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Die Grenze der Welt - Bebende Mauern
Die Grenze der Welt - Bebende Mauern
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Die Grenze der Welt - Bebende Mauern

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About this ebook

Ein Schmied der Menschen, ein Prinz der Zwerge, ein Krieger der Elfen und ein Verfluchter. Unterschiedlicher könnten die Helden der Geschichte nicht sein. Doch schon bald müssen sie alle dasselbe Ziel verfolgen und sich dem Kampf gegen die herannahende Dunkelheit stellen. Aber die Völker von Lunâriam sind zerstritten. Die Zwerge misstrauen den Menschen, die Menschen wiederum den Zwerge. Und die Elfen haben sich schon vor langer Zeit abgeschottet. Werden sie sich endlich wieder zusammenraufen und Seite an Seite kämpfen? Oder werden sie sich voneinander abwenden und vereinzelt ihrem Schicksal entgegentreten?
LanguageDeutsch
Release dateJul 19, 2016
ISBN9783741239885
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    Book preview

    Die Grenze der Welt - Bebende Mauern - Igor Brochmann

    Inhalt

    Titelseite

    Eins.

    Zwei.

    Drei.

    Vier.

    Fünf.

    Sechs.

    Sieben.

    Nachwort

    Impressum

    Sämtliche Handlungen, Charaktere und Dialoge in diesem Buch sind fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind weder beabsichtigt, noch gewollt. Es handelt sich um reine Fiktion, geschrieben um die Zeit der Leser zu vertreiben.

    Also viel Spaß beim Lesen!

    Die Ferne ruft...

    Eins.

    ‹‹Du machst heute den Stall sauber!››

    ‹‹Ich weiß. Und was genau machst du dann?››

    ››Keine Sorge, ich bin den ganzen Tag mit Vater auf dem Markt.››

    Jack wurde früh am Morgen von seiner jüngeren Schwester Irene geweckt. Ihr Haus war ziemlich klein und er schlief nie lange. Denn wenn es nicht Irene war, die ihn weckte, war es sein Vater, Henry. Jack war ein junger Mann, zweiundzwanzig Jahre alt, und arbeitete mit ihm zusammen. Den Stall musste er nicht täglich sauber machen, seine eigentliche Arbeit war das Schmieden mit seinem Vater. Doch das was ihr Pferd im Stall hinterließ musste nun mal auch jemand wegmachen.

    Und heute – so wie meistens – war dieser jemand Jack.

    Irene arbeitete nicht mit ihm und ihrem Vater in der Schmiede, natürlich nicht, denn sie war nicht kräftig genug. Sie half ihrer Mutter beim Kochen, Putzen und bei allen Hausarbeiten, die noch so anstanden. Sie würde bald heiraten, ihr Vater wusste, dass sie nicht mehr lange bei ihnen bleiben würde. Aber er würde nicht einfach jeden dahergelaufenen Taugenichts seine kleine Prinzessin heiraten lassen. Sie war eine schöne junge Frau, mit lockigen dunkelblonden Haaren. Ihre Augen hatten dieselbe hellblaue Farbe wie der Himmel an einem wolkenlosen Sommertag. Um die Nase herum hatte sie ein paar Sommersprossen und immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Und so machten ihr auch schon ab und an die jungen Männer den Hof, was sie ziemlich amüsant fand. Jack hingegen empfand nicht so, sein Vater ebenfalls nicht. Und als eines Tages einer von ihnen dreist genug war sie bis nach Hause zu verfolgen, fand er an der Tür Jack, der ihm mit dem Schmiedehammer erwartete. Er brach ihm den Unterarm und sein Ziel war er damit erfüllt – er hatte eine Warnung in die Welt geschickt.

    Niemand folgte seit dem Tag seiner Schwester nach Hause, man hielt respektvollen Abstand zu ihr, wenn man sie mit ihrer Mutter antraf. Wenn sie mit ihrem Vater oder mit Jack unterwegs war, traute sich schon vorher niemand an sie heran.

    Langsam setzte sich Jack auf, er machte sich nicht die Mühe sich zu beeilen. Sein Vater war bereits seit einer halben Stunde wach, seine Mutter stand zur gleichen Zeit auf. Seine Schwester war vorhin von seinem Vater geweckt worden, sie war also ebenfalls schon länger wach. Erstmal die Notdurft verrichten, dann zog er sich sein dunkelblaues Hemd mit den kurzen Ärmeln an, sie gingen ihm nur bis zu den Ellenbogen, und die schwarze Weste darüber. Das Hemd besaß einen kurzen Ausschnitt den man verschnüren konnte, immer ganz angenehm wegen der Hitze bei der Arbeit. Die Weste trug er einfach, weil sie ihm gefiel. Schließlich kam er die Treppe runter, seine dunkelbraunen Haare hatte er weder gekämmt noch zusammengebunden, dafür war später noch Zeit. Unten herrschte seiner Meinung nach zu viel Bewegung, doch er war es mit den Jahren schon gewohnt. Am Tisch stand noch ein Teller mit einem kleinen Stück Brot, ein wenig Käse und ein paar Eiern. Ausnahmsweise gab es auch Schinken, in den letzten Wochen hatten sie einige Aufträge erhalten und etwas mehr eingenommen.

    ‹‹Morgen Junge››, begrüßte ihn seine Mutter im Vorbeigehen.

    ‹‹Morgen Mama. Wie hast du geschlafen?›› Jack setzte sich an den Tisch, nahm erstmal ein paar kräftige Schluck Wasser bevor er sich an das Brot machte.

    ‹‹Ach, wie immer. Dein Vater schnarcht in letzter Zeit noch lauter als sonst.›› Für einen kurzen Moment huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Auch sein Vater lachte kurz, aber Jack wusste dass es stimmte – er konnte ihn nachts selbst hören. Eigentlich hatten sich alle im Haus daran gewöhnt, sonst wäre an Schlaf schon gar nicht mehr zu denken.

    ‹‹In zwei Stunden kommt Samuel, er will seine Schwerter abholen. Bis dahin musst du den Stall gesäubert haben. Und am besten polierst du sie noch einmal bevor er da ist. Schaffst du das?››, fragte sein Vater.

    ‹‹Natürlich. Und was müsst ihr auf dem Markt besorgen?›› erwiderte Jack zwischen den Bissen. Der Stall würde ihn kaum fünfzehn Minuten kosten, das Polieren der Schwerter würde ihn ebenfalls nicht sehr in Anspruch nehmen. So hatte er also genug Zeit mit seinen eigenen zu üben. Eine Antwort erhielt er nicht.

    Weder sein Vater noch seine Mutter oder seine Schwester wussten, dass er sich heimlich eine kleine Sammlung an Waffen geschmiedet hatte. Es blieb immer mal wieder etwas an Stahl übrig, wenn sie größere Aufträge bekamen, was eigentlich nicht mehr zu gebrauchen war. Anstatt es wegzuwerfen behielt er es und als er schließlich genug hatte, schmiedete er sich sein erstes Messer. Es war von der Spitze bis zum kleinen Knauf in etwa so lang wie sein Unterarm. Den Griff umwickelte er mit Leder und außerdem gravierte Jack etwas in die Klinge.

    ‚Ehre‘

    Er trug es immer bei sich, versteckt unter seinem Hemd, denn seine Mutter war strickt gegen Waffen in ihrem Haus. Sie wohnten weit weg von der Grenze und hatten ihrer Meinung nach nichts zu befürchten. Sein Vater war zwar eigentlich nicht dagegen, doch er stritt sich nicht gerne mit seiner Frau und so war es einfacher.

    Als nächstes schmiedete er einen Schlagring. Es dauerte länger bis er es ordentlich hinbekommen hatte, denn die ersten Versuche waren zu klobig und er konnte sie nicht in seiner Tasche tragen. Die vier Ringe zu formen war unglaublich schwer gewesen, aber schließlich schaffte er es und auch diesen trug er ständig bei sich. Es war ein schlichtes Werkzeug, um sich im Fall der Fälle verteidigen zu können.

    Zu guter Letzt schmiedete er zwei Schwerter. Sie waren von hervorragender Qualität, denn er schmiedete bereits seit seinem zwölften Lebensjahr zusammen mit seinem Vater die Schwerter der Soldaten oder besserte diese aus, wenn sie stumpf wurden oder ein Teil abgebrochen war. Nur waren seine eigenen anders. Er wollte nicht das übliche Langschwert, denn er selbst war nicht der größte und so hätte er im Umgang mit einer zu langen Klinge Probleme. Nicht dass er seine eigene jemals benutzten wollte, aber wofür schmiedet man sonst Waffen? So hatte er sein erstes Schwert ein Stück kürzer gemacht, dazu auch ein wenig schmaler. Wie auch sein Dolch war es zur Spitze hin leicht geschwungen. Und das war nicht der einzige Unterschied. Er verzichtet auch auf die Parierstange, das Querstück zwischen Griff und Klinge. Er wusste, dass die Soldaten bei ihren Schwertern auf keinen Fall darauf verzichteten, doch er fand sein eigenes war so viel handlicher. Außerdem umwickelte er das Heft nicht mit Leder, wie bei seinem Dolch.

    Es war nur der blanke Stahl.

    Aus einem Stück schmiedete er es, vom Knauf über das Heft bis zur Schneide und der Spitze. Und auch hier hatte er noch etwas eingraviert, nicht dieselben Worte wie auf seinen Dolch. ‚Krieg und Feuer‘. Das Zweite war wie das der Soldaten, im klassischen Stil. Mit einer Parierstange und einem kleinen runden Knauf. Auch diese Waffe war kürzer als diejenigen der Soldaten und schmaler war sie auch. Die Länge war die gleiche wie bei seinem anderen Schwert. Eingraviert hatte er hier ‚Familie und Heimat‘.

    Namen gab er seinen Schwertern nicht, dieses Privileg stand den Soldaten und Kriegern zu, zu denen Jack nun eben nicht zählte. Er war nur ein einfacher Schmied.

    Träume durfte jeder haben.

    Und so hatte Jack seine, während er die Schwerter polierte, die Samuel gleich holen würde. Er träumte von seinen Heldentaten an der Grenze. Wie er die freie Welt beschützte, den Kampf gegen die Orks, Trolle, Goblins und Dunkelelfen für sich entschied. Die Armeen der Menschen, Zwerge und Elfen unter einem Banner vereinte, zu einem glorreichen Sieg führte.

    Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken.

    Jack legte das Schwert zur Seite, steckte seine rechte Hand in die Hosentasche, wo sich der Schlagring befand. ‹‹Wer ist da?›› rief er.

    ‹‹Hier ist Samuel. Ich will unsere Schwerter abholen.›› Jack erkannte zwar die Stimme, Samuel war ein Hauptmann der Armee ihres Königs und war regelmäßig wegen Aufträgen bei ihm, doch Jack ging auf Nummer sicher. Erst als er die Tür geöffnet und Samuel erkannt hatte, holte er seine Hand aus der Tasche, natürlich ohne den Schlagring.

    ‹‹Samuel, wie immer eine Freude euch zu sehen.›› Auch wenn sie ihn mit dem Vornamen ansprachen, ließen weder Jack noch sein Vater jemals den Respekt vermissen, der einem Hauptmann eben zustand.

    ‹‹Das glaube ich gern, schließlich bringe ich immer genug Münzen für euch mit›› erwiderte Samuel scherzhaft. ‹‹Sag mal, wo ist dein Vater heute. Ich würde gerne über einen weiteren Auftrag mit ihm sprechen.››

    ‹‹Er ist auf dem Markt. Vielleicht wird er am Nachmittag noch einmal hier sein, nur kann ich es nicht mit Sicherheit sagen. Ihr könnt gern mit mir über diesen Auftrag sprechen, ich leite es an meinen Vater weiter und ich bin mir sicher, dass er euch dann spätestens Morgen Bescheid geben kann.›› Jack arbeitete zwar mit seinem Vater zusammen, lernte schnell und stand ihm bald schon in nichts mehr nach. Doch er maßte es sich nicht an für ihn zu sprechen. Die Schmiede gehörte schließlich seinem Vater.

    ‹‹Das würde ich gerne mit ihm persönlich ausmachen. Es ist keine Respektlosigkeit dir gegenüber, oder gar eine Geringschätzung. Es sollen einfach nicht zu viele Leute davon erfahren. Dann belassen wir es heute bei den Schwertern. Sind alle fünf fertig geworden?››

    ‹‹Das sind sie, dort auf dem Tisch›› antwortete Jack und deutete mit seiner Hand zu den Waffen, die er noch vor wenigen Minuten polierte. Samuel winkte einen Mann herein und ein Soldat erschien. Jack hatte schon einige von ihnen gesehen und es war dennoch jedes Mal aufs Neue ein beeindruckender Anblick. Der dunkelblaue Umhang der bis zu den Knien ging, das Kettenhemd, der Helm, das Schwert an seiner Seite, der Rundschild, der auf den Rücken gebunden war. Das Hemd über seiner Rüstung welches das Wappen ihres Königreiches ziert. Roter Adler auf weißem Untergrund.

    Das Wappen von König David.

    Es gab viele Gerüchte über ihren König, Jack wusste natürlich nicht, welche der Wahrheit entsprachen und welche dem Reich der Märchen zuzuordnen waren. Einen Soldaten konnte er natürlich nicht fragen, denn abgesehen von Samuel hatte er keinen Kontakt zu ihnen. Und einen Hauptmann fragte man nicht einfach nach irgendwelchen Gerüchten über den König.

    ‹‹Hast du etwas zum einwickeln für die Schwerter?›› fragte der Soldat Jack, woraufhin sich dieser sofort daran machte, ein Tuch zu holen. Der Soldat nahm ein dünnes Seil zur Hand und umwickelte die nun eingepackten Schwerter damit. Dieses Packet trug er sodann hinaus, wo er es in der Satteltasche seines Pferdes verstaute, wie Jack durch die nach wie vor offene Tür beobachten konnte.

    ‹‹Vielen Dank Jack, richte meinen Dank bitte auch deinem Vater aus. Sage ihm auch, dass ich ihn morgen erneut besuchen werde.›› Schon wandte er sich ab und schloss die Tür hinter sich. Jack konnte hören wie die Pferde davongaloppieren. Er verschloss die Tür wieder, heute standen keine Arbeiten mehr an und so holt er seine Schwerter heraus und begann mit seinen Übungen. Er hielt das Schwert meistens in der rechten Hand, seiner starken, während in der Linken abwechselnd sein Dolch oder sein Schlagring zu finden war. So blieb man unberechenbar und er würde mit all seinen Waffen umgehen können. Die Schwerter wechselte er auch immer mal wieder, ab und an nahm er dann auch beide zur selben Zeit. Zusätzlich übte er noch das Schwert mit seiner schwächeren linken Hand zu führen, für den Fall das seine rechte Hand verletzt sein sollte.

    Auf jede Situation vorbereitet.

    Nach einigen Stunden der Übungen ist er wie immer ziemlich erschöpft, verstaut die beiden Schwerter, packte den Schlagring in seine Hosentasche und den Dolch unter sein Hemd, vom Gürtel festgehalten. Kein weiterer Kunde war heute gekommen, in ihrer Stadt standen nur selten Schmiedearbeiten in großem Umfang an. Die meisten Aufträge erhielten sie von den Soldaten.

    Die Abenddämmerung brach bereits heran als er die Tür abschloss und zu ihrem Haus ging. Sie hatten die Schmiede unweit von diesem gebaut, um immer in der Nähe zu sein. Seine Mutter war bereits mit dem Abendessen zugange als er durch die Tür kam, von seinem Vater und Irene keine Spur.

    ‹‹Hey Mum, wie geht’s dir?››

    ‹‹Alles in Ordnung Jack. Ist alles gut gegangen mit Samuel?››

    ‹‹Ja, er will mit Vater morgen noch über einen weiteren Auftrag sprechen. Kann ich dir helfen?›› Er kam zu ihr und konnte nun sehen wie sie Kartoffeln schälte, zerschnitt und in einen Topf warf.

    ‹‹Nein, damit bin ich fast fertig, danke mein Junge. Was hat es denn mit diesem Auftrag auf sich?››

    ‹‹Das wollte er mir nicht sagen. Er kommt morgen um mit Vater darüber zu sprechen. Apropos, wo bleibt er eigentlich mit Irene?››

    ‹‹Sie werden bestimmt bald da sein. Und Samuel hat nichts weiter gesagt?››

    ‹‹Nein, ich hab ihn gefragt ob ich Vater etwas ausrichten könnte, was er abgelehnt hat.››

    ‹‹Also gut. Geh erstmal und wasch dich, du miefst ganz schön.››

    Nachdem er sich gewaschen hatte kam er wieder in die Küche, wo er nun Irene vorfand, sein Vater saß am Tisch und trank etwas. ‹‹Wo seid ihr so lange gewesen?››

    ‹‹Wir haben noch Lawrence besucht. Ich habe ein wenig die Zeit vergessen. War bei dir alles in Ordnung? Keine Probleme?››

    ‹‹Nein keine Probleme. Aber Samuel kommt morgen wieder um mit dir über einen neuen Auftrag zu sprechen.››

    ‹‹Um was geht’s dabei?››

    ‹‹Das hat er mir nicht sagen wollen. Ich bot ihm an dir Details zu übermitteln, er blieb hingegen lieber geheimnisvoll. Morgen kannst du von ihm mehr erfahren.››

    ‹‹Nun gut, lasst uns essen.››

    Jacks Mutter brachte die gekochten Kartoffeln, dazu gab es ein wenig Pökelfleisch. Sie hatten vielleicht nicht viel Geld, an Essen mangelte es ihnen aber nie.

    ‹‹Wie geht es Lawrence‘ Frau, wie hieß sie gleich nochmal? Megan? Maureen? Ihr Name beginnt auf jeden Fall mit einem M.››

    ‹‹Es war Mathilda. Und es geht ihr gut, sie arbeitet mit ihm gemeinsam in ihrer Schenke. Ihr Sohn ist mittlerweile ein stattlicher junger Mann geworden, er überragt unseren Jack um fast einen Kopf.››

    ‹‹Ach der kleine Peter? Den habe ich ewig nicht mehr gesehen›› erwiderte Jacks Mutter, während er die Aussage über seine Größe ignorierte. Ja, Peter war zwar größer als er, doch er war ein schwerfälliger Mann, der hellste war er ebenfalls nicht. Ab und an versuchte er in ihrer Jugend Jack zu ärgern, aber der verpasste ihm ein paar Schwinger und damit die Sache erledigt. Peter versuchte seitdem nie wieder sich mit Jack anzulegen.

    ‹‹Und was habt ihr mit ihnen besprochen Vater?››

    ‹‹Die Heirat von Peter und Irene.››

    Totenstille.

    Alle hatten sie aufgehört zu essen, ihrer Mutter war sogar die Gabel aus der Hand gefallen. Irene schien nicht so geschockt wie Jack, sie wusste es ja auch bereits. Ihr Gesicht schien ausdruckslos, er konnte ihre Gedanken nicht erkennen.

    ‹‹Und das hast du ohne mich entschieden?››

    ‹‹Keine Sorge, noch ist nichts entschieden. Doch Irene braucht einen Mann, Peter ist ein guter Junge und wird für seine Familie sorgen können. Jack, du kannst nach dem Essen schon gehen, wir besprechen das mit deiner Mutter und Irene.››

    ‹‹Ja Vater›› war das einzige was er hervorbringen konnte. Er war nicht gekränkt davon, bei dieser Entscheidung hatte er kein Mitspracherecht. Er kam nicht umhin zu denken, dass Irene zu gut für einen Idioten wie Peter war. Sie verdiente etwas Besseres, doch ihr Stand erlaubte es nun mal nicht.

    Sie war eben nur die Tochter eines Schmieds.

    Er beeilte sich mit dem Essen und ging hinaus. Es war nicht sonderlich kalt, weshalb er mit seinem einfachen Hemd draußen nicht fror. Jack setzte sich auf die hölzerne Bank vor ihrem Haus und holte seinen Dolch hervor. Er war zwar nicht besonders gut im Schnitzen, dennoch er zog ein kleineres Stück Holz unter der Bank vor dem Haus hervor und begann es zu bearbeiten. Noch hatte er nichts hinbekommen, das auch nur im Entferntesten etwas erkennen ließ, aber er übte weiter. Es war ein angenehmer Zeitvertreib bei dem man sich konzentrieren musste. So hatte er nicht viel Zeit zum Nachdenken, gerade jetzt, wo seine Schwester mit einem Holzkopf verheiratet werden sollte, kam es ihm durchaus gelegen.

    ‹‹Was soll das werden?›› Irene war gerade aus der Tür gekommen und setzte sich zunächst wortlos hin. Jack wurde erst durch ihre Worte aus seiner Trance gerissen.

    ‹‹Weiß ich noch nicht so genau. Vielleicht ein kleiner Dolch?››

    ‹‹Wer braucht denn einen Holzdolch?››

    ‹‹Niemand, ist nur eine Beschäftigung für mich und sollte nicht schwer zu schnitzen sein. Wieso bist du nicht mit unseren Eltern drinnen und besprichst alles Mögliche mit ihnen?››

    ‹‹Ich habe ihnen bereits alles gesagt. Ich mag Peter, auch wenn ich weiß, dass du ihn nicht für geeignet hältst. Ich habe Vater schon gesagt ich wäre einverstanden mit der Heirat. Jetzt diskutiert er mit Mutter, sie scheint nicht ganz so begeistert davon zu sein, das ich aus dem Haus soll.››

    ‹‹Du magst ihn also. Irene ich stehe hinter deiner Entscheidung, natürlich auch hinter der von Vater. Egal was ich darüber denken mag.››

    ‹‹Mit dir ein Gespräch darüber zu führen scheint nicht gerade hilfreich zu sein. Ich will deine Meinung, nicht die eines gehorsamen Sohnes. Du bist mein Bruder, also sag mir schon was du denkst!›› Dieser Ausfall überraschte Jack, Irene war zwar nicht unbedingt schüchtern, doch so hatte er sie noch nicht erlebt. Diese Situation war jetzt auch nicht unbedingt üblich, befand er.

    ‹‹Also schön››, sagte er schließlich, ‹‹ich mag Peter nicht. Hab ihn noch nie gemocht. Und ich denke, du könntest es besser treffen als mit so einem Idioten. Ja, er wird dich gut versorgen können, aber mehr ist da auch nicht, was ich gutes über ihn sagen kann. Bist du mit dieser Antwort zufrieden?››

    ‹‹Hmm››, summte sie, ‹‹damit bin ich zufrieden. Und sag mir mal, wer wäre denn besser geeignet? Du weißt nur zu gut von unserem Stand, ein Offizier oder Hauptmann kommt da nicht gerade in Betracht oder?››

    ‹‹Hast auch wieder Recht. Aber etwas Besseres als Peter müsste sich da bestimmt finden lassen. Wie dem auch sei, wenn du ihn magst, werde ich mich mit ihm abfinden.››

    ‹‹Welch ein Opfer du bringst mein Sohn.›› Ihr Vater stand jetzt in der Tür, wie lange er dort schon stand und wie viel er mitbekommen hatte, wussten sie nicht.

    Sofort sprang Jack auf, hielt den Dolch hinter seinem Rücken. ‹‹Verzeih Vater. Ich würde mich nicht gegen deine Meinung stellen. Aber ich wollte Irene nicht belügen.››

    ‹‹Irene, deine Mutter möchte mit dir sprechen. Sie ist noch am Tisch, geh bitte zu ihr.›› Sie nickte nur stumm, schenkte Jack ein Zwinkern und ging an ihrem Vater vorbei hinein. ‹‹Setzt dich wieder hin, den Dolch brauchst du auch nicht zu verstecken, ich weiß schon länger dass du ihn hast.›› Sein Vater ging nun seinerseits an ihm vorbei und setzte sich auf die Bank. Jack nach wie vor überrascht hielt den Dolch nun offen vor sich, setzte sich ebenfalls wieder.

    ‹‹Seit wann weißt du von meinem Dolch?››

    ‹‹Mein Junge ich bin dein Vater. Ich muss solche Sachen eben wissen oder? Außerdem weiß ich auch von dem Schlagring da in deiner Tasche.››

    Der Schock saß tief und Jack wusste nicht was er sagen sollte.

    ‹‹Also, du magst Peter nicht?››

    ‹‹Nein Vater.››

    ‹‹Nun, ich weiß, dass ihr euch nie verstanden habt. Aber ich muss auch zugeben, dass ich deine Sympathie für ihn nicht in meine Überlegungen miteinbezogen habe.››

    ‹‹Das habe ich auch nicht gewollt.››

    ‹‹Und dennoch, deine Meinung ist mir wichtig. Du bist kein Kind mehr, sondern ein Mann. Und deine Schwester sieht zu dir auf, sie hält große Stücke auf dich, weißt du das?››

    ‹‹Ich freue mich, dass sie zu mir aufsieht und ich hoffe, ich kann ihr ein guter Bruder sein.››

    ‹‹Das bist du. Aber du solltest hinter ihrer Entscheidung stehen. Denn sie mag Peter, sie ist einverstanden damit ihn zu heiraten. Also unterstütz sie bitte.››

    ‹‹Das werde ich tun.››

    ‹‹Jetzt erzähl mir mal, was du mit dem Dolch und dem Schlagring vorhast Junge? Willst du Soldat werden und an der Grenze kämpfen?››

    ‹‹Es war nur eine Übung für mich. Außerdem trage ich die Sachen zur Selbstverteidigung. Ich bin ein Schmied, kein Soldat.››

    ‹‹Was du bist weiß ich, doch ich frage was du sein willst?››

    ‹‹Ich habe daran gedacht mich der Armee anzuschließen.›› Er log seinen Vater nicht an, auch weil er wusste, dass er niemals ein Soldat werden würde.

    ‹‹Kannst du denn kämpfen?››

    ‹‹Ein wenig. Ich habe es nie ausprobieren müssen.››

    ‹‹Kannst du auch mit den beiden Schwertern umgehen die du in der Schmiede versteckst?›› Verflucht!

    ‹‹Ich habe es nie im Kampf versucht.››

    ‹‹Hast du daran gedacht dich zu melden?››

    ‹‹Nein.››

    ‹‹Wieso nicht?››

    Die Frage erübrigte sich, hatte Jack immer gedacht. Er konnte seine Familie nicht verlassen, bald würde er die Schmiede übernehmen müssen, sein Vater wurde nicht jünger. ‹‹Na, wer soll denn sonst in der Schmiede arbeiten?››

    ‹‹Da wird sich schon jemand finden. Soldaten bekommen auch einen guten Lohn. Wohin würdest du dich versetzten lassen?››

    ‹‹Das sind alles nur Gedankenspiele, oder Vater?››

    ‹‹Wir unterhalten uns offen und ehrlich.›› Keine wirkliche Antwort, doch nun gut.

    ‹‹Ich würde mich an die Grenze versetzten lassen.››

    ‹‹Gleich an die Grenze also. Du weißt aber, dass die Soldaten mit Schwert und Schild kämpfen, nicht wahr? Keine zwei Schwerter, keine Alleingänge.››

    ‹‹Das weiß ich. Und ich weiß auch, dass es andere Truppen gibt, die auf ihre Weise kämpfen dürfen. Der blaue Baum zum Beispiel, oder die Männer der rote Krone.›› Er war informiert über diese Einheiten, jeder konnte etwas über sie in Erfahrung bringen, denn sie waren nicht geheim. Nur ihre angeblichen Einsätze hinter der Grenze waren zum einen unbestätigt, zum anderen wusste man nichts Genaueres darüber, nur Gerüchte. Sie kämpften nicht wie die regulären Einheiten mit Schwert und Schild in einer Reihe und hatten einige der besten Kämpfer in ihren Reihen. Man überließ es ihnen, mit welchen Waffen sie in den Kampf zogen. Natürlich kämpften auch sie oft im Verbund, das taten sie dann in der Regel zu Pferd.

    ‹‹Hohe Ziele, mein Sohn. Du solltest dir mal Gedanken machen, vielleicht versuchst du dein Glück bei der Armee.››

    ‹‹Vater?››

    ‹‹Ich will nicht, dass du wegen uns deine Ziele aufgibst. Du sollst nicht eines Tages aufwachen und dich fragen, ‚was wäre wenn?‘››

    ‹‹Ich werde es mir überlegen. Etwas mehr Geld würde unserer Familie wahrlich nicht schaden.››

    ‹‹Nein, das würde es bestimmt nicht.››

    Ein solches Gespräch hatte Jack noch nie mit seinem Vater geführt. Er war überrascht davon, dass sein Vater von seinen Waffen wusste, überrascht von der Ermutigung, die er erhielt, obwohl sein Traum darin bestand, der Armee beizutreten und weit weg von seiner Familie stationiert zu werden.

    Orsgart eilte so schnell er konnte in den hellen Saal. Dort hielt der Rat des Königs seine Sitzungen ab. Und als General der Festung musste er natürlich auch dabei sein. Er trug ein prächtiges Kettenhemd, seine einschneidige Axt war auf den Rücken gebunden, seinen Helm hatte er in seinem Quartier gelassen. Er war etwas größer als die anderen Zwerge, überragte auch ihren König um drei Fingerbreit. Darauf war er auch ziemlich stolz.

    Schließlich bog er um die Ecke des scheinbar nicht enden wollenden Gangs und stand vor der Tür zum hellen Saal. Zwei große Türflügel, ein Mensch könnte ohne sich zu ducken hindurchgehen, bildeten den Durchgang. Zwei Wachen waren vor der Tür postiert und als sie Orsgart sahen, nahmen sie sofort Haltung an.

    ‹‹Entspannt euch Männer››, sagte er im Vorbeigehen. Für diese Wachen war nicht er zuständig. Der Schutz des Rates und des Königs oblag Mersiok. Dennoch kannte jeder in der Zwergenstadt den General und behandelte ihn mit dem gebührenden Respekt.

    Also, rein durch die Tür und schnell an seinen Platz. Die meisten der anderen Mitglieder des Rates waren bereits anwesend, doch der König selbst, sein Sohn und Rofi waren noch nicht da. Orsgart setzte sich auf seinen Platz zwischen Mersiok und Trugos. ‹‹Morgen Männer.››

    ‹‹Morgen Orsgart. Wie geht’s dir?›› Er und Mersiok waren gute Freunde geworden, schon während ihrer frühen Ausbildung in der Armee, zu ihrer Jugendzeit, haben sie sich gut verstanden. Jeder von ihnen war schnell aufgestiegen, Mersiok war schließlich die ehrenvolle Aufgabe zu teil geworden, die Wachen des Königs und des Rates zu kommandieren.

    ‹‹Ganz gut, ist nicht viel los heute. Weißt du schon um was es hier gehen soll?››

    ‹‹Nein, hab nicht die leiseste Ahnung. Aber ich soll ja auch nur auf die Leute aufpassen. Trugos, weißt du etwas?›› Trugos war einer der Meisterschmiede. Im Rat waren zu gleichen Teilen Männer aus der Armee und aus den handwerklichen Bereichen der Stadt vertreten. Schmiede, Schreiner, Bergleute, Weber, um mal ein paar von ihnen zu nennen. Natürlich hatten die Schmiede und Bergleute ein höheres Ansehen, waren die Zwerge auf der ganzen Welt für beides bekannt.

    ‹‹Ich hab auch nichts gehört. Bin genauso neugierig wie ihr.››

    Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten bis die Tür erneut geöffnet wurde und der König hereinkam, gefolgt von seinem einzigen Sohn, Lerdig. Sofort erhoben sich alle Zwerge, doch der König bedeutete ihnen, sie sollen sitzen bleiben, und ging sofort an seinen Platz. Während sein Sohn ihm folgte, schlossen die Wachen die Tür von außen.

    ‹‹Meine treuen Berater, wir haben einige Dinge zu besprechen also sollten wir am besten gleich anfangen.›› Der König hatte immer das erste und auch das letzte Wort einer jeden Ratssitzung. Auch sprach ihn niemand mit seinem Namen, Urodig, an. Obwohl sein Sohn eigentlich der Prinz war, war es bei ihm wiederum üblich, ihn mit seinem Namen anzusprechen. ‹‹Zunächst möchte ich erfahren, ob es irgendwelche Probleme in den Schmieden gab?››

    ‹‹Mein König, unsere Schmieden laufen auf Hochtouren, es gibt geringe Verzögerungen bei manchen Arbeiten, ansonsten haben wir nichts zu berichten›› antwortete Trugos und die beiden anderen Meister nickten ihm nur zustimmend zu. Der König wusste, dass sie einen großen Teil ihres Vermögens aus den Schmiedearbeiten der Stadt bezogen, daher musste er sich auch vornehmlich um diese kümmern, wollte er nicht auf das Geld der Menschen verzichten. Die Zwerge vom grünen Berg waren die einzigen, die den Menschen ihre Schmiedefertigkeiten anboten, zu einem entsprechenden Preis verstand sich. Die anderen Zwerge wollten sich dem nicht anschließen, ihrer Meinung nach sollten die Menschen selbst lernen, wie man richtig schmiedet. Außerdem wollten sie ihren Vorteil wahren, sollte es erneut zu einem Konflikt mit ihnen kommen. Denn man kam nicht umher zu sagen, dass die Waffen der Zwerge eben eine ganz andere Qualität vorwiesen.

    ‹‹Und wie sieht es mit den Ressourcen aus? Fördern wir genug zu Tage um den Bestand konstant zu halten?››

    ‹‹Mein König, einer unserer Karren ist auseinandergebrochen, die Arbeiter haben ihn überladen. In einer Woche, hat man uns gesagt, wird ein neuer Wagen bereitstehen. Bis dahin werden wir etwas weniger fördern können, was uns allerdings nicht sehr schaden wird, unsere Vorräte sind groß genug um selbst mehrere Wochen ohne einen einzigen Tag an Förderung zu überstehen.›› Geantwortet hatte Somkil, der oberste der Minenarbeiter.

    ‹‹Nun gut, das hat, wie wir wissen, Priorität. Jetzt möchte ich wissen, wie sieht es mit aus der Ausbildung der neuen Soldaten?›› Es war nun an Orsgart zu antworten.

    ‹‹Mein König, die Ausbildung verläuft gut. Leider haben wir die hundert Männer nicht zusammenbekommen. Es sind letztlich nur sechsundachtzig neue Rekruten geworden. In der Bevölkerung ist der Glaube groß, dass wir keine Krieger mehr benötigen.›› Er selbst war nicht der Meinung, konnte es aber verstehen. Den Schutz ihres Teils der Grenze übernahmen die Zwerge aus dem Eisgebirge. Die anderen Königreiche zahlten lediglich einen Tribut an sie, sodass sie selbst keine Männer an die Grenze schicken musste. Dieser Tribut konnte in Geld oder Waffen entrichtet werden, doch wenn sie es wollten, konnten sie auch Soldaten entsenden. Die meisten entschieden sich aber dafür Waffen, Schilde und Geld zu entsenden, um die eigenen Leute nicht in Gefahr zu bringen. Und so hatten die Eiszwerge, so wurden sie gemeinhin genannt, ihr ganzes Leben angepasst. Sie schmiedeten kaum noch selbst, bekamen genug zu essen und lebten schließlich immer an der Grenze.

    ‹‹Das sollte uns zu denken geben Vater››, warf Lerdig ein. Der Prinz war ein kluger junger Mann, der von Mersiok persönlich ausgebildet worden war. Für Zwerge unüblich entschied sich Lerdig für ein Schwert, obwohl Mersiok und sein Vater ihm immer wieder erklärten, für Zwerge wäre die Axt oder der Streithammer die passende Waffe. Nichts brachte den jungen Prinzen davon ab und so wurde er mit dem Schwert zu einem der besten Rekruten die Mersiok jemals hatte. Natürlich musste er auch irgendwann mit Gegnern üben und so wurde er Orsgarts Obhut übergeben, der ihn einer Gruppe zuordnete, die bereits weiter in der Ausbildung war. Außerdem war seine Anweisung, dass der Prinz auf keinen Fall anders behandelt werden sollte, als die anderen und auch Lerdig selbst äußerte diesen Wunsch. Schnell war er unter den Rekruten beliebt geworden, auch die Ausbilder hatten keine Probleme mit ihm. Bis er zu stark für die anderen Soldaten wurde.

    ‹‹Absolut richtig mein Sohn. Was denkst du sollten wir tun?›› Der König erzog seinen Jungen natürlich auch selbst, zusätzlich zum Kämpfen lernte er Lesen, Schreiben und Rechnen. Außerdem studierte er die alten Bücher der Großmeister aus den frühen Zeitaltern ihrer Welt. Er sollte ein weiser König werden, nicht nur im Kampf bewandert.

    ‹‹Ich denke wir sollten wieder damit beginnen, Soldaten an die Grenze zu entsenden. Unser Volk darf nicht vergessen, wieso wir Krieger brauchen. Auch wenn von den Menschen keine Gefahr mehr ausgeht, heißt es nicht, dass wir uns keine Sorgen mehr machen müssen und unsere Armee vernachlässigen können.››

    Schon seit Jahrzehnten hatten sie keine Soldaten mehr an die Grenze geschickt. Der König könnte zwar jederzeit den Befehl erteilen, doch keiner rechnete ernsthaft damit. ‹‹Soldaten an die Grenze? Wer von unseren Männern würde schon dorthin gehen?››

    ‹‹Jeder unserer Männer würde dorthin gehen. Die Frage die ich stellen würde ist, wer verweigert sich dem Befehl seines Königs?›› entgegnete Orsgart scharf.

    ‹‹Das wollte damit niemand sagen General Orsgart. Doch die Männer würden wohl kaum gerne an die Grenze ziehen. Wie wollt ihr sie überzeugen?››

    ‹‹Sie sind der Armee beigetreten und haben den Befehlen Folge zu leisten, die sie von ihren Hauptleuten erhalten. Diese haben die Befehle ihrer Offiziere zu befolgen und die Offiziere erhalten ihre Befehle von den Feldherrn. Und jetzt ratet mal wie es weitergeht?›› antwortete Orsgart streng. Aber keiner sagte etwas, auch wenn jeder wusste wie es weiterging. Die Feldherren hörten auf die Generäle der Festung, solche wie Orsgart und er erhielt seine Befehle vom König. Und selbst wenn die Soldaten den Befehl hassen würden, sie würden ihm folgen.

    ‹‹Wir müssten zunächst Gesandte ins Eisengebirge schicken. Bevor wir nicht mit ihnen gesprochen haben, können wir keine Soldaten entsenden. Und ich glaube nicht, dass man dort so erfreut sein wird, wenn auswärtige Krieger zu ihren Männern dazu stoßen sollen.››

    ‹‹Sie müssen sicher über jede Verstärkung erfreut sein mein König.››

    ‹‹Darüber sollten wir erstmal sprechen.›› Erneut war die Tür geöffnet worden, ein kräftiger Zwerg kam hereingestapft. Es war keiner von ihren Leuten, eine Gefahr ging dennoch nicht von ihm aus. Zwerge, auch wenn sie sich verabscheuten, würden niemals einen der eigenen töten. Der Mann hatte einen schwarzen Bart, durchzogen von grauen Strähnen, buschige Augenbrauen und ein vom Wetter gegerbtes Gesicht. Seine Haare hatte er zu einem Zopf zusammengebunden, auch sie waren schwarz, mit vereinzelten grauen Strähnen. In voller Rüstung erschien er hier, Kettenhemd, gepanzerte Handschuhe, den Helm in der Hand, seine Axt und den Schild auf dem Rücken festgebunden. Er kam aus dem Eisgebirge.

    ‹‹Wer seid ihr und was wollt ihr hier? Ihr unterbrecht eine Sitzung unseres königlichen Rates!›› Mersiok war aufgesprungen, die Hand bereits am Griff seiner Waffe. Orsgart hielt sich zurück, aber wenn es nötig werden sollte, wäre er so schnell kampfbereit, dass es bis jetzt noch jeden überraschte.

    ‹‹Ich bin Feldherr Zugriag. Mein König schickt mich aus dem Eisgebirge, um mit euch zu sprechen.››

    Die Verwunderung war selbst ihrem König anzusehen. Niemand hatte mit einem Gesandten aus dem Eisgebirge gerechnet, die Männer kamen eigentlich nur, um ihren Tribut zu eskortieren, der in Wagen von hier zu ihrer Bergfestung gefahren wurde. Auch wenn die Zwerge ihre eigenen Tunnel hatten, die durch die Berge unter der Erde führten, wollten sie trotzdem auf Nummer sicher gehen. Die Menschen und Elfen wussten nichts von ihren Tunneln und so war es auch besser. Über diese konnten Zwerge einen Marsch, der an der Oberfläche über eine Woche dauern könnte, in einem Tag hinter sich bringen. Die Menschen konnten so nie abschätzen, wie viele Zwerge sich in einer Bergfestung befanden.

    Man hatte einen weiteren Stuhl für den Neuankömmling gebracht, auf dem er sich niederließ. Viele Fragen brannten den anderen Zwergen auf den Zungen, dennoch gebührte dieses Recht ihrem König. Auch sein Sohn wusste es und hielt sich bedeckt. ‹‹Zunächst möchte ich euch in aller Form und Höflichkeit in unserer Stadt begrüßen. Nun möchte ich aber wissen, wieso euch euer König zu mir geschickt hat?››

    ‹‹Ich danke euch für den Empfang. Und der Grund meines Erscheinens ist schnell erklärt: mein König ersucht euch um eure Unterstützung.››

    ‹‹Welche Unterstützung könnte euer König von mir erbitten?››

    ‹‹Soldaten. So viele wie ihr entsendet könnt.››

    ‚Soldaten?‘, dachte sich Orsgart. ‚Wofür brauchen sie nun unsere Männer? Sie müssten doch mehr als genug haben.‘

    ‹‹Wen habt ihr noch um Hilfe gebeten?›› antwortete der König und nicht nur Orsgart irritierte diese Frage. Jeder hatte damit gerechnet, dass der König in Erfahrung bringen wollte, wofür seine Männer benötigt würden.

    ‹‹Ich wurde nur zu euch gesandt.››

    ‹‹Wie viele Gesandte hat euer König noch ausgeschickt?››

    ‹‹Ich weiß nur von drei anderen.››

    ‹‹Nun gut. Wieso ersucht man unsere Hilfe und fragt nach unseren Männern?›› sprach der König endlich die Frage aus, die allen auf der Zunge brannte.

    ‹‹Wir brauchen mehr Männer an der Grenze, sonst werden wir sie nicht halten können. Der Feind plant etwas, unsere Späher können nicht mehr so tief ins Land gelangen, wie wir es gewohnt sind. Das kann nichts Gutes bedeuten. Deswegen – und um gut vorbereitet zu sein – brauchen wir eure Männer.››

    Die meisten hatten hierfür nur ein müdes Lächeln übrig. Niemand glaubte mehr an Überfälle oder große Kriege, diese Zeiten waren vorüber und das schon seit langem. An der Grenze gab es immer mal wieder Probleme, doch dafür hatte man ja die Posten dort errichtet. Und mindestens dreißig Meilen von der Grenze lagen immer noch keine Dörfer. Die Menschen und Elfen waren klug genug, weit entfernt von dem Schrecken zu leben, die Zwerge lebten seit jeher in den Bergen und ihre Festungen waren für andere Rassen nur schwer zu erreichen. Von einem Angriff konnte keine Rede sein.

    ‹‹Hat euer König noch mehr Informationen über die Lage?››

    ‹‹Das weiß ich nicht. Ich wurde nur als Gesandter mit dem Ersuchen um Hilfe entsandt. Ihr könnt gerne euren eigenen Mann mit mir zurückkehren lassen, damit er mit meinem König sprechen kann.››

    ‹‹Ein guter Vorschlag. Mein Sohn wird euch noch heute begleiten.›› Damit hatte niemand der Anwesenden gerechnet. Der Prinz war noch nie an der Grenze gewesen, schließlich war er der einzige Sohn seines Vaters und Erbe des Königreichs. Und jetzt entsendete der König ihn an den gefährlichsten Ort der Welt.

    ‹‹Nun gut, ich reise in ein paar Stunden ab. Wenn es geht, würde ich mich gerne kurz ausruhen und möchte euch um ein Bett ersuchen›› antwortete der Botschafter.

    ‹‹Selbstverständlich. Einer meiner Männer wird euch zu einem Gemach begleiten. Sagt den Dienstboten Bescheid, sollte es euch an etwas mangeln.››

    Der Bote stand auf und verbeugte sich. ‹‹Vielen Dank großer König. Mein Herr wird von eurer Gastfreundschaft erfahren.›› Damit ging er hinaus und eine der Wachen die ihn hergebracht hatten, würde ihn nun auf ein freies Zimmer begleiten. Unterdessen war der König aufgestanden und sagte nun, ‹‹Die Ratssitzung wird für heute verschoben. Mersiok und Orsgart, ihr bleibt noch hier.››

    Langsam standen die anderen Männer auf und unterhielten sich über das eben Gehörte, während sie den Raum verließen und ihren eigentlichen Tätigkeiten wieder nachgehen würden.

    ‹‹Kommt bitte zu uns, wir haben noch etwas zu besprechen.›› Die beiden Männer standen sofort auf und setzten sich an die Seite des Königs an dem langen Tisch, gegenüber von ihrem Prinzen. ‹‹Was haltet ihr beide davon?››

    ‹‹Mein König, auf was genau bezieht sich eure Frage? Darauf das der Prinz an die Grenze soll oder ob wir unsere Männer entsenden sollen?›› erwiderte Orsgart.

    ‹‹Am besten ihr antwortet zu beidem. Aber fangen wir mit meinem Sohn an.›› Der Prinz schien in sich gekehrt zu sein, hatte noch nichts zu seinem Vater oder der bevorstehenden Reise gesagt.

    ‹‹Nun, ich denke es ist nicht besonders klug den Prinzen zur Grenze zu entsenden. Auch wenn er gut ausgebildet ist, Lerdig hat keine Kampferfahrung›› erklärte Mersiok.

    ‹‹Und was ist mit euch Orsgart?››

    ‹‹Ich kann Mersiok zwar Recht geben, aber ich denke da kann man noch etwas hinzufügen. Der Prinz sollte vielleicht an die Grenze reisen, denn nur dort kann er sehen, wie es wirklich im Kampf aussieht. Missversteht mich nicht, er sollte nicht an einem der Scharmützel teilnehmen, doch eine bessere Praxis kann ich nicht erkennen.››

    ‹‹Ein wahres Wort, das habe ich mir auch gedacht. Mein Sohn, wie siehst du das Ganze? Wärst du mit der Reise einverstanden?››

    Wie aus einem Schlaf gerissen blickte der Prinz zunächst seinen Vater, dann die beiden Generäle an. ‹‹Vater, ich denke es wäre eine gute Idee. Eine hervorragende Möglichkeit zu sehen wie es an unserer Grenze aussieht.››

    ‹‹Also gut, mein Sohn wird der Gesandte unseres Königreiches werden. Jedoch wirst du nicht alleine reisen. Ihr beide werdet ihn begleiten.››

    Die Überraschung traf die Männer wie ein Blitzschlag. Sie waren beide schon freiwillig an der Grenze gewesen, hatten auch einige Monate gekämpft. Das lag nun auch schon Jahre zurück. ‹‹Wer soll unsere Aufgaben hier übernehmen?››

    ‹‹Dafür werden sich geeignete Männer finden lassen. Ich werde sie wohl den anderen Generälen übertragen. Hat jemand von euch etwas dagegen?›› Niemand der beiden sagte etwas, vor allem nach dem Vortrag über Befehle, denn Orsgart zuvor gehalten hatte. ‹‹Gut, ihr werdet also meinen Sohn und euren Prinzen begleiten. Nun zu dir mein Sohn.››

    ‹‹Ja Vater?››

    ‹‹Du bist dort Gesandter unseres Königreichs. Ein Prinz zwar, dennoch repräsentierst du mich und unser Königreich. Ich hoffe du weißt mit dieser Verantwortung umzugehen?››

    ‹‹Natürlich. Ich werde diesen Titel mit Ehre tragen.››

    ‹‹Das freut mich zu hören. Aber jetzt noch wichtiger, du musst einiges herausfinden. Zunächst müssen wir wissen, ob es wirklich so schlimm um die Grenze steht, wie sie es behaupten. Zum anderen musst du herausfinden, ob sie unsere Männer nur als Bauernopfer haben wollen, die vor ihren eigenen Truppen vorgeschickt werden sollen. Außerdem, und das wird sehr schwierig sein, musst du herausfinden, was die Absichten des Königs sind. Wie viele der anderen Zwergenherrscher ihre Männer entsenden werden und ob alle Männer zur gleichen Zeit dort sein sollen. Jede einzelne Information ist wichtig und kostbar für uns. Merk dir das mein Sohn, schick deine Männer nicht irgendwohin, wo du nicht

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