lebens bevorstehen würde.
***
2. TÜRCHEN
Gerade hatte er es unter Mühen geschafft, seine vorletzte Kundin davon zu überzeugen, dass er nun doch endlich weiter müsse. Auch sie hatte allerlei selbstgebackene Köstlichkeiten parat, die wohl in ihren tiefsten Hoffnungen für einen anderen als ihn bestimmt waren. Er aß tapfer, obwohl er sich bereits bei den vorhergehenden Kunden sprichwörtlich überfressen hatte. Ein Wunder, dass er noch in seine Hosen passte!
Sie zeigte sich erst zufrieden, als er auch wirklich alles komplett durchgekostet hatte. Nun war er aber auch satt! Abendbrot brauchte er wohl heute keines mehr. Inzwischen war es aber auch bereits nach sechs.
Zu den Gebäcken hatte sie ihm Tee gereicht, nur dass ihr Tee verdächtig nach Rum schmeckte. An sich war ein Grog ja bei dieser menschenverachtenden Kälte keine schlechte Idee, doch er musste an