Der Bergpfarrer 106 – Heimatroman: Er brach ihr das Herz
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"Tschüß, Anna. Schönen Urlaub!" brüllte die Horde hinter der jungen Frau her. Die hübsche dunkelhaarige Kindergärtnerin drehte sich an der Tür um und winkte den Kleinen zu. "Bis in vier Wochen", rief sie und nahm den Blumenstrauß, den Kinder und Kolleginnen ihr überreicht hatten, in die rechte Hand, um mit der linken nach dem Autoschlüssel zu suchen, der irgendwo in ihrer Jackentasche steckte. Vier Wochen Urlaub, das war genau das, was sie jetzt gebrauchen konnte. Auch die anderen Erzieherinnen waren froh, daß morgen die Ferien begannen und der Kindergarten für diesen Zeitraum schloß.
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Der Bergpfarrer (ab 375)
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Der Bergpfarrer 106 – Heimatroman - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer –106–
Er brach ihr das Herz
Ein Hallodri gelobt Besserung
Roman von Toni Waidacher
»Tschüß, Anna. Schönen Urlaub!« brüllte die Horde hinter der jungen Frau her.
Die hübsche dunkelhaarige Kindergärtnerin drehte sich an der Tür um und winkte den Kleinen zu.
»Bis in vier Wochen«, rief sie und nahm den Blumenstrauß, den Kinder und Kolleginnen ihr überreicht hatten, in die rechte Hand, um mit der linken nach dem Autoschlüssel zu suchen, der irgendwo in ihrer Jackentasche steckte.
Vier Wochen Urlaub, das war genau das, was sie jetzt gebrauchen konnte. Auch die anderen Erzieherinnen waren froh, daß morgen die Ferien begannen und der Kindergarten für diesen Zeitraum schloß.
Zu Hause hatte ihre Mutter schon das Essen auf dem Tisch stehen, als Anna ankam. Hilde Gehrhoff lächelte ihre Tochter an, sie hatte ihr Lieblingsessen gekocht – Hühnerfrikassee mit Butterreis.
»Mama, du bist ein Schatz!« sagte Anna und gab ihr einen Kuß auf die Wange.
Meistens aß sie im Kindergarten zu Mittag, doch heut hatte sie eher Schluß gemacht, um noch ein paar dringende Einkäufe für den Urlaub erledigen zu können, schließlich würde sie ganze drei Wochen fort sein, und da galt es, allerhand zu bedenken.
Anna ließ für einen Moment das Besteck sinken. Dann schüttelte sie rasch den Kopf. Ihre Mutter wußte ja nicht, was sich damals auf dem Hochleitnerhof abgespielt hatte, auf dem sie ein Zimmer bewohnte.
»Diesmal habe ich ein Zimmer in der Pension Stubler«, erwiderte sie. »Direkt in St. Johann.«
Während sie weiteraß, mußte sie an Andreas denken, den Knecht auf dem Hochleitnerhof, der ihr Herz im Sturm erobert hatte und es dann brach…
Anna schüttelte innerlich den Kopf. Sie wollte nicht daran erinnert werden, zu weh hatte es damals getan, und ein bißchen schmerzte es auch heute immer noch.
Und trotzdem hatte sie sich entschlossen, auch in diesem Jahr nach St. Johann zu fahren. Als sie sich zum ersten Mal mit diesem Gedanken befaßte, wo sie ihren Jahresurlaub verbringen wollte, war ihr die Idee spontan gekommen. Zwischendurch dachte sie, daß es ein Irrsinn wäre. Schließlich war der Ort ein Dorf und keine Millionenstadt, und die Wahrscheinlichkeit, daß sie und der Knecht sich dort über den Weg liefen, war größer, als ein Sechser im Lotto.
Wenn Anna sich fragte, warum sie trotzdem dorthin fuhr, dann war die Antwort, daß es einfach sein mußte, wenn sie ihren Seelenfrieden wiederfinden wollte. In den vergangenen Monaten hatte sie mit ihrem Schicksal gehadert und war so manches Mal daran verzweifelt. Sie hatte Andreas Bernbacher mit der ganzen Kraft ihres Herzens geliebt, und die Enttäuschung, die er ihr bereitet hatte, war um so größer gewesen. Inzwischen meinte sie, es überwunden zu haben – oder vielleicht redete sie es sich auch nur ein. Wenn sie jetzt das Wagnis einging, ihn wiederzusehen, dann war es eine Herausforderung, der sie sich stellen wollte, um zu sehen, ob sie stark genug war.
»Kind, du ißt ja gar nichts«, unterbrach die Stimme der Mutter ihre Gedanken. »Schmeckt es dir nicht?«
Anna schreckte hoch.
»Entschuldige, Mama«, bat sie. »Doch, es schmeckt wunderbar.«
Sie lächelte.
»Ich glaube, es ist das Reisefieber«, setzte sie hinzu. »Du weißt doch, wie aufgeregt ich immer bin, wenn es losgeht.«
Sie schaffte es tatsächlich, ihren Teller zu leeren und aß hinterher sogar noch von dem Obstsalat, den Hilde Gehrhoff als Nachtisch vorbereitet hatte.
Nach dem Essen ging Anna auf ihr Zimmer und machte sich daran, ihre Reisetasche zu packen. Eigentlich waren es eine Tasche und ein Koffer. Für drei Wochen Urlaub brauchte man schon allerhand an Kleidung und Wäsche. Zwar hatte die Pensionswirtin ihr versichert, daß es eine Waschmaschine gäbe, die sie gerne benutzen dürfe, aber Anna wollte genug Sachen dabei haben, um ihre Zeit nicht mit Wäschewaschen verbringen zu müssen.
Nachdem Tasche und Koffer gepackt waren, schaute sie ihre Reiseunterlagen durch: Reservierungsbestätigung der Pension Stubler, Scheckkarte, Führerschein und Ausweis, das kleine Buch mit den Adressen der Freundinnen und Verwandten, die unbedingt einen Urlaubsgruß bekommen mußten.
Die Kindergärtnerin nickte zufrieden, als alles ordentlich auf dem Tisch lag, und räumte die Sachen in ihre Handtasche. Anschließend setzte sie sich zusammen mit ihrer Mutter in den Garten. Die beiden Frauen tranken Kaffee, plauderten und warteten auf den Ehemann und Vater. Heinz Gehrhoff arbeitete auf dem Sozialamt der Stadt. Er kam gegen fünf, und Anna verbrachte den Abend im Kreis der Familie.
Am nächsten Tag, einem Mittwoch, startete sie in aller Herrgottsfrühe ihre Fahrt von Ingolstadt nach St. Johann mit klopfendem Herzen.
*
»Grüß dich, Max«, sagte Sebastian Trenker, als sein Bruder ins Pfarrhaus kam. »Gibt’s schon was Neues?«
Max Trenker, der in St. Johann als Polizist für Ruhe und Ordnung sorgte, schüttelte bedauernd den Kopf.
»Nix, überhaupt nix!« erwiderte er. »Die Dame ist wie vom Erdboden verschwunden. Nirgendwo ist eine Nonne aufgetaucht, obwohl wir im ganzen Landkreis suchen.«
»Na ja, nach ihrem Coup in Engelsbach wird sie vorsichtig sein und ist erst einmal untergetaucht«, vermutete der gute Hirte von St. Johann.
Max hatte einen zweifelnden Gesichtsausdruck.
»Ich weiß net«, meinte er. »Eigentlich kann ein Mensch sich net so ohne weiteres versteckt halten. Selbst wenn sie irgendwo untergekrochen ist, eine Berghütte oder was weiß ich, einmal muß sie wieder hinaus und sich mit dem versorgen, was ein Mensch so zum Leben braucht.«
Der Bergpfarrer nickte.
»Da hast’ natürlich recht. Aber komm, setz’ dich erstmal. Frau Tappert wird gleich mit dem Mittagessen fertig sein.«
Die Angelegenheit, über die die beiden Brüder sprachen, betraf eine junge Frau, die sich unter dem Vorwand, eine Nonne zu sein, im Pfarrhaus der Gemeinde Engelsbach eingenistet und dort einen größeren Geldbetrag gestohlen hatte. Pfarrer Eggensteiner hatte den Diebstahl erst bemerkt, als die falsche Nonne längst über alle Berge war. Trotz der sofort von Max eingeleiteten Fahndung, war die Suche nach der Frau, die sich Schwester Klara nannte, bisher ergebnislos verlaufen.
»Ich fürcht’, die ist uns für immer entwischt«, orakelte der Polizist, nachdem er für seinen Bruder und sich Apfelschorle eingegossen hatte. »Wenn man in den ersten Stunden keinen Erfolg hat, wird die Wahrscheinlichkeit, daß der Täter entkommt, immer größer. Steht in jedem Polizeilehrbuch, und diese Hochstaplerin und Diebin ist jetzt schon seit drei Wochen auf der Flucht. Ich fürcht’, Bruder Blasius wird das Geld aus der eig’nen Tasche ersetzen müssen.«
»Das tut mir wirklich leid für ihn«, sagte Sebastian. »Über zweitausend Euro – das ist wahrlich kein Pappenstiel!«
Dieses Geld war an jenem bewußten Wochenende eingesammelt worden, um eine Fahrt der jungen Gemeindemitglieder zu finanzieren, bevor sie kommuniert wurden. Leider waren die letzten Beträge so spät eingegangen, daß keine Zeit mehr gewesen war, das Geld noch bei der Bank einzuzahlen. Wahrscheinlich würde Pfarrer Eggensteiner tatsächlich für den Schaden aufkommen müssen.
Sophie Tappert, die Haushälterin, brachte das Essen auf den Tisch. In einer Terrine dampfte ein leckerer Eintopf, dessen Zutaten fast alle aus dem Pfarrgarten stammten.
Nach dem Mittagessen verabschiedete Max sich rasch.
»Mal sehen«, meinte er, »vielleicht schnappen wir die Dame ja doch noch.«
Sebastian ging ins Arbeitszimmer hinüber und schaute in den Terminkalender. Am Abend stand ein Gespräch mit einem jungen Paar an, das sich in seiner Kirche das Jawort geben wollte, für morgen war ein Krankenbesuch eingetragen und Mittwoch war der Besuch im Altenheim in Waldeck vorgesehen.
Dieser Termin war dem Bergpfarrer eine liebgewordene Pflicht, und er genoß die Nachmittage im Kreis der alten Menschen, die sich freuten, wenn er sie besuchte. Es wurde zusammen Kaffee getrunken, und Sebastian Trenker erzählte von seinen