Der kleine Fürst 110 – Adelsroman: Ein Schatz zum Verlieben
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"Gib das Haus doch endlich auf, Kind!", sagte Serena von Ottersberg. "Komm zu uns nach Florida, hier würdest du auch Arbeit finden, und du müsstest dich nicht mehr mit dem schrecklichen deutschen Winter herumschlagen." Ihre Tochter Amelie stand während dieses Telefongesprächs am Fenster ihrer Küche und sah hinaus in den winterlichen Garten. Selbst jetzt, da alles unter grauem Schneematsch begraben lag und die Bäume und Sträucher ihre nackten Äste von sich streckten, fand sie ihn schön. Er gefiel ihr zu jeder Jahreszeit, und sie konnte sich nicht vorstellen, jemals von hier wegzugehen. Sie fand auch den deutschen Winter nicht schrecklich, trotz seiner gelegentlich unangenehmen Seiten. Aber im Prinzip brauchte sie den Wechsel der Jahreszeiten, um sich wohlzufühlen. Ihre Mutter wusste das natürlich, aber sie versuchte es immer wieder, Amelie ihren neuen Wohnort im Süden der USA schmackhaft zu machen.
"Mir gefällt es hier, Mama, und ich mag unseren Winter", erwiderte sie. Und um Serena endgültig von diesem leidigen Thema abzubringen, fragte sie: "Euch geht es also gut? Was macht Papas Knie?"
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Der kleine Fürst 110 – Adelsroman - Viola Maybach
Der kleine Fürst –110–
Ein Schatz zum Verlieben
Aber erst mal muss er gefunden werden!
Roman von Viola Maybach
»Gib das Haus doch endlich auf, Kind!«, sagte Serena von Ottersberg. »Komm zu uns nach Florida, hier würdest du auch Arbeit finden, und du müsstest dich nicht mehr mit dem schrecklichen deutschen Winter herumschlagen.«
Ihre Tochter Amelie stand während dieses Telefongesprächs am Fenster ihrer Küche und sah hinaus in den winterlichen Garten. Selbst jetzt, da alles unter grauem Schneematsch begraben lag und die Bäume und Sträucher ihre nackten Äste von sich streckten, fand sie ihn schön. Er gefiel ihr zu jeder Jahreszeit, und sie konnte sich nicht vorstellen, jemals von hier wegzugehen. Sie fand auch den deutschen Winter nicht schrecklich, trotz seiner gelegentlich unangenehmen Seiten. Aber im Prinzip brauchte sie den Wechsel der Jahreszeiten, um sich wohlzufühlen. Ihre Mutter wusste das natürlich, aber sie versuchte es immer wieder, Amelie ihren neuen Wohnort im Süden der USA schmackhaft zu machen.
»Mir gefällt es hier, Mama, und ich mag unseren Winter«, erwiderte sie. Und um Serena endgültig von diesem leidigen Thema abzubringen, fragte sie: »Euch geht es also gut? Was macht Papas Knie?«
Sie hatte die richtige Frage gestellt, jedenfalls war von da an nicht mehr die Rede davon, sie solle das baufällige Haus aufgeben, das einer der Vorfahren ihres Vaters erbaut hatte, und sich endlich ›etwas Angemessenes suchen, wenn du schon nicht zu uns ziehen willst‹. Diese Diskussion führte sie mehrmals im Jahr mit ihren Eltern, und ganz schlimm wurde es, wenn Serena und Joseph von Ottersberg nach Deutschland kamen. Bei ihrem letzten Besuch hatten sie vor Entsetzen über den Zustand des Hauses beide Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.
»Kind, das geht so nicht weiter!«, hatte ihr Vater ausgerufen. »Das sind ja menschenunwürdige Zustände hier!«
Amelie sah das anders. Sie liebte das alte Haus, in dem sie in ihrer Kindheit jedes Jahr wunderschöne Ferien bei ihren Großeltern verbracht hatte, den Eltern ihres Vaters. Eines Tages war jedoch Schluss damit gewesen: Da hatte der Großvater die Großmutter verlassen und sich mit einer anderen Frau zusammengetan. Das war das Ende des Kindheitsparadieses gewesen. Zwar war ihre Großmutter in dem Haus geblieben, aber seine unbeschwerte Atmosphäre hatte es verloren. Nach ihrem Tod war es immer nur vorübergehend bewohnt worden, von verschiedenen Mitgliedern der Familie. Keiner hatte es lange ausgehalten: Die Heizung funktionierte nur notdürftig, die Badezimmer waren völlig veraltet, und in der Küche stand noch ein Herd aus grauer Vorzeit.
Amelie hatte schon als Kind gesagt: »Wenn ich groß bin, ziehe ich in Omas Haus« – und genau das hatte sie dann auch getan. Niemand aus der Familie hatte sie gehindert, alle waren im Grunde genommen froh gewesen, sich nicht mehr um das allmählich verkommende Anwesen kümmern zu müssen. Einige hätten wohl lieber gesehen, dass es verkauft würde, aber in dem Zustand, in dem es war, hätte man es weit unter Wert verkaufen müssen.
»Bist du noch da?«, fragte Serena.
»Ja, natürlich«, antwortete Amelie schuldbewusst. Die letzten Sätze ihrer Mutter hatte sie nicht gehört, sie war in Gedanken gewesen.
»Du warst so still. Jedenfalls hoffen wir, dass das Knie jetzt hält. Und wann kommst du nun? Wir hätten dich so gerne mal wieder hier, Amelie. Es ist ja schon fast ein Jahr her seit deinem letzten Besuch.«
Amelies Eltern hatten sich des Klimas wegen für ein Leben in Florida entschieden. Ihr Vater litt unter Rheuma, er vertrug feuchte Kälte überhaupt nicht, und seit er in Florida lebte, ging es ihm wesentlich besser.
»Ende Februar vielleicht«, sagte Amelie nach kurzem Überlegen. Sie arbeitete als Landschaftsgärtnerin. Wenn überhaupt, dann verreiste sie in den Wintermonaten. Und natürlich wollte auch sie ihre Eltern gerne wiedersehen.
»Dann buch am besten sofort einen Flug, bevor dir wieder etwas dazwischenkommt!«
Amelie lächelte unwillkürlich. Ihre Mutter kannte sie gut. Sie versprach also, sich bald um einen Flug zu bemühen, und wenig später verabschiedeten sich die beiden Frauen voneinander. Amelie blieb am Fenster stehen. Als sie eingezogen war, hatte sie sich als erstes den riesigen Garten vorgenommen, davon verstand sie schließlich etwas. Es kam nicht selten vor, dass Spaziergänger stehen blieben und von der Straße her den Garten bewunderten. Manchmal hörte sie, wie jemand sagte: »So ein wundervoller Garten – und dann diese Bruchbude von Haus. Wie passt das zusammen?« Es passte natürlich überhaupt nicht zusammen, aber noch fehlten ihr die Mittel für eine grundlegende Sanierung. Dabei hatte sie durchaus schon damit begonnen, aber die Fortschritte waren winzig und von außen nicht unbedingt sofort zu sehen. Sie seufzte. Allmählich wurde sie bekannter, sie bekam besser bezahlte Aufträge. Irgendwann würde sie sich die Sanierung dieses Hauses leisten können. Jedenfalls hatte sie nicht vor, es aufzugeben. Zumindest nicht, so lange es ihr nicht über dem Kopf einstürzte, und so weit war es noch längst nicht.
Als es klingelte, spähte sie verwundert aus dem Fenster, konnte jedoch kein Auto entdecken. Besuch erwartete sie nicht. Unangekündigt kam nur sehr selten jemand vorbei, ihre Freunde riefen vorsichtshalber an, weil sie häufig unterwegs war. Als sie öffnete, stand ein Mann von etwa fünfzig Jahren vor ihr. Er war ein bisschen füllig um die Mitte, sonst aber gut in Form. Seine dunklen Haare waren von silbernen Fäden durchzogen, die braunen Augen betrachteten sie neugierig.
»Du musst Amelie sein«, sagte er mit charmantem Lächeln.
Amelie wusste nicht, was sie erwidern sollte. Wer war dieser Mann? Sie war sicher, dass sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte.
Ihr Zögern entging ihm nicht. »Entschuldige, du hast natürlich keine Ahnung, wer ich bin, wir hatten bisher ja noch nicht das Vergnügen. Ich bin dein Onkel Rüdiger. Rüdiger von Ottersberg, vor vielen Jahren nach Australien ausgewandert.«
»Oh«, sagte Amelie verwirrt.
Von diesem jüngeren Bruder ihres Vaters hatte sie schon viele Geschichten gehört. Er galt als verschollen. Mit seinem Vater hatte er sich nicht verstanden, und angeblich war er vor allem deshalb ausgewandert und hatte alle Brücken hinter sich abgebrochen. Eine einzige Karte aus Australien hatte er geschickt – zum Zeichen dafür, dass er noch lebte. Danach hatte niemand in der Familie jemals wieder etwas von ihm gehört. Es hieß, die Trauer der Großmutter über das Verschwinden ihres Jüngsten habe letztlich zum Scheitern ihrer Ehe geführt: Der Großvater habe sich deshalb einer jüngeren, lebenslustigen Frau zugewandt.
»Ich dachte mir schon, dass du dich wundern würdest. Darf ich hereinkommen? Sind deine Eltern auch da? Ich kann es kaum erwarten, Joe wiederzusehen. Ob er seinen kleinen Bruder wohl wiedererkennt?«
Es waren diese Worte, die Amelie zur Seite treten und den unbekannten Onkel eintreten ließen. Ihr Vater Joseph wurde in der Familie nur Joe genannt, das war schon vor seiner Umsiedelung nach Florida so gewesen. Wenn dieser Mann das wusste, dann war er wohl wirklich Rüdiger von Ottersberg.
Er folgte ihr in den Wohnraum, wo er stehen blieb und mit betroffener Miene sagte: »An dem Haus ist offenbar überhaupt nichts gemacht worden, seit