Kommissar Wischkamp: Blind Date: Werne Krimireihe 5
By Renate Behr
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Kommissar Wischkamp - Renate Behr
Renate Behr
Blind Date
Werne Krimireihe Band 5
Kommissar Wischkamp
Inhaltsverzeichnis
Fünf Jahre zuvor ...
Fünf Jahre zuvor ...
Etwa fünf Jahre zuvor in der Justizvollzugsanstalt Remscheid ...
Etwa fünf Jahre zuvor in der Justizvollzugsanstalt Remscheid ...
Justizvollzugsanstalt Remscheid, wenige Monate früher ...
JVA Remscheid ...
JVA Remscheid ... ein paar Tage später
JVA Remscheid ... am Tag, als Margrit Brinkmann gefunden wurde
JVA Remscheid ... am Abend zuvor
Werne an der Lippe –
Orte der Handlung
Beteiligte Personen:
Renate Behr
blind date
Werne Krimireihe 5
Kommissar
Wischkamp
Neuauflage Ober-Flörsheim 01.01.2015
© Brighton Verlag, Ober-Flörsheim
www.brightonverlag.com
info@brightonverlag. com
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlags
Alle Rechte vorbehalten!
Satz & Covergestaltung: Ernst Trümpelmann,
unter Verwendung zweier Bilder von ©depositphotos.com/Volga2019
und ©depositphotos.com/kjpargeter
ISBN 978-3-95876-046-2
Leises Stimmengewirr schlug Margrit Brinkmann vom Marktplatz in Werne entgegen. Die 17jährige sah sich um. Die Außengastronomie vor dem Alten Rathaus war bis auf den letzten Platz besetzt. Seit das alte Rathauscafé den Besitzer gewechselt hatte, war viel passiert. Das neue Café, das eigentlich Bistro, Lounge, Café und Restaurant in einem war, galt als der neue Treffpunkt in Werne. STILVOLL hatte der Besitzer es genannt und der Name war Programm. Unter den Rathausarkaden luden massive Holzmöbel mit schweren Polstern zum gemütlichen Verweilen ein. Aber heute suchten die Leute auch die Sonne auf dem Marktplatz. Margrit war froh, dass sie sich für ein Treffen im Inneren des STILVOLL entschieden hatte. Dort würde es sicher ein wenig ruhiger sein. Ein schlechtes Gewissen hatte sie schon. Zum ersten Mal hatte sie ihre Mutter bewusst angelogen, um sich diesen freien Nachmittag zu verschaffen. Doch das schlechte Gewissen verdrängte sie und genoss das Glücksgefühl, endlich einmal ein paar Stunden ohne Aufsicht zu sein. Ihr Herz klopfte und die Hände waren eiskalt vor Nervosität. Nur noch eine Viertelstunde. Obwohl sie fast nichts über den Mann wusste, mit dem sie sich gleich treffen wollte, hatte Margrit das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen. Sie dachte an die mahnenden Worte ihrer einzigen Freundin Sonja.
»Mensch, Margrit, das kann aber echt gefährlich sein. Du kennst den Typen doch gar nicht. Ist dir eigentlich klar, wie viele Männer falsche Profile in diesen Chaträumen einstellen, um sich an junge und naive Mädchen heranzumachen? Keine Angst, ich verrate dich nicht. Aber ich mache mir echt Sorgen. Was machst du denn, wenn da so ein schmieriger Kerl auftaucht, der dich anmacht oder sogar noch Schlimmeres vorhat?«
Margrit hatte die Bedenken mit einer Handbewegung weggewischt. »Was soll mir denn im STILVOLL schon passieren, Sonja? Wenn wirklich was faul ist, kann ich doch einfach gehen oder ich rufe die Polizei. Also lass gut sein und gönn mir den Spaß. Ich bin sicher, es wird ein aufregender Nachmittag und ich freue mich doch so darauf.«
Sonja hatte klein beigegeben. Es stimmte schon, allzu viel Aufregendes passierte in Margrits Leben nicht. Sie durfte nicht ausgehen und zu Schulveranstaltungen wurde sie gebracht und wieder abgeholt. Nach und nach war Margrit zu einer Außenseiterin geworden, die kaum noch Freunde hatte. Sie wurde ausgelacht, weil sie sich so von ihren Eltern bevormunden ließ, obwohl sie doch schon fast volljährig war. Aber Sonja wusste, warum das so war und hielt unbeirrt an dieser Freundschaft fest, die schon im Kindergarten entstanden war.
Margrit Brinkmann sah erneut auf ihre Armbanduhr. Die Zeit schien nur so zu schleichen. Sie verstand, dass Sonja sich Sorgen machte. Auch sie verfolgte immer wieder die Pressemeldungen über diese sogenannten Blind Dates und was dabei so alles passieren konnte. Aber Peter hatte von Anfang an mit offenen Karten gespielt. Er hatte ihr geschrieben, dass er 12 Jahre älter war als sie und ihr freigestellt, den Kontakt abzubrechen. Aber bisher hatte sich noch nie jemand so viel Zeit für Margrit und ihre Probleme genommen. Sie konnte Peter alles schreiben, was sie bedrückte und er schien immer Verständnis zu haben. Er konnte kein schlechter Mensch mit unlauteren Absichten sein. Also hatte Margrit dieses Treffen vorgeschlagen, rein freundschaftlich, nur, um sich einmal kennenzulernen. Sie schüttelte die roten Locken. Ein leiser Schauer lief über ihre Haut, als sie darüber nachdachte, wie es dazu gekommen war, dass ihr eigenes Elternhaus für sie zu einem Gefängnis geworden war, aus dem es kein Entrinnen gab. Alles war so schön gewesen, früher. Sie hatten viel gelacht und Gitta, ihre ältere Schwester, hatte Margrit abgöttisch geliebt. Sie war sieben Jahre älter und für Margrit war sie Schwester und Freundin zugleich. Alles war gut, bis zu diesem verhängnisvollen Abend vor fünf Jahren. Ein paar Stunden nur hatten das Leben im Hause Brinkmann von Grund auf verändert. Aber heute wollte sie es wissen. Sie wollte ihr Leben verändern. Und vielleicht war dieses Treffen mit Peter der Anfang von etwas ganz Wunderbarem.
Fünf Jahre zuvor ...
»Entlein, nun schmoll nicht schon wieder.«
Lachend nahm Gitta Brinkmann ihre 12jährige Schwester in den Arm. Die reagierte wie immer ungehalten.
»Du sollst mich nicht immer Entlein nennen. Du weißt, dass ich das hasse.«
Gitta lachte. Als Margrit klein gewesen war, hatte sie ihr immer das Märchen vom hässlichen Entlein vorgelesen. Dann wurde Margrit älter und die anderen hänselten sie oft wegen ihrer roten Haare, der grünen Augen und der vielen Sommersprossen. Gitta hatte sie zu trösten versucht, indem sie sie an die Verwandlung des kleinen Entleins in einen wunderschönen Schwan erinnerte. Und Entlein war ein Spitzname für Margrit geworden, den Gitta immer dann anwandte, wenn die kleine Schwester einmal wieder vollkommen unzufrieden und grantig war.
Heute war Gitta selbst der Auslöser. Eigentlich hatte sie versprochen, Margrit mitzunehmen, wenn sie sich heute Abend mit ihrem Verlobten Tom treffen wollte. Aber Tom hatte kurzfristig eine Einladung zu einer Party in einer sehr angesagten Disco in Dortmund erhalten. Dort durfte Margrit mit ihren 12 Jahren noch nicht hin und also musste sie zuhause bleiben. Margrit war selbst ein kleines bisschen in Tom verliebt und genoss es, mit den beiden auszugehen. Tom behandelte sie nämlich nie wie ein Kind, sondern immer wie eine junge Dame. Frau Brinkmann kam ins Wohnzimmer und sah sofort, dass Margrit traurig war, weil sie den Abend zuhause verbringen sollte. »Margrit, was hältst du von einem Spieleabend? Papa kommt heute pünktlich nach Hause. Wir könnten uns Pizza zum Abendessen bestellen.«
Erstaunt sah Margrit ihre Mutter an. Pizza zum Abendessen, das war ja mal ganz was Neues. Normalerweise wurde im Hause Brinkmann sehr auf eine gesunde Ernährung geachtet. Und Spieleabende mit Mama und Papa waren in letzter Zeit auch eher selten, seit Martin Brinkmann sich erfolgreich mit einer Anwaltskanzlei selbstständig gemacht hatte. Begeistert nickte sie. Ein solches Angebot durfte man einfach nicht ausschlagen. Wer wusste schon, wann sich eine solche Gelegenheit mal wieder bieten würde. Ihre schlechte Stimmung war schlagartig verflogen.
In diesem Moment hörte sie das Brummen von Toms Motorrad in der Einfahrt. Rasch schüttelte sie die roten Locken und setzte ihr süßestes Lächeln auf. Gitta war das nicht entgangen, aber sie machte sich darüber keine Gedanken. Ihr Tom war eben ein toller Kerl, kein Wunder also, dass auch Margrit ihn so sehr mochte. Sie flog förmlich zur Haustür, um ihren Verlobten hereinzubitten. Der hatte ein buntes Paket in der Hand.
»Ich dachte mir, ich müsste deine kleine Schwester etwas aufheitern. Sie ist ja bestimmt nicht begeistert darüber, dass wir sie heute nicht wie versprochen mitnehmen können, oder?«
Gitta nickte. Tom überreichte Margrit das Paket, die sich sofort mit einer stürmischen Umarmung bedankte. Als sie die Verpackung öffnete, ließ sie einen Jubelschrei los.
»Mama, schau, eine Sonderausgabe von „Monopoly". Das können wir nachher gleich spielen.«
Frau Brinkmann lächelte und gab Tom die Hand. Der Junge verstand es doch immer wieder, sich in das Herz von Margrit zu schleichen. Schelmisch lächelte sie.
»Wenn das so weitergeht, wirst du dir ernsthaft Gedanken machen müssen, welche unserer Töchter du heiraten willst.«
Tom lachte und nahm Gitta in den Arm.
»Keine Chance für Margrit. Der Termin für den Sommer steht schließlich schon fest. Aber es macht mir eben auch ein wenig Spaß, wie meine kleine Schwägerin mich anhimmelt. Sie wird darüber hinwegkommen, wenn ihr selbst der erste Junge den Kopf verdreht.« Dann verließen Gitta und Tom gemeinsam das Haus am Stadtwald in Werne, nicht ahnend, dass in wenigen Stunden nichts mehr so sein sollte, wie es bisher war.
Die Tür öffnete sich und ein junger Mann betrat das STILVOLL. Margrit atmete erleichtert auf. Das war Peter, Peter Hartmann. Und er sah genauso aus wie auf dem Foto, das er ihr gemailt hatte. Es war also alles in Ordnung und Sonjas Bedenken war total überflüssig gewesen. Peter sprach kurz mit der Bedienung, die mit der Hand nach oben zur Galerie wies und mit den Schultern zuckte. Margrit stand kurz auf und winkte ihm zu, dann ließ sie sich wieder auf das weiche Lederpolster fallen. Irgendwie hatte sie weiche Knie vor Aufregung. Lächelnd kam Peter Hartmann die Treppe herauf und ging auf Margrit zu. Er reichte ihr die Hand.
»Hallo, Margrit. Ich bin Peter. Schön, dass wir uns jetzt mal persönlich kennenlernen. Ein nettes Lokal hast du ausgesucht, das hat wirklich Stil.«
Beide mussten sofort lachen, weil diese Beschreibung so genau zum Namen des STILVOLL passte. Und obwohl Margrit nervös und unsicher war, entwickelte sich bald eine muntere Unterhaltung. Peter interessierte sich für alles, was mit Margrits alltäglichem Leben zusammenhing. Dann fragte er plötzlich:
»Was haben eigentlich deine Eltern dazu gesagt, dass du dich mit einem wildfremden Mann treffen willst?«
Margrit runzelte die Stirn. Wieso musste er sie jetzt ausgerechnet an ihre Eltern erinnern?
»Sie wissen es nicht. Sie hätten mir das nie erlaubt. Ich habe gesagt, ich gehe mit einer Freundin Eis essen. Auf endlose Diskussionen hatte ich nämlich keinen Bock.«
Die Antwort war fast ein wenig heftig ausgefallen und Peter Hartmann entschloss sich, dieses Thema auf sich beruhen zu lassen. Er fand das junge Mädchen sehr anziehend und sie schien es nicht zu stören, dass er älter war als sie. Allerdings war er sich auch darüber klar, dass er sehr behutsam mit ihr umgehen musste, um sie nicht zu verschrecken. Sein Gefühl sagte ihm, dass Margrit kaum Erfahrungen im Umgang mit dem anderen Geschlecht hatte. Kaum vorstellbar, sie war so süß und sah unglaublich gut aus. Die Zeit verging wie im Flug. Nach zwei Stunden sah Margrit erschrocken zur Uhr.
»Ich muss los, ich muss um sieben Uhr zuhause sein.«
Dieser Satz klang so bedauernd, dass Peter Hartmann ganz automatisch ihre Hand nahm. Margrit hielt den Atem an. Diese Berührung durchfuhr sie wie ein Stromschlag. Konnte es denn sein, dass sie sich auf den ersten Blick in diesen Mann verliebt hatte? Das Herz schlug ihr bis zum Hals und sie wagte es nicht, Peter anzusehen. Sie hatte Angst, dass er die Unsicherheit in ihren Augen sehen würde und sie wollte sich auf gar keinen Fall lächerlich machen.
»Dann bezahle ich jetzt und bringe dich nach Hause.«
»Auf gar keinen Fall. Ich habe dir doch gesagt, meine Eltern wissen nicht, dass ich mich mit dir treffe. Ich gehe allein.«
Peter Hartmann nickte bedauernd, aber zustimmend.
»In Ordnung, Margrit. Ich will ja nicht, dass du Schwierigkeiten bekommst.«
Er nahm einen Zettel aus der Tasche und schrieb ein paar Ziffern darauf.
»Hier, das ist meine Handynummer. Ruf mich doch einfach an, dann können wir uns verabreden, wenn du Zeit hast. Oder magst du mich nicht wiedersehen?«
Treuherzig lächelte er sie an und hob fragend die Augenbrauen. Margrit errötete.
»Doch, sicher will ich das. Es ist nur etwas schwierig für mich, zuhause wegzukommen. Aber ich rufe dich an, ganz bestimmt. Willst du meine Nummer auch?«
Peter lachte. Wie herrlich naiv sie doch war. Aber er nickte und notierte sich die Nummer. Nun konnte auch er Margrit erreichen und musste nichts dem Zufall überlassen. Vor der Tür des STILVOLL verabschiedeten sich die beiden jungen Leute voneinander. Wie selbstverständlich umarmte Peter das junge Mädchen und küsste sie auf beide Wangen. Margrit hielt vor Aufregung den Atem an. Diese Umarmung war viel zu kurz, aber sie löste sich trotzdem rasch und sah sich um. Nicht auszudenken, wenn sie jemand gesehen hätte und ihren Eltern erzählen würde, Margrit hätte in den Armen eines Mannes vor dem STILVOLL gestanden. Aber da war niemand, den sie kannte und so lächelte sie Peter noch einmal an.
»Danke für den schönen Nachmittag. Bis bald.«
Dann drehte sie sich um und ging rasch über den Marktplatz davon. Sie fühlte sich beschwingt und seltsam glücklich. Auf dem Nachhauseweg sah sie in ihren Taschenspiegel. Hoffentlich fragte Mama nicht, wie sie den Nachmittag verbracht hatte. Margrit hasste es, ihre Mutter anzulügen, aber um Peter wiederzusehen, war ihr jede Lüge der Welt recht.
Fünf Jahre zuvor ...
Gitta und Tom tanzten ausgelassen bis weit nach Mitternacht. Irgendwann sah Tom zur Uhr.»Liebes, es ist fast halb zwei und wir haben noch eine gute halbe Stunde Fahrt vor uns. Meinst du nicht, wir sollten langsam aufbrechen?«
Gitta und Tom tanzten ausgelassen bis weit nach Mitternacht. Irgendwann sah Tom zur Uhr.
»Liebes, es ist fast halb zwei und wir haben noch eine gute halbe Stunde Fahrt vor uns. Meinst du nicht, wir sollten langsam aufbrechen?«
Gitta seufzte. Tom war immer so vernünftig, aber genau dafür liebte sie ihn ja auch so sehr. Sie nickte und nahm ihre Tasche. Arm in Arm verließen beide die immer noch gut gefüllte Disco und gingen zum Parkplatz. Der Parkplatz lag fast im Dunklen und Tom achtete sorgfältig darauf, dass Gitta nicht stolperte. Er war völlig ahnungslos, als ihn plötzlich ein Schlag von hinten auf den Kopf traf. Er ging zu Boden und auch Gitta strauchelte. Sie wollte sich gerade umdrehen und nachschauen, was passiert war, als sie von hinten gepackt wurde. Panik machte sich in der jungen Frau breit, aber bevor sie um Hilfe schreien konnte, wurde ihr eine Hand brutal auf den Mund gepresst. Eine leise Stimme zischte:
»Kein Wort oder dein Freund ist sofort tot. Kapiert?«
Gitta nickte und Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie sah Tom am Boden liegen, offensichtlich bewusstlos. Der Mann hinter ihr trat nach Tom, aber der rührte sich nicht.
»Bitte«, flehte Gitta unter Tränen, «bitte lassen Sie uns doch in Ruhe. Nehmen Sie unser Geld oder was immer Sie wollen und lassen