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Kritische Fehlschläge – der ganze Scheiß wird plötzlich echt
Kritische Fehlschläge – der ganze Scheiß wird plötzlich echt
Kritische Fehlschläge – der ganze Scheiß wird plötzlich echt
Ebook387 pages5 hours

Kritische Fehlschläge – der ganze Scheiß wird plötzlich echt

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About this ebook

Vier Freunde werden in ihre Rollenspiel-Fantasiewelt versetzt.

Tim und seine Freunde erfahren auf die harte Tour, dass man dem Spielleiter nicht dazwischenreden und sich auch nicht über seinen Umhang lustig machen sollte.

Eben amüsieren sie sich noch bestens mit ihrem Fantasy-Rollenspiel und viel Bier, im nächsten Moment finden sie sich in einem Pferdewagen wieder, umstellt von Soldaten.

Tim hat jetzt die Stimme und die Statur eines Grundschulkindes. Dave muss feststellen, dass er einen halben Meter kleiner geworden ist, dafür aber eine Rüstung und einen Rauschebart besitzt. Julian sind plötzlich lächerlich lange und spitze Ohren gewachsen. Und Cooper … nun, Cooper hat plötzlich ein Paar Hauer, Klauen an den Fingern und üblen Durchfall. Außerdem schleppt er den Kopf eines Menschen mit sich herum – einen Kopf, den er selber abgeschlagen hat, als alles noch ein Spiel war.

Der ganze Scheiß wird plötzlich echt, und wenn sie überleben wollen, dann müssen sie sich auf andere Instinkte verlassen als die, die sie in ihrer Welt aus Fastfood und Pizza kannten.

Jetzt müssen sie entweder kämpfen oder fliehen – oder die Leute, die ihnen ans Leder wollen, davon überzeugen, dass sie gar nicht existieren.

In der Zwischenzeit lehnt sich ein sadistischer Spielleiter in der wirklichen Welt zurück und futtert ihre Brathähnchen.

LanguageDeutsch
PublisherRobert Bevan
Release dateSep 16, 2016
ISBN9781507155202
Kritische Fehlschläge – der ganze Scheiß wird plötzlich echt

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    Book preview

    Kritische Fehlschläge – der ganze Scheiß wird plötzlich echt - Robert Bevan

    Kapitel 1

    ––––––––

    Tim starrte durch die schmierigen Fenster des Chicken Hut hinaus. Die rote Neonwerbung tauchte den Parkplatz in ein blassrosa Licht, und Tim behielt seine Hand in der Tasche seiner Jeans, um den natürlichen Drang zu unterdrücken, es abzuschalten. Seine Armbanduhr zeigte neun, Zeit zu schließen. Sie hatten seit mehr als fünfundvierzig Minuten keinen Kunden mehr gehabt, und er wollte nicht, dass jetzt noch jemand hereinkam. Er hatte schon drei Bier getrunken und das vierte angefangen. Jeder Gedanke an Brathähnchen und Kunden wäre schon längst Geschichte, wenn die verdammte Leuchtreklame nicht wäre, mit ihrem ständigen Flackern und Brummen. Sie war wie ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit, das immer noch irgendein fettes Arschloch mit dem Wunsch nach Hähnchen anlocken konnte, nachdem die Anlagen schon alle heruntergefahren waren. Aber er konnte die Werbung nicht abschalten. Der neue Höhlenmeister würde die Leuchtreklame brauchen, um hierherzufinden.

    Er hatte das dumpfe Klopfen nicht bemerkt, bis es plötzlich aufhörte. Sein Blick wanderte vom Parkplatz in den Innenraum des Schnellrestaurants. Alles war, wie es sein sollte. Cooper trank ein Bier. Julian, Coopers Kollege, den er für das Spiel heute Abend mitgebracht hatte, war in das Spielerhandbuch von Caverns and Creatures, Dritte Ausgabe, vertieft. Das Klopfen ging wieder von neuem los.

    „Hört ihr das?" fragte Tim.

    Julian wandte seinen Blick nicht von dem Buch.

    Cooper stand auf und holte sich noch eine Bierdose aus dem Kühlschrank. „Meinst du dieses Klopfgeräusch? Klar. Das ist beschissen nervig. Dieses Ding hier ist doch nicht etwa über einem alten Indianerfriedhof gebaut worden, oder?"

    Tim drehte sich wieder zum Fenster. „Nein, Cooper. Ich glaube nicht."

    Cooper machte ein Geräusch, das irgendwo zwischen einem Schnauben und einem Rülpsen lag. „Nach dem Zustand dieses Drecklochs zu urteilen, kann man davon ausgehen, dass es noch vor irgendwelchen Indianerstämmen da war." Er legte die Füße auf den Tisch und öffnete die Bierdose mit einem Knacken.

    „Niemand hat dich gebeten hierzubleiben, sagte Tim, drehte sich um und warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Komm schon, Mann. Nimm deine Füße vom Tisch. Hier wird gegessen. Er sah wieder zum Fenster hinaus. „Wo bleibt dieser Mordred-Typ überhaupt? Er hätte schon vor einer Viertelstunde hier sein sollen."

    „Der wird schon kommen, sagte Cooper. „Jeder, der bereit ist, den ganzen Weg von Biloxi hierher zu fahren, nur um mit einem Haufen fremder Leute C&C zu spielen, muss schon mehr als geil auf das Spiel sein.

    „Das ist auch so eine Sache, sagte Tim. „Was für einen Spinner hast du da in mein Restaurant eingeladen?

    „Ich weiß nicht, sagte Cooper. „Ich hab einfach eine Anzeige in die Zeitung gesetzt. Aber echt jetzt. Was wäre denn die Alternative? Ich will nicht wieder damit anfangen, dass wir abwechselnd den Höhlenmeister machen. Das ist irgendwie genauso, als wenn man einen ausguckt, der noch Auto fahren muss.

    „Du meinst in dem Sinne, dass es dich sowieso nicht vom Saufen abhält?"

    Julian blickte von seinem Buch auf. „Was ist der Unterschied zwischen einem Halbling und einem Gnom?"

    „Ein Zoll oder zwei, sagte Cooper. „Deine Vagina wird die gleiche Größe haben, egal, wofür du dich entscheidest.

    „Ich glaube, ich werde ein Elf."

    „Klasse."

    „Was ist das für ein Geräusch? fragte Tim erneut. „Es macht mich wahnsinnig!

    „Immer mit der Ruhe, Kumpel, sagte Cooper. „Wahrscheinlich nur so ein Penner, der an der Hauswand deine Mutter rammelt.

    „Ich halt das nicht mehr aus, sagte Tim. Er ging in den Küchenbereich hinüber. „Katherine!

    „Ja?" sagte seine Schwester, ohne nach ihm aufzusehen. Sie war im Büro, sah sich in dem zersplitterten Spiegel an und trug frischen roten Lippenstift auf.

    „Hörst du dieses Geräusch?"

    Katherine schürzte die Lippen. „Klar, sagte sie. „Ich glaube, einer deiner Freunde hat sich im Kühlraum eingesperrt.

    „Verdammt! Und da hast du nicht ... Dave!" Tim rannte zur Tür des Kühlraums und öffnete sie.

    Dave starrte ihn aus schmalen Augen an. Er zog sich ein Eis am Stiel aus dem Mund. „Hast du eine Ahnung, wie lange ich schon gegen diese Tür geklopft habe?"

    „Sorry, Mann, der Sicherheitshebel ist abgebrochen, sagte Tim. „Du musst diesen Keil zwischen Tür und Rahmen klemmen, wenn du da reingehst.

    „Weißt du, wie gefährlich das ist? Ich hätte erfrieren können."

    „Nein, hättest du nicht, sagte Tim und schnappte sich ein Bier. „Hier, sieh mal, dieses Bier war schon länger da drin als du, und es ist kaum kalt genug, um es zu trinken.

    „Na schön, sagte Dave. „Hör mal, erzähl bloß Cooper nichts davon. Ich hab keine Lust, mir die ganze Nacht seine Scheißsprüche anzuhören.

    „Alles klar."

    „Hey Tim, schrie Cooper von vorn. „Ihr könnt aufhören, euch da hinten einen runterzuholen. Ich glaube, er ist hier.

    „Komm mit", sagte Tim. Er und Dave rannten hoch in den Essraum.

    Tim, Cooper und Dave sahen aus dem Fenster und kniffen die Augen zusammen, als sie von Scheinwerfern geblendet wurden. Julian blieb, wo er war, seine Nase tief im Buch vergraben.

    „O Gott, ich hoffe, dass es kein Kunde ist", sagte Tim.

    „Oh, hi Dave, sagte Cooper. „Wo zum Teufel warst du?

    „Schön zu wissen, dass ihr mich vermisst habt", sagte Dave.

    „Hast du mir ein Eis mitgebracht?"

    „Hier", sagte Dave und gab Cooper das zweite Eis am Stiel.

    „Scheiße, sagte Cooper. „Orange?

    „Gern geschehen", sagte Dave.

    Eine Autotür schlug zu.

    „Ach du dickes Ei", sagte Cooper.

    Ein fetter Typ in einem purpurroten Samtumhang stand neben dem Auto und sah zu ihm herüber. Er war gut zehn Jahre älter als jeder in dem Chicken Hut und hatte deutlich mehr Haare im Gesicht als auf seinem Kopf. Er hob eine Ecke des Umhangs nach oben, wodurch ein graues, ausgewaschenes T-Shirt sichtbar wurde, und machte eine übertriebene Verbeugung.

    „Katherine!" Tim schnappte nach Luft. Er wollte gerade in die Küche zurückrennen und fing sie ab, als sie in den Speiseraum eintreten wollte.

    „Scheiße, Tim! sagte sie. „Pass doch auf, wo du langgehst.

    „Hallo, Kat, sagte Cooper. „Hast du nachher auch Lust auf ein paar kleine Rollenspiele?

    „Geh und fick einen Ork, du Pfeife", sagte sie mit einem falschen Lächeln und erhobenem Mittelfinger.

    „Vielleicht gehst du besser hinten raus, schlug Tim vor und versuchte, dabei die Panik in seiner Stimme zu unterdrücken. „Da vorne steht ein Cop.

    „Oh, danke, sagte Katherine. Sie hatte erst ein paar Schritte gemacht, als sie sich wieder umdrehte. „Moment mal. Ich habe doch noch gar nichts verbrochen. Warum soll ich mir Sorgen machen wegen ...

    Die Glocke an der Vordertür klimperte, als die Tür aufschwang. Tim senkte den Kopf.

    Katherines Schweigen hinter ihm deutete darauf hin, dass sie zu schockiert war, um gleich laut loszulachen.

    „Ist dies der Ort, wo sich heute Nacht die wundersamsten Geschichten abspielen werden?" fragte der neue Höhlenmeister mit beunruhigend weit aufgerissenen Augen und einem breiten Lächeln.

    „Wenn ich es mir recht überlege, sagte Katherine, „gehe ich vielleicht doch besser hinten raus. Sie versetzte Tim einen Klaps auf den Rücken. „Viel Spaß, Brüderchen", sagte sie und zog den Rückzug in die Küche an. Wenn sie nur aus Höflichkeit gegangen war, dann hätte sie sich die Mühe sparen können. Die Jungs sahen sich alle verlegen an, als sie das Gelächter aus der Küche hörten.

    „Du musst Mordred sein, sagte Tim. „Ich bin Tim. Er streckte seine Hand aus.

    Mordred nahm seine Hand desinteressiert an und reckte den Hals, um an ihm vorbeizusehen. „Muss ich davon ausgehen, dass sich die Dame uns heute Abend nicht anschließen wird?"

    „So ist es, sagte Tim. „Die Dame wird sich uns mit Sicherheit nicht anschließen.

    In Mordreds Mundwinkel zuckte es, und seine Nasenflügel weiteten sich. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Tim zu. „Wart Ihr derjenige, der mich heute Abend kommen ließ?"

    „Das war ich, sagte Cooper und stand auf. „Ich habe die Anzeige in die Zeitung gesetzt, wenn es das ist, was du meinst. Ich bin Cooper und das ist Julian. Tim kennst du ja schon.

    „Ich bin Dave", sagte Dave nach einer kurzen Pause, in der er sich vergewissert hatte, dass Cooper ihn nicht vorstellen würde.

    „Ihr dürft mich Mordred nennen, sagte Mordred. „Oder Höhlenmeister, wenn es Euch beliebt.

    „Klar, sagte Cooper. „Das werden wir sehen.

    Mordred musterte den Essbereich des Chicken Hut. „Ist dies der Ort, wo Ihr zu spielen beabsichtigt?"

    „Klar, sagte Tim. „Wir spielen immer hier.

    „Nun, es mag wohl hinreichend sein. Ich werde aber meinen eigenen Tisch brauchen."

    „Hier entlang, Eure Majestät", sagte Tim und schob einen Tisch von der Gruppe fort, die die Spieler schon zusammengestellt hatten.

    „Danke. Mordred setzte sich und packte einen großen Seesack auf den Stuhl neben ihm. „Habt Ihr alle einen Charakter vorbereitet, anhand der Vorgaben, die ich an Cooper gemailt habe?

    „Klar", sagte Tim und zog ein Stück Papier aus einem Ordner, der auf dem Tisch lag. Dave und Cooper taten dasselbe.

    „Darf ich sie sehen? Mordred schnappte ihnen die Zettel aus den Händen. Der Blick seiner Schweinsaugen wanderte hin und her, und er machte zustimmende und kritische Brumm- und Grunzgeräusche. „Ein Zwerg, ein Halbork und ein Halbling, sinnierte er. „Ein ziemlich unwahrscheinliches Trüppchen. Ihr wisst schon, dass Zwerge und Halborks sich nicht besonders verstehen, oder?"

    „Das wird nicht allzu schwer zu spielen sein. Dave und Cooper verstehen sich sowieso nicht besonders."

    „Na schön, sagte Mordred. „Wenn ihr es so haben wollt. Moment, warum sind hier nur drei Charaktere?

    „Ich habe keinen gemacht, sagte Julian. „Ich habe noch nie gespielt, und ich weiß nicht ...

    „Ein jungfräulicher Spieler! rief Mordred aus. „Wie wunderbar!

    Cooper verschluckte sich an seinem Bier. Wenn Mordred das eine Sekunde früher gesagt hätte, hätte er sich eine Ladung Bier und Coopers Spucke eingefangen. „Alter, wenn jemand in diesem Raum ein jungfräulicher Spieler ist, ..."

    Dave unterbrach ihn mit einem Rippenstoß, und erhielt dafür einen deutlich heftigeren Schlag auf den Arm zurück.

    Mordred ging mit Julian die Würfelwürfe durch, mit denen er die Fähigkeitswerte seines Charakters bestimmen musste. „Was für eine Rasse möchtest du denn gern sein?"

    „Jude steht nicht zur Auswahl", sagte Cooper.

    „Ich weiß nicht, sagte Julian. „Ich glaube, ich bleibe einfach ein Weißer. Das wird für mich einfacher zu spielen sein, weil ich noch neu bin. Cooper, Dave und Tim kicherten, aber Mordred lächelte nur freundlich.

    „In diesem Spiel sind die Rassen Menschen, Elfen, Zwerge ..."

    „Ach das. Julian errötete. „Ich möchte ein Elf sein.

    „Hervorragend, sagte Mordred. „Und was für eine Klasse?

    „Nimm obere Mittelklasse", schlug Cooper vor.

    Mordred unterband alle weiteren Unterbrechungen mit einer Erklärung. „Zu den Klassen gehören Kämpfer, Zauberer, Kleriker ..."

    „Ich möchte ein Zauberer sein", sagte Julian.

    „Wirklich?" fragte Mordred skeptisch.

    „Warum zum Teufel willst du ein Zauberer sein? fragte Cooper. „Du hast nur einen Intelligenzwert von elf.

    „Ich möchte Magie benutzen."

    „Dann werd ein Scheiß-Hexenmeister. Du hast einen echt hohen Charismawert."

    „In dem Buch habe ich gelesen, dass Zauberer die bevorzugte Klasse von Elfen ist", sagte Julian mit einem unsicheren Blick in Richtung Mordred.

    „Ein ausgezeichnetes Argument! sagte Mordred. „Ich gewähre dir dreihundert Erfahrungspunkte. – „Wofür das denn, verdammt?" fragte Cooper.

    „Für Rollenspiel natürlich, sagte Mordred. „Er hat mir gezeigt, dass er sich mehr Gedanken über seinen tatsächlichen Charakter gemacht hat als darüber, wie er die Zahlen so hinbiegt, dass er die höchsten Boni bekommt. Er warf noch einen Blick auf Julians Charakterbogen. „Außerdem, murmelte er, „wird er mit diesem Charakter jede Hilfe brauchen, die er kriegen kann.

    Julian zuckte die Achseln und schrieb sich dreihundert Punkte auf.

    „Können wir jetzt anfangen?" fragte Tim.

    „Aber er ist noch nicht fertig, sagte Mordred. „Er muss sich noch Fähigkeiten und Fertigkeiten aussuchen und Ausrüstung kaufen.

    „Lass ihn doch einfach das Startpaket nehmen, schlug Dave vor. „Er hat noch nie gespielt. Wenn er sich durch das alles durchwühlen muss, dann sitzen wir die ganze Nacht hier.

    Mordred überlegte es sich. „Möchtest du das Startpaket nehmen?" Er schlug das Spielerhandbuch auf der entsprechenden Seite auf und zeigte sie Julian.

    Julian überflog sie. „Ich weiß nicht, was das meiste davon zu sagen hat, aber in Ordnung. Oh ... außer dass ich lieber mit einem Schwert als mit einem Kampfstab kämpfen möchte."

    „Zauberer kämpfen mit Stäben, sagte Cooper. „Wenn du ein Schwert benutzen willst, dann hättest du nicht so ein Weichei von einem Zauberer werden sollen.

    „Tja, sagte Mordred. „Aber das Fechten gehört zu elfischen Kultur. Alle Elfen sind in der Schwertkunst bewandert.

    „Toll, sagte Julian und warf Cooper einen süffisanten Blick zu. „Also kann ich ein Schwert kriegen?

    „Ich fürchte nicht."

    „Warum nicht?"

    „Ein Kampfstab kostet nichts. Das ist ja im Grunde nichts weiter als ein Stock. Ein Schwert kostet Geld, und das hast du nicht."

    „Oh, sagte Julian. „Okay.

    „Ich sag dir was, sagte Mordred. „Da du bei dem Spiel neu bist, gebe ich dir zusätzlich die magischen Grundstoffe, mit denen du deinen Vertrauten beschwören kannst. Das repräsentiert einen Wert von hundert Goldstücken.

    „Kann ich es verkaufen und mir ein Schwert kaufen?"

    „Ein Schwert kannst du überall finden, sagte Tim. „Über kurz oder lang werden wir auf jeden Fall gegen jemanden mit einem Schwert kämpfen. Glaub mir, Mordred macht dir ein gutes Angebot. Nimm es an.

    „Was ist ein Vertrauter?" fragte Julian.

    „Das ist wie ein kleiner Freund, ein Tier, das Zauberer und Hexenmeister bekommen können", sagte Dave.

    „Wie ein Kuscheltier?"

    „Nein ... naja schon, irgendwie. Aber ihr habt auch eine empathische Verbindung miteinander, und es kann kleine Besorgungen für dich erledigen und so."

    „Zum Beispiel die Zeitung holen."

    „Heilige Scheiße nochmal, sagte Cooper. „Nimm endlich diesen Beutel Magiescheiß und lass uns in die Gänge kommen.

    „Gut, sagte Julian. „Beutel ... Magie... scheiß, murmelte er vor sich hin, während er es in seinem Inventar notierte.

    „Okay, sagte Mordred. „Wir haben also einen Halbling-Spitzbuben – er reichte Tim seinen Charakterbogen. „Einen Zwergen-Kleriker – er reichte Dave seinen Bogen. „Einen Halbork-Barbaren – er reichte Cooper seinen Zettel. „Und einen Elfen-Zauberer, sagte er und gab Julian den letzten Zettel. „Dies ist die letzte Gelegenheit, es euch anders zu überlegen. Ich muss euch gleich vorwarnen, denn eine Gruppe wie diese wird in einigen Gesellschaftsschichten kaum akzeptiert werden.

    „Ich bin ein Barbar, sagte Cooper. „Ich meide die Gesellschaft!

    „Und dafür ist dir die Gesellschaft dankbar, sagte Tim. „Jetzt halt’s Maul.

    „Schön, sagte Cooper. „Lass uns mit diesem Scheiß anfangen. Willst du ein Bier, Mordred?

    „Ich trinke keinen Alkohol."

    „Im Ernst? Die Entscheidung, diesen Umhang anzuziehen, hast du nüchtern getroffen?"

    Alle lachten. Mordred warf Julian einen finsteren Blick zu. „Das ist ein Mantel", sagte er.

    Dave hielt seine Augen und seine Lippen fest geschlossen. Tims Augen füllten sich mit Tränen.

    „Wir haben noch nicht einmal angefangen, sagte Mordred, „und ihr führt euch schon auf wie ein Haufen betrunkener Schwachköpfe. Das ist genau der Grund, warum ich mich niemals am Trinken beteiligt habe.

    Tim mäßigte sein Gelächter. Coopers Art von Humor kam bei Mordred nicht gut an.

    Mordred griff in seinen Seesack und zog einen schwarzen Seidenbeutel hervor. Er schimmerte wie flüssiges Metall und war mit einer silbernen, geflochtenen Kordel verschlossen. Er legte den Beutel vor sich ab und fuhr mit einem Finger daran entlang. Dabei lächelte er geheimnisvoll vor sich hin.

    „Wie wär’s mit einer Cola?" fragte Cooper.

    „Wie?" sagte Mordred plötzlich, als ob er gerade aus einem Traum gerissen worden wäre. Cooper stand über Mordred und hielt eine Cola in der Hand. Mordred ließ den Beutel fallen.

    „Was ist denn da drin? Cooper streckte die Hand nach dem Beutel aus. „Deine Eier?

    „Finger weg!" schrie Mordred, schnappte sich den Beutel mit einer Hand und schob Cooper mit der anderen weg.

    „Heilige Scheiße, Kumpel. Tut mir leid."

    Mordred gewann die Fassung zurück. „Mir tut es leid, sagte er. „Das hier ist ein ganz besonderer Satz Würfel. Sie sind selten und sehr wertvoll. Ich lasse nicht jeden an sie heran.

    Er zog ein zweites Säckchen aus seinem Seesack. Dieses war mattbraun und aus Leder. Er ließ einen Satz marmorierter blauer Plastikwürfel auf seinen Tisch rollen. Sie mussten nagelneu sein.

    Tim schüttete seine eigenen Würfel aus einer Crown-Royal-Tüte. Sie waren schmutzig, matt und zerkratzt. Nicht mehr als drei passten zusammen. Zwischen ihnen lagen noch der Kopf eines Legomännchens mit abgewetztem Gesicht, der Flügel einer Schabe und ein Schamhaar.

    Cooper holte sich noch ein Bier und setzte sich.

    Mordred schloss die Augen und atmete tief ein. „Wollen wir beginnen?"

    Kapitel 2

    ––––––––

    „Monatelang seid ihr vier herumgezogen. Der Ruf des Abenteurerlebens hat euch veranlasst, eure Heimat und eure Familien zu verlassen und euer Glück zu suchen. Im Laufe eurer Wanderungen haben sich eure Wege gekreuzt, und ihr habt beschlossen, gemeinsam weiterzuziehen und eure Rassenunterschiede und philosophischen Differenzen zurückzustellen. Ihr nähert euch einem Städtchen."

    „Wie heißt das Städtchen?" fragte Cooper.

    „Das weißt du nicht, sagte Mordred. „Du kannst das Schild nicht lesen.

    „Ist es ein magisches Schild? fragte Julian. „Ich kann Magie lesen.

    „Nein, sagte Mordred. „Es ist ein ganz gewöhnliches Schild. Er kann es nicht lesen, weil er ein Barbar ist, und Barbaren können nicht lesen.

    „Also, was steht drauf?" fragte Tim.

    „In der Gemeinsprache steht da Willkommen in Algor."

    „Al Gore?" fragte Dave.

    „Ist das eine grüne Stadt?" fragte Cooper.

    „Algor! versetzte Mordred. „Ein Wort. Kein E. Seine Hand wanderte zu dem Seidenbeutel neben ihm.

    Tim warf Cooper einen flehenden Blick zu, und Cooper hielt den Mund.

    Mordred legte beide Hände energisch auf den Tisch und fuhr fort. „Eine hohe, hölzerne Palisade umgibt das Städtchen. Das Stadttor wird von einem einzelnen Soldaten bewacht, und soweit ihr sehen könnt, fließt der Verkehr ungehindert hinein und hinaus. Vor dem Tor, links und rechts neben der Straße, stehen zwei große, schwarze Menhire, Relikte eines lange versunkenen Volkes ..."

    „Müssen sie da draußen stehen, weil sie schwarz sind?" fragte Julian.

    „Was?"

    „Ich möchte mit einem von ihnen reden."

    „Mit wem?"

    „Einem von den großen schwarzen Männern."

    „Menhir?"

    „Klar, sag ich doch. Hier, da, wo auch immer."

    „Öhm ... okay."

    „Einen schönen guten Tag, mein Herr! sagte Julian. „Ich bin Melvin der Weiße, nichts für ungut, Sohn Zorbins des Großen! Meine Freunde und ich sind weit gereist, und ...

    Mordred unterbrach ihn. „Die Wache am Tor fragt dich, warum du mit einem leblosen Gegenstand sprichst."

    „Was für ein rassistischer Arsch! sagte Julian. „Ich schieße einen Pfeil auf ihn.

    „Du hast keinen Bogen."

    „Kann ich ihn mit meinem Kampfstab schlagen?"

    „Nein, sagte Mordred. „Er ist fünfzehn Meter weit weg.

    „Du bist ein Zauberer, du Penner, sagte Cooper. „Warum benutzt du nicht ein bisschen Magie?

    „Stimmt ja, sagte Julian. „Ich setze Magie gegen ihn ein.

    „Welchen Zauberspruch möchtest du aussprechen?"

    „Ich weiß nicht. Blitzschlag oder so ein Scheiß."

    „Blitzschlag ist ein Zauberspruch des dritten Grades. Im Augenblick ist Magisches Geschoss das Beste, was du zu bieten hast."

    „Super. Den nehme ich."

    „Hast du ihn dir eingeprägt?"

    „Ich muss mir den Scheiß einprägen?"

    „Julian, sagte Tim. „Du musst dir jeden Morgen die Zaubersprüche einprägen, die du benutzen willst. Gut gekontert, Mordred. Können wir jetzt weitermachen?

    „Weitermachen? fragte Julian. „Findet ihr das wirklich in Ordnung, wie große schwarze Männer in diesem Städtchen behandelt werden?

    „Menhir", verbesserte Mordred.

    „Schon gut, sagte Julian. „Wie große schwarze Männer hier in diesem Städtchen behandelt werden. Bist du jetzt zufrieden?

    „Ach du Scheiße nochmal, rief Cooper. „M-E-N-H-I-R. Das ist eine Scheiß-Steinsäule oder sowas.

    „Oh, sagte Julian. „Tja, entschuldigt mal. Ich bin vielleicht noch nicht in so viele Menhire reingerannt wie ihr.

    „Deine Mutter ist schon in viele Männer hier reingerannt. sagte Cooper. „Die großen schwarzen hatte sie immer am liebsten.

    „Julian, schreib dir nochmal einhundert Erfahrungspunkte auf."

    „Wofür das denn, verdammt?" fragte Cooper.

    „Dafür, dass er versucht hat, seinem Charakter treu zu bleiben, und für Rollenspiel. Er hat sich ein bisschen Gedanken über seine Hintergrundgeschichte gemacht."

    Julian schrieb sich weitere hundert Punkte auf seinen Charakterbogen und grinste Cooper an.

    „Die Wache nähert sich und ruft Halt!"

    „Guten Tag, mein Herr." sagte Tim als Antwort.

    „Was glaubt Ihr, wohin Ihr mit diesem Vieh gehen wollt?" Mordred zeigte auf Cooper.

    „Wen nennst du hier ein Vieh, du Wichs-"

    „Dies ist unser Freund, sprang Dave dazwischen. „Er will Euch oder dieser Stadt nichts Böses. Wir sind weit gereist, und wir suchen ...

    „Warum es Euch beliebt, sich mit seinesgleichen abzugeben, kümmert mich nicht. Kein Ork darf seinen Fuß nach Algor setzen. So ist es Gesetz in diesem Land."

    „Ich hab euch gesagt, der Kerl ist ein Rassist", sagte Julian.

    „Er ist nur zur Hälfte Ork, sagte Tim. „Seine Mutter war ein Mensch.

    „Ich soll ihm also Einlass gewähren, weil seine Mutter eine ork-fickende Hure war? Vielleicht sollte ich mich auch tief vor ihm verbeugen. Gegrüßt seid Ihr, dessen Mutter die Beine breitmachte für ..."

    „Scheiß drauf, sagte Cooper. „Ich bring den Kerl um.

    „Wirklich?" fragte Mordred.

    „Klar, zum Teufel, sagte Cooper und nahm einen zwanzigseitigen Würfel in die Hand. „Ich schlag dem Arschloch den Kopf ab. Er warf den Würfel. „19."

    Mordred zuckte die Achseln. „Okay, du schwingst deine Breitaxt um deinen Kopf herum und triffst ihn direkt über der Schulter in den Hals. Ein sauberer Schnitt, und sein Kopf rollt zu Boden."

    „Fein. Ich stecke ihn in meinen Sack."

    „Wenn es dir Spaß macht."

    „Bekomme ich irgendwelche Erfahrungspunkte?"

    „Nein."

    „Warum nicht?"

    „Diese Wache war kein Gegner. Er war nur Staffage. Er hatte nur zwei Trefferpunkte."

    „Und was ist mit Rollenspiel und seinem Charakter treu bleiben?"

    „Das nennst du Rollenspiel?"

    „Ich bin ein Scheiß-Barbar, und er hat meine Mutter eine ork-fickende Hure genannt. Wäre ich meinem Charakter eher treu geblieben, wenn ich seine Ansichten in einem vernünftigen Gespräch widerlegt hätte?"

    „Von mir aus. Nimm dir fünfzig Punkte."

    „Deine Mutter hat sich fünfzig Punkte genommen", knurrte er, schrieb sich aber die fünfzig Punkte auf, ohne über mehr Punkte zu diskutieren.

    Mordred sprach plötzlich weiter und zog ihre Aufmerksamkeit dadurch wieder auf sich. „Leute schreien. Es dauert nicht lange, bis ihr eine Glocke läuten hört, und Wachen, die hinter dem Tor laut rufen."

    „Scheiße, Cooper, sagte Dave. „Die werden uns den Arsch versohlen.

    „Fick dich, Dave. Die Ehre meiner Mutter stand auf dem Spiel."

    Tim wandte sich direkt an Mordred. „Du hast gesagt, es gibt viel Verkehr in und aus der Stadt, stimmt’s?"

    „Recht viel, ja."

    Er wandte sich der Gruppe zu. „Lasst uns einen Karren überfallen oder so etwas, und dann sehen wir, das wir hier wegkommen."

    „Klingt gut für mich", sagte Dave.

    „Im Augenblick ist das ein guter Plan, sagte Mordred. „Nimm dir einhundert Erfahrungspunkte.

    „Ich suche mir einen Karren, der aus der Stadt herausfährt, sagte Cooper. „Wenn ich genug Zeit habe, um wählerisch zu sein, dann nehme ich einen mit ein paar kräftigen, gesunden Pferden dran.

    „Du findest ein passendes Fahrzeug. Einen Planwagen mit zwei Pferden, die auf den ersten Blick in gutem Zustand sind."

    „Ich schwenke meine Axt in Richtung des Fahrers und befehle ihm auszusteigen."

    Mordred würfelte ein paarmal hinter seinem Sichtschutz. „Er gehorcht dir."

    „Schnell. Alle in den Wagen."

    „Okay, sagte Tim. „Wir sind alle im Wagen. Los geht’s!

    Mordred lächelte. „Hat irgendjemand von Euch irgendeinen Rang in der Fertigkeit Umgang mit Tieren?"

    Alle sahen auf ihren Charakterbögen nach, und dann sahen sie sich gegenseitig an.

    „Ich habe Diplomatie", sagte Julian.

    „Du kannst eine ungeübte Prüfung gegen deinen hohen Charismawert machen."

    „Öhm ... Los, Pferde!"

    „Würfle."

    „Reicht eine Sechs?"

    „Nein. Die Pferde rühren sich nicht. Ihr könnt sehen, wie hinter der Palisade eine Staubwolke aufsteigt, und das Donnern von Hufen wird lauter und kommt auf euch zu."

    „Ich nehme mir Julians Kampfstab, sagte Cooper, „und stoße ihn einem von den Pferden in den Hintern.

    „Die Pferde gehen nach vorne durch und sind außer Kontrolle. Macht eine Geschicklichkeitsprüfung."

    Tim, Dave und Cooper schnappten sich einen zwanzigseitigen Würfel, und Julian folgte schnell ihrem Beispiel.

    „Vier", sagte Cooper.

    „Zwölf", sagte Dave.

    „Sechs", sagte Tim.

    „Ha! sagte Julian. „Zwanzig! Sein triumphierender Blick traf auf besorgte Blicke seiner Mitspieler. „Was denn?"

    „Bei solchen Prüfungen musst du möglichst niedrig würfeln", erklärte Tim.

    „Scheiße", sagte Julian.

    Mordred sprach weiter. „Du verlierst das Gleichgewicht und drohst von Wagen zu fallen."

    „Ich habe meine Prüfung mit Abstand geschafft, sagte Cooper. „Kann ich versuchen, ihn aufzufangen?

    Mordred überlegte. „Okay. Mach noch eine Prüfung und du kannst ihn auffangen."

    Cooper würfelte erneut. „Vierzehn! Ich hab’s geschafft."

    „Na schön. Schreib dir einhundert Erfahrungspunkte auf. Das sind fünfzig dafür, dass du die Pferde in Bewegung gebracht hast, und fünfzig für die Rettung deines Kameraden."

    „Wir fahren jetzt also wieder in die Richtung, aus der wir gekommen sind? fragte Dave. „Was liegt denn in dieser Richtung?

    „Ihr fahrt etwa fünfhundert Meter die Straße entlang, aber dann macht die Straße eine Kurve, und die Pferde laufen weiter geradeaus. Ihr könnt einen Trupp von fünf Reitern sehen, die euch verfolgen. Im Gegensatz zu euch werden die Pferde von nichts behindert außer ihren Reitern, und sie holen schnell auf."

    „Was haben die Reiter an?" fragte Tim.

    „Sie tragen Kettenhemden und sind mit Armbrüsten und Langschwertern bewaffnet."

    „Was liegt vor uns?" fragte Dave.

    „Der Waldrand. Die Pferde werden sich mit dem Wagen nicht zwischen den Bäumen hindurchzwängen können. Nach eurer Schätzung erreicht ihr mit dem Wagen die Bäume ungefähr zu dem gleichen Zeitpunkt, wenn die Stadtwachen euch einholen."

    „Scheiße, meinte Cooper. „Wer will eine Zigarette?

    „Was?" fragte Mordred.

    „Klar, sagte Dave. „Das ist jetzt genau das Richtige.

    „Bin dabei", sagte Julian.

    „Ich laufe eben zum Laden rüber und hole noch Bier", sagte Tim.

    „Aber wir haben hier gleich eine Begegnung, protestierte Mordred. „Ihr unterbrecht den Spielfluss!

    Cooper zündete sich eine Zigarette an und trat durch die Eingangstür hinaus. „Warum unterbrichst du nicht mal den Blutfluss aus deiner Vagina für eine Minute und entspannst dich?"

    Tim machte sich auf den Weg zum Laden an der Ecke in der Nähe des Chicken Hut. Er wurde von einem älteren Paar betrieben, und Tim hatte den Verdacht, dass sie nur wegen ihrer Freitag-Nacht-Spielrunden noch nicht pleite waren.

    Cooper rief ihm hinterher: „Bring ein paar Tampons für Mordred mit, wenn du schon da bist! Die weichen, violetten!"

    Tim kehrte ein paar Minuten später zurück, eine Kiste Bier in jeder Hand, und fand Dave und Julian lachend vor. Er linste durch die Tür hinein nach Mordred.

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